der Seeligkeit mit der angenehmen Idee des über uns schwebenden Himmels, schon von Natur zu verbinden gewohnt sind.
Abra- hams freudiges Anschau- en des Himmels beschämt die mit ih- rem Hertz an der Er- de han- gende Christen.
§. 6. Es konnte kaum ein Mensch frölicher den Himmel ansehen als Abraham, allermassen er hier ware, wie ein Vogel auf dem Zweig, immer weiters fort, also daß er sich an keinem Ort gewohnen, noch sich mit seinem Gemüth in dessen Anmuth und Lustbarkeit gleichsam niederlassen und vest setzen könnte, er müßte unabgewandt Himmel an sich schwingen, wartende auf die Stadt, die die Gründe hat, deren Baumeister und Schöpffer GOtt ist, in solcher steten Abgeschieden- heit und himmlischen Hoffnung erhielte der Heil. Geist diese theure Seel, daß sie mehr im Himmel ware, dahin sie sich streckte, als auf Erden, da sie wallete und selbe gar zu gern um jenen vertauschen woll- te; es kan kein Cron-Printz mit solch aufhupffendem Vergnügen und Verlangen seine künfftige Residentz-Stadt von weitem aus der Fein- den Land ansehen, als Abraham gen Himmel sahe, welches billich uns Christen beschämen soll, die wir in der letzten Stund leben, und uns so sehr vor dem Tod förchten, sonderlich wann er heranruckt; ja wann schon feurige Rosse und Wagen daher renneten, uns wie Elias mit Leib und Seel ins Paradis hinaufzuführen, so wären wir dan- noch kaum zu bereden, darein zu steigen: Sintemal wir vieles auf Er- den und wenig im Himmel zu verrichten haben, und gehet uns eben, als wie dem Hertzog von Alba: Als er gefragt worden, ob er die Sonnen-Finsternuß in währender Feld-Schlacht nicht gewahr genom- men habe, da gabe er zur Antwort: er habe so vieles auf Erden zu schaffen gehabt, daß er nicht einst Zeit und Weile gehabt habe gen Himmel zu sehen. Wir sind wie Schnecken an unsere Dinge ange- backen, und sind nicht auf der Reise begriffen nach denen himmlischen Wohnungen, darum sehen wir nur nicht darnach, alldieweil der Welt-Geist uns gefangen hält immer am gleichen Ort: Es fragt sich, warum Satan den Job habe angetastet, und nicht die Patriarchen? hierauf antwortet ein Kirchen-Lehrer: Der Teuffel könne wegen des ihne truckenden Lasts der K[e]tten der Finsternuß, daran er angeschmi- det, nicht so geschwind fahren, folglich habe er die Ertz-Vätter, wel- che keine beständige Bleibstätte gehabt, sondern immer fortgereiset, nicht erhaschen können, wie den Job, dessen Seele er, der Satan auch nicht erreichen können, weilen sie wie ein Adler nach der Sonn der Gerechtigkeit sich erhube, und ihre Lust hatte an dem Allmächtigen:
Wol-
Der verheiſſene
der Seeligkeit mit der angenehmen Idée des uͤber uns ſchwebenden Himmels, ſchon von Natur zu verbinden gewohnt ſind.
Abra- hams freudiges Anſchau- en des Himmels beſchaͤmt die mit ih- rem Hertz an der Er- de han- gende Chriſten.
§. 6. Es konnte kaum ein Menſch froͤlicher den Himmel anſehen als Abraham, allermaſſen er hier ware, wie ein Vogel auf dem Zweig, immer weiters fort, alſo daß er ſich an keinem Ort gewohnen, noch ſich mit ſeinem Gemuͤth in deſſen Anmuth und Luſtbarkeit gleichſam niederlaſſen und veſt ſetzen koͤnnte, er muͤßte unabgewandt Himmel an ſich ſchwingen, wartende auf die Stadt, die die Gruͤnde hat, deren Baumeiſter und Schoͤpffer GOtt iſt, in ſolcher ſteten Abgeſchieden- heit und himmliſchen Hoffnung erhielte der Heil. Geiſt dieſe theure Seel, daß ſie mehr im Himmel ware, dahin ſie ſich ſtreckte, als auf Erden, da ſie wallete und ſelbe gar zu gern um jenen vertauſchen woll- te; es kan kein Cron-Printz mit ſolch aufhupffendem Vergnuͤgen und Verlangen ſeine kuͤnfftige Reſidentz-Stadt von weitem aus der Fein- den Land anſehen, als Abraham gen Himmel ſahe, welches billich uns Chriſten beſchaͤmen ſoll, die wir in der letzten Stund leben, und uns ſo ſehr vor dem Tod foͤrchten, ſonderlich wann er heranruckt; ja wann ſchon feurige Roſſe und Wagen daher renneten, uns wie Elias mit Leib und Seel ins Paradis hinaufzufuͤhren, ſo waͤren wir dan- noch kaum zu bereden, darein zu ſteigen: Sintemal wir vieles auf Er- den und wenig im Himmel zu verrichten haben, und gehet uns eben, als wie dem Hertzog von Alba: Als er gefragt worden, ob er die Sonnen-Finſternuß in waͤhrender Feld-Schlacht nicht gewahr genom- men habe, da gabe er zur Antwort: er habe ſo vieles auf Erden zu ſchaffen gehabt, daß er nicht einſt Zeit und Weile gehabt habe gen Himmel zu ſehen. Wir ſind wie Schnecken an unſere Dinge ange- backen, und ſind nicht auf der Reiſe begriffen nach denen himmliſchen Wohnungen, darum ſehen wir nur nicht darnach, alldieweil der Welt-Geiſt uns gefangen haͤlt immer am gleichen Ort: Es fragt ſich, warum Satan den Job habe angetaſtet, und nicht die Patriarchen? hierauf antwortet ein Kirchen-Lehrer: Der Teuffel koͤnne wegen des ihne truckenden Laſts der K[e]tten der Finſternuß, daran er angeſchmi- det, nicht ſo geſchwind fahren, folglich habe er die Ertz-Vaͤtter, wel- che keine beſtaͤndige Bleibſtaͤtte gehabt, ſondern immer fortgereiſet, nicht erhaſchen koͤnnen, wie den Job, deſſen Seele er, der Satan auch nicht erreichen koͤnnen, weilen ſie wie ein Adler nach der Sonn der Gerechtigkeit ſich erhube, und ihre Luſt hatte an dem Allmaͤchtigen:
Wol-
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Der verheiſſene
der Seeligkeit mit der angenehmen Idée des uͤber uns ſchwebenden
Himmels, ſchon von Natur zu verbinden gewohnt ſind.
§. 6. Es konnte kaum ein Menſch froͤlicher den Himmel anſehen als
Abraham, allermaſſen er hier ware, wie ein Vogel auf dem Zweig,
immer weiters fort, alſo daß er ſich an keinem Ort gewohnen, noch
ſich mit ſeinem Gemuͤth in deſſen Anmuth und Luſtbarkeit gleichſam
niederlaſſen und veſt ſetzen koͤnnte, er muͤßte unabgewandt Himmel an
ſich ſchwingen, wartende auf die Stadt, die die Gruͤnde hat, deren
Baumeiſter und Schoͤpffer GOtt iſt, in ſolcher ſteten Abgeſchieden-
heit und himmliſchen Hoffnung erhielte der Heil. Geiſt dieſe theure
Seel, daß ſie mehr im Himmel ware, dahin ſie ſich ſtreckte, als auf
Erden, da ſie wallete und ſelbe gar zu gern um jenen vertauſchen woll-
te; es kan kein Cron-Printz mit ſolch aufhupffendem Vergnuͤgen und
Verlangen ſeine kuͤnfftige Reſidentz-Stadt von weitem aus der Fein-
den Land anſehen, als Abraham gen Himmel ſahe, welches billich
uns Chriſten beſchaͤmen ſoll, die wir in der letzten Stund leben, und
uns ſo ſehr vor dem Tod foͤrchten, ſonderlich wann er heranruckt;
ja wann ſchon feurige Roſſe und Wagen daher renneten, uns wie
Elias mit Leib und Seel ins Paradis hinaufzufuͤhren, ſo waͤren wir dan-
noch kaum zu bereden, darein zu ſteigen: Sintemal wir vieles auf Er-
den und wenig im Himmel zu verrichten haben, und gehet uns eben,
als wie dem Hertzog von Alba: Als er gefragt worden, ob er die
Sonnen-Finſternuß in waͤhrender Feld-Schlacht nicht gewahr genom-
men habe, da gabe er zur Antwort: er habe ſo vieles auf Erden zu
ſchaffen gehabt, daß er nicht einſt Zeit und Weile gehabt habe gen
Himmel zu ſehen. Wir ſind wie Schnecken an unſere Dinge ange-
backen, und ſind nicht auf der Reiſe begriffen nach denen himmliſchen
Wohnungen, darum ſehen wir nur nicht darnach, alldieweil der
Welt-Geiſt uns gefangen haͤlt immer am gleichen Ort: Es fragt ſich,
warum Satan den Job habe angetaſtet, und nicht die Patriarchen?
hierauf antwortet ein Kirchen-Lehrer: Der Teuffel koͤnne wegen des
ihne truckenden Laſts der Ketten der Finſternuß, daran er angeſchmi-
det, nicht ſo geſchwind fahren, folglich habe er die Ertz-Vaͤtter, wel-
che keine beſtaͤndige Bleibſtaͤtte gehabt, ſondern immer fortgereiſet,
nicht erhaſchen koͤnnen, wie den Job, deſſen Seele er, der Satan
auch nicht erreichen koͤnnen, weilen ſie wie ein Adler nach der Sonn
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 926. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1022>, abgerufen am 22.11.2024.
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