Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Geistliche Sonnen-Wende
nicht vergebens lauffen lasse, sondern dürstend zu ihr komme und trin-
cke; Einem Baum, der beladen mit reiffen Früchten, kan ein läch-
tzender Wanders-Mann keinen grösseren Dienst thun, als wann er
fein abricht und isset; Es ist niemand so närrisch, daß er ver-
meynte, er müsse zuvor etwelche Holtz-Aepffel sammlen, und zum
Baum herbey bringen, damit er würdig werde von dessen edlen
Früchten zu essen; Wie die thun, die immer auf ihre saure Wer-
cke sehen, wie viel oder wenig sie deren haben, ehe sie zu JEsu ge-
hen, und von ihm nehmen. Gleichfalls würde der die Sonnen be-
schimpffen, der sich mit einem angezündeten Schweffel-Höltzlein ih-
res Glantzes und Wärme würdig machen wollte; Nein, nein, heißt
es, kommet zu mir, wie ihr seyd, ich kenne euch wohl vorhin, besser als
ihr euch selbst kennet, was wollet ihr euch lang verbergen und
schmucken, ihr seyd Geist- und Gnaden-lose, finstere, unreine, un-
ter Fluch, Tod, Sünd, Höll, ligende Sünder; was wollet ihr
mir euerm GOtt doch Gutes geben? Nehmen sollt ihr von mir al-
les Gute, und mir übergeben all euer Böses; Jch, ich, tilge eure
Sünden; Jch, ich, nehme all eure Noth und Elend; Jch stirbe
vor euch, und gehe vor euch zum Vatter; Sehet auf mich, und tau-
schet mit mir, gebt mir eure Missethaten mit allen ihren leidigen
Früchten, dann das habt ihr, und sonst nichts, und ich will euch
meine Gerechtigkeit, Liebe, Heiligkeit und Freude daran geben.

Einwurff
beantwor-
tet und ge-
zeiget,

§. 6. Einwurff. Sagst du aber: Jst das nicht ein groß Werck,
so GOTT von uns fordert, ehe er uns seine Güte schencke, sich ab-
kehren von allem, das einem das Liebste ist auf Erden?

Antw. Ach du Erbarmens-würdige Seel! Was sind alle sicht-
daß alle
Natur-
Wercke
nichts ge-
gen den
Gnaden-
Wercken
gelten mö-
gen.
bare Ding, wo sie nicht GOtt geheiliget, und mit JEsu Liebe
durchsüsset sind? Nichts als Stopplen, Knochen, daran die Welt-
Kinder nagen; Was sind alle gut scheinende Natur-Werck? Nichts
als Läuse der Hoffart, die aus deinem Schweiß gewachsen a; Wür-
de ein König, der einem armen Bettler ein Fürstenthum verehrte,
sich nicht im höchsten Grad affrontirt befinden, wann ihme der Bett-
ler eine Lauß anbotte, und hernach meinte, der König habe das an-
gesehen? Was ist Sünd, von deren du dich abwenden must? Als
das abscheulichste Raben-Aaß? Verdienest du dann damit etwas?
Jst nicht schon in der Gnad der Selbst- und Welt-Verläugnung

unaus-
a Ezech. XLIV. 18.

Geiſtliche Sonnen-Wende
nicht vergebens lauffen laſſe, ſondern duͤrſtend zu ihr komme und trin-
cke; Einem Baum, der beladen mit reiffen Fruͤchten, kan ein laͤch-
tzender Wanders-Mann keinen groͤſſeren Dienſt thun, als wann er
fein abricht und iſſet; Es iſt niemand ſo naͤrriſch, daß er ver-
meynte, er muͤſſe zuvor etwelche Holtz-Aepffel ſammlen, und zum
Baum herbey bringen, damit er wuͤrdig werde von deſſen edlen
Fruͤchten zu eſſen; Wie die thun, die immer auf ihre ſaure Wer-
cke ſehen, wie viel oder wenig ſie deren haben, ehe ſie zu JEſu ge-
hen, und von ihm nehmen. Gleichfalls wuͤrde der die Sonnen be-
ſchimpffen, der ſich mit einem angezuͤndeten Schweffel-Hoͤltzlein ih-
res Glantzes und Waͤrme wuͤrdig machen wollte; Nein, nein, heißt
es, kommet zu mir, wie ihr ſeyd, ich kenne euch wohl vorhin, beſſer als
ihr euch ſelbſt kennet, was wollet ihr euch lang verbergen und
ſchmucken, ihr ſeyd Geiſt- und Gnaden-loſe, finſtere, unreine, un-
ter Fluch, Tod, Suͤnd, Hoͤll, ligende Suͤnder; was wollet ihr
mir euerm GOtt doch Gutes geben? Nehmen ſollt ihr von mir al-
les Gute, und mir uͤbergeben all euer Boͤſes; Jch, ich, tilge eure
Suͤnden; Jch, ich, nehme all eure Noth und Elend; Jch ſtirbe
vor euch, und gehe vor euch zum Vatter; Sehet auf mich, und tau-
ſchet mit mir, gebt mir eure Miſſethaten mit allen ihren leidigen
Fruͤchten, dann das habt ihr, und ſonſt nichts, und ich will euch
meine Gerechtigkeit, Liebe, Heiligkeit und Freude daran geben.

Einwurff
beantwor-
tet und ge-
zeiget,

§. 6. Einwurff. Sagſt du aber: Jſt das nicht ein groß Werck,
ſo GOTT von uns fordert, ehe er uns ſeine Guͤte ſchencke, ſich ab-
kehren von allem, das einem das Liebſte iſt auf Erden?

Antw. Ach du Erbarmens-wuͤrdige Seel! Was ſind alle ſicht-
daß alle
Natur-
Wercke
nichts ge-
gen den
Gnaden-
Wercken
gelten moͤ-
gen.
bare Ding, wo ſie nicht GOtt geheiliget, und mit JEſu Liebe
durchſuͤſſet ſind? Nichts als Stopplen, Knochen, daran die Welt-
Kinder nagen; Was ſind alle gut ſcheinende Natur-Werck? Nichts
als Laͤuſe der Hoffart, die aus deinem Schweiß gewachſen a; Wuͤr-
de ein Koͤnig, der einem armen Bettler ein Fuͤrſtenthum verehrte,
ſich nicht im hoͤchſten Grad affrontirt befinden, wann ihme der Bett-
ler eine Lauß anbotte, und hernach meinte, der Koͤnig habe das an-
geſehen? Was iſt Suͤnd, von deren du dich abwenden muſt? Als
das abſcheulichſte Raben-Aaß? Verdieneſt du dann damit etwas?
Jſt nicht ſchon in der Gnad der Selbſt- und Welt-Verlaͤugnung

unaus-
a Ezech. XLIV. 18.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="116"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gei&#x017F;tliche Sonnen-Wende</hi></fw><lb/>
nicht vergebens lauffen la&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ondern du&#x0364;r&#x017F;tend zu ihr komme und trin-<lb/>
cke; Einem Baum, der beladen mit reiffen Fru&#x0364;chten, kan ein la&#x0364;ch-<lb/>
tzender Wanders-Mann keinen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eren Dien&#x017F;t thun, als wann er<lb/>
fein abricht und i&#x017F;&#x017F;et; Es i&#x017F;t niemand &#x017F;o na&#x0364;rri&#x017F;ch, daß er ver-<lb/>
meynte, er mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zuvor etwelche Holtz-Aepffel &#x017F;ammlen, und zum<lb/>
Baum herbey bringen, damit er wu&#x0364;rdig werde von de&#x017F;&#x017F;en edlen<lb/>
Fru&#x0364;chten zu e&#x017F;&#x017F;en; Wie die thun, die immer auf ihre &#x017F;aure Wer-<lb/>
cke &#x017F;ehen, wie viel oder wenig &#x017F;ie deren haben, ehe &#x017F;ie zu JE&#x017F;u ge-<lb/>
hen, und von ihm nehmen. Gleichfalls wu&#x0364;rde der die Sonnen be-<lb/>
&#x017F;chimpffen, der &#x017F;ich mit einem angezu&#x0364;ndeten Schweffel-Ho&#x0364;ltzlein ih-<lb/>
res Glantzes und Wa&#x0364;rme wu&#x0364;rdig machen wollte; Nein, nein, heißt<lb/>
es, kommet zu mir, wie ihr &#x017F;eyd, ich kenne euch wohl vorhin, be&#x017F;&#x017F;er als<lb/>
ihr euch &#x017F;elb&#x017F;t kennet, was wollet ihr euch lang verbergen und<lb/>
&#x017F;chmucken, ihr &#x017F;eyd Gei&#x017F;t- und Gnaden-lo&#x017F;e, fin&#x017F;tere, unreine, un-<lb/>
ter Fluch, Tod, Su&#x0364;nd, Ho&#x0364;ll, ligende Su&#x0364;nder; was wollet ihr<lb/>
mir euerm GOtt doch Gutes geben? Nehmen &#x017F;ollt ihr von mir al-<lb/>
les Gute, und mir u&#x0364;bergeben all euer Bo&#x0364;&#x017F;es; Jch, ich, tilge eure<lb/>
Su&#x0364;nden; Jch, ich, nehme all eure Noth und Elend; Jch &#x017F;tirbe<lb/>
vor euch, und gehe vor euch zum Vatter; Sehet auf mich, und tau-<lb/>
&#x017F;chet mit mir, gebt mir eure Mi&#x017F;&#x017F;ethaten mit allen ihren leidigen<lb/>
Fru&#x0364;chten, dann das habt ihr, und &#x017F;on&#x017F;t nichts, und ich will euch<lb/>
meine Gerechtigkeit, Liebe, Heiligkeit und Freude daran geben.</p><lb/>
          <note place="left">Einwurff<lb/>
beantwor-<lb/>
tet und ge-<lb/>
zeiget,</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 6. <hi rendition="#fr">Einwurff.</hi> Sag&#x017F;t du aber: J&#x017F;t das nicht ein groß Werck,<lb/>
&#x017F;o GOTT von uns fordert, ehe er uns &#x017F;eine Gu&#x0364;te &#x017F;chencke, &#x017F;ich ab-<lb/>
kehren von allem, das einem das Lieb&#x017F;te i&#x017F;t auf Erden?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Antw.</hi> Ach du Erbarmens-wu&#x0364;rdige Seel! Was &#x017F;ind alle &#x017F;icht-<lb/><note place="left">daß alle<lb/>
Natur-<lb/>
Wercke<lb/>
nichts ge-<lb/>
gen den<lb/>
Gnaden-<lb/>
Wercken<lb/>
gelten mo&#x0364;-<lb/>
gen.</note>bare Ding, wo &#x017F;ie nicht GOtt geheiliget, und mit JE&#x017F;u Liebe<lb/>
durch&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ind? Nichts als Stopplen, Knochen, daran die Welt-<lb/>
Kinder nagen; Was &#x017F;ind alle gut &#x017F;cheinende Natur-Werck? Nichts<lb/>
als La&#x0364;u&#x017F;e der Hoffart, die aus deinem Schweiß gewach&#x017F;en <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Ezech. XLIV.</hi> 18.</note>; Wu&#x0364;r-<lb/>
de ein Ko&#x0364;nig, der einem armen Bettler ein Fu&#x0364;r&#x017F;tenthum verehrte,<lb/>
&#x017F;ich nicht im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad affrontirt befinden, wann ihme der Bett-<lb/>
ler eine Lauß anbotte, und hernach meinte, der Ko&#x0364;nig habe das an-<lb/>
ge&#x017F;ehen? Was i&#x017F;t Su&#x0364;nd, von deren du dich abwenden mu&#x017F;t? Als<lb/>
das ab&#x017F;cheulich&#x017F;te Raben-Aaß? Verdiene&#x017F;t du dann damit etwas?<lb/>
J&#x017F;t nicht &#x017F;chon in der Gnad der Selb&#x017F;t- und Welt-Verla&#x0364;ugnung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">unaus-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0212] Geiſtliche Sonnen-Wende nicht vergebens lauffen laſſe, ſondern duͤrſtend zu ihr komme und trin- cke; Einem Baum, der beladen mit reiffen Fruͤchten, kan ein laͤch- tzender Wanders-Mann keinen groͤſſeren Dienſt thun, als wann er fein abricht und iſſet; Es iſt niemand ſo naͤrriſch, daß er ver- meynte, er muͤſſe zuvor etwelche Holtz-Aepffel ſammlen, und zum Baum herbey bringen, damit er wuͤrdig werde von deſſen edlen Fruͤchten zu eſſen; Wie die thun, die immer auf ihre ſaure Wer- cke ſehen, wie viel oder wenig ſie deren haben, ehe ſie zu JEſu ge- hen, und von ihm nehmen. Gleichfalls wuͤrde der die Sonnen be- ſchimpffen, der ſich mit einem angezuͤndeten Schweffel-Hoͤltzlein ih- res Glantzes und Waͤrme wuͤrdig machen wollte; Nein, nein, heißt es, kommet zu mir, wie ihr ſeyd, ich kenne euch wohl vorhin, beſſer als ihr euch ſelbſt kennet, was wollet ihr euch lang verbergen und ſchmucken, ihr ſeyd Geiſt- und Gnaden-loſe, finſtere, unreine, un- ter Fluch, Tod, Suͤnd, Hoͤll, ligende Suͤnder; was wollet ihr mir euerm GOtt doch Gutes geben? Nehmen ſollt ihr von mir al- les Gute, und mir uͤbergeben all euer Boͤſes; Jch, ich, tilge eure Suͤnden; Jch, ich, nehme all eure Noth und Elend; Jch ſtirbe vor euch, und gehe vor euch zum Vatter; Sehet auf mich, und tau- ſchet mit mir, gebt mir eure Miſſethaten mit allen ihren leidigen Fruͤchten, dann das habt ihr, und ſonſt nichts, und ich will euch meine Gerechtigkeit, Liebe, Heiligkeit und Freude daran geben. §. 6. Einwurff. Sagſt du aber: Jſt das nicht ein groß Werck, ſo GOTT von uns fordert, ehe er uns ſeine Guͤte ſchencke, ſich ab- kehren von allem, das einem das Liebſte iſt auf Erden? Antw. Ach du Erbarmens-wuͤrdige Seel! Was ſind alle ſicht- bare Ding, wo ſie nicht GOtt geheiliget, und mit JEſu Liebe durchſuͤſſet ſind? Nichts als Stopplen, Knochen, daran die Welt- Kinder nagen; Was ſind alle gut ſcheinende Natur-Werck? Nichts als Laͤuſe der Hoffart, die aus deinem Schweiß gewachſen a; Wuͤr- de ein Koͤnig, der einem armen Bettler ein Fuͤrſtenthum verehrte, ſich nicht im hoͤchſten Grad affrontirt befinden, wann ihme der Bett- ler eine Lauß anbotte, und hernach meinte, der Koͤnig habe das an- geſehen? Was iſt Suͤnd, von deren du dich abwenden muſt? Als das abſcheulichſte Raben-Aaß? Verdieneſt du dann damit etwas? Jſt nicht ſchon in der Gnad der Selbſt- und Welt-Verlaͤugnung unaus- daß alle Natur- Wercke nichts ge- gen den Gnaden- Wercken gelten moͤ- gen. a Ezech. XLIV. 18.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/212
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/212>, abgerufen am 25.11.2024.