nicht nach seiner Phantasie gemacht ist, mit Lust und Freuden tragt, der putzt dem neuen jungen Himmels-Burger eben damit sein geist- lich Kleid, daß seine Reinigkeit desto heller scheine im ewigen Freu- den-Leben a.
§. 6. Niemand stosse sich hieran, und halte etwan dieses vor Klei-Wie wich- tig es seye daß man über alles was ei- nem täg- lich zu Handen stosset, geistliche Betrach- tungen mache. nigkeiten, dann gewißlich nichts klein oder gleichgültig ist, was ein Mensch thut, glaube sicher, daß GOtt auf alle unsere Schritten und Tritten acht hat, und jedes Wort oder Werck ja auch Begierd oder Gedancken eine Saat ist auf die Ewigkeit, entweder auf das Fleisch oder auf den Geist, entweder zum Verderben oder ins ewige Leben b. Ach lasset uns doch von den Geitzigen Lehre und Exempel nehmen c, sie haben ein Sprüchwort unter ihnen: Wer nicht auf den Heller achtet, der kommt nicht zum Batzen, und das Evangelium lehret, daß wer im Geringen nicht getreu seye, dem könne das Grössere auch nicht anvertrauet werden, wann du warten willt biß der Türck kom- met dir den Kopf zu spalten, und es biß dahin aufsparen deine Treue gegen Christo zu beweisen, so wirst du zuletzt zu lang geharret haben, und deinen Lohn empfahen mit dem untreuen Schalcks-Knecht. Es möchte wohl nicht die geringste Ursach seyn, daß so viele schöne Pre- digten fruchtloß abgehen, weilen man die Zuhörer nicht deutlich ge- nug berichtet mit Exempeln, die jeden Augenblick auf der Gassen, im Haußwesen, in der Werckstatt, in Gesellschafft, in der Einsam- keit, jedem begegnen können d; wie sie sich in diesen, jenen, auch ge- ringst-scheinenden Umständen des täglichen Wandels, die vorgetra- gene Evangelische Wahrheit zu nutz machen sollen, zum Wachsthum im Glauben und der neuen Geburt, welches der eigentliche Zweck des Predig-Amts ist die Leut zu lehren, wie und wozu sie das Evan- gelium gebrauchen sollen, und wie der Wille Christi überall könne und müsse practiciert werden: Ach wie ist doch alles so voller GOt- tes Gebotten, von deren Erfüllung und Gehorsam wir stete Freude haben könnten, wann wir nur die Kunst wüßten damit umzugehen, und nicht gar zu thumm wären. Ach! das ist unsere Thorheit, daß wir rechnen, was GOtt gefallen solle, müsse gleissen und etwas son- derlichs seyn, und sehen nicht, daß GOtt den theuren Schatz, sein Heissen und Befehl an solche geringe Werck, so im häußlichen und
bürger-
aApoc. III.
bGal. VI. 7.
cLuc. XVI.
dPs. CXXXIX.
H h 2
und die Pforte des Himmels.
nicht nach ſeiner Phantaſie gemacht iſt, mit Luſt und Freuden tragt, der putzt dem neuen jungen Himmels-Burger eben damit ſein geiſt- lich Kleid, daß ſeine Reinigkeit deſto heller ſcheine im ewigen Freu- den-Leben a.
§. 6. Niemand ſtoſſe ſich hieran, und halte etwan dieſes vor Klei-Wie wich- tig es ſeye daß man uͤber alles was ei- nem taͤg- lich zu Handen ſtoſſet, geiſtliche Betrach- tungen mache. nigkeiten, dann gewißlich nichts klein oder gleichguͤltig iſt, was ein Menſch thut, glaube ſicher, daß GOtt auf alle unſere Schritten und Tritten acht hat, und jedes Wort oder Werck ja auch Begierd oder Gedancken eine Saat iſt auf die Ewigkeit, entweder auf das Fleiſch oder auf den Geiſt, entweder zum Verderben oder ins ewige Leben b. Ach laſſet uns doch von den Geitzigen Lehre und Exempel nehmen c, ſie haben ein Spruͤchwort unter ihnen: Wer nicht auf den Heller achtet, der kommt nicht zum Batzen, und das Evangelium lehret, daß wer im Geringen nicht getreu ſeye, dem koͤnne das Groͤſſere auch nicht anvertrauet werden, wann du warten willt biß der Tuͤrck kom- met dir den Kopf zu ſpalten, und es biß dahin aufſparen deine Treue gegen Chriſto zu beweiſen, ſo wirſt du zuletzt zu lang geharret haben, und deinen Lohn empfahen mit dem untreuen Schalcks-Knecht. Es moͤchte wohl nicht die geringſte Urſach ſeyn, daß ſo viele ſchoͤne Pre- digten fruchtloß abgehen, weilen man die Zuhoͤrer nicht deutlich ge- nug berichtet mit Exempeln, die jeden Augenblick auf der Gaſſen, im Haußweſen, in der Werckſtatt, in Geſellſchafft, in der Einſam- keit, jedem begegnen koͤnnen d; wie ſie ſich in dieſen, jenen, auch ge- ringſt-ſcheinenden Umſtaͤnden des taͤglichen Wandels, die vorgetra- gene Evangeliſche Wahrheit zu nutz machen ſollen, zum Wachsthum im Glauben und der neuen Geburt, welches der eigentliche Zweck des Predig-Amts iſt die Leut zu lehren, wie und wozu ſie das Evan- gelium gebrauchen ſollen, und wie der Wille Chriſti uͤberall koͤnne und muͤſſe practiciert werden: Ach wie iſt doch alles ſo voller GOt- tes Gebotten, von deren Erfuͤllung und Gehorſam wir ſtete Freude haben koͤnnten, wann wir nur die Kunſt wuͤßten damit umzugehen, und nicht gar zu thumm waͤren. Ach! das iſt unſere Thorheit, daß wir rechnen, was GOtt gefallen ſolle, muͤſſe gleiſſen und etwas ſon- derlichs ſeyn, und ſehen nicht, daß GOtt den theuren Schatz, ſein Heiſſen und Befehl an ſolche geringe Werck, ſo im haͤußlichen und
buͤrger-
aApoc. III.
bGal. VI. 7.
cLuc. XVI.
dPſ. CXXXIX.
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[243/0339]
und die Pforte des Himmels.
nicht nach ſeiner Phantaſie gemacht iſt, mit Luſt und Freuden tragt,
der putzt dem neuen jungen Himmels-Burger eben damit ſein geiſt-
lich Kleid, daß ſeine Reinigkeit deſto heller ſcheine im ewigen Freu-
den-Leben a.
§. 6. Niemand ſtoſſe ſich hieran, und halte etwan dieſes vor Klei-
nigkeiten, dann gewißlich nichts klein oder gleichguͤltig iſt, was ein
Menſch thut, glaube ſicher, daß GOtt auf alle unſere Schritten und
Tritten acht hat, und jedes Wort oder Werck ja auch Begierd oder
Gedancken eine Saat iſt auf die Ewigkeit, entweder auf das Fleiſch
oder auf den Geiſt, entweder zum Verderben oder ins ewige Leben b.
Ach laſſet uns doch von den Geitzigen Lehre und Exempel nehmen c,
ſie haben ein Spruͤchwort unter ihnen: Wer nicht auf den Heller
achtet, der kommt nicht zum Batzen, und das Evangelium lehret,
daß wer im Geringen nicht getreu ſeye, dem koͤnne das Groͤſſere auch
nicht anvertrauet werden, wann du warten willt biß der Tuͤrck kom-
met dir den Kopf zu ſpalten, und es biß dahin aufſparen deine Treue
gegen Chriſto zu beweiſen, ſo wirſt du zuletzt zu lang geharret haben,
und deinen Lohn empfahen mit dem untreuen Schalcks-Knecht. Es
moͤchte wohl nicht die geringſte Urſach ſeyn, daß ſo viele ſchoͤne Pre-
digten fruchtloß abgehen, weilen man die Zuhoͤrer nicht deutlich ge-
nug berichtet mit Exempeln, die jeden Augenblick auf der Gaſſen,
im Haußweſen, in der Werckſtatt, in Geſellſchafft, in der Einſam-
keit, jedem begegnen koͤnnen d; wie ſie ſich in dieſen, jenen, auch ge-
ringſt-ſcheinenden Umſtaͤnden des taͤglichen Wandels, die vorgetra-
gene Evangeliſche Wahrheit zu nutz machen ſollen, zum Wachsthum
im Glauben und der neuen Geburt, welches der eigentliche Zweck
des Predig-Amts iſt die Leut zu lehren, wie und wozu ſie das Evan-
gelium gebrauchen ſollen, und wie der Wille Chriſti uͤberall koͤnne
und muͤſſe practiciert werden: Ach wie iſt doch alles ſo voller GOt-
tes Gebotten, von deren Erfuͤllung und Gehorſam wir ſtete Freude
haben koͤnnten, wann wir nur die Kunſt wuͤßten damit umzugehen,
und nicht gar zu thumm waͤren. Ach! das iſt unſere Thorheit, daß
wir rechnen, was GOtt gefallen ſolle, muͤſſe gleiſſen und etwas ſon-
derlichs ſeyn, und ſehen nicht, daß GOtt den theuren Schatz, ſein
Heiſſen und Befehl an ſolche geringe Werck, ſo im haͤußlichen und
buͤrger-
Wie wich-
tig es ſeye
daß man
uͤber alles
was ei-
nem taͤg-
lich zu
Handen
ſtoſſet,
geiſtliche
Betrach-
tungen
mache.
a Apoc. III.
b Gal. VI. 7.
c Luc. XVI.
d Pſ. CXXXIX.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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