Mutter ihrem eigenwilligen Kind biß es nichts mehr vermag und sich aufs Weinen begiebt, und mit sehnlichen Thränen auf der lieben Mutter Hülff wartet; Manche haben die Sache so gewaltig ange- griffen, daß ihnen der Kopf hätte mögen zerspringen, biß sie endlich mit Wehemuth des Hertzens in ihr Nichts versuncken, Christo die Ehre gegeben, sich gantz von sich selbst ab-zu GOtt gewendt, auf sein Heyl gewartet; mithin was das liebreiche Mutter Hertz Christi vermöge, zu ihrer sehr grosser Freude erfahren haben; also, also ler- net zuletzt der unverständige, eigensinnige, hochmüthige Sünder die so seelige Theologiam passivam, das ist, daß er GOTT in sich wür- cken lasse, und auf diesem Weg allein kommt er zum Ziel.
um zu er- kennen zu geben wie gut es die haben, so an JEsu bleiben.
§. 8. Es ist leicht zu erachten, daß ein Kind einen weitern Weg mache, so es getragen wird und nicht selbst gehen muß, dann es wandlet auf seiner Mutter Beinen, doch thuts es nicht, biß es so müd, daß es nicht mehr mag, und sich nur stoßt und fallt, also daß es von erst gut Lehr-Geld geben muß, ehe es gewitziget wird und JEsum recht zu gebrauchen weißt, wozu er uns von GOtt gemacht ist. Gleicher weise lernt eine Seel erst nach vieler Erfahrung, vie- lem Strauchlen, Still-Stehen, Zuruck-Sehen und Gehen, vie- lem eignen Rennen, Lauffen, wie gut es die haben, so stets bey JE- su bleiben, an seinen Brüsten ihre Lust und Wachsthum haben, an JEsu wie Kletten hangen, kleben, nicht lang voraus lauffen oder beyseits ausweichen: O ein gar wichtige Lection ists zu JEsu gehen und in ihm bleiben, welche in unseren Tagen schlecht practiciert wird, darum auch wenig Frucht vorhanden und die so man siehet, was da ist von Buß, Selbst-Verläugnung, Gedult, Demuth, Heiligkeit, Sanfftmuth, beständiger Anbettung im Heiligthum, Vereinigung und Gemeinschafft mit GOtt, Nachfolg JEsu des Gecreutzigten etc. das ist eingeschmurret, ungeschmackt, wurmäßig, daß sie wenig nutz und dienlich sind in GOttes Haußhaltung. Und das alles darum, weil dem fladerhafften Geist Zeit und Weile zu lang wird bey JE- su, auf seinen heiligen Geist zu warten, wie die Lilien und Sonnen- Blum auf den Glantz und Thau des Himmels, weßwegen keine an- muthigere Music einer Seel (die bißhero zu keinem Göttlichen Wan- del und Leben es hat bringen können, sondern Wechslungs-weise himmlisches und irrdisches in ihr geherrscht) nimmermehr seyn kan, als zu hören und zu vernehmen, JEsus sey vorhanden, ihre Sa-
che
Labſal in Truͤbſal.
Mutter ihrem eigenwilligen Kind biß es nichts mehr vermag und ſich aufs Weinen begiebt, und mit ſehnlichen Thraͤnen auf der lieben Mutter Huͤlff wartet; Manche haben die Sache ſo gewaltig ange- griffen, daß ihnen der Kopf haͤtte moͤgen zerſpringen, biß ſie endlich mit Wehemuth des Hertzens in ihr Nichts verſuncken, Chriſto die Ehre gegeben, ſich gantz von ſich ſelbſt ab-zu GOtt gewendt, auf ſein Heyl gewartet; mithin was das liebreiche Mutter Hertz Chriſti vermoͤge, zu ihrer ſehr groſſer Freude erfahren haben; alſo, alſo ler- net zuletzt der unverſtaͤndige, eigenſinnige, hochmuͤthige Suͤnder die ſo ſeelige Theologiam paſſivam, das iſt, daß er GOTT in ſich wuͤr- cken laſſe, und auf dieſem Weg allein kommt er zum Ziel.
um zu er- kennen zu geben wie gut es die haben, ſo an JEſu bleiben.
§. 8. Es iſt leicht zu erachten, daß ein Kind einen weitern Weg mache, ſo es getragen wird und nicht ſelbſt gehen muß, dann es wandlet auf ſeiner Mutter Beinen, doch thuts es nicht, biß es ſo muͤd, daß es nicht mehr mag, und ſich nur ſtoßt und fallt, alſo daß es von erſt gut Lehr-Geld geben muß, ehe es gewitziget wird und JEſum recht zu gebrauchen weißt, wozu er uns von GOtt gemacht iſt. Gleicher weiſe lernt eine Seel erſt nach vieler Erfahrung, vie- lem Strauchlen, Still-Stehen, Zuruck-Sehen und Gehen, vie- lem eignen Rennen, Lauffen, wie gut es die haben, ſo ſtets bey JE- ſu bleiben, an ſeinen Bruͤſten ihre Luſt und Wachsthum haben, an JEſu wie Kletten hangen, kleben, nicht lang voraus lauffen oder beyſeits ausweichen: O ein gar wichtige Lection iſts zu JEſu gehen und in ihm bleiben, welche in unſeren Tagen ſchlecht practiciert wird, darum auch wenig Frucht vorhanden und die ſo man ſiehet, was da iſt von Buß, Selbſt-Verlaͤugnung, Gedult, Demuth, Heiligkeit, Sanfftmuth, beſtaͤndiger Anbettung im Heiligthum, Vereinigung und Gemeinſchafft mit GOtt, Nachfolg JEſu des Gecreutzigten ꝛc. das iſt eingeſchmurret, ungeſchmackt, wurmaͤßig, daß ſie wenig nutz und dienlich ſind in GOttes Haußhaltung. Und das alles darum, weil dem fladerhafften Geiſt Zeit und Weile zu lang wird bey JE- ſu, auf ſeinen heiligen Geiſt zu warten, wie die Lilien und Sonnen- Blum auf den Glantz und Thau des Himmels, weßwegen keine an- muthigere Muſic einer Seel (die bißhero zu keinem Goͤttlichen Wan- del und Leben es hat bringen koͤnnen, ſondern Wechslungs-weiſe himmliſches und irrdiſches in ihr geherrſcht) nimmermehr ſeyn kan, als zu hoͤren und zu vernehmen, JEſus ſey vorhanden, ihre Sa-
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Labſal in Truͤbſal.
Mutter ihrem eigenwilligen Kind biß es nichts mehr vermag und ſich
aufs Weinen begiebt, und mit ſehnlichen Thraͤnen auf der lieben
Mutter Huͤlff wartet; Manche haben die Sache ſo gewaltig ange-
griffen, daß ihnen der Kopf haͤtte moͤgen zerſpringen, biß ſie endlich
mit Wehemuth des Hertzens in ihr Nichts verſuncken, Chriſto die
Ehre gegeben, ſich gantz von ſich ſelbſt ab-zu GOtt gewendt, auf
ſein Heyl gewartet; mithin was das liebreiche Mutter Hertz Chriſti
vermoͤge, zu ihrer ſehr groſſer Freude erfahren haben; alſo, alſo ler-
net zuletzt der unverſtaͤndige, eigenſinnige, hochmuͤthige Suͤnder die
ſo ſeelige Theologiam paſſivam, das iſt, daß er GOTT in ſich wuͤr-
cken laſſe, und auf dieſem Weg allein kommt er zum Ziel.
§. 8. Es iſt leicht zu erachten, daß ein Kind einen weitern Weg
mache, ſo es getragen wird und nicht ſelbſt gehen muß, dann es
wandlet auf ſeiner Mutter Beinen, doch thuts es nicht, biß es ſo
muͤd, daß es nicht mehr mag, und ſich nur ſtoßt und fallt, alſo daß
es von erſt gut Lehr-Geld geben muß, ehe es gewitziget wird und
JEſum recht zu gebrauchen weißt, wozu er uns von GOtt gemacht
iſt. Gleicher weiſe lernt eine Seel erſt nach vieler Erfahrung, vie-
lem Strauchlen, Still-Stehen, Zuruck-Sehen und Gehen, vie-
lem eignen Rennen, Lauffen, wie gut es die haben, ſo ſtets bey JE-
ſu bleiben, an ſeinen Bruͤſten ihre Luſt und Wachsthum haben, an
JEſu wie Kletten hangen, kleben, nicht lang voraus lauffen oder
beyſeits ausweichen: O ein gar wichtige Lection iſts zu JEſu gehen
und in ihm bleiben, welche in unſeren Tagen ſchlecht practiciert wird,
darum auch wenig Frucht vorhanden und die ſo man ſiehet, was da
iſt von Buß, Selbſt-Verlaͤugnung, Gedult, Demuth, Heiligkeit,
Sanfftmuth, beſtaͤndiger Anbettung im Heiligthum, Vereinigung
und Gemeinſchafft mit GOtt, Nachfolg JEſu des Gecreutzigten ꝛc.
das iſt eingeſchmurret, ungeſchmackt, wurmaͤßig, daß ſie wenig nutz
und dienlich ſind in GOttes Haußhaltung. Und das alles darum,
weil dem fladerhafften Geiſt Zeit und Weile zu lang wird bey JE-
ſu, auf ſeinen heiligen Geiſt zu warten, wie die Lilien und Sonnen-
Blum auf den Glantz und Thau des Himmels, weßwegen keine an-
muthigere Muſic einer Seel (die bißhero zu keinem Goͤttlichen Wan-
del und Leben es hat bringen koͤnnen, ſondern Wechslungs-weiſe
himmliſches und irrdiſches in ihr geherrſcht) nimmermehr ſeyn kan,
als zu hoͤren und zu vernehmen, JEſus ſey vorhanden, ihre Sa-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1096. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1192>, abgerufen am 24.11.2024.
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