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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Die Sonne der Gerechtigkeit.
thum, Verführung, von dem eingeschmeißten Gifft der betriegeri-
schen Schlang in der Vernunfft, der Geschmack ist auch gantz über-
all verdorben, die Seel findet selten ein wenig Kust und Lust in Gött-
lichen Dingen, es ist ihr nichts süssers und wolgeschmackters, als
was aus dem Schweintrog des Satans kommt, wormit er seine
Thiere mästet auf den grossen Schlacht-Tag: Alles, wornach die
drey Drachen-Köpffe, Hochmuth, Geitz und Wollust ihren uner-
sättlichen Höllen-Rachen aufsperren, das ist ihre unseelige Speise:
Das Hertz oder der Wille ist voller Abkehr von GOtt, gantz und
gar vergifftet mit aller Boßheit und Schalckheit. Die vierte See-
len-Krafft, als das Gefühl und Empfindung dessen, was die Ver-
nunfft als was köstliches vorgemodlet, wozu der Geschmack die Be-
gierden erreget, und was der Wille hineingeschluckt, welches als-
dann der Seel wol oder wehe thut; Dieses Gefühl, sage ich, ist
auch nichts nutz und höchst-gefährlich, bezaubert durch den Genuß
und Besitz nichts währter Dingen.

O der grausamen, abscheulichsten Zerrüttung! O des Himmel-
stürmenden Babylonischen Thurns und Satanischen Wüterey in der
Seel! Daß wol kein so greulicher Tyrann auf dem gantzen Erdboden,
der mit seinen Untersässen also entsetzlich hause, als wie der höllisch
Lugen- und Mord-Geist thut in des Menschen Seel. Das Gewissen,
welches als ein Uberbleibsel vom göttlichen Bild, des getreuen Hir-
ten Stimm und Stab, das Liebe-Seil des Schöpffers, womit er
sein armes Geschöpff von der Sünd und der Höllen ab, nach und
nach in sein verlohren Paradis wieder einführen wolte, das wird zer-
rissen, ersteckt, man überhöret dessen heilsame Räthe, der Wille
wendet sich davon ab, zu dem, was die Gelüste der verdorbenen Na-
tur einblasen, kehret sich das arme Gewissen nicht an diese angethane
Schmach, sondern fahret fort zu erinneren, so wirds mit völligem
Vorsatz, seine Lust, Ehre und Nutzen einmahl wie das andere in der
Sünd zu suchen, erstochen, in den trüben Pfützen der eitelen Ver-
gnügungen ertränckt, sein leinses Einreden mit dem Getöß des Welt-
Hammers unvernemlich gemacht, unterweilen auch mit heßlichen
Schand-Thaten schwartz gebrandt.

Klägli-
cher Zu-
stand des
Sünders

§. 3. Weilen aber das Gewissen nicht kan getödtet und gäntzlich
ausgetilget werden auch nicht mit dem gifftigsten Tractament, sondern
nur vor eine Zeit lang entweder mit dem Welt-Getümmel geschweigt

und

Die Sonne der Gerechtigkeit.
thum, Verfuͤhrung, von dem eingeſchmeißten Gifft der betriegeri-
ſchen Schlang in der Vernunfft, der Geſchmack iſt auch gantz uͤber-
all verdorben, die Seel findet ſelten ein wenig Kuſt und Luſt in Goͤtt-
lichen Dingen, es iſt ihr nichts ſuͤſſers und wolgeſchmackters, als
was aus dem Schweintrog des Satans kommt, wormit er ſeine
Thiere maͤſtet auf den groſſen Schlacht-Tag: Alles, wornach die
drey Drachen-Koͤpffe, Hochmuth, Geitz und Wolluſt ihren uner-
ſaͤttlichen Hoͤllen-Rachen aufſperren, das iſt ihre unſeelige Speiſe:
Das Hertz oder der Wille iſt voller Abkehr von GOtt, gantz und
gar vergifftet mit aller Boßheit und Schalckheit. Die vierte See-
len-Krafft, als das Gefuͤhl und Empfindung deſſen, was die Ver-
nunfft als was koͤſtliches vorgemodlet, wozu der Geſchmack die Be-
gierden erreget, und was der Wille hineingeſchluckt, welches als-
dann der Seel wol oder wehe thut; Dieſes Gefuͤhl, ſage ich, iſt
auch nichts nutz und hoͤchſt-gefaͤhrlich, bezaubert durch den Genuß
und Beſitz nichts waͤhrter Dingen.

O der grauſamen, abſcheulichſten Zerruͤttung! O des Himmel-
ſtuͤrmenden Babyloniſchen Thurns und Sataniſchen Wuͤterey in der
Seel! Daß wol kein ſo greulicher Tyrann auf dem gantzen Erdboden,
der mit ſeinen Unterſaͤſſen alſo entſetzlich hauſe, als wie der hoͤlliſch
Lugen- und Mord-Geiſt thut in des Menſchen Seel. Das Gewiſſen,
welches als ein Uberbleibſel vom goͤttlichen Bild, des getreuen Hir-
ten Stimm und Stab, das Liebe-Seil des Schoͤpffers, womit er
ſein armes Geſchoͤpff von der Suͤnd und der Hoͤllen ab, nach und
nach in ſein verlohren Paradis wieder einfuͤhren wolte, das wird zer-
riſſen, erſteckt, man uͤberhoͤret deſſen heilſame Raͤthe, der Wille
wendet ſich davon ab, zu dem, was die Geluͤſte der verdorbenen Na-
tur einblaſen, kehret ſich das arme Gewiſſen nicht an dieſe angethane
Schmach, ſondern fahret fort zu erinneren, ſo wirds mit voͤlligem
Vorſatz, ſeine Luſt, Ehre und Nutzen einmahl wie das andere in der
Suͤnd zu ſuchen, erſtochen, in den truͤben Pfuͤtzen der eitelen Ver-
gnuͤgungen ertraͤnckt, ſein leinſes Einreden mit dem Getoͤß des Welt-
Hammers unvernemlich gemacht, unterweilen auch mit heßlichen
Schand-Thaten ſchwartz gebrandt.

Klaͤgli-
cher Zu-
ſtand des
Suͤnders

§. 3. Weilen aber das Gewiſſen nicht kan getoͤdtet und gaͤntzlich
ausgetilget werden auch nicht mit dem gifftigſten Tractament, ſondern
nur vor eine Zeit lang entweder mit dem Welt-Getuͤmmel geſchweigt

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[1002/1098] Die Sonne der Gerechtigkeit. thum, Verfuͤhrung, von dem eingeſchmeißten Gifft der betriegeri- ſchen Schlang in der Vernunfft, der Geſchmack iſt auch gantz uͤber- all verdorben, die Seel findet ſelten ein wenig Kuſt und Luſt in Goͤtt- lichen Dingen, es iſt ihr nichts ſuͤſſers und wolgeſchmackters, als was aus dem Schweintrog des Satans kommt, wormit er ſeine Thiere maͤſtet auf den groſſen Schlacht-Tag: Alles, wornach die drey Drachen-Koͤpffe, Hochmuth, Geitz und Wolluſt ihren uner- ſaͤttlichen Hoͤllen-Rachen aufſperren, das iſt ihre unſeelige Speiſe: Das Hertz oder der Wille iſt voller Abkehr von GOtt, gantz und gar vergifftet mit aller Boßheit und Schalckheit. Die vierte See- len-Krafft, als das Gefuͤhl und Empfindung deſſen, was die Ver- nunfft als was koͤſtliches vorgemodlet, wozu der Geſchmack die Be- gierden erreget, und was der Wille hineingeſchluckt, welches als- dann der Seel wol oder wehe thut; Dieſes Gefuͤhl, ſage ich, iſt auch nichts nutz und hoͤchſt-gefaͤhrlich, bezaubert durch den Genuß und Beſitz nichts waͤhrter Dingen. O der grauſamen, abſcheulichſten Zerruͤttung! O des Himmel- ſtuͤrmenden Babyloniſchen Thurns und Sataniſchen Wuͤterey in der Seel! Daß wol kein ſo greulicher Tyrann auf dem gantzen Erdboden, der mit ſeinen Unterſaͤſſen alſo entſetzlich hauſe, als wie der hoͤlliſch Lugen- und Mord-Geiſt thut in des Menſchen Seel. Das Gewiſſen, welches als ein Uberbleibſel vom goͤttlichen Bild, des getreuen Hir- ten Stimm und Stab, das Liebe-Seil des Schoͤpffers, womit er ſein armes Geſchoͤpff von der Suͤnd und der Hoͤllen ab, nach und nach in ſein verlohren Paradis wieder einfuͤhren wolte, das wird zer- riſſen, erſteckt, man uͤberhoͤret deſſen heilſame Raͤthe, der Wille wendet ſich davon ab, zu dem, was die Geluͤſte der verdorbenen Na- tur einblaſen, kehret ſich das arme Gewiſſen nicht an dieſe angethane Schmach, ſondern fahret fort zu erinneren, ſo wirds mit voͤlligem Vorſatz, ſeine Luſt, Ehre und Nutzen einmahl wie das andere in der Suͤnd zu ſuchen, erſtochen, in den truͤben Pfuͤtzen der eitelen Ver- gnuͤgungen ertraͤnckt, ſein leinſes Einreden mit dem Getoͤß des Welt- Hammers unvernemlich gemacht, unterweilen auch mit heßlichen Schand-Thaten ſchwartz gebrandt. §. 3. Weilen aber das Gewiſſen nicht kan getoͤdtet und gaͤntzlich ausgetilget werden auch nicht mit dem gifftigſten Tractament, ſondern nur vor eine Zeit lang entweder mit dem Welt-Getuͤmmel geſchweigt und

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1002. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1098>, abgerufen am 22.11.2024.