ich ihn einmahl habe, er in mir lebe und würcke was GOtt gefäl- lig ist, und mir recht selig, aber wann ich meyne ich seye am besten dran, und werde bald diese lieb-würdigste Rosen können abbrechen, so kommt ein Dorn und sticht mich, es laufft mir bald diß bald das übern Weg, das mich von der so nahen Seeligkeit zurück stoßt; Jetz sticht mich Zorn, Zanck, Neyd, jetzt brennt mich die Nessel der fleischlichen Lust, daß ich dann die Hand alsbald wieder zurück zie- hen muß. Ach wäre ich nur an einem andern Ort, und bey anderen Leuthen, hier kan ich mich nicht bekehren, es gibt nichts draus, ich habe schon manchmahlen wollen versuchen, aber werde allemahl wie- der dran gehindert, daß ichs aufgeben muß wann ich nur könnte; Aber JEsus locket mich immer aufs neue an sich, spieglet mir seine Seeligkeit, und machet mich immer unruhiger, durch den verborge- nen Liebes-Trieb seines guten Geistes, ach könnte ich gnug betten, dem ungestört abwarten, in der Einsamkeit leben; Da wollte ich hoffen, es gebe etwas und ich käme endlich dazu, daß ich JESU süsses Heyl umfangen, und er meine Seel gantz einnehmen könnte, da wäre mir einsten recht wohl.
Durch was für Betrach- tungen man dieses erhalten könne.
§. 8. Antw. Dificilia quae pulcra, d. i. was schön und köstlich ist, ist auch schwehr zu bekommen: Glaube vor allen Dingen, als unge- zweiflet, daß alle dein Verlangen nach JEsu von GOtt kommt, und daß er Gedancken des Friedens über dich habe, und daß er alle seine Heiligen wunderlich führe, einen Weg den sie nicht kennen, wie Jsrael in der Wüste; Wann es dir scheint, es seye alles verdorben, so stehets offt am besten mit dir; alle diese Reitzungen und Ritzen der Dornen, schärpfen nur die Begierden nach Christo, und ob schon es dir vorkommt alle deine Gebetter werden durch dergleichen Zufäl- le vereitlet, so glaube du das nicht, sondern du wirst nur dadurch in die Selbst-Erkanntniß eingeführt, vom Eigendünckel ausgelährt, und kommst endlich auf den rechten Platz, da JEsus sich aufs seligste und reichlichste schencket, dieser Platz ist die Vernichtigung seiner selbst, und Aufopferung in GOttes Willen: Nimme dann alle Dornstiche, alle Abtödtung, alle Aengstigung, Züchtigungen und Demüthigungen an, als so viele Beförderungen zu JEsu, nimme sie gantz williglich und demüthiglich an von GOttes Hand, als gewisse Pfänder, die Ro- se des Himmelreichs werde dir eigentlich heut oder morgen zugestellt werden; halte dich nur nicht lang auf mit den Dörnlein der Wider-
ligkeiten,
Der geiſtliche Fruͤhling.
ich ihn einmahl habe, er in mir lebe und wuͤrcke was GOtt gefaͤl- lig iſt, und mir recht ſelig, aber wann ich meyne ich ſeye am beſten dran, und werde bald dieſe lieb-wuͤrdigſte Roſen koͤnnen abbrechen, ſo kommt ein Dorn und ſticht mich, es laufft mir bald diß bald das uͤbern Weg, das mich von der ſo nahen Seeligkeit zuruͤck ſtoßt; Jetz ſticht mich Zorn, Zanck, Neyd, jetzt brennt mich die Neſſel der fleiſchlichen Luſt, daß ich dann die Hand alsbald wieder zuruͤck zie- hen muß. Ach waͤre ich nur an einem andern Ort, und bey anderen Leuthen, hier kan ich mich nicht bekehren, es gibt nichts draus, ich habe ſchon manchmahlen wollen verſuchen, aber werde allemahl wie- der dran gehindert, daß ichs aufgeben muß wann ich nur koͤnnte; Aber JEſus locket mich immer aufs neue an ſich, ſpieglet mir ſeine Seeligkeit, und machet mich immer unruhiger, durch den verborge- nen Liebes-Trieb ſeines guten Geiſtes, ach koͤnnte ich gnug betten, dem ungeſtoͤrt abwarten, in der Einſamkeit leben; Da wollte ich hoffen, es gebe etwas und ich kaͤme endlich dazu, daß ich JESU ſuͤſſes Heyl umfangen, und er meine Seel gantz einnehmen koͤnnte, da waͤre mir einſten recht wohl.
Durch was fuͤr Betrach- tungen man dieſes erhalten koͤnne.
§. 8. Antw. Dificilia quæ pulcra, d. i. was ſchoͤn und koͤſtlich iſt, iſt auch ſchwehr zu bekommen: Glaube vor allen Dingen, als unge- zweiflet, daß alle dein Verlangen nach JEſu von GOtt kommt, und daß er Gedancken des Friedens uͤber dich habe, und daß er alle ſeine Heiligen wunderlich fuͤhre, einen Weg den ſie nicht kennen, wie Jſrael in der Wuͤſte; Wann es dir ſcheint, es ſeye alles verdorben, ſo ſtehets offt am beſten mit dir; alle dieſe Reitzungen und Ritzen der Dornen, ſchaͤrpfen nur die Begierden nach Chriſto, und ob ſchon es dir vorkommt alle deine Gebetter werden durch dergleichen Zufaͤl- le vereitlet, ſo glaube du das nicht, ſondern du wirſt nur dadurch in die Selbſt-Erkanntniß eingefuͤhrt, vom Eigenduͤnckel ausgelaͤhrt, und kommſt endlich auf den rechten Platz, da JEſus ſich aufs ſeligſte und reichlichſte ſchencket, dieſer Platz iſt die Vernichtigung ſeiner ſelbſt, und Aufopferung in GOttes Willen: Nimme dann alle Dornſtiche, alle Abtoͤdtung, alle Aengſtigung, Zuͤchtigungen und Demuͤthigungen an, als ſo viele Befoͤrderungen zu JEſu, nimme ſie gantz williglich und demuͤthiglich an von GOttes Hand, als gewiſſe Pfaͤnder, die Ro- ſe des Himmelreichs werde dir eigentlich heut oder morgen zugeſtellt werden; halte dich nur nicht lang auf mit den Doͤrnlein der Wider-
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Der geiſtliche Fruͤhling.
ich ihn einmahl habe, er in mir lebe und wuͤrcke was GOtt gefaͤl-
lig iſt, und mir recht ſelig, aber wann ich meyne ich ſeye am beſten
dran, und werde bald dieſe lieb-wuͤrdigſte Roſen koͤnnen abbrechen,
ſo kommt ein Dorn und ſticht mich, es laufft mir bald diß bald das
uͤbern Weg, das mich von der ſo nahen Seeligkeit zuruͤck ſtoßt; Jetz
ſticht mich Zorn, Zanck, Neyd, jetzt brennt mich die Neſſel der
fleiſchlichen Luſt, daß ich dann die Hand alsbald wieder zuruͤck zie-
hen muß. Ach waͤre ich nur an einem andern Ort, und bey anderen
Leuthen, hier kan ich mich nicht bekehren, es gibt nichts draus, ich
habe ſchon manchmahlen wollen verſuchen, aber werde allemahl wie-
der dran gehindert, daß ichs aufgeben muß wann ich nur koͤnnte;
Aber JEſus locket mich immer aufs neue an ſich, ſpieglet mir ſeine
Seeligkeit, und machet mich immer unruhiger, durch den verborge-
nen Liebes-Trieb ſeines guten Geiſtes, ach koͤnnte ich gnug betten,
dem ungeſtoͤrt abwarten, in der Einſamkeit leben; Da wollte ich
hoffen, es gebe etwas und ich kaͤme endlich dazu, daß ich JESU
ſuͤſſes Heyl umfangen, und er meine Seel gantz einnehmen koͤnnte,
da waͤre mir einſten recht wohl.
§. 8. Antw. Dificilia quæ pulcra, d. i. was ſchoͤn und koͤſtlich iſt,
iſt auch ſchwehr zu bekommen: Glaube vor allen Dingen, als unge-
zweiflet, daß alle dein Verlangen nach JEſu von GOtt kommt,
und daß er Gedancken des Friedens uͤber dich habe, und daß er alle
ſeine Heiligen wunderlich fuͤhre, einen Weg den ſie nicht kennen, wie
Jſrael in der Wuͤſte; Wann es dir ſcheint, es ſeye alles verdorben,
ſo ſtehets offt am beſten mit dir; alle dieſe Reitzungen und Ritzen der
Dornen, ſchaͤrpfen nur die Begierden nach Chriſto, und ob ſchon
es dir vorkommt alle deine Gebetter werden durch dergleichen Zufaͤl-
le vereitlet, ſo glaube du das nicht, ſondern du wirſt nur dadurch in
die Selbſt-Erkanntniß eingefuͤhrt, vom Eigenduͤnckel ausgelaͤhrt,
und kommſt endlich auf den rechten Platz, da JEſus ſich aufs ſeligſte und
reichlichſte ſchencket, dieſer Platz iſt die Vernichtigung ſeiner ſelbſt,
und Aufopferung in GOttes Willen: Nimme dann alle Dornſtiche,
alle Abtoͤdtung, alle Aengſtigung, Zuͤchtigungen und Demuͤthigungen
an, als ſo viele Befoͤrderungen zu JEſu, nimme ſie gantz williglich
und demuͤthiglich an von GOttes Hand, als gewiſſe Pfaͤnder, die Ro-
ſe des Himmelreichs werde dir eigentlich heut oder morgen zugeſtellt
werden; halte dich nur nicht lang auf mit den Doͤrnlein der Wider-
ligkeiten,
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/442>, abgerufen am 22.11.2024.
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