unterließ er das Gebett sein Lebenlang, weil es ihm Qual und Pein an GOTT zu gedencken macht.
Das Gebett wird mit grosser Lästerung daher geplappert, nur da- mit das Fleisch Ruh und Gemächlichkeit habe, der alte Adam unge- creutzigt bleibe, hier seinen Genuß und Lust habe, und dann, wann sein irrdischer Himmel ein End hat, er fein ordenlich in die ewige Herrlichkeit eingehen könne.
Aber solche Ruh verspricht JEsus nicht, daß man nichts widrigs habe, sich alles Leidens erwehre, auch alles Kampfs und mühseligen Streits mit seiner eignen selbst-liebigen Natur enthoben seye a.
§. 2. Woraus man eben siehet, wie wenig die Natur-MenschenDie we- nigsten er- kennen das Gute so in dem Genuß JEsu sich findet. dieses Gut nur kennen, viel weniger daß sie darnach ringen, alles ist ersoffen in fleischlicher Ruh, die Satan und Welt gibt! man will sich keine Händel machen, man sitzet still bey den Fleisch-Töpffen, man scheuet die Oede und ungeheure Wüste, es ist dem alten Adam wohl unter Pharaons Dienst, in seinem Hause, man lebt in guter Verständnuß mit der Sünd, der Knoblauch der stinckenden Lüsten schmeckt gar zu wohl, seine Fesseln achtet man, sey ein anständiger, nöthiger Schmuck, seine Arbeit dunckt ein ringer, leichter und süs- ser als des H. Geists, weil man Lust und Lieb dazu hat.
Hingegen davon zu ruhen und allen eignen Wercken, Gedancken, allen teuflischen Eingebungen zu widersprechen, sie abzuschütteln und obschon sie vermittelst des Fleisches die Seele noch so starck zu sich ziehen, ihnen dennoch nicht zu folgen; Demnach der Natur das al- lergeringste Vergnügen abzuschlagen, das scheint denen jetzigen Schein-Christen ein unträglicher Last zu seyn, hingegen kommt der Natur nichts langweiligers und verdrüßigers vor als JEsu Gespräch, Gemeinschafft und Gegenwart.
O wie abgeschmackt kommen den meisten diese holdseelige Wun- der-Worte vor, da glaubt man wohl nicht, daß bey JEsu Ruh, Erquickung sey; dannenher ist man ärger als der Teufel. Die Teu- fel die schrien und sprachen: Was haben wir mit dir zu schaffen, JEsu du Sohn GOttes, bist du hieher kommen, uns vor der Zeit zu quälen b? Man hälts mit ihnen, man gibt ihnen recht: Es seye je wahr, JEsus bringe nichts als lauter Verwirrung, wo man ihme
die
aJoh. XIV. 27. XVI. 33.
bMatth. VIII. 22.
C c c c c c c 3
Labſal in Truͤbſal.
unterließ er das Gebett ſein Lebenlang, weil es ihm Qual und Pein an GOTT zu gedencken macht.
Das Gebett wird mit groſſer Laͤſterung daher geplappert, nur da- mit das Fleiſch Ruh und Gemaͤchlichkeit habe, der alte Adam unge- creutzigt bleibe, hier ſeinen Genuß und Luſt habe, und dann, wann ſein irrdiſcher Himmel ein End hat, er fein ordenlich in die ewige Herrlichkeit eingehen koͤnne.
Aber ſolche Ruh verſpricht JEſus nicht, daß man nichts widrigs habe, ſich alles Leidens erwehre, auch alles Kampfs und muͤhſeligen Streits mit ſeiner eignen ſelbſt-liebigen Natur enthoben ſeye a.
§. 2. Woraus man eben ſiehet, wie wenig die Natur-MenſchenDie we- nigſten er- kennen das Gute ſo in dem Genuß JEſu ſich findet. dieſes Gut nur kennen, viel weniger daß ſie darnach ringen, alles iſt erſoffen in fleiſchlicher Ruh, die Satan und Welt gibt! man will ſich keine Haͤndel machen, man ſitzet ſtill bey den Fleiſch-Toͤpffen, man ſcheuet die Oede und ungeheure Wuͤſte, es iſt dem alten Adam wohl unter Pharaons Dienſt, in ſeinem Hauſe, man lebt in guter Verſtaͤndnuß mit der Suͤnd, der Knoblauch der ſtinckenden Luͤſten ſchmeckt gar zu wohl, ſeine Feſſeln achtet man, ſey ein anſtaͤndiger, noͤthiger Schmuck, ſeine Arbeit dunckt ein ringer, leichter und ſuͤſ- ſer als des H. Geiſts, weil man Luſt und Lieb dazu hat.
Hingegen davon zu ruhen und allen eignen Wercken, Gedancken, allen teufliſchen Eingebungen zu widerſprechen, ſie abzuſchuͤtteln und obſchon ſie vermittelſt des Fleiſches die Seele noch ſo ſtarck zu ſich ziehen, ihnen dennoch nicht zu folgen; Demnach der Natur das al- lergeringſte Vergnuͤgen abzuſchlagen, das ſcheint denen jetzigen Schein-Chriſten ein untraͤglicher Laſt zu ſeyn, hingegen kommt der Natur nichts langweiligers und verdruͤßigers vor als JEſu Geſpraͤch, Gemeinſchafft und Gegenwart.
O wie abgeſchmackt kommen den meiſten dieſe holdſeelige Wun- der-Worte vor, da glaubt man wohl nicht, daß bey JEſu Ruh, Erquickung ſey; dannenher iſt man aͤrger als der Teufel. Die Teu- fel die ſchrien und ſprachen: Was haben wir mit dir zu ſchaffen, JEſu du Sohn GOttes, biſt du hieher kommen, uns vor der Zeit zu quaͤlen b? Man haͤlts mit ihnen, man gibt ihnen recht: Es ſeye je wahr, JEſus bringe nichts als lauter Verwirrung, wo man ihme
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aJoh. XIV. 27. XVI. 33.
bMatth. VIII. 22.
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Labſal in Truͤbſal.
unterließ er das Gebett ſein Lebenlang, weil es ihm Qual und Pein an
GOTT zu gedencken macht.
Das Gebett wird mit groſſer Laͤſterung daher geplappert, nur da-
mit das Fleiſch Ruh und Gemaͤchlichkeit habe, der alte Adam unge-
creutzigt bleibe, hier ſeinen Genuß und Luſt habe, und dann, wann
ſein irrdiſcher Himmel ein End hat, er fein ordenlich in die ewige
Herrlichkeit eingehen koͤnne.
Aber ſolche Ruh verſpricht JEſus nicht, daß man nichts widrigs
habe, ſich alles Leidens erwehre, auch alles Kampfs und muͤhſeligen
Streits mit ſeiner eignen ſelbſt-liebigen Natur enthoben ſeye a.
§. 2. Woraus man eben ſiehet, wie wenig die Natur-Menſchen
dieſes Gut nur kennen, viel weniger daß ſie darnach ringen, alles iſt
erſoffen in fleiſchlicher Ruh, die Satan und Welt gibt! man will
ſich keine Haͤndel machen, man ſitzet ſtill bey den Fleiſch-Toͤpffen,
man ſcheuet die Oede und ungeheure Wuͤſte, es iſt dem alten Adam
wohl unter Pharaons Dienſt, in ſeinem Hauſe, man lebt in guter
Verſtaͤndnuß mit der Suͤnd, der Knoblauch der ſtinckenden Luͤſten
ſchmeckt gar zu wohl, ſeine Feſſeln achtet man, ſey ein anſtaͤndiger,
noͤthiger Schmuck, ſeine Arbeit dunckt ein ringer, leichter und ſuͤſ-
ſer als des H. Geiſts, weil man Luſt und Lieb dazu hat.
Die we-
nigſten er-
kennen
das Gute
ſo in dem
Genuß
JEſu ſich
findet.
Hingegen davon zu ruhen und allen eignen Wercken, Gedancken,
allen teufliſchen Eingebungen zu widerſprechen, ſie abzuſchuͤtteln und
obſchon ſie vermittelſt des Fleiſches die Seele noch ſo ſtarck zu ſich
ziehen, ihnen dennoch nicht zu folgen; Demnach der Natur das al-
lergeringſte Vergnuͤgen abzuſchlagen, das ſcheint denen jetzigen
Schein-Chriſten ein untraͤglicher Laſt zu ſeyn, hingegen kommt der
Natur nichts langweiligers und verdruͤßigers vor als JEſu Geſpraͤch,
Gemeinſchafft und Gegenwart.
O wie abgeſchmackt kommen den meiſten dieſe holdſeelige Wun-
der-Worte vor, da glaubt man wohl nicht, daß bey JEſu Ruh,
Erquickung ſey; dannenher iſt man aͤrger als der Teufel. Die Teu-
fel die ſchrien und ſprachen: Was haben wir mit dir zu ſchaffen,
JEſu du Sohn GOttes, biſt du hieher kommen, uns vor der Zeit
zu quaͤlen b? Man haͤlts mit ihnen, man gibt ihnen recht: Es ſeye je
wahr, JEſus bringe nichts als lauter Verwirrung, wo man ihme
die
a Joh. XIV. 27. XVI. 33.
b Matth. VIII. 22.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1221>, abgerufen am 25.11.2024.
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