ächtlichen Minen und scharpfen Verweissungen viel empfahen, also daß mich dieser unwirsche Menschenbaum vertrieben; Wobey ich ge- dachte derjenige der ihn gepflantzet, könne ihn unmöglich lassen, der habe ihn auch lieber als er sich selbst habe, wie auch geschahe.
§. 9. Jch gieng abermahl zu einem anderen, der etwas weiters ge-Das zweyte Exempel. kommen, und bereits etwelche Früchte zeigete, sie waren aber graß- grün und sehr herb; Dieser fieng auch an zu zweiflen, ob er nicht etwan einen unrechten Weg eingeschlagen, und ware sehr verlegen jamme- rend; Ob dieses dann die bons Chretiens, d. i. die Christ-Früchte seyen, man scheuete sich ja selbe einem Bettler vorzulegen, will ge- schweigen dem grossen König aufzutragen: Jch wußte auch diesem nichts zu sagen, als er solte noch mehr Hitz und Glantz von der Son- ne einnehmen, noch mehr himmlisches Wasser einsaugen: welchem einfältigen Rath er gehorchte, und wurde endlich seines Wunsches gewähret; Die Früchte wurden je länger je zeitiger und grösser biß sie gantz mild durchaus süß und gold-gelb wurden, daß es eine Lust zu sehen ware, und sich jederman verwunderte über der grossen Verän- derung, daß der vor wenig Monaten noch gantz und bluttnackende Baum, nun so überaus lieblich geziert und geschmücket ware, und fragten ihn, wie er dazu gekommen wäre; er gab zur Antwort: da hat der Himmel das beste an mir gethan; Ach sehet nicht auf mich, dann ich mir selbst gelassen, hätte nicht vermögen ein Blat hervor- zubringen; Also fieng man an die ewige Sonne JEsum hoch zu prei- sen; dann ihre volle Krafft ware biß dahin ziemlich unbekannt; wie wohl ihre alles Böse vertreibende und alles Gute mittheilende, sieg- reiche, milthätige Einflüsse schon vor vielen 100. Jahren, herrliche Wunder-Bäume erschaffen, so waren sie in dieser Gegend nicht mehr vorhanden, dann der König hatte selbige gar nahe an seinen Pallast versetzen lassen, damit er sich an ihnen auch unter den Fensteren ste- hend erlustigen könnte, und weilen man von diesen himmlischen Ge- wächsen nur etwas weniges in alten Schrifften lase, so achteten es die dürren Stöder, und stachlechte Dornsträuch wenig, und urtheil- ten fast einhellig; dieses gehöre auch unter die Secret und Natur-Ge- heimnissen der alten Zeiten, so verlohren gangen, eben wie die Pur- pur-Farb und der Balsam von Jericho; Aber einen so zierlich ge- schmückten Baum in ihrer Mitte zu sehen, beschämte sie etwelcher mas- sen, gleichwohl verhärteten sich viele im Unglaub.
§. 10. Es
A a a 3
Der geiſtliche Fruͤhling.
aͤchtlichen Minen und ſcharpfen Verweiſſungen viel empfahen, alſo daß mich dieſer unwirſche Menſchenbaum vertrieben; Wobey ich ge- dachte derjenige der ihn gepflantzet, koͤnne ihn unmoͤglich laſſen, der habe ihn auch lieber als er ſich ſelbſt habe, wie auch geſchahe.
§. 9. Jch gieng abermahl zu einem anderen, der etwas weiters ge-Das zweyte Exempel. kommen, und bereits etwelche Fruͤchte zeigete, ſie waren aber graß- gruͤn und ſehr herb; Dieſer fieng auch an zu zweiflen, ob er nicht etwan einen unrechten Weg eingeſchlagen, und ware ſehr verlegen jamme- rend; Ob dieſes dann die bons Chretiens, d. i. die Chriſt-Fruͤchte ſeyen, man ſcheuete ſich ja ſelbe einem Bettler vorzulegen, will ge- ſchweigen dem groſſen Koͤnig aufzutragen: Jch wußte auch dieſem nichts zu ſagen, als er ſolte noch mehr Hitz und Glantz von der Son- ne einnehmen, noch mehr himmliſches Waſſer einſaugen: welchem einfaͤltigen Rath er gehorchte, und wurde endlich ſeines Wunſches gewaͤhret; Die Fruͤchte wurden je laͤnger je zeitiger und groͤſſer biß ſie gantz mild durchaus ſuͤß und gold-gelb wurden, daß es eine Luſt zu ſehen ware, und ſich jederman verwunderte uͤber der groſſen Veraͤn- derung, daß der vor wenig Monaten noch gantz und bluttnackende Baum, nun ſo uͤberaus lieblich geziert und geſchmuͤcket ware, und fragten ihn, wie er dazu gekommen waͤre; er gab zur Antwort: da hat der Himmel das beſte an mir gethan; Ach ſehet nicht auf mich, dann ich mir ſelbſt gelaſſen, haͤtte nicht vermoͤgen ein Blat hervor- zubringen; Alſo fieng man an die ewige Sonne JEſum hoch zu prei- ſen; dann ihre volle Krafft ware biß dahin ziemlich unbekannt; wie wohl ihre alles Boͤſe vertreibende und alles Gute mittheilende, ſieg- reiche, milthaͤtige Einfluͤſſe ſchon vor vielen 100. Jahren, herrliche Wunder-Baͤume erſchaffen, ſo waren ſie in dieſer Gegend nicht mehr vorhanden, dann der Koͤnig hatte ſelbige gar nahe an ſeinen Pallaſt verſetzen laſſen, damit er ſich an ihnen auch unter den Fenſteren ſte- hend erluſtigen koͤnnte, und weilen man von dieſen himmliſchen Ge- waͤchſen nur etwas weniges in alten Schrifften laſe, ſo achteten es die duͤrren Stoͤder, und ſtachlechte Dornſtraͤuch wenig, und urtheil- ten faſt einhellig; dieſes gehoͤre auch unter die Secret und Natur-Ge- heimniſſen der alten Zeiten, ſo verlohren gangen, eben wie die Pur- pur-Farb und der Balſam von Jericho; Aber einen ſo zierlich ge- ſchmuͤckten Baum in ihrer Mitte zu ſehen, beſchaͤmte ſie etwelcher maſ- ſen, gleichwohl verhaͤrteten ſich viele im Unglaub.
§. 10. Es
A a a 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0469"n="373"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der geiſtliche Fruͤhling.</hi></fw><lb/>
aͤchtlichen Minen und ſcharpfen Verweiſſungen viel empfahen, alſo<lb/>
daß mich dieſer unwirſche Menſchenbaum vertrieben; Wobey ich ge-<lb/>
dachte derjenige der ihn gepflantzet, koͤnne ihn unmoͤglich laſſen, der<lb/>
habe ihn auch lieber als er ſich ſelbſt habe, wie auch geſchahe.</p><lb/><p><hirendition="#i">§.</hi> 9. Jch gieng abermahl zu einem anderen, der etwas weiters ge-<noteplace="right">Das<lb/>
zweyte<lb/>
Exempel.</note><lb/>
kommen, und bereits etwelche Fruͤchte zeigete, ſie waren aber graß-<lb/>
gruͤn und ſehr herb; Dieſer fieng auch an zu zweiflen, ob er nicht etwan<lb/>
einen unrechten Weg eingeſchlagen, und ware ſehr verlegen jamme-<lb/>
rend; Ob dieſes dann die <hirendition="#aq">bons Chretiens,</hi> d. i. die Chriſt-Fruͤchte<lb/>ſeyen, man ſcheuete ſich ja ſelbe einem Bettler vorzulegen, will ge-<lb/>ſchweigen dem groſſen Koͤnig aufzutragen: Jch wußte auch dieſem<lb/>
nichts zu ſagen, als er ſolte noch mehr Hitz und Glantz von der Son-<lb/>
ne einnehmen, noch mehr himmliſches Waſſer einſaugen: welchem<lb/>
einfaͤltigen Rath er gehorchte, und wurde endlich ſeines Wunſches<lb/>
gewaͤhret; Die Fruͤchte wurden je laͤnger je zeitiger und groͤſſer biß ſie<lb/>
gantz mild durchaus ſuͤß und gold-gelb wurden, daß es eine Luſt zu<lb/>ſehen ware, und ſich jederman verwunderte uͤber der groſſen Veraͤn-<lb/>
derung, daß der vor wenig Monaten noch gantz und bluttnackende<lb/>
Baum, nun ſo uͤberaus lieblich geziert und geſchmuͤcket ware, und<lb/>
fragten ihn, wie er dazu gekommen waͤre; er gab zur Antwort: da<lb/>
hat der Himmel das beſte an mir gethan; Ach ſehet nicht auf mich,<lb/>
dann ich mir ſelbſt gelaſſen, haͤtte nicht vermoͤgen ein Blat hervor-<lb/>
zubringen; Alſo fieng man an die ewige Sonne JEſum hoch zu prei-<lb/>ſen; dann ihre volle Krafft ware biß dahin ziemlich unbekannt; wie<lb/>
wohl ihre alles Boͤſe vertreibende und alles Gute mittheilende, ſieg-<lb/>
reiche, milthaͤtige Einfluͤſſe ſchon vor vielen 100. Jahren, herrliche<lb/>
Wunder-Baͤume erſchaffen, ſo waren ſie in dieſer Gegend nicht mehr<lb/>
vorhanden, dann der Koͤnig hatte ſelbige gar nahe an ſeinen Pallaſt<lb/>
verſetzen laſſen, damit er ſich an ihnen auch unter den Fenſteren ſte-<lb/>
hend erluſtigen koͤnnte, und weilen man von dieſen himmliſchen Ge-<lb/>
waͤchſen nur etwas weniges in alten Schrifften laſe, ſo achteten es<lb/>
die duͤrren Stoͤder, und ſtachlechte Dornſtraͤuch wenig, und urtheil-<lb/>
ten faſt einhellig; dieſes gehoͤre auch unter die Secret und Natur-Ge-<lb/>
heimniſſen der alten Zeiten, ſo verlohren gangen, eben wie die Pur-<lb/>
pur-Farb und der Balſam von Jericho; Aber einen ſo zierlich ge-<lb/>ſchmuͤckten Baum in ihrer Mitte zu ſehen, beſchaͤmte ſie etwelcher maſ-<lb/>ſen, gleichwohl verhaͤrteten ſich viele im Unglaub.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a a 3</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#i">§.</hi> 10. Es</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[373/0469]
Der geiſtliche Fruͤhling.
aͤchtlichen Minen und ſcharpfen Verweiſſungen viel empfahen, alſo
daß mich dieſer unwirſche Menſchenbaum vertrieben; Wobey ich ge-
dachte derjenige der ihn gepflantzet, koͤnne ihn unmoͤglich laſſen, der
habe ihn auch lieber als er ſich ſelbſt habe, wie auch geſchahe.
§. 9. Jch gieng abermahl zu einem anderen, der etwas weiters ge-
kommen, und bereits etwelche Fruͤchte zeigete, ſie waren aber graß-
gruͤn und ſehr herb; Dieſer fieng auch an zu zweiflen, ob er nicht etwan
einen unrechten Weg eingeſchlagen, und ware ſehr verlegen jamme-
rend; Ob dieſes dann die bons Chretiens, d. i. die Chriſt-Fruͤchte
ſeyen, man ſcheuete ſich ja ſelbe einem Bettler vorzulegen, will ge-
ſchweigen dem groſſen Koͤnig aufzutragen: Jch wußte auch dieſem
nichts zu ſagen, als er ſolte noch mehr Hitz und Glantz von der Son-
ne einnehmen, noch mehr himmliſches Waſſer einſaugen: welchem
einfaͤltigen Rath er gehorchte, und wurde endlich ſeines Wunſches
gewaͤhret; Die Fruͤchte wurden je laͤnger je zeitiger und groͤſſer biß ſie
gantz mild durchaus ſuͤß und gold-gelb wurden, daß es eine Luſt zu
ſehen ware, und ſich jederman verwunderte uͤber der groſſen Veraͤn-
derung, daß der vor wenig Monaten noch gantz und bluttnackende
Baum, nun ſo uͤberaus lieblich geziert und geſchmuͤcket ware, und
fragten ihn, wie er dazu gekommen waͤre; er gab zur Antwort: da
hat der Himmel das beſte an mir gethan; Ach ſehet nicht auf mich,
dann ich mir ſelbſt gelaſſen, haͤtte nicht vermoͤgen ein Blat hervor-
zubringen; Alſo fieng man an die ewige Sonne JEſum hoch zu prei-
ſen; dann ihre volle Krafft ware biß dahin ziemlich unbekannt; wie
wohl ihre alles Boͤſe vertreibende und alles Gute mittheilende, ſieg-
reiche, milthaͤtige Einfluͤſſe ſchon vor vielen 100. Jahren, herrliche
Wunder-Baͤume erſchaffen, ſo waren ſie in dieſer Gegend nicht mehr
vorhanden, dann der Koͤnig hatte ſelbige gar nahe an ſeinen Pallaſt
verſetzen laſſen, damit er ſich an ihnen auch unter den Fenſteren ſte-
hend erluſtigen koͤnnte, und weilen man von dieſen himmliſchen Ge-
waͤchſen nur etwas weniges in alten Schrifften laſe, ſo achteten es
die duͤrren Stoͤder, und ſtachlechte Dornſtraͤuch wenig, und urtheil-
ten faſt einhellig; dieſes gehoͤre auch unter die Secret und Natur-Ge-
heimniſſen der alten Zeiten, ſo verlohren gangen, eben wie die Pur-
pur-Farb und der Balſam von Jericho; Aber einen ſo zierlich ge-
ſchmuͤckten Baum in ihrer Mitte zu ſehen, beſchaͤmte ſie etwelcher maſ-
ſen, gleichwohl verhaͤrteten ſich viele im Unglaub.
Das
zweyte
Exempel.
§. 10. Es
A a a 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/469>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.