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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der geistliche Frühling.
Früchten
der Buß
zu tragen.
thorecht als ein Gärtner, der das pflantzen, zweygen, pfropfen, be-
schneiden, bedüngen wollte bleiben lassen, und nur dürre Stecken hin
und her einstecken, sich verlassende auf Aarons Ruthe, die in einer
Nacht gegrünet, Bollen, Blühte und Mandlen getragen a; Aus-
serordentliche Wundergeschichte sind in keine Folge zu ziehen; Wer
sich nicht in GOttes wohlgegründete Ordnung richten will, wie er
sie uns in H. Schrifft offenbahret, wird dann zu spat sein Eigensinn
bereuen; Wir müssen uns ja vor so jungen Bäumlein schämen, ja
vor den Dornhecken selbst, die noch schön gesundes Blust haben,
und wir haben schon so manchen Frühling erlebt, und die Himmli-
sche Begierden wollen sich nirgends hervor thun. Es scheint wohl
einiges Safft des Christenthums und der Frommkeit da zu seyn,
aber es ist nicht vom heiligen Geist, sondern nur aus falschen irrdi-
schen Absichten, schöne Wort, ein heuchlerisches Geschwätz; aber
keine Frücht; die Sturmwinde der Anfechtung wehen das Blust ab,
daß unzähliche Ungeziefer von tausenderley Versuchungen verwüstet
allen den hüpschen Schein, daß die wahre Selbst-Verläugnung,
Welt-Verschmähung und himmlisch Leben niemahls erfolget, son-
dern es bleibt bey einigen geringfügigen Wercklein die JEsum nicht
verherrlichen, sondern nur eine schlechte Ehr von den Leuten zuwe-
gen bringen, als lebte man, indessen alles vor GOTT todt ist b.

Wie leicht
man ver-
führet
werde.

§. 16. Es besinne sich ein jeder, wie viel gute Vorsätz er sich ge-
macht, wie offt nach geistlicher Fruchtbarkeit und des Feindes loß
zu seyn, er geseuffzet, da alles vereitlet und zernichtet worden, weil
er dieses alles nicht als gute Lockungen aus GOtt zu seyn erkannt, ihne
darüber nicht demüthig gepriesen, auch wenig Sorge darzu getragen,
als zu der allerkostbarsten Sache, sich nicht im gläubigen Gebett zu
GOtt gegen des Feindes listige Anläuffe und Aufsätze verwahret,
damit ihn der Arge nicht antasten, sondern ihn lustig an sich kom-
men, und alle Ursprünge der ewigen Glückseeligkeit leichtsinniger
weise wegrauben lassen. Solche mögen wohl denen im Winter ein-
gestellten Meyen, gleich seyn, die zwar schön Laub und Blust brin-
gen, aber keine Wurtzel des Glaubens haben, den wahren Gnaden-
Safft zu erreichen in GOtt, sie haben auch nur eine falsche mensch-
liche selbst gemachte Wärme, so sie treibt, müssen also zuletzt noth-
wendig verdorren.

Das
a Num. XVII.
b Apoc. III.

Der geiſtliche Fruͤhling.
Fruͤchten
der Buß
zu tragen.
thorecht als ein Gaͤrtner, der das pflantzen, zweygen, pfropfen, be-
ſchneiden, beduͤngen wollte bleiben laſſen, und nur duͤrre Stecken hin
und her einſtecken, ſich verlaſſende auf Aarons Ruthe, die in einer
Nacht gegruͤnet, Bollen, Bluͤhte und Mandlen getragen a; Auſ-
ſerordentliche Wundergeſchichte ſind in keine Folge zu ziehen; Wer
ſich nicht in GOttes wohlgegruͤndete Ordnung richten will, wie er
ſie uns in H. Schrifft offenbahret, wird dann zu ſpat ſein Eigenſinn
bereuen; Wir muͤſſen uns ja vor ſo jungen Baͤumlein ſchaͤmen, ja
vor den Dornhecken ſelbſt, die noch ſchoͤn geſundes Bluſt haben,
und wir haben ſchon ſo manchen Fruͤhling erlebt, und die Himmli-
ſche Begierden wollen ſich nirgends hervor thun. Es ſcheint wohl
einiges Safft des Chriſtenthums und der Frommkeit da zu ſeyn,
aber es iſt nicht vom heiligen Geiſt, ſondern nur aus falſchen irrdi-
ſchen Abſichten, ſchoͤne Wort, ein heuchleriſches Geſchwaͤtz; aber
keine Fruͤcht; die Sturmwinde der Anfechtung wehen das Bluſt ab,
daß unzaͤhliche Ungeziefer von tauſenderley Verſuchungen verwuͤſtet
allen den huͤpſchen Schein, daß die wahre Selbſt-Verlaͤugnung,
Welt-Verſchmaͤhung und himmliſch Leben niemahls erfolget, ſon-
dern es bleibt bey einigen geringfuͤgigen Wercklein die JEſum nicht
verherrlichen, ſondern nur eine ſchlechte Ehr von den Leuten zuwe-
gen bringen, als lebte man, indeſſen alles vor GOTT todt iſt b.

Wie leicht
man ver-
fuͤhret
werde.

§. 16. Es beſinne ſich ein jeder, wie viel gute Vorſaͤtz er ſich ge-
macht, wie offt nach geiſtlicher Fruchtbarkeit und des Feindes loß
zu ſeyn, er geſeuffzet, da alles vereitlet und zernichtet worden, weil
er dieſes alles nicht als gute Lockungen aus GOtt zu ſeyn erkannt, ihne
daruͤber nicht demuͤthig geprieſen, auch wenig Sorge darzu getragen,
als zu der allerkoſtbarſten Sache, ſich nicht im glaͤubigen Gebett zu
GOtt gegen des Feindes liſtige Anlaͤuffe und Aufſaͤtze verwahret,
damit ihn der Arge nicht antaſten, ſondern ihn luſtig an ſich kom-
men, und alle Urſpruͤnge der ewigen Gluͤckſeeligkeit leichtſinniger
weiſe wegrauben laſſen. Solche moͤgen wohl denen im Winter ein-
geſtellten Meyen, gleich ſeyn, die zwar ſchoͤn Laub und Bluſt brin-
gen, aber keine Wurtzel des Glaubens haben, den wahren Gnaden-
Safft zu erreichen in GOtt, ſie haben auch nur eine falſche menſch-
liche ſelbſt gemachte Waͤrme, ſo ſie treibt, muͤſſen alſo zuletzt noth-
wendig verdorren.

Das
a Num. XVII.
b Apoc. III.
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[308/0404] Der geiſtliche Fruͤhling. thorecht als ein Gaͤrtner, der das pflantzen, zweygen, pfropfen, be- ſchneiden, beduͤngen wollte bleiben laſſen, und nur duͤrre Stecken hin und her einſtecken, ſich verlaſſende auf Aarons Ruthe, die in einer Nacht gegruͤnet, Bollen, Bluͤhte und Mandlen getragen a; Auſ- ſerordentliche Wundergeſchichte ſind in keine Folge zu ziehen; Wer ſich nicht in GOttes wohlgegruͤndete Ordnung richten will, wie er ſie uns in H. Schrifft offenbahret, wird dann zu ſpat ſein Eigenſinn bereuen; Wir muͤſſen uns ja vor ſo jungen Baͤumlein ſchaͤmen, ja vor den Dornhecken ſelbſt, die noch ſchoͤn geſundes Bluſt haben, und wir haben ſchon ſo manchen Fruͤhling erlebt, und die Himmli- ſche Begierden wollen ſich nirgends hervor thun. Es ſcheint wohl einiges Safft des Chriſtenthums und der Frommkeit da zu ſeyn, aber es iſt nicht vom heiligen Geiſt, ſondern nur aus falſchen irrdi- ſchen Abſichten, ſchoͤne Wort, ein heuchleriſches Geſchwaͤtz; aber keine Fruͤcht; die Sturmwinde der Anfechtung wehen das Bluſt ab, daß unzaͤhliche Ungeziefer von tauſenderley Verſuchungen verwuͤſtet allen den huͤpſchen Schein, daß die wahre Selbſt-Verlaͤugnung, Welt-Verſchmaͤhung und himmliſch Leben niemahls erfolget, ſon- dern es bleibt bey einigen geringfuͤgigen Wercklein die JEſum nicht verherrlichen, ſondern nur eine ſchlechte Ehr von den Leuten zuwe- gen bringen, als lebte man, indeſſen alles vor GOTT todt iſt b. Fruͤchten der Buß zu tragen. §. 16. Es beſinne ſich ein jeder, wie viel gute Vorſaͤtz er ſich ge- macht, wie offt nach geiſtlicher Fruchtbarkeit und des Feindes loß zu ſeyn, er geſeuffzet, da alles vereitlet und zernichtet worden, weil er dieſes alles nicht als gute Lockungen aus GOtt zu ſeyn erkannt, ihne daruͤber nicht demuͤthig geprieſen, auch wenig Sorge darzu getragen, als zu der allerkoſtbarſten Sache, ſich nicht im glaͤubigen Gebett zu GOtt gegen des Feindes liſtige Anlaͤuffe und Aufſaͤtze verwahret, damit ihn der Arge nicht antaſten, ſondern ihn luſtig an ſich kom- men, und alle Urſpruͤnge der ewigen Gluͤckſeeligkeit leichtſinniger weiſe wegrauben laſſen. Solche moͤgen wohl denen im Winter ein- geſtellten Meyen, gleich ſeyn, die zwar ſchoͤn Laub und Bluſt brin- gen, aber keine Wurtzel des Glaubens haben, den wahren Gnaden- Safft zu erreichen in GOtt, ſie haben auch nur eine falſche menſch- liche ſelbſt gemachte Waͤrme, ſo ſie treibt, muͤſſen alſo zuletzt noth- wendig verdorren. Das a Num. XVII. b Apoc. III.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/404>, abgerufen am 25.11.2024.