Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
lischen Gluckhenne, meine hochfahrende Sinnen zu brechen und weg-
zunehmen. Auch ein andermahl sahe ich 2. Biren an einem Baum,
die einte schiene zeitig zu seyn, hatte eine schöne gelbe Farb, ware
aber, als ich sie wohl besahe eingeschrumpffet und wurmäßig, worü-
ber ich hefftig erschracke, als wann ich die schärffste durchdringendeste
Straf-Predigt gehört hätte, indem es hiesse; ein solches Früchtlein
bist du, du hast wohl den Schein eines GOtt allein anhangenden und
JEsu gantz und gar in allen Dingen ergebenen Menschen, der völlig
reiff seye zur Ewigkeit, aber du bist eine untüchtige Frucht, hast den
Safft des H. Geistes aus JEsu gar schläfferig und saumseelig in
dich gesogen und gezogen, so ist auch dein Jnnwendiges nicht rein,
süß und unvermengt zum Reich GOttes; Du fühlest noch allerhand
widerliches, das dein Jnneres zernagt, das gienge mir so tieff zu
Hertzen, daß ich vermeinte es möchte wohl für ewig versaumt und
gethan seyn mit mir; Gleichwie die unseelige Frucht, die ich vor mir
sähe, in Ewigkeit nicht könne wieder zurecht kommen, allein der H.
Geist tröstete mich alsobald mit diesen Gedancken; sihe, dieser Baum
ist Holtz und kan also das Verdorbene nicht besseren, der Baum
aber an dem du noch mit der Begierde hangest und bekleibest, der
ist GOtt, welcher auch das Todte wieder lebendig machen und er-
gäntzen kan; Jn mir als dem Safft und Geist des ewigen Lebens ist
noch ein Heilungs-Mittel vor dich, das dir wieder aufhelffen kan.
Die andere Bir war noch Graß-grün, aber vollkommen, das stellte
mir vor einen Menschen, der GOtt recht abwarten kan und der rech-
ten Zeit erharren, der nicht den geringsten Schein vor den Leuten
suchet das Gute verbirget und das Böse lieber auswerts kehret und
nur GOtt lebet und es gar nicht achtet, was man von ihm halte,
sondern nur in GOtt eindringet, und immer das Laubhütten-Fest
als die Herbst-Zeit vor Augen hat, daß er alsdann seinem JEsu was
herrliches seye, und biß dahin aller Menschen Urtheil und Geplauder
vor nichts hält. Summa Summarum: wer unter diesem Seelen-
Licht und- Hirten stehet, kan fast kein Creatürlein ansehen, daß sein
Hertz dardurch nicht in die Betrachtung ewiger Dingen und in
GOtt gezogen werde.

Text.
M m 2

Vorrede.
liſchen Gluckhenne, meine hochfahrende Sinnen zu brechen und weg-
zunehmen. Auch ein andermahl ſahe ich 2. Biren an einem Baum,
die einte ſchiene zeitig zu ſeyn, hatte eine ſchoͤne gelbe Farb, ware
aber, als ich ſie wohl beſahe eingeſchrumpffet und wurmaͤßig, woruͤ-
ber ich hefftig erſchracke, als wann ich die ſchaͤrffſte durchdringendeſte
Straf-Predigt gehoͤrt haͤtte, indem es hieſſe; ein ſolches Fruͤchtlein
biſt du, du haſt wohl den Schein eines GOtt allein anhangenden und
JEſu gantz und gar in allen Dingen ergebenen Menſchen, der voͤllig
reiff ſeye zur Ewigkeit, aber du biſt eine untuͤchtige Frucht, haſt den
Safft des H. Geiſtes aus JEſu gar ſchlaͤfferig und ſaumſeelig in
dich geſogen und gezogen, ſo iſt auch dein Jnnwendiges nicht rein,
ſuͤß und unvermengt zum Reich GOttes; Du fuͤhleſt noch allerhand
widerliches, das dein Jnneres zernagt, das gienge mir ſo tieff zu
Hertzen, daß ich vermeinte es moͤchte wohl fuͤr ewig verſaumt und
gethan ſeyn mit mir; Gleichwie die unſeelige Frucht, die ich vor mir
ſaͤhe, in Ewigkeit nicht koͤnne wieder zurecht kommen, allein der H.
Geiſt troͤſtete mich alſobald mit dieſen Gedancken; ſihe, dieſer Baum
iſt Holtz und kan alſo das Verdorbene nicht beſſeren, der Baum
aber an dem du noch mit der Begierde hangeſt und bekleibeſt, der
iſt GOtt, welcher auch das Todte wieder lebendig machen und er-
gaͤntzen kan; Jn mir als dem Safft und Geiſt des ewigen Lebens iſt
noch ein Heilungs-Mittel vor dich, das dir wieder aufhelffen kan.
Die andere Bir war noch Graß-gruͤn, aber vollkommen, das ſtellte
mir vor einen Menſchen, der GOtt recht abwarten kan und der rech-
ten Zeit erharren, der nicht den geringſten Schein vor den Leuten
ſuchet das Gute verbirget und das Boͤſe lieber auswerts kehret und
nur GOtt lebet und es gar nicht achtet, was man von ihm halte,
ſondern nur in GOtt eindringet, und immer das Laubhuͤtten-Feſt
als die Herbſt-Zeit vor Augen hat, daß er alsdann ſeinem JEſu was
herrliches ſeye, und biß dahin aller Menſchen Urtheil und Geplauder
vor nichts haͤlt. Summa Summarum: wer unter dieſem Seelen-
Licht und- Hirten ſtehet, kan faſt kein Creatuͤrlein anſehen, daß ſein
Hertz dardurch nicht in die Betrachtung ewiger Dingen und in
GOtt gezogen werde.

Text.
M m 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0371" n="275"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
li&#x017F;chen Gluckhenne, meine hochfahrende Sinnen zu brechen und weg-<lb/>
zunehmen. Auch ein andermahl &#x017F;ahe ich 2. Biren an einem Baum,<lb/>
die einte &#x017F;chiene zeitig zu &#x017F;eyn, hatte eine &#x017F;cho&#x0364;ne gelbe Farb, ware<lb/>
aber, als ich &#x017F;ie wohl be&#x017F;ahe einge&#x017F;chrumpffet und wurma&#x0364;ßig, woru&#x0364;-<lb/>
ber ich hefftig er&#x017F;chracke, als wann ich die &#x017F;cha&#x0364;rff&#x017F;te durchdringende&#x017F;te<lb/>
Straf-Predigt geho&#x0364;rt ha&#x0364;tte, indem es hie&#x017F;&#x017F;e; ein &#x017F;olches Fru&#x0364;chtlein<lb/>
bi&#x017F;t du, du ha&#x017F;t wohl den Schein eines GOtt allein anhangenden und<lb/>
JE&#x017F;u gantz und gar in allen Dingen ergebenen Men&#x017F;chen, der vo&#x0364;llig<lb/>
reiff &#x017F;eye zur Ewigkeit, aber du bi&#x017F;t eine untu&#x0364;chtige Frucht, ha&#x017F;t den<lb/>
Safft des H. Gei&#x017F;tes aus JE&#x017F;u gar &#x017F;chla&#x0364;fferig und &#x017F;aum&#x017F;eelig in<lb/>
dich ge&#x017F;ogen und gezogen, &#x017F;o i&#x017F;t auch dein Jnnwendiges nicht rein,<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ß und unvermengt zum Reich GOttes; Du fu&#x0364;hle&#x017F;t noch allerhand<lb/>
widerliches, das dein Jnneres zernagt, das gienge mir &#x017F;o tieff zu<lb/>
Hertzen, daß ich vermeinte es mo&#x0364;chte wohl fu&#x0364;r ewig ver&#x017F;aumt und<lb/>
gethan &#x017F;eyn mit mir; Gleichwie die un&#x017F;eelige Frucht, die ich vor mir<lb/>
&#x017F;a&#x0364;he, in Ewigkeit nicht ko&#x0364;nne wieder zurecht kommen, allein der H.<lb/>
Gei&#x017F;t tro&#x0364;&#x017F;tete mich al&#x017F;obald mit die&#x017F;en Gedancken; &#x017F;ihe, die&#x017F;er Baum<lb/>
i&#x017F;t Holtz und kan al&#x017F;o das Verdorbene nicht be&#x017F;&#x017F;eren, der Baum<lb/>
aber an dem du noch mit der Begierde hange&#x017F;t und bekleibe&#x017F;t, der<lb/>
i&#x017F;t GOtt, welcher auch das Todte wieder lebendig machen und er-<lb/>
ga&#x0364;ntzen kan; Jn mir als dem Safft und Gei&#x017F;t des ewigen Lebens i&#x017F;t<lb/>
noch ein Heilungs-Mittel vor dich, das dir wieder aufhelffen kan.<lb/>
Die andere Bir war noch Graß-gru&#x0364;n, aber vollkommen, das &#x017F;tellte<lb/>
mir vor einen Men&#x017F;chen, der GOtt recht abwarten kan und der rech-<lb/>
ten Zeit erharren, der nicht den gering&#x017F;ten Schein vor den Leuten<lb/>
&#x017F;uchet das Gute verbirget und das Bo&#x0364;&#x017F;e lieber auswerts kehret und<lb/>
nur GOtt lebet und es gar nicht achtet, was man von ihm halte,<lb/>
&#x017F;ondern nur in GOtt eindringet, und immer das Laubhu&#x0364;tten-Fe&#x017F;t<lb/>
als die Herb&#x017F;t-Zeit vor Augen hat, daß er alsdann &#x017F;einem JE&#x017F;u was<lb/>
herrliches &#x017F;eye, und biß dahin aller Men&#x017F;chen Urtheil und Geplauder<lb/>
vor nichts ha&#x0364;lt. Summa Summarum: wer unter die&#x017F;em Seelen-<lb/>
Licht und- Hirten &#x017F;tehet, kan fa&#x017F;t kein Creatu&#x0364;rlein an&#x017F;ehen, daß &#x017F;ein<lb/>
Hertz dardurch nicht in die Betrachtung ewiger Dingen und in<lb/>
GOtt gezogen werde.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">M m 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Text.</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0371] Vorrede. liſchen Gluckhenne, meine hochfahrende Sinnen zu brechen und weg- zunehmen. Auch ein andermahl ſahe ich 2. Biren an einem Baum, die einte ſchiene zeitig zu ſeyn, hatte eine ſchoͤne gelbe Farb, ware aber, als ich ſie wohl beſahe eingeſchrumpffet und wurmaͤßig, woruͤ- ber ich hefftig erſchracke, als wann ich die ſchaͤrffſte durchdringendeſte Straf-Predigt gehoͤrt haͤtte, indem es hieſſe; ein ſolches Fruͤchtlein biſt du, du haſt wohl den Schein eines GOtt allein anhangenden und JEſu gantz und gar in allen Dingen ergebenen Menſchen, der voͤllig reiff ſeye zur Ewigkeit, aber du biſt eine untuͤchtige Frucht, haſt den Safft des H. Geiſtes aus JEſu gar ſchlaͤfferig und ſaumſeelig in dich geſogen und gezogen, ſo iſt auch dein Jnnwendiges nicht rein, ſuͤß und unvermengt zum Reich GOttes; Du fuͤhleſt noch allerhand widerliches, das dein Jnneres zernagt, das gienge mir ſo tieff zu Hertzen, daß ich vermeinte es moͤchte wohl fuͤr ewig verſaumt und gethan ſeyn mit mir; Gleichwie die unſeelige Frucht, die ich vor mir ſaͤhe, in Ewigkeit nicht koͤnne wieder zurecht kommen, allein der H. Geiſt troͤſtete mich alſobald mit dieſen Gedancken; ſihe, dieſer Baum iſt Holtz und kan alſo das Verdorbene nicht beſſeren, der Baum aber an dem du noch mit der Begierde hangeſt und bekleibeſt, der iſt GOtt, welcher auch das Todte wieder lebendig machen und er- gaͤntzen kan; Jn mir als dem Safft und Geiſt des ewigen Lebens iſt noch ein Heilungs-Mittel vor dich, das dir wieder aufhelffen kan. Die andere Bir war noch Graß-gruͤn, aber vollkommen, das ſtellte mir vor einen Menſchen, der GOtt recht abwarten kan und der rech- ten Zeit erharren, der nicht den geringſten Schein vor den Leuten ſuchet das Gute verbirget und das Boͤſe lieber auswerts kehret und nur GOtt lebet und es gar nicht achtet, was man von ihm halte, ſondern nur in GOtt eindringet, und immer das Laubhuͤtten-Feſt als die Herbſt-Zeit vor Augen hat, daß er alsdann ſeinem JEſu was herrliches ſeye, und biß dahin aller Menſchen Urtheil und Geplauder vor nichts haͤlt. Summa Summarum: wer unter dieſem Seelen- Licht und- Hirten ſtehet, kan faſt kein Creatuͤrlein anſehen, daß ſein Hertz dardurch nicht in die Betrachtung ewiger Dingen und in GOtt gezogen werde. Text. M m 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/371
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/371>, abgerufen am 24.11.2024.