Königen und nicht schamroth werden, aber das haltest du für Bigoterie und Heucheley und Heiligkeit, für eine Schand, und machst dich groß damit, wann dann du den frechhin verachten darffst, der dich gemacht hat, willt du dann noch nicht erkennen, daß eine Haupt-Veränderung und täglich fortgesetzte Arbeit und Ernst in der neuen Geburt bey dir vorhergehen müsse, wann du dir je das Reich der Himmeln zu sehen getraust. Der natürliche Mensch ist ein stin- ckend Todten-Aas, es naget, wimmelt von Würmen todtner Ge- dancken und eigenliebiger Gelüsten; GOTT muß die Augen seiner Liebe und Wohlgefallens von ihr abkehren, er taugt in seinem Na- tur-Stand eben so wenig in GOttes Gemeinschafft, als ein leiblich Todter ein irrdisch Königreich zu verwalten.
Das sechste Capitel. Wie es bey dieser neuen Geburt zugehe.
Diese neue Geburt ist eine we- sentliche Geburt.
§. 1. Fr. Wie gehets aber zu mit der neuen Geburt? Antw. Es gibt dreyerley Geburten. 1. Eine fleischliche in diese sichtbare Welt, wodurch ein Mensch ein Einwohner der Erden wird, und Burger an dem oder jenem Ort. 2. Die höllische Geburt, da man aus dem Drachen und Abgrund lebt und wirckt. 3. Die himmli- sche Geburt aus GOTT, da man unter die Besitzere der neuen Welt gerath.
Diese letztere ist eben so wenig ein blosses Gedancken-Spiel als die zwey erstere. Ja sie ist wesentlicher als alle sichtbare im Himmel und auf Erden, sintemal der Vatter der Dreyeinige GOTT ist a. Die Mutter/ die glaubige Seele eine arme, betrübte, mit GOtt ver- mählte Jungfrau, die im finstern Stall gebiert, voller Gebrechlich- keit, Elend und Verlassung aller Creaturen. Der Saame ist das unvergängliche Wort GOttes b, darinnen fast eben, wie in einem Saamen-Korn der Geist ist. Die Werckzeuge sind erwachsene Kin- der und getreue Knechte, Vätter in Christo c. Die Bärmutter ist der wahre Glaub, der alle Lust der Seelen in GOTT einführt, und lauter Evangelium in sich fasset. Das Kind ist ein neuer Mensch, und Bild aus der göttlichen Natur entsprossen nach Christo gestal- tet auf eine wunderbahre Weise d, all sein vorig Thun verwirfft er
als
aJac. I. 18.
b 1 Petr. I. 23.
cGalat. IV. 19.
dPs. CXXXIX. 14. 17.
Das Haus GOTTES,
Koͤnigen und nicht ſchamroth werden, aber das halteſt du fuͤr Bigoterie und Heucheley und Heiligkeit, fuͤr eine Schand, und machſt dich groß damit, wann dann du den frechhin verachten darffſt, der dich gemacht hat, willt du dann noch nicht erkennen, daß eine Haupt-Veraͤnderung und taͤglich fortgeſetzte Arbeit und Ernſt in der neuen Geburt bey dir vorhergehen muͤſſe, wann du dir je das Reich der Himmeln zu ſehen getrauſt. Der natuͤrliche Menſch iſt ein ſtin- ckend Todten-Aas, es naget, wimmelt von Wuͤrmen todtner Ge- dancken und eigenliebiger Geluͤſten; GOTT muß die Augen ſeiner Liebe und Wohlgefallens von ihr abkehren, er taugt in ſeinem Na- tur-Stand eben ſo wenig in GOttes Gemeinſchafft, als ein leiblich Todter ein irrdiſch Koͤnigreich zu verwalten.
Das ſechſte Capitel. Wie es bey dieſer neuen Geburt zugehe.
Dieſe neue Geburt iſt eine we- ſentliche Geburt.
§. 1. Fr. Wie gehets aber zu mit der neuen Geburt? Antw. Es gibt dreyerley Geburten. 1. Eine fleiſchliche in dieſe ſichtbare Welt, wodurch ein Menſch ein Einwohner der Erden wird, und Burger an dem oder jenem Ort. 2. Die hoͤlliſche Geburt, da man aus dem Drachen und Abgrund lebt und wirckt. 3. Die himmli- ſche Geburt aus GOTT, da man unter die Beſitzere der neuen Welt gerath.
Dieſe letztere iſt eben ſo wenig ein bloſſes Gedancken-Spiel als die zwey erſtere. Ja ſie iſt weſentlicher als alle ſichtbare im Himmel und auf Erden, ſintemal der Vatter der Dreyeinige GOTT iſt a. Die Mutter/ die glaubige Seele eine arme, betruͤbte, mit GOtt ver- maͤhlte Jungfrau, die im finſtern Stall gebiert, voller Gebrechlich- keit, Elend und Verlaſſung aller Creaturen. Der Saame iſt das unvergaͤngliche Wort GOttes b, darinnen faſt eben, wie in einem Saamen-Korn der Geiſt iſt. Die Werckzeuge ſind erwachſene Kin- der und getreue Knechte, Vaͤtter in Chriſto c. Die Baͤrmutter iſt der wahre Glaub, der alle Luſt der Seelen in GOTT einfuͤhrt, und lauter Evangelium in ſich faſſet. Das Kind iſt ein neuer Menſch, und Bild aus der goͤttlichen Natur entſproſſen nach Chriſto geſtal- tet auf eine wunderbahre Weiſe d, all ſein vorig Thun verwirfft er
als
aJac. I. 18.
b 1 Petr. I. 23.
cGalat. IV. 19.
dPſ. CXXXIX. 14. 17.
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Das Haus GOTTES,
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machſt dich groß damit, wann dann du den frechhin verachten darffſt,
der dich gemacht hat, willt du dann noch nicht erkennen, daß eine
Haupt-Veraͤnderung und taͤglich fortgeſetzte Arbeit und Ernſt in der
neuen Geburt bey dir vorhergehen muͤſſe, wann du dir je das Reich
der Himmeln zu ſehen getrauſt. Der natuͤrliche Menſch iſt ein ſtin-
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dancken und eigenliebiger Geluͤſten; GOTT muß die Augen ſeiner
Liebe und Wohlgefallens von ihr abkehren, er taugt in ſeinem Na-
tur-Stand eben ſo wenig in GOttes Gemeinſchafft, als ein leiblich
Todter ein irrdiſch Koͤnigreich zu verwalten.
Das ſechſte Capitel.
Wie es bey dieſer neuen Geburt zugehe.
§. 1. Fr. Wie gehets aber zu mit der neuen Geburt? Antw.
Es gibt dreyerley Geburten. 1. Eine fleiſchliche in dieſe ſichtbare
Welt, wodurch ein Menſch ein Einwohner der Erden wird, und
Burger an dem oder jenem Ort. 2. Die hoͤlliſche Geburt, da man
aus dem Drachen und Abgrund lebt und wirckt. 3. Die himmli-
ſche Geburt aus GOTT, da man unter die Beſitzere der neuen
Welt gerath.
Dieſe letztere iſt eben ſo wenig ein bloſſes Gedancken-Spiel als die
zwey erſtere. Ja ſie iſt weſentlicher als alle ſichtbare im Himmel und
auf Erden, ſintemal der Vatter der Dreyeinige GOTT iſt a. Die
Mutter/ die glaubige Seele eine arme, betruͤbte, mit GOtt ver-
maͤhlte Jungfrau, die im finſtern Stall gebiert, voller Gebrechlich-
keit, Elend und Verlaſſung aller Creaturen. Der Saame iſt das
unvergaͤngliche Wort GOttes b, darinnen faſt eben, wie in einem
Saamen-Korn der Geiſt iſt. Die Werckzeuge ſind erwachſene Kin-
der und getreue Knechte, Vaͤtter in Chriſto c. Die Baͤrmutter iſt
der wahre Glaub, der alle Luſt der Seelen in GOTT einfuͤhrt, und
lauter Evangelium in ſich faſſet. Das Kind iſt ein neuer Menſch,
und Bild aus der goͤttlichen Natur entſproſſen nach Chriſto geſtal-
tet auf eine wunderbahre Weiſe d, all ſein vorig Thun verwirfft er
als
a Jac. I. 18.
b 1 Petr. I. 23.
c Galat. IV. 19.
d Pſ. CXXXIX. 14. 17.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/308>, abgerufen am 25.11.2024.
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