Denn daß man anfähet zu lieben, ist nicht so grosse Kunst, aber in der Liebe bleiben, das ist die rechte Kunst und Tugend; Denn gleich wie offt im ehelichen Stand viel zusammen kommen, so sich unter- einander erstlich für grosser Liebe und Brunst fressen wollen, und darnach einander tod-feind werden, also gehets auch unter Chri- sten, daß etwa aus geringer Ursach die Liebe zertrennet wird und die so am hartesten sollten zusammen setzen und halten, von einander reisset, daß die ärgsten, bittersten Feinde draus werden. Das ist denn deß Teufels Freud und Lust, daß er die Liebe zerrüttet, die doch Paulus ein Band der Vollkommenheit nennet Col. 3. und zum höchsten preiset 1 Cor. 13. Ja JESUS setzet sich und seinen Vat- ter zum Fürbild a, und sagt
Mein Vatter liebet mich also, daß er seine Macht und Gewalt alle an mich setzt; Läßt mich wohl jetz leiden, aber alles, was ich thue und leide, deß nimmt er sich an als geschehe es ihm, und wird mich aus dem Tod lebendig und zum Herren über alle Ding machen, und seine Göttliche Majestät gar an mir verklären. Also, spricht Christus, liebe ich euch/ denn ich lasse euch nicht in euern Sünden und Tod, sondern setze mein Leib und Leben für euch daß ich euch, daraus helffe, und hänge meine Reinig- keit, Heiligkeit, Sterben und Auferstehen, und was ich vermag, alles an euch, darum bleibet auch in solcher meiner Liebe unterein- ander, ob ihr gleich um meinetwillen hart gedrungen werdet von mir zu fallen, so haltet doch feste und leidet euch: Lasset meine Liebe stärcker, grösser und mächtiger seyn denn das Leid oder Schmertzen, so ihr fühlet, denn ich weiß daß euch der Teufel wird hart zu setzen um meinet willen, daß er euch traurig, müd und ungedultig mache; daß ihr sollet ablassen und sagen, ich wollte, daß ich solches nie ange- fangen hätte: Denn Fleisch und Blut ist Fleisch und Blut und stosset einen jeglichen für den Kopf, daß er so viel Verachtung, Undanck, Verfolgung und Gefahr sehen und leiden soll für Liebe und Wohl- that, das macht einmahl Unlust und Uberdruß.
Aber es heißt, nicht also, laß dich den Teufel, Welt und dein eigen Fleisch nicht übertäuben, sondern dencke, wie ich dich geliebt habe und noch liebe, und was ich an dich gewandt daß du durch
mich
aJoh. XV. 9.
Die geiſtliche Vermaͤhlung JEſu
Denn daß man anfaͤhet zu lieben, iſt nicht ſo groſſe Kunſt, aber in der Liebe bleiben, das iſt die rechte Kunſt und Tugend; Denn gleich wie offt im ehelichen Stand viel zuſammen kommen, ſo ſich unter- einander erſtlich fuͤr groſſer Liebe und Brunſt freſſen wollen, und darnach einander tod-feind werden, alſo gehets auch unter Chri- ſten, daß etwa aus geringer Urſach die Liebe zertrennet wird und die ſo am harteſten ſollten zuſammen ſetzen und halten, von einander reiſſet, daß die aͤrgſten, bitterſten Feinde draus werden. Das iſt denn deß Teufels Freud und Luſt, daß er die Liebe zerruͤttet, die doch Paulus ein Band der Vollkommenheit nennet Col. 3. und zum hoͤchſten preiſet 1 Cor. 13. Ja JESUS ſetzet ſich und ſeinen Vat- ter zum Fuͤrbild a, und ſagt
Mein Vatter liebet mich alſo, daß er ſeine Macht und Gewalt alle an mich ſetzt; Laͤßt mich wohl jetz leiden, aber alles, was ich thue und leide, deß nimmt er ſich an als geſchehe es ihm, und wird mich aus dem Tod lebendig und zum Herren uͤber alle Ding machen, und ſeine Goͤttliche Majeſtaͤt gar an mir verklaͤren. Alſo, ſpricht Chriſtus, liebe ich euch/ denn ich laſſe euch nicht in euern Suͤnden und Tod, ſondern ſetze mein Leib und Leben fuͤr euch daß ich euch, daraus helffe, und haͤnge meine Reinig- keit, Heiligkeit, Sterben und Auferſtehen, und was ich vermag, alles an euch, darum bleibet auch in ſolcher meiner Liebe unterein- ander, ob ihr gleich um meinetwillen hart gedrungen werdet von mir zu fallen, ſo haltet doch feſte und leidet euch: Laſſet meine Liebe ſtaͤrcker, groͤſſer und maͤchtiger ſeyn denn das Leid oder Schmertzen, ſo ihr fuͤhlet, denn ich weiß daß euch der Teufel wird hart zu ſetzen um meinet willen, daß er euch traurig, muͤd und ungedultig mache; daß ihr ſollet ablaſſen und ſagen, ich wollte, daß ich ſolches nie ange- fangen haͤtte: Denn Fleiſch und Blut iſt Fleiſch und Blut und ſtoſſet einen jeglichen fuͤr den Kopf, daß er ſo viel Verachtung, Undanck, Verfolgung und Gefahr ſehen und leiden ſoll fuͤr Liebe und Wohl- that, das macht einmahl Unluſt und Uberdruß.
Aber es heißt, nicht alſo, laß dich den Teufel, Welt und dein eigen Fleiſch nicht uͤbertaͤuben, ſondern dencke, wie ich dich geliebt habe und noch liebe, und was ich an dich gewandt daß du durch
mich
aJoh. XV. 9.
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Die geiſtliche Vermaͤhlung JEſu
Denn daß man anfaͤhet zu lieben, iſt nicht ſo groſſe Kunſt, aber in
der Liebe bleiben, das iſt die rechte Kunſt und Tugend; Denn gleich
wie offt im ehelichen Stand viel zuſammen kommen, ſo ſich unter-
einander erſtlich fuͤr groſſer Liebe und Brunſt freſſen wollen, und
darnach einander tod-feind werden, alſo gehets auch unter Chri-
ſten, daß etwa aus geringer Urſach die Liebe zertrennet wird und die
ſo am harteſten ſollten zuſammen ſetzen und halten, von einander
reiſſet, daß die aͤrgſten, bitterſten Feinde draus werden. Das iſt
denn deß Teufels Freud und Luſt, daß er die Liebe zerruͤttet, die
doch Paulus ein Band der Vollkommenheit nennet Col. 3. und zum
hoͤchſten preiſet 1 Cor. 13. Ja JESUS ſetzet ſich und ſeinen Vat-
ter zum Fuͤrbild a, und ſagt
Mein Vatter liebet mich alſo, daß er ſeine Macht und
Gewalt alle an mich ſetzt; Laͤßt mich wohl jetz leiden, aber alles, was
ich thue und leide, deß nimmt er ſich an als geſchehe es ihm, und
wird mich aus dem Tod lebendig und zum Herren uͤber alle Ding
machen, und ſeine Goͤttliche Majeſtaͤt gar an mir verklaͤren.
Alſo, ſpricht Chriſtus, liebe ich euch/ denn ich laſſe euch
nicht in euern Suͤnden und Tod, ſondern ſetze mein Leib und
Leben fuͤr euch daß ich euch, daraus helffe, und haͤnge meine Reinig-
keit, Heiligkeit, Sterben und Auferſtehen, und was ich vermag,
alles an euch, darum bleibet auch in ſolcher meiner Liebe unterein-
ander, ob ihr gleich um meinetwillen hart gedrungen werdet von
mir zu fallen, ſo haltet doch feſte und leidet euch: Laſſet meine Liebe
ſtaͤrcker, groͤſſer und maͤchtiger ſeyn denn das Leid oder Schmertzen,
ſo ihr fuͤhlet, denn ich weiß daß euch der Teufel wird hart zu ſetzen um
meinet willen, daß er euch traurig, muͤd und ungedultig mache; daß
ihr ſollet ablaſſen und ſagen, ich wollte, daß ich ſolches nie ange-
fangen haͤtte: Denn Fleiſch und Blut iſt Fleiſch und Blut und ſtoſſet
einen jeglichen fuͤr den Kopf, daß er ſo viel Verachtung, Undanck,
Verfolgung und Gefahr ſehen und leiden ſoll fuͤr Liebe und Wohl-
that, das macht einmahl Unluſt und Uberdruß.
Aber es heißt, nicht alſo, laß dich den Teufel, Welt und dein
eigen Fleiſch nicht uͤbertaͤuben, ſondern dencke, wie ich dich geliebt
habe und noch liebe, und was ich an dich gewandt daß du durch
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1270>, abgerufen am 25.11.2024.
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