wann sie Grafen, Fürsten, Könige, Kayser vor ihnen sehen etc. man probiert auch dann und wann, ob man darzu gelangen könnte, daß man der Forcht des Todes, des Verdammens im Gewissen, item, alles Unfriedens, Schreckens, Fliehens, Bangigkeit und Zagen le- dig werd und mit unglaublichem Frolocken und Vergnügen, wie an- dere Heilige vor und mit GOtt leben könne: Da denckt man, man wolle schon zur Sach thun und ein eiferig, andächtig Leben gnug führen, aber
Der Leib des To- des.
§. 4. (3.) Da hindert einem ein anderer Last, nemlich der Leib des Todes a, der einem wie ein verwesender, stinckender Todes-Keil auf die Seele gebunden ist, da ist man im Kercker des Gesetzes, in der Grub ohne Wasser angefeßlet biß der Erlöser kommt; Man wäre gern der Sünd loß und kan doch nicht darvor seyn, man macht viel gute Vorsätze und wird wenig draus; geneußt man etwan ein Gnaden-Blicklein, denckt man, man wolle sonst jetzt wohl Sorg haben, daß es einem nicht gehe wie andermahl, auf der Hut seyn Psal. 127. Allein man wird bald hinterschlichen vom Fleisch, Teu- fel etc. fallt in allerhand Beklemmungen und darüber in Zweiffel, Träg- heit und Kleinmuth etc. ja so man am besten dran ist, allen Wohlauf, wird man am ersten übern Hauffen geworffen b, und dennoch fangt man immer wieder das alte Spiel an.
Fallt man, (wie denn kein Sieg noch ewig Leben unter dem Gesetz zu hoffen Gal. 3.) so macht man sich ein starcken Schluß, man wol- le bey erster Gelegenheit in dergleichen Anläuffen und Versuchungen besser Acht haben, man bittet auch wohl und seufftzet in solcher Trüb- seeligkeit um Gnad; aber weil der Glaub noch nicht aufgangen, JEsus nicht erschienen, die Liebe noch nicht ausgossen, so bleibt es beym alten Wesen und gehet wie Jsrael unter Mosis Regiment.
Bey jeder frisch anlangenden Prob ware Abweichung, Murren, Unglaub, Mißmütigkeit, darauf folgete Plag und Scham und Versprechen künfftiger Besserung; währete aber so lang, biß sie ein frische Anfechtung anstieß, da wars das alte Liedlein und erzeigte sich immer verderbte, Adamische Art und Natur, sie könnten auch nicht anders, wie der Vogel so das Gesang, wie der Baum so die Frucht.
Die Schuld dieses
§. 5. Es giebt gesetzliche Menschen, die, wann sie sehen wie unrein und verdorben sie sind, so werffen sie die Schuld auf GOtt, warum
er
aRom. VII. 24.
b 1 Cor. X. Ps. XXX.
Labſal in Truͤbſal.
wann ſie Grafen, Fuͤrſten, Koͤnige, Kayſer vor ihnen ſehen ꝛc. man probiert auch dann und wann, ob man darzu gelangen koͤnnte, daß man der Forcht des Todes, des Verdammens im Gewiſſen, item, alles Unfriedens, Schreckens, Fliehens, Bangigkeit und Zagen le- dig werd und mit unglaublichem Frolocken und Vergnuͤgen, wie an- dere Heilige vor und mit GOtt leben koͤnne: Da denckt man, man wolle ſchon zur Sach thun und ein eiferig, andaͤchtig Leben gnug fuͤhren, aber
Der Leib des To- des.
§. 4. (3.) Da hindert einem ein anderer Laſt, nemlich der Leib des Todes a, der einem wie ein verweſender, ſtinckender Todes-Keil auf die Seele gebunden iſt, da iſt man im Kercker des Geſetzes, in der Grub ohne Waſſer angefeßlet biß der Erloͤſer kommt; Man waͤre gern der Suͤnd loß und kan doch nicht darvor ſeyn, man macht viel gute Vorſaͤtze und wird wenig draus; geneußt man etwan ein Gnaden-Blicklein, denckt man, man wolle ſonſt jetzt wohl Sorg haben, daß es einem nicht gehe wie andermahl, auf der Hut ſeyn Pſal. 127. Allein man wird bald hinterſchlichen vom Fleiſch, Teu- fel ꝛc. fallt in allerhand Beklemmungen und daruͤber in Zweiffel, Traͤg- heit und Kleinmuth ꝛc. ja ſo man am beſten dran iſt, allen Wohlauf, wird man am erſten uͤbern Hauffen geworffen b, und dennoch fangt man immer wieder das alte Spiel an.
Fallt man, (wie denn kein Sieg noch ewig Leben unter dem Geſetz zu hoffen Gal. 3.) ſo macht man ſich ein ſtarcken Schluß, man wol- le bey erſter Gelegenheit in dergleichen Anlaͤuffen und Verſuchungen beſſer Acht haben, man bittet auch wohl und ſeufftzet in ſolcher Truͤb- ſeeligkeit um Gnad; aber weil der Glaub noch nicht aufgangen, JEſus nicht erſchienen, die Liebe noch nicht ausgoſſen, ſo bleibt es beym alten Weſen und gehet wie Jſrael unter Moſis Regiment.
Bey jeder friſch anlangenden Prob ware Abweichung, Murren, Unglaub, Mißmuͤtigkeit, darauf folgete Plag und Scham und Verſprechen kuͤnfftiger Beſſerung; waͤhrete aber ſo lang, biß ſie ein friſche Anfechtung anſtieß, da wars das alte Liedlein und erzeigte ſich immer verderbte, Adamiſche Art und Natur, ſie koͤnnten auch nicht anders, wie der Vogel ſo das Geſang, wie der Baum ſo die Frucht.
Die Schuld dieſes
§. 5. Es giebt geſetzliche Menſchen, die, wann ſie ſehen wie unrein und verdorben ſie ſind, ſo werffen ſie die Schuld auf GOtt, warum
er
aRom. VII. 24.
b 1 Cor. X. Pſ. XXX.
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Labſal in Truͤbſal.
wann ſie Grafen, Fuͤrſten, Koͤnige, Kayſer vor ihnen ſehen ꝛc. man
probiert auch dann und wann, ob man darzu gelangen koͤnnte, daß
man der Forcht des Todes, des Verdammens im Gewiſſen, item,
alles Unfriedens, Schreckens, Fliehens, Bangigkeit und Zagen le-
dig werd und mit unglaublichem Frolocken und Vergnuͤgen, wie an-
dere Heilige vor und mit GOtt leben koͤnne: Da denckt man, man
wolle ſchon zur Sach thun und ein eiferig, andaͤchtig Leben gnug
fuͤhren, aber
§. 4. (3.) Da hindert einem ein anderer Laſt, nemlich der Leib des
Todes a, der einem wie ein verweſender, ſtinckender Todes-Keil
auf die Seele gebunden iſt, da iſt man im Kercker des Geſetzes, in
der Grub ohne Waſſer angefeßlet biß der Erloͤſer kommt; Man
waͤre gern der Suͤnd loß und kan doch nicht darvor ſeyn, man macht
viel gute Vorſaͤtze und wird wenig draus; geneußt man etwan ein
Gnaden-Blicklein, denckt man, man wolle ſonſt jetzt wohl Sorg
haben, daß es einem nicht gehe wie andermahl, auf der Hut ſeyn
Pſal. 127. Allein man wird bald hinterſchlichen vom Fleiſch, Teu-
fel ꝛc. fallt in allerhand Beklemmungen und daruͤber in Zweiffel, Traͤg-
heit und Kleinmuth ꝛc. ja ſo man am beſten dran iſt, allen Wohlauf,
wird man am erſten uͤbern Hauffen geworffen b, und dennoch fangt
man immer wieder das alte Spiel an.
Fallt man, (wie denn kein Sieg noch ewig Leben unter dem Geſetz
zu hoffen Gal. 3.) ſo macht man ſich ein ſtarcken Schluß, man wol-
le bey erſter Gelegenheit in dergleichen Anlaͤuffen und Verſuchungen
beſſer Acht haben, man bittet auch wohl und ſeufftzet in ſolcher Truͤb-
ſeeligkeit um Gnad; aber weil der Glaub noch nicht aufgangen,
JEſus nicht erſchienen, die Liebe noch nicht ausgoſſen, ſo bleibt es
beym alten Weſen und gehet wie Jſrael unter Moſis Regiment.
Bey jeder friſch anlangenden Prob ware Abweichung, Murren,
Unglaub, Mißmuͤtigkeit, darauf folgete Plag und Scham und
Verſprechen kuͤnfftiger Beſſerung; waͤhrete aber ſo lang, biß ſie ein
friſche Anfechtung anſtieß, da wars das alte Liedlein und erzeigte ſich
immer verderbte, Adamiſche Art und Natur, ſie koͤnnten auch nicht
anders, wie der Vogel ſo das Geſang, wie der Baum ſo die Frucht.
§. 5. Es giebt geſetzliche Menſchen, die, wann ſie ſehen wie unrein
und verdorben ſie ſind, ſo werffen ſie die Schuld auf GOtt, warum
er
a Rom. VII. 24.
b 1 Cor. X. Pſ. XXX.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1196>, abgerufen am 22.11.2024.
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