Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Evangelii JESU.
tert wird, daß es heißt: Du hast hier keine bleibende Statt, und
weist nicht, ob du in Jerusalem, die Stadt GOttes eingehen wirst,
es ist keine rechtschaffene Buß, kein wahrer von GOtt gewürckter
Glaube, keine wahre, von dem heiligen Geist fliessende und gewürck-
te Heiligung bey dir; du lauffest mit den bösen Geistern auf dem
breiten Welt-Weg; du kennest JEsum nicht, und hast noch nichts
wesentliches von Jhm genossen, zwar seine Liebe viel von den Predi-
gern rühmen gehöret, aber in der That noch nicht gesehen, noch nicht
geschmecket wie freundlich der liebe Heyland selbsten seye; Er kan
unmöglich mit dir zu frieden seyn, noch viel weniger dein Leben gut
heissen, massen es gantz anderst als sein heiliges und unsträffliches
Leben, ja demselben gantz zuwider ist. Jch habe zwar JEsum biß-
her, wie andere Maul-Christen mit dem Munde bekannt, aber die-
se Bekanntnüß wird mich gewiß wenig nutzen, sondern nur den Zorn
GOttes gegen mich anzünden, der Richter wird mirs verweisen und
sagen: Warum hast du Mich immer HErr HErr geheissen, als ob
es dir sehr angelegen wäre, Mir, als deinem Meister und HErrn
zu gehorchen a, und nach Meinem Willen zu leben, und hast dannoch
nicht gethan, was Jch befohlen.

Darum, du hast hohe Zeit, kehre eilends um, ehe dir der Le-
bens-Faden, sammt der Gnaden-Zeit, abgeschnitten wird. Was
hilfft dir an dem Tag JEsu alles sichtbare, alle Welt-Freud, Lust
und Ergötzlichkeit? Dieses machet dir endlich nichts als Angst und
grosse Quaal; Ach O meine arme Seele! so eile dann und erret-
te dich, GOTT, der freundliche GOTT wird dir auch noch
gnädig seyn, ja, er begehret deiner; Heute, heute kanst du noch
zu JESU kommen. Ach! derowegen, auff, auff, Seele auff, und
verschlaffe eine so grosse Seligkeit nicht, es möchte dich gewiß ewig
gereuen. Mercke auf die Stimme der Trompeten des Allmäch-
tigen, und wende dich zu deinem GOtt, der zu deinem Heil zu dir auf
Erden kommen ist, der dir so freundlich zurufft, dich so liebreich locket.

§. 10. Wann, sage ich, das Hertz des Menschen so ein wenigDurch fal-
sche Vor-
stellungen
als da ist
der Vor-
theil den
die Welt.

von der Gnaden-Sonne angeschienen wird, ach! da sehnet sich der
Geist nach der Einsamkeit, da er genug betten könne, und wolte
gern aus der unleidenlich- und erschrecklichen Tyranney des höllischen
Pharaons von dem so unfruchtbaren Krafft- und Geist, aus saugendem

Welt-
a Luc. VI. 46.
B 2

Evangelii JESU.
tert wird, daß es heißt: Du haſt hier keine bleibende Statt, und
weiſt nicht, ob du in Jeruſalem, die Stadt GOttes eingehen wirſt,
es iſt keine rechtſchaffene Buß, kein wahrer von GOtt gewuͤrckter
Glaube, keine wahre, von dem heiligen Geiſt flieſſende und gewuͤrck-
te Heiligung bey dir; du lauffeſt mit den boͤſen Geiſtern auf dem
breiten Welt-Weg; du kenneſt JEſum nicht, und haſt noch nichts
weſentliches von Jhm genoſſen, zwar ſeine Liebe viel von den Predi-
gern ruͤhmen gehoͤret, aber in der That noch nicht geſehen, noch nicht
geſchmecket wie freundlich der liebe Heyland ſelbſten ſeye; Er kan
unmoͤglich mit dir zu frieden ſeyn, noch viel weniger dein Leben gut
heiſſen, maſſen es gantz anderſt als ſein heiliges und unſtraͤffliches
Leben, ja demſelben gantz zuwider iſt. Jch habe zwar JEſum biß-
her, wie andere Maul-Chriſten mit dem Munde bekannt, aber die-
ſe Bekanntnuͤß wird mich gewiß wenig nutzen, ſondern nur den Zorn
GOttes gegen mich anzuͤnden, der Richter wird mirs verweiſen und
ſagen: Warum haſt du Mich immer HErr HErr geheiſſen, als ob
es dir ſehr angelegen waͤre, Mir, als deinem Meiſter und HErrn
zu gehorchen a, und nach Meinem Willen zu leben, und haſt dannoch
nicht gethan, was Jch befohlen.

Darum, du haſt hohe Zeit, kehre eilends um, ehe dir der Le-
bens-Faden, ſammt der Gnaden-Zeit, abgeſchnitten wird. Was
hilfft dir an dem Tag JEſu alles ſichtbare, alle Welt-Freud, Luſt
und Ergoͤtzlichkeit? Dieſes machet dir endlich nichts als Angſt und
groſſe Quaal; Ach O meine arme Seele! ſo eile dann und erret-
te dich, GOTT, der freundliche GOTT wird dir auch noch
gnaͤdig ſeyn, ja, er begehret deiner; Heute, heute kanſt du noch
zu JESU kommen. Ach! derowegen, auff, auff, Seele auff, und
verſchlaffe eine ſo groſſe Seligkeit nicht, es moͤchte dich gewiß ewig
gereuen. Mercke auf die Stimme der Trompeten des Allmaͤch-
tigen, und wende dich zu deinem GOtt, der zu deinem Heil zu dir auf
Erden kommen iſt, der dir ſo freundlich zurufft, dich ſo liebreich locket.

§. 10. Wann, ſage ich, das Hertz des Menſchen ſo ein wenigDurch fal-
ſche Vor-
ſtellungen
als da iſt
der Vor-
theil den
die Welt.

von der Gnaden-Sonne angeſchienen wird, ach! da ſehnet ſich der
Geiſt nach der Einſamkeit, da er genug betten koͤnne, und wolte
gern aus der unleidenlich- und erſchrecklichen Tyranney des hoͤlliſchen
Pharaons von dem ſo unfruchtbaren Krafft- und Geiſt, aus ſaugendem

Welt-
a Luc. VI. 46.
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Evangelii <hi rendition="#g">JESU.</hi></hi></fw><lb/>
tert wird, daß es heißt: Du ha&#x017F;t hier keine bleibende Statt, und<lb/>
wei&#x017F;t nicht, ob du in Jeru&#x017F;alem, die Stadt GOttes eingehen wir&#x017F;t,<lb/>
es i&#x017F;t keine recht&#x017F;chaffene Buß, kein wahrer von GOtt gewu&#x0364;rckter<lb/>
Glaube, keine wahre, von dem heiligen Gei&#x017F;t flie&#x017F;&#x017F;ende und gewu&#x0364;rck-<lb/>
te Heiligung bey dir; du lauffe&#x017F;t mit den bo&#x0364;&#x017F;en Gei&#x017F;tern auf dem<lb/>
breiten Welt-Weg; du kenne&#x017F;t JE&#x017F;um nicht, und ha&#x017F;t noch nichts<lb/>
we&#x017F;entliches von Jhm geno&#x017F;&#x017F;en, zwar &#x017F;eine Liebe viel von den Predi-<lb/>
gern ru&#x0364;hmen geho&#x0364;ret, aber in der That noch nicht ge&#x017F;ehen, noch nicht<lb/>
ge&#x017F;chmecket wie freundlich der liebe Heyland &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;eye; Er kan<lb/>
unmo&#x0364;glich mit dir zu frieden &#x017F;eyn, noch viel weniger dein Leben gut<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en, ma&#x017F;&#x017F;en es gantz ander&#x017F;t als &#x017F;ein heiliges und un&#x017F;tra&#x0364;ffliches<lb/>
Leben, ja dem&#x017F;elben gantz zuwider i&#x017F;t. Jch habe zwar JE&#x017F;um biß-<lb/>
her, wie andere Maul-Chri&#x017F;ten mit dem Munde bekannt, aber die-<lb/>
&#x017F;e Bekanntnu&#x0364;ß wird mich gewiß wenig nutzen, &#x017F;ondern nur den Zorn<lb/>
GOttes gegen mich anzu&#x0364;nden, der Richter wird mirs verwei&#x017F;en und<lb/>
&#x017F;agen: Warum ha&#x017F;t du Mich immer HErr HErr gehei&#x017F;&#x017F;en, als ob<lb/>
es dir &#x017F;ehr angelegen wa&#x0364;re, Mir, als deinem Mei&#x017F;ter und HErrn<lb/>
zu gehorchen <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Luc. VI.</hi> 46.</note>, und nach Meinem Willen zu leben, und ha&#x017F;t dannoch<lb/>
nicht gethan, was Jch befohlen.</p><lb/>
          <p>Darum, du ha&#x017F;t hohe Zeit, kehre eilends um, ehe dir der Le-<lb/>
bens-Faden, &#x017F;ammt der Gnaden-Zeit, abge&#x017F;chnitten wird. Was<lb/>
hilfft dir an dem Tag JE&#x017F;u alles &#x017F;ichtbare, alle Welt-Freud, Lu&#x017F;t<lb/>
und Ergo&#x0364;tzlichkeit? Die&#x017F;es machet dir endlich nichts als Ang&#x017F;t und<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Quaal; Ach O meine arme Seele! &#x017F;o eile dann und erret-<lb/>
te dich, GOTT, der freundliche GOTT wird dir auch noch<lb/>
gna&#x0364;dig &#x017F;eyn, ja, er begehret deiner; Heute, heute kan&#x017F;t du noch<lb/>
zu JESU kommen. Ach! derowegen, auff, auff, Seele auff, und<lb/>
ver&#x017F;chlaffe eine &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Seligkeit nicht, es mo&#x0364;chte dich gewiß ewig<lb/>
gereuen. Mercke auf die Stimme der Trompeten des Allma&#x0364;ch-<lb/>
tigen, und wende dich zu deinem GOtt, der zu deinem Heil zu dir auf<lb/>
Erden kommen i&#x017F;t, der dir &#x017F;o freundlich zurufft, dich &#x017F;o liebreich locket.</p><lb/>
          <p>§. 10. Wann, &#x017F;age ich, das Hertz des Men&#x017F;chen &#x017F;o ein wenig<note place="right">Durch fal-<lb/>
&#x017F;che Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen<lb/>
als da i&#x017F;t<lb/>
der Vor-<lb/>
theil den<lb/>
die Welt.</note><lb/>
von der Gnaden-Sonne ange&#x017F;chienen wird, ach! da &#x017F;ehnet &#x017F;ich der<lb/>
Gei&#x017F;t nach der Ein&#x017F;amkeit, da er genug betten ko&#x0364;nne, und wolte<lb/>
gern aus der unleidenlich- und er&#x017F;chrecklichen Tyranney des ho&#x0364;lli&#x017F;chen<lb/>
Pharaons von dem &#x017F;o unfruchtbaren Krafft- und Gei&#x017F;t, aus &#x017F;augendem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Welt-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0107] Evangelii JESU. tert wird, daß es heißt: Du haſt hier keine bleibende Statt, und weiſt nicht, ob du in Jeruſalem, die Stadt GOttes eingehen wirſt, es iſt keine rechtſchaffene Buß, kein wahrer von GOtt gewuͤrckter Glaube, keine wahre, von dem heiligen Geiſt flieſſende und gewuͤrck- te Heiligung bey dir; du lauffeſt mit den boͤſen Geiſtern auf dem breiten Welt-Weg; du kenneſt JEſum nicht, und haſt noch nichts weſentliches von Jhm genoſſen, zwar ſeine Liebe viel von den Predi- gern ruͤhmen gehoͤret, aber in der That noch nicht geſehen, noch nicht geſchmecket wie freundlich der liebe Heyland ſelbſten ſeye; Er kan unmoͤglich mit dir zu frieden ſeyn, noch viel weniger dein Leben gut heiſſen, maſſen es gantz anderſt als ſein heiliges und unſtraͤffliches Leben, ja demſelben gantz zuwider iſt. Jch habe zwar JEſum biß- her, wie andere Maul-Chriſten mit dem Munde bekannt, aber die- ſe Bekanntnuͤß wird mich gewiß wenig nutzen, ſondern nur den Zorn GOttes gegen mich anzuͤnden, der Richter wird mirs verweiſen und ſagen: Warum haſt du Mich immer HErr HErr geheiſſen, als ob es dir ſehr angelegen waͤre, Mir, als deinem Meiſter und HErrn zu gehorchen a, und nach Meinem Willen zu leben, und haſt dannoch nicht gethan, was Jch befohlen. Darum, du haſt hohe Zeit, kehre eilends um, ehe dir der Le- bens-Faden, ſammt der Gnaden-Zeit, abgeſchnitten wird. Was hilfft dir an dem Tag JEſu alles ſichtbare, alle Welt-Freud, Luſt und Ergoͤtzlichkeit? Dieſes machet dir endlich nichts als Angſt und groſſe Quaal; Ach O meine arme Seele! ſo eile dann und erret- te dich, GOTT, der freundliche GOTT wird dir auch noch gnaͤdig ſeyn, ja, er begehret deiner; Heute, heute kanſt du noch zu JESU kommen. Ach! derowegen, auff, auff, Seele auff, und verſchlaffe eine ſo groſſe Seligkeit nicht, es moͤchte dich gewiß ewig gereuen. Mercke auf die Stimme der Trompeten des Allmaͤch- tigen, und wende dich zu deinem GOtt, der zu deinem Heil zu dir auf Erden kommen iſt, der dir ſo freundlich zurufft, dich ſo liebreich locket. §. 10. Wann, ſage ich, das Hertz des Menſchen ſo ein wenig von der Gnaden-Sonne angeſchienen wird, ach! da ſehnet ſich der Geiſt nach der Einſamkeit, da er genug betten koͤnne, und wolte gern aus der unleidenlich- und erſchrecklichen Tyranney des hoͤlliſchen Pharaons von dem ſo unfruchtbaren Krafft- und Geiſt, aus ſaugendem Welt- Durch fal- ſche Vor- ſtellungen als da iſt der Vor- theil den die Welt. a Luc. VI. 46. B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/107
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/107>, abgerufen am 22.11.2024.