verschmachtest? Jst also dieses die vornehmste Frag: ob auch dir die Sonne aufgegangen sey? ob auch du geheilet seyest? Fragst: Wie weiß ichs? So antworte dir: so du JEsum förchtest, allen Fleiß an- wendest, GOtt nicht im geringsten zu erzörnen, und solte es gleich Gesundheit, Leib und Leben gelten, und ihm stets in allem zu gefallen.
Es mangelt da nur nicht weitläuffig fragen: Ach wie viel, so sie sich selbst ein wenig beschauen, werden erkennen, daß sie noch nicht bestralet. Ach wie seltsam ist diese heilige Scheu und Kummer unter uns! JEsu nichts z'wider z'thun, die meisten werffen diese Scheu von ihren Augen weg: es dunckt sie ein kleine Sach zu seyn, GOtt in die- sem und jenem ung'horsam z'seyn: Ach es ist heiter und klar aus den Früchten, daß die Sonne den meisten noch nicht aufgegangen, dann
§. 3. 1. Wo die Sonne ist, daselbst ist auch Liecht, aber welch ein Ne-im Nebel der Fin- sternus. bel! wie wenig kennen sich selbst; will geschwigen, geistliche himmlische Ding.
§. 4. 2. Die Sonne, die in d'Stuben scheinet, entdecket das Unrei-Seynd beflecket, ne, den Sünden-Unrath, Koth, gifftig Schlangen-Brut, welche häßlich in JEsu Augen, daß es dem Menschen grauset, und er sich nur zu verkriechen trachtet, wie ein Wurm: wem ists nun so ergangen unter euch?
§. 5. 3. Wo Sonn, daselbst ist auch Wärme: Gnaden-Sonneseynd eys- kalt, leuchtet Sommer und Winter vor unseren Fenstern der Seelen, aber es gehet wie in denen äussersten nahe bey den Wind-Puncten gelegenen Ländern und den kalten Gletscher-Bergen, so im heissesten Sommer voll Schnee und Eiß sind; Also bleiben sie gantz kaltsinnig gegen GOtt und JEsum, haben auch keine rechte Liebe gegen ihrem Nächsten.
§. 6. 4. Wo die Sonne, daselbst ist Fruchtbarkeit, Kraut, Korn,seynd un- fruchtbar allerley Blumen, Gewächse, Gewürtz, je edler, je näher die Son- ne. Wann im Frühling ein Garten schön, der ander noch voll Schnee, Eiß, woher kommts? ist nicht so? Die warmen Sonnen-Stralen be- scheinen den einten, den andern aber nicht: O wie viele Hertzen sind gleich den Felsen Gilboa, ja den allerwildesten Wäldern und Wüste- neyen, dahin keine Sonne kommt, da nichts als wilde unfruchtbare Bäume, eine leere Erkanntnuß und äusserlicher Dienst, und wanns wol geht, ein ehrbarer Wandel, so alles nichts als saure Herling, zu denen JEsus keine Lust hat, davon zu essen; sondern nur die Frucht die GOtt selbst durch JEsu Geist und Blut ins Hertz gepflantzt, als da
ist
M m m m m m 2.
Die Sonne der Gerechtigkeit.
verſchmachteſt? Jſt alſo dieſes die vornehmſte Frag: ob auch dir die Sonne aufgegangen ſey? ob auch du geheilet ſeyeſt? Fragſt: Wie weiß ichs? So antworte dir: ſo du JEſum foͤrchteſt, allen Fleiß an- wendeſt, GOtt nicht im geringſten zu erzoͤrnen, und ſolte es gleich Geſundheit, Leib und Leben gelten, und ihm ſtets in allem zu gefallen.
Es mangelt da nur nicht weitlaͤuffig fragen: Ach wie viel, ſo ſie ſich ſelbſt ein wenig beſchauen, werden erkennen, daß ſie noch nicht beſtralet. Ach wie ſeltſam iſt dieſe heilige Scheu und Kummer unter uns! JEſu nichts z’wider z’thun, die meiſten werffen dieſe Scheu von ihren Augen weg: es dunckt ſie ein kleine Sach zu ſeyn, GOtt in die- ſem und jenem ung’horſam z’ſeyn: Ach es iſt heiter und klar aus den Fruͤchten, daß die Sonne den meiſten noch nicht aufgegangen, dann
§. 3. 1. Wo die Sonne iſt, daſelbſt iſt auch Liecht, aber welch ein Ne-im Nebel der Fin- ſternus. bel! wie wenig kennen ſich ſelbſt; will geſchwigen, geiſtliche himmliſche Ding.
§. 4. 2. Die Sonne, die in d’Stuben ſcheinet, entdecket das Unrei-Seynd beflecket, ne, den Suͤnden-Unrath, Koth, gifftig Schlangen-Brut, welche haͤßlich in JEſu Augen, daß es dem Menſchen grauſet, und er ſich nur zu verkriechen trachtet, wie ein Wurm: wem iſts nun ſo ergangen unter euch?
§. 5. 3. Wo Sonn, daſelbſt iſt auch Waͤrme: Gnaden-Sonneſeynd eys- kalt, leuchtet Sommer und Winter vor unſeren Fenſtern der Seelen, aber es gehet wie in denen aͤuſſerſten nahe bey den Wind-Puncten gelegenen Laͤndern und den kalten Gletſcher-Bergen, ſo im heiſſeſten Sommer voll Schnee und Eiß ſind; Alſo bleiben ſie gantz kaltſinnig gegen GOtt und JEſum, haben auch keine rechte Liebe gegen ihrem Naͤchſten.
§. 6. 4. Wo die Sonne, daſelbſt iſt Fruchtbarkeit, Kraut, Korn,ſeynd un- fruchtbar allerley Blumen, Gewaͤchſe, Gewuͤrtz, je edler, je naͤher die Son- ne. Wann im Fruͤhling ein Garten ſchoͤn, der ander noch voll Schnee, Eiß, woher kommts? iſt nicht ſo? Die warmen Sonnen-Stralen be- ſcheinen den einten, den andern aber nicht: O wie viele Hertzen ſind gleich den Felſen Gilboa, ja den allerwildeſten Waͤldern und Wuͤſte- neyen, dahin keine Sonne kommt, da nichts als wilde unfruchtbare Baͤume, eine leere Erkanntnuß und aͤuſſerlicher Dienſt, und wanns wol geht, ein ehrbarer Wandel, ſo alles nichts als ſaure Herling, zu denen JEſus keine Luſt hat, davon zu eſſen; ſondern nur die Frucht die GOtt ſelbſt durch JEſu Geiſt und Blut ins Hertz gepflantzt, als da
iſt
M m m m m m 2.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f1107"n="1011"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die Sonne der Gerechtigkeit.</hi></fw><lb/>
verſchmachteſt? Jſt alſo dieſes die vornehmſte Frag: ob auch dir die<lb/>
Sonne aufgegangen ſey? ob auch du geheilet ſeyeſt? Fragſt: Wie<lb/>
weiß ichs? So antworte dir: ſo du JEſum foͤrchteſt, allen Fleiß an-<lb/>
wendeſt, GOtt nicht im geringſten zu erzoͤrnen, und ſolte es gleich<lb/>
Geſundheit, Leib und Leben gelten, und ihm ſtets in allem zu gefallen.</p><lb/><p>Es mangelt da nur nicht weitlaͤuffig fragen: Ach wie viel, ſo ſie<lb/>ſich ſelbſt ein wenig beſchauen, werden erkennen, daß ſie noch nicht<lb/>
beſtralet. Ach wie ſeltſam iſt dieſe heilige Scheu und Kummer unter<lb/>
uns! JEſu nichts z’wider z’thun, die meiſten werffen dieſe Scheu von<lb/>
ihren Augen weg: es dunckt ſie ein kleine Sach zu ſeyn, GOtt in die-<lb/>ſem und jenem ung’horſam z’ſeyn: Ach es iſt heiter und klar aus den<lb/>
Fruͤchten, daß die Sonne den meiſten noch nicht aufgegangen, dann</p><lb/><p>§. 3. 1. Wo die Sonne iſt, daſelbſt iſt auch Liecht, aber welch ein Ne-<noteplace="right">im Nebel<lb/>
der Fin-<lb/>ſternus.</note><lb/>
bel! wie wenig kennen ſich ſelbſt; will geſchwigen, geiſtliche himmliſche<lb/>
Ding.</p><lb/><p>§. 4. 2. Die Sonne, die in d’Stuben ſcheinet, entdecket das Unrei-<noteplace="right">Seynd<lb/>
beflecket,</note><lb/>
ne, den Suͤnden-Unrath, Koth, gifftig Schlangen-Brut, welche<lb/>
haͤßlich in JEſu Augen, daß es dem Menſchen grauſet, und er ſich<lb/>
nur zu verkriechen trachtet, wie ein Wurm: wem iſts nun ſo ergangen<lb/>
unter euch?</p><lb/><p>§. 5. 3. Wo Sonn, daſelbſt iſt auch Waͤrme: Gnaden-Sonne<noteplace="right">ſeynd eys-<lb/>
kalt,</note><lb/>
leuchtet Sommer und Winter vor unſeren Fenſtern der Seelen, aber<lb/>
es gehet wie in denen aͤuſſerſten nahe bey den Wind-Puncten gelegenen<lb/>
Laͤndern und den kalten Gletſcher-Bergen, ſo im heiſſeſten Sommer<lb/>
voll Schnee und Eiß ſind; Alſo bleiben ſie gantz kaltſinnig gegen GOtt<lb/>
und JEſum, haben auch keine rechte Liebe gegen ihrem Naͤchſten.</p><lb/><p>§. 6. 4. Wo die Sonne, daſelbſt iſt Fruchtbarkeit, Kraut, Korn,<noteplace="right">ſeynd un-<lb/>
fruchtbar</note><lb/>
allerley Blumen, Gewaͤchſe, Gewuͤrtz, je edler, je naͤher die Son-<lb/>
ne. Wann im Fruͤhling ein Garten ſchoͤn, der ander noch voll Schnee,<lb/>
Eiß, woher kommts? iſt nicht ſo? Die warmen Sonnen-Stralen be-<lb/>ſcheinen den einten, den andern aber nicht: O wie viele Hertzen ſind<lb/>
gleich den Felſen Gilboa, ja den allerwildeſten Waͤldern und Wuͤſte-<lb/>
neyen, dahin keine Sonne kommt, da nichts als wilde unfruchtbare<lb/>
Baͤume, eine leere Erkanntnuß und aͤuſſerlicher Dienſt, und wanns<lb/>
wol geht, ein ehrbarer Wandel, ſo alles nichts als ſaure Herling, zu<lb/>
denen JEſus keine Luſt hat, davon zu eſſen; ſondern nur die Frucht<lb/>
die GOtt ſelbſt durch JEſu Geiſt und Blut ins Hertz gepflantzt, als da<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M m m m m m 2.</fw><fwplace="bottom"type="catch">iſt</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[1011/1107]
Die Sonne der Gerechtigkeit.
verſchmachteſt? Jſt alſo dieſes die vornehmſte Frag: ob auch dir die
Sonne aufgegangen ſey? ob auch du geheilet ſeyeſt? Fragſt: Wie
weiß ichs? So antworte dir: ſo du JEſum foͤrchteſt, allen Fleiß an-
wendeſt, GOtt nicht im geringſten zu erzoͤrnen, und ſolte es gleich
Geſundheit, Leib und Leben gelten, und ihm ſtets in allem zu gefallen.
Es mangelt da nur nicht weitlaͤuffig fragen: Ach wie viel, ſo ſie
ſich ſelbſt ein wenig beſchauen, werden erkennen, daß ſie noch nicht
beſtralet. Ach wie ſeltſam iſt dieſe heilige Scheu und Kummer unter
uns! JEſu nichts z’wider z’thun, die meiſten werffen dieſe Scheu von
ihren Augen weg: es dunckt ſie ein kleine Sach zu ſeyn, GOtt in die-
ſem und jenem ung’horſam z’ſeyn: Ach es iſt heiter und klar aus den
Fruͤchten, daß die Sonne den meiſten noch nicht aufgegangen, dann
§. 3. 1. Wo die Sonne iſt, daſelbſt iſt auch Liecht, aber welch ein Ne-
bel! wie wenig kennen ſich ſelbſt; will geſchwigen, geiſtliche himmliſche
Ding.
im Nebel
der Fin-
ſternus.
§. 4. 2. Die Sonne, die in d’Stuben ſcheinet, entdecket das Unrei-
ne, den Suͤnden-Unrath, Koth, gifftig Schlangen-Brut, welche
haͤßlich in JEſu Augen, daß es dem Menſchen grauſet, und er ſich
nur zu verkriechen trachtet, wie ein Wurm: wem iſts nun ſo ergangen
unter euch?
Seynd
beflecket,
§. 5. 3. Wo Sonn, daſelbſt iſt auch Waͤrme: Gnaden-Sonne
leuchtet Sommer und Winter vor unſeren Fenſtern der Seelen, aber
es gehet wie in denen aͤuſſerſten nahe bey den Wind-Puncten gelegenen
Laͤndern und den kalten Gletſcher-Bergen, ſo im heiſſeſten Sommer
voll Schnee und Eiß ſind; Alſo bleiben ſie gantz kaltſinnig gegen GOtt
und JEſum, haben auch keine rechte Liebe gegen ihrem Naͤchſten.
ſeynd eys-
kalt,
§. 6. 4. Wo die Sonne, daſelbſt iſt Fruchtbarkeit, Kraut, Korn,
allerley Blumen, Gewaͤchſe, Gewuͤrtz, je edler, je naͤher die Son-
ne. Wann im Fruͤhling ein Garten ſchoͤn, der ander noch voll Schnee,
Eiß, woher kommts? iſt nicht ſo? Die warmen Sonnen-Stralen be-
ſcheinen den einten, den andern aber nicht: O wie viele Hertzen ſind
gleich den Felſen Gilboa, ja den allerwildeſten Waͤldern und Wuͤſte-
neyen, dahin keine Sonne kommt, da nichts als wilde unfruchtbare
Baͤume, eine leere Erkanntnuß und aͤuſſerlicher Dienſt, und wanns
wol geht, ein ehrbarer Wandel, ſo alles nichts als ſaure Herling, zu
denen JEſus keine Luſt hat, davon zu eſſen; ſondern nur die Frucht
die GOtt ſelbſt durch JEſu Geiſt und Blut ins Hertz gepflantzt, als da
iſt
ſeynd un-
fruchtbar
M m m m m m 2.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1011. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1107>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.