und der Boßheit deren um uns hernach gefangenen Creaturen, ins Gemüth eindrucket, und als plötzlich aufsteigende finstere Nebel, das nach GOtt sehnende Aug des Glaubens bedecket; O heilige Gegend! O überaus anmuthige Stätte eines auf dem Berg der Be- schaulichkeit ruhenden, in GOtt allein verliebten Menschen, wer sollte nicht da hinaufsteigen, und was sich immer von innen und aus- sen zuträgt, sich JEsus-werts in seine Klarheit hinein dringen und treiben lassen! Allein weil dieses ein unermüdetes Anhalten erforde- ret, und einem tausenderley so wohl süsse als bittere Ding auf der Reiß dahin begegnen, so vergehet die Neugierigkeit bald. Die Natur findet ihr Vergnügen in Paris, die Gnad allein suchet ihre Ruhe im Paradieß, dorthin wimmelen die Weltlinge, hieher kom- men nur die der Gnad beständig folgen, und obschon nichts neues geschicht unter der Sonnen, das nicht schon geschehen, so ist den- noch des unaufhörlichen Gewäsches von Welthändeln kein Ende: Das Aug sihet sich nimmer satt, das Ohr höret sich nimmer satt, weil es seine Begierd nur immer öffnet nach dem, das nicht Brod ist, davor auch der Mensch sein Geld darzehlet a. Es ist kein Kö- nigreich so weit entlegen, so finden sich unzehliche Menschen, welche dahin abseglen, Ost- und West-Jndien wird von den Europäern be- sucht, nur in das gar zu nahe Himmelreich will bey nahe niemand mit Gewalt hinein dringen, da auf jenen Reisen viel tausend unterwegs sterben und verderben, oder arm und elend nach ihrer ersten Woh- nung zuruck eilen, diese hingegen ein Gnüge der Freuden antreffen, und als in ihr ewiges Heimat aufgenommen werden.
Wann ein Apostel oder Märtyrer, oder ein heiliger Engel, etwas aus der Wohnung der ewigen Herrlichkeit auf diese kalte todte Er- den hinab brächte, mit was grosser Sorgfalt sollte es nicht in den fürnehmsten Städten der Christenheit aufbehalten, und so weit und breit Christen wohnen, von jedermann mit Verlangen besucht wer- den? Aber was der Heil. Geist selbst aus dem Ort der Herrlichkeit denen Wiedergebohrnen mittheilt, das Begehren leider sehr weni- ge zu erfahren, eben weil das Verlassen, Hassen und Ausgehen aus dem alten Wesen der Natur unerträglich ist, und der Feind unserer Seeligkeit, weil er ein purer Geist ist, unverdrossener ist uns auf
dem
aEsai. XLV.
F f 2
und die Pforte des Himmels.
und der Boßheit deren um uns hernach gefangenen Creaturen, ins Gemuͤth eindrucket, und als ploͤtzlich aufſteigende finſtere Nebel, das nach GOtt ſehnende Aug des Glaubens bedecket; O heilige Gegend! O uͤberaus anmuthige Staͤtte eines auf dem Berg der Be- ſchaulichkeit ruhenden, in GOtt allein verliebten Menſchen, wer ſollte nicht da hinaufſteigen, und was ſich immer von innen und auſ- ſen zutraͤgt, ſich JEſus-werts in ſeine Klarheit hinein dringen und treiben laſſen! Allein weil dieſes ein unermuͤdetes Anhalten erforde- ret, und einem tauſenderley ſo wohl ſuͤſſe als bittere Ding auf der Reiß dahin begegnen, ſo vergehet die Neugierigkeit bald. Die Natur findet ihr Vergnuͤgen in Paris, die Gnad allein ſuchet ihre Ruhe im Paradieß, dorthin wimmelen die Weltlinge, hieher kom- men nur die der Gnad beſtaͤndig folgen, und obſchon nichts neues geſchicht unter der Sonnen, das nicht ſchon geſchehen, ſo iſt den- noch des unaufhoͤrlichen Gewaͤſches von Welthaͤndeln kein Ende: Das Aug ſihet ſich nimmer ſatt, das Ohr hoͤret ſich nimmer ſatt, weil es ſeine Begierd nur immer oͤffnet nach dem, das nicht Brod iſt, davor auch der Menſch ſein Geld darzehlet a. Es iſt kein Koͤ- nigreich ſo weit entlegen, ſo finden ſich unzehliche Menſchen, welche dahin abſeglen, Oſt- und Weſt-Jndien wird von den Europaͤern be- ſucht, nur in das gar zu nahe Himmelreich will bey nahe niemand mit Gewalt hinein dringen, da auf jenen Reiſen viel tauſend unterwegs ſterben und verderben, oder arm und elend nach ihrer erſten Woh- nung zuruck eilen, dieſe hingegen ein Gnuͤge der Freuden antreffen, und als in ihr ewiges Heimat aufgenommen werden.
Wann ein Apoſtel oder Maͤrtyrer, oder ein heiliger Engel, etwas aus der Wohnung der ewigen Herrlichkeit auf dieſe kalte todte Er- den hinab braͤchte, mit was groſſer Sorgfalt ſollte es nicht in den fuͤrnehmſten Staͤdten der Chriſtenheit aufbehalten, und ſo weit und breit Chriſten wohnen, von jedermann mit Verlangen beſucht wer- den? Aber was der Heil. Geiſt ſelbſt aus dem Ort der Herrlichkeit denen Wiedergebohrnen mittheilt, das Begehren leider ſehr weni- ge zu erfahren, eben weil das Verlaſſen, Haſſen und Ausgehen aus dem alten Weſen der Natur unertraͤglich iſt, und der Feind unſerer Seeligkeit, weil er ein purer Geiſt iſt, unverdroſſener iſt uns auf
dem
aEſai. XLV.
F f 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0323"n="227"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und die Pforte des Himmels.</hi></fw><lb/>
und der Boßheit deren um uns hernach gefangenen Creaturen, ins<lb/>
Gemuͤth eindrucket, und als ploͤtzlich aufſteigende finſtere Nebel,<lb/>
das nach GOtt ſehnende Aug des Glaubens bedecket; O heilige<lb/>
Gegend! O uͤberaus anmuthige Staͤtte eines auf dem Berg der Be-<lb/>ſchaulichkeit ruhenden, in GOtt allein verliebten Menſchen, wer<lb/>ſollte nicht da hinaufſteigen, und was ſich immer von innen und auſ-<lb/>ſen zutraͤgt, ſich JEſus-werts in ſeine Klarheit hinein dringen und<lb/>
treiben laſſen! Allein weil dieſes ein unermuͤdetes Anhalten erforde-<lb/>
ret, und einem tauſenderley ſo wohl ſuͤſſe als bittere Ding auf der<lb/>
Reiß dahin begegnen, ſo vergehet die Neugierigkeit bald. Die<lb/>
Natur findet ihr Vergnuͤgen in Paris, die Gnad allein ſuchet ihre<lb/>
Ruhe im Paradieß, dorthin wimmelen die Weltlinge, hieher kom-<lb/>
men nur die der Gnad beſtaͤndig folgen, und obſchon nichts neues<lb/>
geſchicht unter der Sonnen, das nicht ſchon geſchehen, ſo iſt den-<lb/>
noch des unaufhoͤrlichen Gewaͤſches von Welthaͤndeln kein Ende:<lb/>
Das Aug ſihet ſich nimmer ſatt, das Ohr hoͤret ſich nimmer ſatt,<lb/>
weil es ſeine Begierd nur immer oͤffnet nach dem, das nicht Brod<lb/>
iſt, davor auch der Menſch ſein Geld darzehlet <noteplace="foot"n="a"><hirendition="#aq">Eſai. XLV.</hi></note>. Es iſt kein Koͤ-<lb/>
nigreich ſo weit entlegen, ſo finden ſich unzehliche Menſchen, welche<lb/>
dahin abſeglen, Oſt- und Weſt-Jndien wird von den Europaͤern be-<lb/>ſucht, nur in das gar zu nahe Himmelreich will bey nahe niemand mit<lb/>
Gewalt hinein dringen, da auf jenen Reiſen viel tauſend unterwegs<lb/>ſterben und verderben, oder arm und elend nach ihrer erſten Woh-<lb/>
nung zuruck eilen, dieſe hingegen ein Gnuͤge der Freuden antreffen,<lb/>
und als in ihr ewiges Heimat aufgenommen werden.</p><lb/><p>Wann ein Apoſtel oder Maͤrtyrer, oder ein heiliger Engel, etwas<lb/>
aus der Wohnung der ewigen Herrlichkeit auf dieſe kalte todte Er-<lb/>
den hinab braͤchte, mit was groſſer Sorgfalt ſollte es nicht in den<lb/>
fuͤrnehmſten Staͤdten der Chriſtenheit aufbehalten, und ſo weit und<lb/>
breit Chriſten wohnen, von jedermann mit Verlangen beſucht wer-<lb/>
den? Aber was der Heil. Geiſt ſelbſt aus dem Ort der Herrlichkeit<lb/>
denen Wiedergebohrnen mittheilt, das Begehren leider ſehr weni-<lb/>
ge zu erfahren, eben weil das Verlaſſen, Haſſen und Ausgehen aus<lb/>
dem alten Weſen der Natur unertraͤglich iſt, und der Feind unſerer<lb/>
Seeligkeit, weil er ein purer <hirendition="#fr">Geiſt</hi> iſt, unverdroſſener iſt uns auf<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">dem</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[227/0323]
und die Pforte des Himmels.
und der Boßheit deren um uns hernach gefangenen Creaturen, ins
Gemuͤth eindrucket, und als ploͤtzlich aufſteigende finſtere Nebel,
das nach GOtt ſehnende Aug des Glaubens bedecket; O heilige
Gegend! O uͤberaus anmuthige Staͤtte eines auf dem Berg der Be-
ſchaulichkeit ruhenden, in GOtt allein verliebten Menſchen, wer
ſollte nicht da hinaufſteigen, und was ſich immer von innen und auſ-
ſen zutraͤgt, ſich JEſus-werts in ſeine Klarheit hinein dringen und
treiben laſſen! Allein weil dieſes ein unermuͤdetes Anhalten erforde-
ret, und einem tauſenderley ſo wohl ſuͤſſe als bittere Ding auf der
Reiß dahin begegnen, ſo vergehet die Neugierigkeit bald. Die
Natur findet ihr Vergnuͤgen in Paris, die Gnad allein ſuchet ihre
Ruhe im Paradieß, dorthin wimmelen die Weltlinge, hieher kom-
men nur die der Gnad beſtaͤndig folgen, und obſchon nichts neues
geſchicht unter der Sonnen, das nicht ſchon geſchehen, ſo iſt den-
noch des unaufhoͤrlichen Gewaͤſches von Welthaͤndeln kein Ende:
Das Aug ſihet ſich nimmer ſatt, das Ohr hoͤret ſich nimmer ſatt,
weil es ſeine Begierd nur immer oͤffnet nach dem, das nicht Brod
iſt, davor auch der Menſch ſein Geld darzehlet a. Es iſt kein Koͤ-
nigreich ſo weit entlegen, ſo finden ſich unzehliche Menſchen, welche
dahin abſeglen, Oſt- und Weſt-Jndien wird von den Europaͤern be-
ſucht, nur in das gar zu nahe Himmelreich will bey nahe niemand mit
Gewalt hinein dringen, da auf jenen Reiſen viel tauſend unterwegs
ſterben und verderben, oder arm und elend nach ihrer erſten Woh-
nung zuruck eilen, dieſe hingegen ein Gnuͤge der Freuden antreffen,
und als in ihr ewiges Heimat aufgenommen werden.
Wann ein Apoſtel oder Maͤrtyrer, oder ein heiliger Engel, etwas
aus der Wohnung der ewigen Herrlichkeit auf dieſe kalte todte Er-
den hinab braͤchte, mit was groſſer Sorgfalt ſollte es nicht in den
fuͤrnehmſten Staͤdten der Chriſtenheit aufbehalten, und ſo weit und
breit Chriſten wohnen, von jedermann mit Verlangen beſucht wer-
den? Aber was der Heil. Geiſt ſelbſt aus dem Ort der Herrlichkeit
denen Wiedergebohrnen mittheilt, das Begehren leider ſehr weni-
ge zu erfahren, eben weil das Verlaſſen, Haſſen und Ausgehen aus
dem alten Weſen der Natur unertraͤglich iſt, und der Feind unſerer
Seeligkeit, weil er ein purer Geiſt iſt, unverdroſſener iſt uns auf
dem
a Eſai. XLV.
F f 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/323>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.