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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der verheissene
mit JEsu der Welt gecreutziget zu seyn. Schließlich sind und blei-
ben sie Jahr aus Jahr ein an gleichem Ort, in gleichem Zustand,
gemahlte Sternen, wie die Mahler an den Dächeren zu mahlen
pflegen ohne Glantz, Wärme, Leben und Bewegung; man verste-
he mich wohl, ich rede von der Bewegung eines unabläßigen und
unersättlichen Verlangens nach dem höchsten Gut, so aus einer em-
pfindlichen Hochschätzung seiner grossen Liebes-Neigung und Be-
gierde nach unserer gründlichen Seligmachung entzündet wird: ich
rede von dem Leben, das GOTT durch Christum mittheilet und
der Gnaden-hungerigen Seele, die nach ihm fraget, mit JESU
selbst gemein machet: allermassen sich in manchen unseliges Leben ge-
nug erzeiget, JEsum in seinen schar[p]ffen Zeugnussen zu verwerffen,
und zu durchstechen, weilen sie selbige unrecht verstehen, in dem
der Zorn und Hochmuth gleich hervorspringt, der das arme Ge-
müth dergestalten verwirret, daß es den Kern der unaussprechlichen
Liebe GOttes, so unter denen stechenden Hülsen verborgen ligt, we-
der sehen noch kosten will; Es wird der tödtlich-verwundte, unheil-
bare Mensch über den Deckel, weilen er nicht nach seinem Begriff
ist, so gar unwirsch, daß er im Grimm davon laufft, und nur nicht
ein Blick thun mag auf den darunter liegenden edeln Heyl-Balsam
und köstlichen Perlen-Schatz, sondern schmähet immerfort über die
Form und Figur deß unschuldigen Deckels.

Man kan
die Be-
straffun-
gen nicht
leiden.

§. 9. Sie sind dem gram, der sie im Thor straffet, und haben
ein Greuel ab dem, der rechtschaffen lehret a. Sagt und klagt ein
alter Prophet. Und wie überzeugend und durchschneidend sind die
Worte JESU zu den Juden: Wann ihr Abrahams Kinder wä-
ret, so thätet ihr Abrahams Werck. Nun aber suchet ihr mich zu
tödten, einen solchen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt
habe, die ich von GOTT gehört habe, das hat Abraham nicht ge-
than b. Schließlich sind sie nur in denen Dingen so das Himmel-
Wie unge
schickt die
meisten zu
Beurthei-
lung geist
licher Din-
gen seyen.
reich als ihrer Seelen wahre Seligkeit angehen eyfferloß, erlägen
und unbeweglich.

§. 10. Man siehet auch hierinn, wie ungeschickt der natürliche
Mensch sich verhält in Beurtheilung der Dingen, die des Geistes

GOttes
a Amos. V. 10.
b Joh. VIII. 39. 40.

Der verheiſſene
mit JEſu der Welt gecreutziget zu ſeyn. Schließlich ſind und blei-
ben ſie Jahr aus Jahr ein an gleichem Ort, in gleichem Zuſtand,
gemahlte Sternen, wie die Mahler an den Daͤcheren zu mahlen
pflegen ohne Glantz, Waͤrme, Leben und Bewegung; man verſte-
he mich wohl, ich rede von der Bewegung eines unablaͤßigen und
unerſaͤttlichen Verlangens nach dem hoͤchſten Gut, ſo aus einer em-
pfindlichen Hochſchaͤtzung ſeiner groſſen Liebes-Neigung und Be-
gierde nach unſerer gruͤndlichen Seligmachung entzuͤndet wird: ich
rede von dem Leben, das GOTT durch Chriſtum mittheilet und
der Gnaden-hungerigen Seele, die nach ihm fraget, mit JESU
ſelbſt gemein machet: allermaſſen ſich in manchen unſeliges Leben ge-
nug erzeiget, JEſum in ſeinen ſchar[p]ffen Zeugnuſſen zu verwerffen,
und zu durchſtechen, weilen ſie ſelbige unrecht verſtehen, in dem
der Zorn und Hochmuth gleich hervorſpringt, der das arme Ge-
muͤth dergeſtalten verwirret, daß es den Kern der unausſprechlichen
Liebe GOttes, ſo unter denen ſtechenden Huͤlſen verborgen ligt, we-
der ſehen noch koſten will; Es wird der toͤdtlich-verwundte, unheil-
bare Menſch uͤber den Deckel, weilen er nicht nach ſeinem Begriff
iſt, ſo gar unwirſch, daß er im Grimm davon laufft, und nur nicht
ein Blick thun mag auf den darunter liegenden edeln Heyl-Balſam
und koͤſtlichen Perlen-Schatz, ſondern ſchmaͤhet immerfort uͤber die
Form und Figur deß unſchuldigen Deckels.

Man kan
die Be-
ſtraffun-
gen nicht
leiden.

§. 9. Sie ſind dem gram, der ſie im Thor ſtraffet, und haben
ein Greuel ab dem, der rechtſchaffen lehret a. Sagt und klagt ein
alter Prophet. Und wie uͤberzeugend und durchſchneidend ſind die
Worte JESU zu den Juden: Wann ihr Abrahams Kinder waͤ-
ret, ſo thaͤtet ihr Abrahams Werck. Nun aber ſuchet ihr mich zu
toͤdten, einen ſolchen Menſchen, der ich euch die Wahrheit geſagt
habe, die ich von GOTT gehoͤrt habe, das hat Abraham nicht ge-
than b. Schließlich ſind ſie nur in denen Dingen ſo das Himmel-
Wie unge
ſchickt die
meiſten zu
Beurthei-
lung geiſt
licher Din-
gen ſeyen.
reich als ihrer Seelen wahre Seligkeit angehen eyfferloß, erlaͤgen
und unbeweglich.

§. 10. Man ſiehet auch hierinn, wie ungeſchickt der natuͤrliche
Menſch ſich verhaͤlt in Beurtheilung der Dingen, die des Geiſtes

GOttes
a Amoſ. V. 10.
b Joh. VIII. 39. 40.
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[970/1066] Der verheiſſene mit JEſu der Welt gecreutziget zu ſeyn. Schließlich ſind und blei- ben ſie Jahr aus Jahr ein an gleichem Ort, in gleichem Zuſtand, gemahlte Sternen, wie die Mahler an den Daͤcheren zu mahlen pflegen ohne Glantz, Waͤrme, Leben und Bewegung; man verſte- he mich wohl, ich rede von der Bewegung eines unablaͤßigen und unerſaͤttlichen Verlangens nach dem hoͤchſten Gut, ſo aus einer em- pfindlichen Hochſchaͤtzung ſeiner groſſen Liebes-Neigung und Be- gierde nach unſerer gruͤndlichen Seligmachung entzuͤndet wird: ich rede von dem Leben, das GOTT durch Chriſtum mittheilet und der Gnaden-hungerigen Seele, die nach ihm fraget, mit JESU ſelbſt gemein machet: allermaſſen ſich in manchen unſeliges Leben ge- nug erzeiget, JEſum in ſeinen ſcharpffen Zeugnuſſen zu verwerffen, und zu durchſtechen, weilen ſie ſelbige unrecht verſtehen, in dem der Zorn und Hochmuth gleich hervorſpringt, der das arme Ge- muͤth dergeſtalten verwirret, daß es den Kern der unausſprechlichen Liebe GOttes, ſo unter denen ſtechenden Huͤlſen verborgen ligt, we- der ſehen noch koſten will; Es wird der toͤdtlich-verwundte, unheil- bare Menſch uͤber den Deckel, weilen er nicht nach ſeinem Begriff iſt, ſo gar unwirſch, daß er im Grimm davon laufft, und nur nicht ein Blick thun mag auf den darunter liegenden edeln Heyl-Balſam und koͤſtlichen Perlen-Schatz, ſondern ſchmaͤhet immerfort uͤber die Form und Figur deß unſchuldigen Deckels. §. 9. Sie ſind dem gram, der ſie im Thor ſtraffet, und haben ein Greuel ab dem, der rechtſchaffen lehret a. Sagt und klagt ein alter Prophet. Und wie uͤberzeugend und durchſchneidend ſind die Worte JESU zu den Juden: Wann ihr Abrahams Kinder waͤ- ret, ſo thaͤtet ihr Abrahams Werck. Nun aber ſuchet ihr mich zu toͤdten, einen ſolchen Menſchen, der ich euch die Wahrheit geſagt habe, die ich von GOTT gehoͤrt habe, das hat Abraham nicht ge- than b. Schließlich ſind ſie nur in denen Dingen ſo das Himmel- reich als ihrer Seelen wahre Seligkeit angehen eyfferloß, erlaͤgen und unbeweglich. Wie unge ſchickt die meiſten zu Beurthei- lung geiſt licher Din- gen ſeyen. §. 10. Man ſiehet auch hierinn, wie ungeſchickt der natuͤrliche Menſch ſich verhaͤlt in Beurtheilung der Dingen, die des Geiſtes GOttes a Amoſ. V. 10. b Joh. VIII. 39. 40.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 970. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1066>, abgerufen am 22.11.2024.