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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der verheissene
mußten sie hinausgehen: Ach Menschen-Werck und Anschläge, da-
durch sie sich des heiligen Creutzes zu erwehren trachten, hinderen sie
offt an der Offenbahrung der Herrlichkeit GOttes ob ihnen, so lang,
biß sie GOtt aus allen Vernünffteleyen hinaus in die freye Lufft der
anwehenden Krafft des H. Geistes hinein führet.

Das
Sprechen
GOttes
im Men-
schen was
es seye.

§. 3. Wie aber dieses Hinausführen und Sprechen GOttes zuge-
he, ob JEsus wie mehrmalen zum Vorspiel seiner Offenbahrung im
Fleisch, in menschlicher Gestalt erschienen, oder ob solches durch An-
regen des H. Geistes geschehen seye, kan man eben so eigentlich nicht
wissen. Menschen, die GOtt zu seinen geheimen Freunden annimmt,
verstehens am besten, wie das zugehe, wiewohlen sie es andern nicht
grad so deutlich erklären könten: Nur eines muß ich sagen, daß die-
ses Sprechen GOttes, und sein heilig-sanfftester Trieb den Men-
schen also gar einnimmt, daß ihme alles Angedencken aller Creaturen
entfallt, die Seel wird also sehr von den äusseren Sinnen und der gan-
tzen Welt weggeruckt, daß sie zu der Zeit GOtt allein abwarten muß,
und nichts weder sehen, hören, noch gedencken kan, als was GOtt
will, daß sie höre, sehe und gedencke; Dieses alles geschiehet mit so
lebendigem, übernatürlichem Eintruck und göttlicher Gewißheit, daß
nicht der geringste Zweifel, oder fremde Stimm im Gemüth Platz
hat, so lang der HErr redet in seinem heiligen Tempel; es vermag
kein Geist so tieff in die Seele hinein reden, als der sie geschaffen
hat: Phantastische, selbst gemachte, oder betriegerische Satans-
Stimmen lassen Zweiffel, Angst, Finsterniß, Aufblehung, Zorn,
Partheylichkeit, Frefel-Urtheil hinter sich, allwo der beste Grund ist,
eine gute Meynung, man wolle einmal gehorchen in dem Sinn, GOtt
wolle es haben, und dieses werde der Seelen nicht schaden, obs schon
ein Betrug des Teufels wäre, so werde dennoch wegen der guten
Meynung der Seelen alles zum Vortheil gereichen: Das göttliche
Sprechen hat dagegen neben der himmlischen Gewißheit dieses, daß
es den Menschen tieff in die Demuth und allgemeine Liebe versenckt
und sänfftiglich zum Gehorsam beuget. Abraham gienge dann bey
nächtlicher Weile hinaus aus seiner Hütte, nicht wissend, was ihm
weiters begegnen wurde, und dieses ist die Art des Gehorsams des
Glaubens, daß er nur auf gegenwärtigen Augenblick des göttlichen
Willens mercket, ohne sich zu bekümmeren, was hernach daraus ent-
stehen möchte.

§. 4. Hier

Der verheiſſene
mußten ſie hinausgehen: Ach Menſchen-Werck und Anſchlaͤge, da-
durch ſie ſich des heiligen Creutzes zu erwehren trachten, hinderen ſie
offt an der Offenbahrung der Herrlichkeit GOttes ob ihnen, ſo lang,
biß ſie GOtt aus allen Vernuͤnffteleyen hinaus in die freye Lufft der
anwehenden Krafft des H. Geiſtes hinein fuͤhret.

Das
Sprechen
GOttes
im Men-
ſchen was
es ſeye.

§. 3. Wie aber dieſes Hinausfuͤhren und Sprechen GOttes zuge-
he, ob JEſus wie mehrmalen zum Vorſpiel ſeiner Offenbahrung im
Fleiſch, in menſchlicher Geſtalt erſchienen, oder ob ſolches durch An-
regen des H. Geiſtes geſchehen ſeye, kan man eben ſo eigentlich nicht
wiſſen. Menſchen, die GOtt zu ſeinen geheimen Freunden annimmt,
verſtehens am beſten, wie das zugehe, wiewohlen ſie es andern nicht
grad ſo deutlich erklaͤren koͤnten: Nur eines muß ich ſagen, daß die-
ſes Sprechen GOttes, und ſein heilig-ſanffteſter Trieb den Men-
ſchen alſo gar einnimmt, daß ihme alles Angedencken aller Creaturen
entfallt, die Seel wird alſo ſehr von den aͤuſſeren Sinnen und der gan-
tzen Welt weggeruckt, daß ſie zu der Zeit GOtt allein abwarten muß,
und nichts weder ſehen, hoͤren, noch gedencken kan, als was GOtt
will, daß ſie hoͤre, ſehe und gedencke; Dieſes alles geſchiehet mit ſo
lebendigem, uͤbernatuͤrlichem Eintruck und goͤttlicher Gewißheit, daß
nicht der geringſte Zweifel, oder fremde Stimm im Gemuͤth Platz
hat, ſo lang der HErr redet in ſeinem heiligen Tempel; es vermag
kein Geiſt ſo tieff in die Seele hinein reden, als der ſie geſchaffen
hat: Phantaſtiſche, ſelbſt gemachte, oder betriegeriſche Satans-
Stimmen laſſen Zweiffel, Angſt, Finſterniß, Aufblehung, Zorn,
Partheylichkeit, Frefel-Urtheil hinter ſich, allwo der beſte Grund iſt,
eine gute Meynung, man wolle einmal gehorchen in dem Sinn, GOtt
wolle es haben, und dieſes werde der Seelen nicht ſchaden, obs ſchon
ein Betrug des Teufels waͤre, ſo werde dennoch wegen der guten
Meynung der Seelen alles zum Vortheil gereichen: Das goͤttliche
Sprechen hat dagegen neben der himmliſchen Gewißheit dieſes, daß
es den Menſchen tieff in die Demuth und allgemeine Liebe verſenckt
und ſaͤnfftiglich zum Gehorſam beuget. Abraham gienge dann bey
naͤchtlicher Weile hinaus aus ſeiner Huͤtte, nicht wiſſend, was ihm
weiters begegnen wurde, und dieſes iſt die Art des Gehorſams des
Glaubens, daß er nur auf gegenwaͤrtigen Augenblick des goͤttlichen
Willens mercket, ohne ſich zu bekuͤmmeren, was hernach daraus ent-
ſtehen moͤchte.

§. 4. Hier
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[924/1020] Der verheiſſene mußten ſie hinausgehen: Ach Menſchen-Werck und Anſchlaͤge, da- durch ſie ſich des heiligen Creutzes zu erwehren trachten, hinderen ſie offt an der Offenbahrung der Herrlichkeit GOttes ob ihnen, ſo lang, biß ſie GOtt aus allen Vernuͤnffteleyen hinaus in die freye Lufft der anwehenden Krafft des H. Geiſtes hinein fuͤhret. §. 3. Wie aber dieſes Hinausfuͤhren und Sprechen GOttes zuge- he, ob JEſus wie mehrmalen zum Vorſpiel ſeiner Offenbahrung im Fleiſch, in menſchlicher Geſtalt erſchienen, oder ob ſolches durch An- regen des H. Geiſtes geſchehen ſeye, kan man eben ſo eigentlich nicht wiſſen. Menſchen, die GOtt zu ſeinen geheimen Freunden annimmt, verſtehens am beſten, wie das zugehe, wiewohlen ſie es andern nicht grad ſo deutlich erklaͤren koͤnten: Nur eines muß ich ſagen, daß die- ſes Sprechen GOttes, und ſein heilig-ſanffteſter Trieb den Men- ſchen alſo gar einnimmt, daß ihme alles Angedencken aller Creaturen entfallt, die Seel wird alſo ſehr von den aͤuſſeren Sinnen und der gan- tzen Welt weggeruckt, daß ſie zu der Zeit GOtt allein abwarten muß, und nichts weder ſehen, hoͤren, noch gedencken kan, als was GOtt will, daß ſie hoͤre, ſehe und gedencke; Dieſes alles geſchiehet mit ſo lebendigem, uͤbernatuͤrlichem Eintruck und goͤttlicher Gewißheit, daß nicht der geringſte Zweifel, oder fremde Stimm im Gemuͤth Platz hat, ſo lang der HErr redet in ſeinem heiligen Tempel; es vermag kein Geiſt ſo tieff in die Seele hinein reden, als der ſie geſchaffen hat: Phantaſtiſche, ſelbſt gemachte, oder betriegeriſche Satans- Stimmen laſſen Zweiffel, Angſt, Finſterniß, Aufblehung, Zorn, Partheylichkeit, Frefel-Urtheil hinter ſich, allwo der beſte Grund iſt, eine gute Meynung, man wolle einmal gehorchen in dem Sinn, GOtt wolle es haben, und dieſes werde der Seelen nicht ſchaden, obs ſchon ein Betrug des Teufels waͤre, ſo werde dennoch wegen der guten Meynung der Seelen alles zum Vortheil gereichen: Das goͤttliche Sprechen hat dagegen neben der himmliſchen Gewißheit dieſes, daß es den Menſchen tieff in die Demuth und allgemeine Liebe verſenckt und ſaͤnfftiglich zum Gehorſam beuget. Abraham gienge dann bey naͤchtlicher Weile hinaus aus ſeiner Huͤtte, nicht wiſſend, was ihm weiters begegnen wurde, und dieſes iſt die Art des Gehorſams des Glaubens, daß er nur auf gegenwaͤrtigen Augenblick des goͤttlichen Willens mercket, ohne ſich zu bekuͤmmeren, was hernach daraus ent- ſtehen moͤchte. §. 4. Hier

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 924. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1020>, abgerufen am 25.11.2024.