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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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und die Pforte des Himmels.
Schanden-machung der Versuchungen der Schlangen, man singet
mit Freuden von Sieg in den Zelten der Gerechten a. O ein wohl-
gegründete daurhaffte, süsse, und seelige Freud! Die Gedancken
weyden sich in den Worten und Wercken Christi, umhalsen ihn,
und nehren sich von seinem Leben und Leiden, Tod und Herrlichkeit,
und stäter Gegenwart, es wird ein Decke nach der anderen abge-
legt, und das lautere Glaubens-Aug schauet Christi Klarheit und
wird vergestaltet in sein Bild von einer Schönheit zu der anderen.

§. 8. Ach liebe Kinder! ein Gespenst des Christenthums und ScheinUnd zwar
eine inn-
wendige
im Her-
tzen

der Frommkeit macht die Sach nicht, es muß ein Grund des geist-
lichen Lebens innwendig seyn, also daß kein Glied fehle, daß alles
da sey und lebe, und nichts mangle an irgend einem Gut, daß die
Sanfftmuth da sey, und bey allen Reitzungen zur Ungedult, sich
kräfftig, lebendig und sigend erweise, daß auch die Keuschheit biß
in die Gedancken hinein, immer reiner, heiliger und unschuldiger
werde, auch dem Lamm ähnlicher, das unter den Lilien, heiliger
und unbefleckten Seelen weydet, und also von Jahr zu Jahr der
Englischen Natur näher komme, daß die Gelassenheit in grossen und
kleinen Dingen, geist- und leiblichen Seegen und Vortheil von Zeit
zu Zeit ungestörter und unbeweglicher werde, daß sie sich auch in die
Ewigkeiten hinaus dähne, in GOtt sich verliere, und im Willen
seiner Weißheit und Güte gantz und gar zerfliesse, daß der Glaub
in der dicksten Finsternuß, auch tieffsten und langwürigsten Verber-
gung Christi das Vertrauen nicht wegwerffe, sich an GOttes Wort
steiff und fest halte, im Gebett sich übe, und endlich alle Püffe des
Teufels, Tods, der Sünd, der Höllen, alle Stürm des Gewissens,
und alle rauschende Fluthen des Gesetzes überwinde, durchwatte
und zurucklege, gleicherweiß muß auch die Liebe immer reiner wer-
den, daß sie den am Creutz hangenden, nackenden Christum ohne
Trost, Erquickung oder einigen Genieß höher liebe, als alles was
im Himmel und auf Erden ist.

§. 9. Ach es ist kein so liederlich Ding um diese neue Creatur,und nicht
nur eine
äusserliche
im Nach-
äffen der
Wiederge-
bornen.

daran der Glaub das Haupt und die Liebe das Hertz ist, es giltet
hier nicht thun und mit Wercken umgehen, viele tausend stecken hier
in einem erbärmlichen Betrug, indem sie sich vergnügen, die Werck

und
a Psalm. CXVIII.
B b 2

und die Pforte des Himmels.
Schanden-machung der Verſuchungen der Schlangen, man ſinget
mit Freuden von Sieg in den Zelten der Gerechten a. O ein wohl-
gegruͤndete daurhaffte, ſuͤſſe, und ſeelige Freud! Die Gedancken
weyden ſich in den Worten und Wercken Chriſti, umhalſen ihn,
und nehren ſich von ſeinem Leben und Leiden, Tod und Herrlichkeit,
und ſtaͤter Gegenwart, es wird ein Decke nach der anderen abge-
legt, und das lautere Glaubens-Aug ſchauet Chriſti Klarheit und
wird vergeſtaltet in ſein Bild von einer Schoͤnheit zu der anderen.

§. 8. Ach liebe Kinder! ein Geſpenſt des Chriſtenthums und ScheinUnd zwar
eine inn-
wendige
im Her-
tzen

der Frommkeit macht die Sach nicht, es muß ein Grund des geiſt-
lichen Lebens innwendig ſeyn, alſo daß kein Glied fehle, daß alles
da ſey und lebe, und nichts mangle an irgend einem Gut, daß die
Sanfftmuth da ſey, und bey allen Reitzungen zur Ungedult, ſich
kraͤfftig, lebendig und ſigend erweiſe, daß auch die Keuſchheit biß
in die Gedancken hinein, immer reiner, heiliger und unſchuldiger
werde, auch dem Lamm aͤhnlicher, das unter den Lilien, heiliger
und unbefleckten Seelen weydet, und alſo von Jahr zu Jahr der
Engliſchen Natur naͤher komme, daß die Gelaſſenheit in groſſen und
kleinen Dingen, geiſt- und leiblichen Seegen und Vortheil von Zeit
zu Zeit ungeſtoͤrter und unbeweglicher werde, daß ſie ſich auch in die
Ewigkeiten hinaus daͤhne, in GOtt ſich verliere, und im Willen
ſeiner Weißheit und Guͤte gantz und gar zerflieſſe, daß der Glaub
in der dickſten Finſternuß, auch tieffſten und langwuͤrigſten Verber-
gung Chriſti das Vertrauen nicht wegwerffe, ſich an GOttes Wort
ſteiff und feſt halte, im Gebett ſich uͤbe, und endlich alle Puͤffe des
Teufels, Tods, der Suͤnd, der Hoͤllen, alle Stuͤrm des Gewiſſens,
und alle rauſchende Fluthen des Geſetzes uͤberwinde, durchwatte
und zurucklege, gleicherweiß muß auch die Liebe immer reiner wer-
den, daß ſie den am Creutz hangenden, nackenden Chriſtum ohne
Troſt, Erquickung oder einigen Genieß hoͤher liebe, als alles was
im Himmel und auf Erden iſt.

§. 9. Ach es iſt kein ſo liederlich Ding um dieſe neue Creatur,und nicht
nur eine
aͤuſſerliche
im Nach-
aͤffen der
Wiederge-
bornen.

daran der Glaub das Haupt und die Liebe das Hertz iſt, es giltet
hier nicht thun und mit Wercken umgehen, viele tauſend ſtecken hier
in einem erbaͤrmlichen Betrug, indem ſie ſich vergnuͤgen, die Werck

und
a Pſalm. CXVIII.
B b 2
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[195/0291] und die Pforte des Himmels. Schanden-machung der Verſuchungen der Schlangen, man ſinget mit Freuden von Sieg in den Zelten der Gerechten a. O ein wohl- gegruͤndete daurhaffte, ſuͤſſe, und ſeelige Freud! Die Gedancken weyden ſich in den Worten und Wercken Chriſti, umhalſen ihn, und nehren ſich von ſeinem Leben und Leiden, Tod und Herrlichkeit, und ſtaͤter Gegenwart, es wird ein Decke nach der anderen abge- legt, und das lautere Glaubens-Aug ſchauet Chriſti Klarheit und wird vergeſtaltet in ſein Bild von einer Schoͤnheit zu der anderen. §. 8. Ach liebe Kinder! ein Geſpenſt des Chriſtenthums und Schein der Frommkeit macht die Sach nicht, es muß ein Grund des geiſt- lichen Lebens innwendig ſeyn, alſo daß kein Glied fehle, daß alles da ſey und lebe, und nichts mangle an irgend einem Gut, daß die Sanfftmuth da ſey, und bey allen Reitzungen zur Ungedult, ſich kraͤfftig, lebendig und ſigend erweiſe, daß auch die Keuſchheit biß in die Gedancken hinein, immer reiner, heiliger und unſchuldiger werde, auch dem Lamm aͤhnlicher, das unter den Lilien, heiliger und unbefleckten Seelen weydet, und alſo von Jahr zu Jahr der Engliſchen Natur naͤher komme, daß die Gelaſſenheit in groſſen und kleinen Dingen, geiſt- und leiblichen Seegen und Vortheil von Zeit zu Zeit ungeſtoͤrter und unbeweglicher werde, daß ſie ſich auch in die Ewigkeiten hinaus daͤhne, in GOtt ſich verliere, und im Willen ſeiner Weißheit und Guͤte gantz und gar zerflieſſe, daß der Glaub in der dickſten Finſternuß, auch tieffſten und langwuͤrigſten Verber- gung Chriſti das Vertrauen nicht wegwerffe, ſich an GOttes Wort ſteiff und feſt halte, im Gebett ſich uͤbe, und endlich alle Puͤffe des Teufels, Tods, der Suͤnd, der Hoͤllen, alle Stuͤrm des Gewiſſens, und alle rauſchende Fluthen des Geſetzes uͤberwinde, durchwatte und zurucklege, gleicherweiß muß auch die Liebe immer reiner wer- den, daß ſie den am Creutz hangenden, nackenden Chriſtum ohne Troſt, Erquickung oder einigen Genieß hoͤher liebe, als alles was im Himmel und auf Erden iſt. Und zwar eine inn- wendige im Her- tzen §. 9. Ach es iſt kein ſo liederlich Ding um dieſe neue Creatur, daran der Glaub das Haupt und die Liebe das Hertz iſt, es giltet hier nicht thun und mit Wercken umgehen, viele tauſend ſtecken hier in einem erbaͤrmlichen Betrug, indem ſie ſich vergnuͤgen, die Werck und und nicht nur eine aͤuſſerliche im Nach- aͤffen der Wiederge- bornen. a Pſalm. CXVIII. B b 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/291>, abgerufen am 22.11.2024.