selben jemahls tödtlich verletzet worden: Also ist auch die Demuth ei- nes beschämten Sünders, der sich vor GOttes Gerechtigkeit ver- nichtiget und der ewigen Verdamnuß sich würdig erkennet, viel tief- fer als Adams seyn könnte, der sich aus Nichts geworden zu seyn erkannte.
§. 3. Dieses alles sahen die Heil. Ertzvätter klar ein im Licht dermahlet die Ge- heimnüs- sen des Gnaden- Reichs ab, Gnaden, alles fanden sie in diesem grossen Welt-Buch als auf einer Tafel vor ihren Augen abgemahlet, und was ihr von JEsu ange- füllter und nach seinen Wunder-Wegen in sein liebreich forschender Geist vor geheime Dinge in der sichtbaren Welt abgeschildert gefun- den, davon hätten sie wie ich glaube wohl grosse Bücher schreiben können; Daher kommts, daß die Reden der Propheten sonderlich aber auch Christi, und der Apostlen meist, und ihre Weise und Red- Arten, womit sie die Göttlichen Dinge des ewigen Reichs un- sers HErren JEsu Christi ausdrucken, meist von Dingen der äus- sern Welt hergenommen sind;
§. 4. Das gantze hohe Lied ist dessen voll, darum sagt jene heiligedessen das hohe Lied Seele, die nicht lesen konnte, GOtt habe ihr um und um Lehrmei- ster zugeordnet, die sie von der Göttlichen Liebe unterrichten, der Wind, das Feuer, die Pflantzen, die Hündlein, Lämmerlein, Vö- gelein etc. alles lehre sie von der ewigen Liebe, alles unterweise sie, sing und sage ihr von JEsu und wie sie sich gegen ihme verhalten sol- le. Der geistreiche Lehrer Arndt sagt ebenmäßig in seinem wahren Christenthum, daß ein erleuchteter, himmlischer Mensch bey allen Geschöpffen, und ihrem Thun und Geschäfften Anlaß nehme an ewi- ge Dinge des Reichs GOttes zu gedencken, ein vortrefflicher Theo- logus des letzt verflossenen Seculi sagt: Certum est nullam inter ope- ra Dei analogiam, & convenientiam ab homine cogitari posse, quam non & Spiritus viderit, & cogitandam exhibere voluerit, quasi proclamando identidem odesophia, o ekhion noounn, ntheito. Ita mun- dus cathedra quasi est in qua creatura omnis sine lingua edisserit bonitatem*Dei atque meditanda praelibat mysteria regni gratiae, nos itaque attentos auditores esse decet. Mundus est theatrum, in quo ludunt quasi varia Spectacula invisibilium Dei virtutum at quo usu si nullus adest Spectator. Gewiß ists, daß keine Gleich-
heit
*Ps. XIX.
M m
Vorrede.
ſelben jemahls toͤdtlich verletzet worden: Alſo iſt auch die Demuth ei- nes beſchaͤmten Suͤnders, der ſich vor GOttes Gerechtigkeit ver- nichtiget und der ewigen Verdamnuß ſich wuͤrdig erkennet, viel tief- fer als Adams ſeyn koͤnnte, der ſich aus Nichts geworden zu ſeyn erkannte.
§. 3. Dieſes alles ſahen die Heil. Ertzvaͤtter klar ein im Licht dermahlet die Ge- heimnuͤſ- ſen des Gnaden- Reichs ab, Gnaden, alles fanden ſie in dieſem groſſen Welt-Buch als auf einer Tafel vor ihren Augen abgemahlet, und was ihr von JEſu ange- fuͤllter und nach ſeinen Wunder-Wegen in ſein liebreich forſchender Geiſt vor geheime Dinge in der ſichtbaren Welt abgeſchildert gefun- den, davon haͤtten ſie wie ich glaube wohl groſſe Buͤcher ſchreiben koͤnnen; Daher kommts, daß die Reden der Propheten ſonderlich aber auch Chriſti, und der Apoſtlen meiſt, und ihre Weiſe und Red- Arten, womit ſie die Goͤttlichen Dinge des ewigen Reichs un- ſers HErren JEſu Chriſti ausdrucken, meiſt von Dingen der aͤuſ- ſern Welt hergenommen ſind;
§. 4. Das gantze hohe Lied iſt deſſen voll, darum ſagt jene heiligedeſſen das hohe Lied Seele, die nicht leſen konnte, GOtt habe ihr um und um Lehrmei- ſter zugeordnet, die ſie von der Goͤttlichen Liebe unterrichten, der Wind, das Feuer, die Pflantzen, die Huͤndlein, Laͤmmerlein, Voͤ- gelein ꝛc. alles lehre ſie von der ewigen Liebe, alles unterweiſe ſie, ſing und ſage ihr von JEſu und wie ſie ſich gegen ihme verhalten ſol- le. Der geiſtreiche Lehrer Arndt ſagt ebenmaͤßig in ſeinem wahren Chriſtenthum, daß ein erleuchteter, himmliſcher Menſch bey allen Geſchoͤpffen, und ihrem Thun und Geſchaͤfften Anlaß nehme an ewi- ge Dinge des Reichs GOttes zu gedencken, ein vortrefflicher Theo- logus des letzt verfloſſenen Seculi ſagt: Certum eſt nullam inter ope- ra Dei analogiam, & convenientiam ab homine cogitari poſſe, quam non & Spiritus viderit, & cogitandam exhibere voluerit, quaſi proclamando identidem ὧδεσοφία, ὁ ἔχιον νοȣ̃ν, νθείτω. Ita mun- dus cathedra quaſi eſt in qua creatura omnis ſine lingua ediſſerit bonitatem*Dei atque meditanda prælibat myſteria regni gratiæ, nos itaque attentos auditores eſſe decet. Mundus eſt theatrum, in quo ludunt quaſi varia Spectacula inviſibilium Dei virtutum at quo uſu ſi nullus adeſt Spectator. Gewiß iſts, daß keine Gleich-
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*Pſ. XIX.
M m
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Vorrede.
ſelben jemahls toͤdtlich verletzet worden: Alſo iſt auch die Demuth ei-
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nichtiget und der ewigen Verdamnuß ſich wuͤrdig erkennet, viel tief-
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erkannte.
§. 3. Dieſes alles ſahen die Heil. Ertzvaͤtter klar ein im Licht der
Gnaden, alles fanden ſie in dieſem groſſen Welt-Buch als auf einer
Tafel vor ihren Augen abgemahlet, und was ihr von JEſu ange-
fuͤllter und nach ſeinen Wunder-Wegen in ſein liebreich forſchender
Geiſt vor geheime Dinge in der ſichtbaren Welt abgeſchildert gefun-
den, davon haͤtten ſie wie ich glaube wohl groſſe Buͤcher ſchreiben
koͤnnen; Daher kommts, daß die Reden der Propheten ſonderlich
aber auch Chriſti, und der Apoſtlen meiſt, und ihre Weiſe und Red-
Arten, womit ſie die Goͤttlichen Dinge des ewigen Reichs un-
ſers HErren JEſu Chriſti ausdrucken, meiſt von Dingen der aͤuſ-
ſern Welt hergenommen ſind;
mahlet
die Ge-
heimnuͤſ-
ſen des
Gnaden-
Reichs ab,
§. 4. Das gantze hohe Lied iſt deſſen voll, darum ſagt jene heilige
Seele, die nicht leſen konnte, GOtt habe ihr um und um Lehrmei-
ſter zugeordnet, die ſie von der Goͤttlichen Liebe unterrichten, der
Wind, das Feuer, die Pflantzen, die Huͤndlein, Laͤmmerlein, Voͤ-
gelein ꝛc. alles lehre ſie von der ewigen Liebe, alles unterweiſe ſie,
ſing und ſage ihr von JEſu und wie ſie ſich gegen ihme verhalten ſol-
le. Der geiſtreiche Lehrer Arndt ſagt ebenmaͤßig in ſeinem wahren
Chriſtenthum, daß ein erleuchteter, himmliſcher Menſch bey allen
Geſchoͤpffen, und ihrem Thun und Geſchaͤfften Anlaß nehme an ewi-
ge Dinge des Reichs GOttes zu gedencken, ein vortrefflicher Theo-
logus des letzt verfloſſenen Seculi ſagt: Certum eſt nullam inter ope-
ra Dei analogiam, & convenientiam ab homine cogitari poſſe,
quam non & Spiritus viderit, & cogitandam exhibere voluerit,
quaſi proclamando identidem ὧδεσοφία, ὁ ἔχιον νοȣ̃ν, νθείτω. Ita mun-
dus cathedra quaſi eſt in qua creatura omnis ſine lingua ediſſerit
bonitatem * Dei atque meditanda prælibat myſteria regni gratiæ,
nos itaque attentos auditores eſſe decet. Mundus eſt theatrum,
in quo ludunt quaſi varia Spectacula inviſibilium Dei virtutum at
quo uſu ſi nullus adeſt Spectator. Gewiß iſts, daß keine Gleich-
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deſſen das
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/369>, abgerufen am 22.11.2024.
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