Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Haus GOTTES,
gebährende Wasser, nicht einmahl Tropfen-weiß in mich einfliessen
können; weil mein Glaubens-Gefäß ein gar zu engen Hals hat, und
ich noch darzu dasselbe nicht unter der Röhren deines göttlichen Worts
still halten kan, darum bleibet mir dein Gnaden-Fülle und verborgen
ewig Leben noch so unbekannt. Habe auch den Tauff-Bund keine
Stund recht zu halten angefangen, daß mir weder Menschen noch
Engel Zeugnuß geben können, daß ich auch nur einen Tag als dein
rechtschaffener Reichs-Genoß zugebracht, so gar fehlet es mir an der
neuen Geburt: O mein GOTT schencke mir doch deinen Heiligen
Geist, und behalt mich immer genauer unter seiner scharffen Zucht,
damit ich ein anderer Mensch und neu werde: Lasse das Zeugnuß dei-
nes Worts und Heiligen Geistes immer in mir lebendiger und durch-
schneidender werden, alle Belials-Tück, Flecken, Falschheit, Unar-
ten, Thorheiten und Einbildungen zu entdecken, zu bestraffen und
Wurtzel-rein auszurotten; O JESU Christe, ich soll ja gesinnet seyn
wie du, aber wie weit bin ich davon! ja meine Gedancken und Be-
gierden, Handel und Wandel sind meist den deinen schnurstracks zu
wider, auch worinn mich offt fromme Leuth loben und billichen: Was
wundere ich mich dann, daß mir dein Heiligthum verschlossen blei-
bet, ind[em] ich noch so unrein bin; Deine Heiligkeit und Seeligkeit
[tr]ennen sich niemahlen, wer nicht beydes hat, der hat keines. Mein
irrdischer Sinn kan dein ewiges Wohl nie erreichen; Wie zäh ist
doch das Unthier, daß es in so viel Jahren nicht hat mögen umge-
bracht werden; Ertödte doch o starcker Zebaoth, den Sinn des al-
ten Adams völlig in mir; Du gecreutzigter Heyland erwürge diese
feurige Schlangen durch dein Blut, und heyle allen Schaden: er-
freue mich bald einmahl mit deinem Bild, und mache das ernste
Ringen nach deiner göttlichen Natur beständiger in mir, der ich biß-
her wohl offt einen Anlauff genommen, aber auch gleich wieder erle-
gen bin auf dem Weg in dein Himmelreich: Ergreiffe du mich doch
einst recht mein GOTT! so werde ich diß Kleinod nicht so leichtlich
wieder aus den Augen verliehren: O Schöpffer aller himmlischen
Heerschaaren, es ist dir gar ein geringes mich neu zu schaffen in Chri-
sto JESU, damit ich getreulich wandle in denen guten Wercken,
welche du mir vor der Grundlegung der Welt bereitet hast! Lieber
Vatter erbarme dich mein, und lege mich als ein Ey unter die Flü-
gel unser getreuesten Gluck-Henne, daß sie mich durch ihre stäts mit-

thei-

Das Haus GOTTES,
gebaͤhrende Waſſer, nicht einmahl Tropfen-weiß in mich einflieſſen
koͤnnen; weil mein Glaubens-Gefaͤß ein gar zu engen Hals hat, und
ich noch darzu daſſelbe nicht unter der Roͤhren deines goͤttlichen Worts
ſtill halten kan, darum bleibet mir dein Gnaden-Fuͤlle und verborgen
ewig Leben noch ſo unbekannt. Habe auch den Tauff-Bund keine
Stund recht zu halten angefangen, daß mir weder Menſchen noch
Engel Zeugnuß geben koͤnnen, daß ich auch nur einen Tag als dein
rechtſchaffener Reichs-Genoß zugebracht, ſo gar fehlet es mir an der
neuen Geburt: O mein GOTT ſchencke mir doch deinen Heiligen
Geiſt, und behalt mich immer genauer unter ſeiner ſcharffen Zucht,
damit ich ein anderer Menſch und neu werde: Laſſe das Zeugnuß dei-
nes Worts und Heiligen Geiſtes immer in mir lebendiger und durch-
ſchneidender werden, alle Belials-Tuͤck, Flecken, Falſchheit, Unar-
ten, Thorheiten und Einbildungen zu entdecken, zu beſtraffen und
Wurtzel-rein auszurotten; O JESU Chriſte, ich ſoll ja geſinnet ſeyn
wie du, aber wie weit bin ich davon! ja meine Gedancken und Be-
gierden, Handel und Wandel ſind meiſt den deinen ſchnurſtracks zu
wider, auch worinn mich offt fromme Leuth loben und billichen: Was
wundere ich mich dann, daß mir dein Heiligthum verſchloſſen blei-
bet, ind[em] ich noch ſo unrein bin; Deine Heiligkeit und Seeligkeit
[tr]ennen ſich niemahlen, wer nicht beydes hat, der hat keines. Mein
irrdiſcher Sinn kan dein ewiges Wohl nie erreichen; Wie zaͤh iſt
doch das Unthier, daß es in ſo viel Jahren nicht hat moͤgen umge-
bracht werden; Ertoͤdte doch o ſtarcker Zebaoth, den Sinn des al-
ten Adams voͤllig in mir; Du gecreutzigter Heyland erwuͤrge dieſe
feurige Schlangen durch dein Blut, und heyle allen Schaden: er-
freue mich bald einmahl mit deinem Bild, und mache das ernſte
Ringen nach deiner goͤttlichen Natur beſtaͤndiger in mir, der ich biß-
her wohl offt einen Anlauff genommen, aber auch gleich wieder erle-
gen bin auf dem Weg in dein Himmelreich: Ergreiffe du mich doch
einſt recht mein GOTT! ſo werde ich diß Kleinod nicht ſo leichtlich
wieder aus den Augen verliehren: O Schoͤpffer aller himmliſchen
Heerſchaaren, es iſt dir gar ein geringes mich neu zu ſchaffen in Chri-
ſto JESU, damit ich getreulich wandle in denen guten Wercken,
welche du mir vor der Grundlegung der Welt bereitet haſt! Lieber
Vatter erbarme dich mein, und lege mich als ein Ey unter die Fluͤ-
gel unſer getreueſten Gluck-Henne, daß ſie mich durch ihre ſtaͤts mit-

thei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0350" n="254"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Haus GOTTES,</hi></fw><lb/>
geba&#x0364;hrende Wa&#x017F;&#x017F;er, nicht einmahl Tropfen-weiß in mich einflie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nnen; weil mein Glaubens-Gefa&#x0364;ß ein gar zu engen Hals hat, und<lb/>
ich noch darzu da&#x017F;&#x017F;elbe nicht unter der Ro&#x0364;hren deines go&#x0364;ttlichen Worts<lb/>
&#x017F;till halten kan, darum bleibet mir dein Gnaden-Fu&#x0364;lle und verborgen<lb/>
ewig Leben noch &#x017F;o unbekannt. Habe auch den Tauff-Bund keine<lb/>
Stund recht zu halten angefangen, daß mir weder Men&#x017F;chen noch<lb/>
Engel Zeugnuß geben ko&#x0364;nnen, daß ich auch nur einen Tag als dein<lb/>
recht&#x017F;chaffener Reichs-Genoß zugebracht, &#x017F;o gar fehlet es mir an der<lb/>
neuen Geburt: O mein GOTT &#x017F;chencke mir doch deinen Heiligen<lb/>
Gei&#x017F;t, und behalt mich immer genauer unter &#x017F;einer &#x017F;charffen Zucht,<lb/>
damit ich ein anderer Men&#x017F;ch und neu werde: La&#x017F;&#x017F;e das Zeugnuß dei-<lb/>
nes Worts und Heiligen Gei&#x017F;tes immer in mir lebendiger und durch-<lb/>
&#x017F;chneidender werden, alle Belials-Tu&#x0364;ck, Flecken, Fal&#x017F;chheit, Unar-<lb/>
ten, Thorheiten und Einbildungen zu entdecken, zu be&#x017F;traffen und<lb/>
Wurtzel-rein auszurotten; O JESU Chri&#x017F;te, ich &#x017F;oll ja ge&#x017F;innet &#x017F;eyn<lb/>
wie du, aber wie weit bin ich davon! ja meine Gedancken und Be-<lb/>
gierden, Handel und Wandel &#x017F;ind mei&#x017F;t den deinen &#x017F;chnur&#x017F;tracks zu<lb/>
wider, auch worinn mich offt fromme Leuth loben und billichen: Was<lb/>
wundere ich mich dann, daß mir dein Heiligthum ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en blei-<lb/>
bet, ind<supplied>em</supplied> ich noch &#x017F;o unrein bin; Deine Heiligkeit und Seeligkeit<lb/><supplied>tr</supplied>ennen &#x017F;ich niemahlen, wer nicht beydes hat, der hat keines. Mein<lb/>
irrdi&#x017F;cher Sinn kan dein ewiges Wohl nie erreichen; Wie za&#x0364;h i&#x017F;t<lb/>
doch das Unthier, daß es in &#x017F;o viel Jahren nicht hat mo&#x0364;gen umge-<lb/>
bracht werden; Erto&#x0364;dte doch o &#x017F;tarcker Zebaoth, den Sinn des al-<lb/>
ten Adams vo&#x0364;llig in mir; Du gecreutzigter Heyland erwu&#x0364;rge die&#x017F;e<lb/>
feurige Schlangen durch dein Blut, und heyle allen Schaden: er-<lb/>
freue mich bald einmahl mit deinem Bild, und mache das ern&#x017F;te<lb/>
Ringen nach deiner go&#x0364;ttlichen Natur be&#x017F;ta&#x0364;ndiger in mir, der ich biß-<lb/>
her wohl offt einen Anlauff genommen, aber auch gleich wieder erle-<lb/>
gen bin auf dem Weg in dein Himmelreich: Ergreiffe du mich doch<lb/>
ein&#x017F;t recht mein GOTT! &#x017F;o werde ich diß Kleinod nicht &#x017F;o leichtlich<lb/>
wieder aus den Augen verliehren: O Scho&#x0364;pffer aller himmli&#x017F;chen<lb/>
Heer&#x017F;chaaren, es i&#x017F;t dir gar ein geringes mich neu zu &#x017F;chaffen in Chri-<lb/>
&#x017F;to JESU, damit ich getreulich wandle in denen guten Wercken,<lb/>
welche du mir vor der Grundlegung der Welt bereitet ha&#x017F;t! Lieber<lb/>
Vatter erbarme dich mein, und lege mich als ein Ey unter die Flu&#x0364;-<lb/>
gel un&#x017F;er getreue&#x017F;ten Gluck-Henne, daß &#x017F;ie mich durch ihre &#x017F;ta&#x0364;ts mit-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">thei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0350] Das Haus GOTTES, gebaͤhrende Waſſer, nicht einmahl Tropfen-weiß in mich einflieſſen koͤnnen; weil mein Glaubens-Gefaͤß ein gar zu engen Hals hat, und ich noch darzu daſſelbe nicht unter der Roͤhren deines goͤttlichen Worts ſtill halten kan, darum bleibet mir dein Gnaden-Fuͤlle und verborgen ewig Leben noch ſo unbekannt. Habe auch den Tauff-Bund keine Stund recht zu halten angefangen, daß mir weder Menſchen noch Engel Zeugnuß geben koͤnnen, daß ich auch nur einen Tag als dein rechtſchaffener Reichs-Genoß zugebracht, ſo gar fehlet es mir an der neuen Geburt: O mein GOTT ſchencke mir doch deinen Heiligen Geiſt, und behalt mich immer genauer unter ſeiner ſcharffen Zucht, damit ich ein anderer Menſch und neu werde: Laſſe das Zeugnuß dei- nes Worts und Heiligen Geiſtes immer in mir lebendiger und durch- ſchneidender werden, alle Belials-Tuͤck, Flecken, Falſchheit, Unar- ten, Thorheiten und Einbildungen zu entdecken, zu beſtraffen und Wurtzel-rein auszurotten; O JESU Chriſte, ich ſoll ja geſinnet ſeyn wie du, aber wie weit bin ich davon! ja meine Gedancken und Be- gierden, Handel und Wandel ſind meiſt den deinen ſchnurſtracks zu wider, auch worinn mich offt fromme Leuth loben und billichen: Was wundere ich mich dann, daß mir dein Heiligthum verſchloſſen blei- bet, indem ich noch ſo unrein bin; Deine Heiligkeit und Seeligkeit trennen ſich niemahlen, wer nicht beydes hat, der hat keines. Mein irrdiſcher Sinn kan dein ewiges Wohl nie erreichen; Wie zaͤh iſt doch das Unthier, daß es in ſo viel Jahren nicht hat moͤgen umge- bracht werden; Ertoͤdte doch o ſtarcker Zebaoth, den Sinn des al- ten Adams voͤllig in mir; Du gecreutzigter Heyland erwuͤrge dieſe feurige Schlangen durch dein Blut, und heyle allen Schaden: er- freue mich bald einmahl mit deinem Bild, und mache das ernſte Ringen nach deiner goͤttlichen Natur beſtaͤndiger in mir, der ich biß- her wohl offt einen Anlauff genommen, aber auch gleich wieder erle- gen bin auf dem Weg in dein Himmelreich: Ergreiffe du mich doch einſt recht mein GOTT! ſo werde ich diß Kleinod nicht ſo leichtlich wieder aus den Augen verliehren: O Schoͤpffer aller himmliſchen Heerſchaaren, es iſt dir gar ein geringes mich neu zu ſchaffen in Chri- ſto JESU, damit ich getreulich wandle in denen guten Wercken, welche du mir vor der Grundlegung der Welt bereitet haſt! Lieber Vatter erbarme dich mein, und lege mich als ein Ey unter die Fluͤ- gel unſer getreueſten Gluck-Henne, daß ſie mich durch ihre ſtaͤts mit- thei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/350
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/350>, abgerufen am 25.11.2024.