Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Sonne der Gerechtigkeit.
Zu dieser
Selbst-
Brüfung
hat man
weder ge-
nugsam
Hertz

§. 1. Will man in sein Hertz sehen, so machts so angst und bang, son-
derlich, wo man das hell-sehende Aug des Richters nahe zu seyn verspürt,
daß man lieber ihm selbst unbekannt bleibt, weil man eine solche Noth
und Wust da antrifft, daß einem nur Melancholey und Unmuth er-
weckt, dannenher kehrt man sich geschwind von solchem Anblick ab,
damit es einem nicht wehe werde, man denckt nicht gern an so unbe-
liebige Dinge, wie ein Kauffmann, der schlecht in seinen Sachen ste-
het, ungern übers Hauß-Buch gehet, und ein Kind, das den Grind
hat, schreyt, so man ihme die angebackene Haube abzieht, er verreblet
lieber in seinem Sünden-Elend, man vergasset, zerstreut sich in losen
Sachen, man kan nicht lange bey sich daheim bleiben, es grauset ei-
nem; Man freut sich mehr etwas anders zu wissen, als wie es im Her-
tzen stehe, man verharret lieber in der thorechten Einbildung und Wahn
seine Zahl-Pfenninge seyen Duplonen, als daß man sich den Jrrthum
benehmen liesse, weils den Menschen gar betrübt vorkommt, sich so blöd,
elend und arm zu sehen a. Man hat lieber einen falschen Glauben,
Hoffnung, Freud, Himmel, einen falschen JEsum als gar keinen;
Dann es ist den Menschen nichts förchterlichers als die Buß, Thrä-
nen, Trauren, und ist ihm nicht anders als wolte man ihn aus einem
Lust-Garten oder Jrr-Garten in eine heulende Wildnus führen, der
Satan thut ihm den grösten Ritters-Dienst mit seinen Betriegereyen,
so stecken viel in der Meynung, sie können unmöglich anderst werden als
sie sind.

Aber wann JEsus Christus heiter Tag macht im Hertzen, o wie bald
wird man anderer Meynung, es freut einen seine Verdorbenheiten ein-
zusehen, weil man in JEsu eine unendliche Errettung hat von aller
Finsternuß, was macht das vor jubilieren in der Seel, wann die Son-
ne ein Schlangen-Nest entdeckt, da wünschet sie immermehr offenbar
zu werden vor GOtt und dem Lamm: Man schaut mit Freuden seine
Flecken in diesem hellen Spiegel, weil man eine so gute Quell gefunden,
darinn man sie abwaschen kan, man denckt an seine Wunden, Noth
und Unrath mit loben und dancken dem der sie zeiget, daß er uns ewig
davon befreye, in völliger Gesundheit und ewigem Heyl; Seelig ist da,
wer nach dem Aufgang dieser Sonne ohne Unterlaß seuffzet.

noch Ge-
schicklich-
keit.

§. 2. 2. Hat man kein Tüchtigkeit sich selbst zu prüfen; Wilt du aber lie-

ber
a Offend. III.
Die Sonne der Gerechtigkeit.
Zu dieſer
Selbſt-
Bruͤfung
hat man
weder ge-
nugſam
Hertz

§. 1. Will man in ſein Hertz ſehen, ſo machts ſo angſt und bang, ſon-
derlich, wo man das hell-ſehende Aug des Richters nahe zu ſeyn verſpuͤrt,
daß man lieber ihm ſelbſt unbekannt bleibt, weil man eine ſolche Noth
und Wuſt da antrifft, daß einem nur Melancholey und Unmuth er-
weckt, dannenher kehrt man ſich geſchwind von ſolchem Anblick ab,
damit es einem nicht wehe werde, man denckt nicht gern an ſo unbe-
liebige Dinge, wie ein Kauffmann, der ſchlecht in ſeinen Sachen ſte-
het, ungern uͤbers Hauß-Buch gehet, und ein Kind, das den Grind
hat, ſchreyt, ſo man ihme die angebackene Haube abzieht, er verreblet
lieber in ſeinem Suͤnden-Elend, man vergaſſet, zerſtreut ſich in loſen
Sachen, man kan nicht lange bey ſich daheim bleiben, es grauſet ei-
nem; Man freut ſich mehr etwas anders zu wiſſen, als wie es im Her-
tzen ſtehe, man verharret lieber in der thorechten Einbildung und Wahn
ſeine Zahl-Pfenninge ſeyen Duplonen, als daß man ſich den Jrrthum
benehmen lieſſe, weils den Menſchen gar betruͤbt vorkommt, ſich ſo bloͤd,
elend und arm zu ſehen a. Man hat lieber einen falſchen Glauben,
Hoffnung, Freud, Himmel, einen falſchen JEſum als gar keinen;
Dann es iſt den Menſchen nichts foͤrchterlichers als die Buß, Thraͤ-
nen, Trauren, und iſt ihm nicht anders als wolte man ihn aus einem
Luſt-Garten oder Jrr-Garten in eine heulende Wildnus fuͤhren, der
Satan thut ihm den groͤſten Ritters-Dienſt mit ſeinen Betriegereyen,
ſo ſtecken viel in der Meynung, ſie koͤnnen unmoͤglich anderſt werden als
ſie ſind.

Aber wann JEſus Chriſtus heiter Tag macht im Hertzen, o wie bald
wird man anderer Meynung, es freut einen ſeine Verdorbenheiten ein-
zuſehen, weil man in JEſu eine unendliche Errettung hat von aller
Finſternuß, was macht das vor jubilieren in der Seel, wann die Son-
ne ein Schlangen-Neſt entdeckt, da wuͤnſchet ſie immermehr offenbar
zu werden vor GOtt und dem Lamm: Man ſchaut mit Freuden ſeine
Flecken in dieſem hellen Spiegel, weil man eine ſo gute Quell gefunden,
darinn man ſie abwaſchen kan, man denckt an ſeine Wunden, Noth
und Unrath mit loben und dancken dem der ſie zeiget, daß er uns ewig
davon befreye, in voͤlliger Geſundheit und ewigem Heyl; Seelig iſt da,
wer nach dem Aufgang dieſer Sonne ohne Unterlaß ſeuffzet.

noch Ge-
ſchicklich-
keit.

§. 2. 2. Hat man kein Tuͤchtigkeit ſich ſelbſt zu pruͤfen; Wilt du aber lie-

ber
a Offend. III.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f1110" n="1014"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Sonne der Gerechtigkeit.</hi> </fw><lb/>
          <note place="left">Zu die&#x017F;er<lb/>
Selb&#x017F;t-<lb/>
Bru&#x0364;fung<lb/>
hat man<lb/>
weder ge-<lb/>
nug&#x017F;am<lb/>
Hertz</note>
          <p>§. 1. Will man in &#x017F;ein Hertz &#x017F;ehen, &#x017F;o machts &#x017F;o ang&#x017F;t und bang, &#x017F;on-<lb/>
derlich, wo man das hell-&#x017F;ehende Aug des Richters nahe zu &#x017F;eyn ver&#x017F;pu&#x0364;rt,<lb/>
daß man lieber ihm &#x017F;elb&#x017F;t unbekannt bleibt, weil man eine &#x017F;olche Noth<lb/>
und Wu&#x017F;t da antrifft, daß einem nur Melancholey und Unmuth er-<lb/>
weckt, dannenher kehrt man &#x017F;ich ge&#x017F;chwind von &#x017F;olchem Anblick ab,<lb/>
damit es einem nicht wehe werde, man denckt nicht gern an &#x017F;o unbe-<lb/>
liebige Dinge, wie ein Kauffmann, der &#x017F;chlecht in &#x017F;einen Sachen &#x017F;te-<lb/>
het, ungern u&#x0364;bers Hauß-Buch gehet, und ein Kind, das den Grind<lb/>
hat, &#x017F;chreyt, &#x017F;o man ihme die angebackene Haube abzieht, er verreblet<lb/>
lieber in &#x017F;einem Su&#x0364;nden-Elend, man verga&#x017F;&#x017F;et, zer&#x017F;treut &#x017F;ich in lo&#x017F;en<lb/>
Sachen, man kan nicht lange bey &#x017F;ich daheim bleiben, es grau&#x017F;et ei-<lb/>
nem; Man freut &#x017F;ich mehr etwas anders zu wi&#x017F;&#x017F;en, als wie es im Her-<lb/>
tzen &#x017F;tehe, man verharret lieber in der thorechten Einbildung und Wahn<lb/>
&#x017F;eine Zahl-Pfenninge &#x017F;eyen Duplonen, als daß man &#x017F;ich den Jrrthum<lb/>
benehmen lie&#x017F;&#x017F;e, weils den Men&#x017F;chen gar betru&#x0364;bt vorkommt, &#x017F;ich &#x017F;o blo&#x0364;d,<lb/>
elend und arm zu &#x017F;ehen <note place="foot" n="a">Offend. <hi rendition="#aq">III.</hi></note>. Man hat lieber einen fal&#x017F;chen Glauben,<lb/>
Hoffnung, Freud, Himmel, einen fal&#x017F;chen JE&#x017F;um als gar keinen;<lb/>
Dann es i&#x017F;t den Men&#x017F;chen nichts fo&#x0364;rchterlichers als die Buß, Thra&#x0364;-<lb/>
nen, Trauren, und i&#x017F;t ihm nicht anders als wolte man ihn aus einem<lb/>
Lu&#x017F;t-Garten oder Jrr-Garten in eine heulende Wildnus fu&#x0364;hren, der<lb/>
Satan thut ihm den gro&#x0364;&#x017F;ten Ritters-Dien&#x017F;t mit &#x017F;einen Betriegereyen,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;tecken viel in der Meynung, &#x017F;ie ko&#x0364;nnen unmo&#x0364;glich ander&#x017F;t werden als<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Aber wann JE&#x017F;us Chri&#x017F;tus heiter Tag macht im Hertzen, o wie bald<lb/>
wird man anderer Meynung, es freut einen &#x017F;eine Verdorbenheiten ein-<lb/>
zu&#x017F;ehen, weil man in JE&#x017F;u eine unendliche Errettung hat von aller<lb/>
Fin&#x017F;ternuß, was macht das vor jubilieren in der Seel, wann die Son-<lb/>
ne ein Schlangen-Ne&#x017F;t entdeckt, da wu&#x0364;n&#x017F;chet &#x017F;ie immermehr offenbar<lb/>
zu werden vor GOtt und dem Lamm: Man &#x017F;chaut mit Freuden &#x017F;eine<lb/>
Flecken in die&#x017F;em hellen Spiegel, weil man eine &#x017F;o gute Quell gefunden,<lb/>
darinn man &#x017F;ie abwa&#x017F;chen kan, man denckt an &#x017F;eine Wunden, Noth<lb/>
und Unrath mit loben und dancken dem der &#x017F;ie zeiget, daß er uns ewig<lb/>
davon befreye, in vo&#x0364;lliger Ge&#x017F;undheit und ewigem Heyl; Seelig i&#x017F;t da,<lb/>
wer nach dem Aufgang die&#x017F;er Sonne ohne Unterlaß &#x017F;euffzet.</p><lb/>
          <note place="left">noch Ge-<lb/>
&#x017F;chicklich-<lb/>
keit.</note>
          <p>§. 2. 2. Hat man kein Tu&#x0364;chtigkeit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu pru&#x0364;fen; Wilt du aber lie-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1014/1110] Die Sonne der Gerechtigkeit. §. 1. Will man in ſein Hertz ſehen, ſo machts ſo angſt und bang, ſon- derlich, wo man das hell-ſehende Aug des Richters nahe zu ſeyn verſpuͤrt, daß man lieber ihm ſelbſt unbekannt bleibt, weil man eine ſolche Noth und Wuſt da antrifft, daß einem nur Melancholey und Unmuth er- weckt, dannenher kehrt man ſich geſchwind von ſolchem Anblick ab, damit es einem nicht wehe werde, man denckt nicht gern an ſo unbe- liebige Dinge, wie ein Kauffmann, der ſchlecht in ſeinen Sachen ſte- het, ungern uͤbers Hauß-Buch gehet, und ein Kind, das den Grind hat, ſchreyt, ſo man ihme die angebackene Haube abzieht, er verreblet lieber in ſeinem Suͤnden-Elend, man vergaſſet, zerſtreut ſich in loſen Sachen, man kan nicht lange bey ſich daheim bleiben, es grauſet ei- nem; Man freut ſich mehr etwas anders zu wiſſen, als wie es im Her- tzen ſtehe, man verharret lieber in der thorechten Einbildung und Wahn ſeine Zahl-Pfenninge ſeyen Duplonen, als daß man ſich den Jrrthum benehmen lieſſe, weils den Menſchen gar betruͤbt vorkommt, ſich ſo bloͤd, elend und arm zu ſehen a. Man hat lieber einen falſchen Glauben, Hoffnung, Freud, Himmel, einen falſchen JEſum als gar keinen; Dann es iſt den Menſchen nichts foͤrchterlichers als die Buß, Thraͤ- nen, Trauren, und iſt ihm nicht anders als wolte man ihn aus einem Luſt-Garten oder Jrr-Garten in eine heulende Wildnus fuͤhren, der Satan thut ihm den groͤſten Ritters-Dienſt mit ſeinen Betriegereyen, ſo ſtecken viel in der Meynung, ſie koͤnnen unmoͤglich anderſt werden als ſie ſind. Aber wann JEſus Chriſtus heiter Tag macht im Hertzen, o wie bald wird man anderer Meynung, es freut einen ſeine Verdorbenheiten ein- zuſehen, weil man in JEſu eine unendliche Errettung hat von aller Finſternuß, was macht das vor jubilieren in der Seel, wann die Son- ne ein Schlangen-Neſt entdeckt, da wuͤnſchet ſie immermehr offenbar zu werden vor GOtt und dem Lamm: Man ſchaut mit Freuden ſeine Flecken in dieſem hellen Spiegel, weil man eine ſo gute Quell gefunden, darinn man ſie abwaſchen kan, man denckt an ſeine Wunden, Noth und Unrath mit loben und dancken dem der ſie zeiget, daß er uns ewig davon befreye, in voͤlliger Geſundheit und ewigem Heyl; Seelig iſt da, wer nach dem Aufgang dieſer Sonne ohne Unterlaß ſeuffzet. §. 2. 2. Hat man kein Tuͤchtigkeit ſich ſelbſt zu pruͤfen; Wilt du aber lie- ber a Offend. III.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1110
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1014. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1110>, abgerufen am 03.07.2024.