Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lucius, Samuel: Das Schweitzerische Von Milch und Honig fliessende Canaan. Bern, 1731.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Schweitzerische Canaan.
alles was under der Sonne ist de haut en
bas,
von oben herunder, mit Geringschä-
tzung ansihet.

O ja ein Schäffelein begehrt nicht hin-
under, so lang es droben so köstliche Wey-
de findet; Je weiter sich ein Christ im Geist
und Gemüth von allem Menschen-Getüm-
mel entfernet, je tüchtiger ist er himmlische
Dinge zu schauen und zu geniessen, je ver-
borgenere Niedlichkeiten deß Paradyses
werden ihme zum Gebrauch beygelegt. Wie
ruhig weydet doch ein Lamm auf den ho-
hen Gebürgen, die Menschen mögen in der
Tieffe under einander spielen, sauffen, fres-
sen, zancken, geitzen, schreyen, und von
allen bösen Geistern sich rumpausen lassen,
das Lamm geht derweilen seinen safftigen
nehrhafften Kräutlein und Blümlein nach
in sanfft-vernügter Stille, lecket den mil-
ten Honig-Thau, labet sich mit Anmuht
auß den daher rauschenden frischen Bäch-
lein; Wie vielmehr eine Seel, die nach
manchem sauren Tritt den fruchtbaren Hü-
gel deß blossen Glaubens und den wonnig-
lichen Berg der reinen Liebe erstiegen, sie
lasset der Welt ihren Schimmer in ihren
dunckeln, neblichten Tieffenen, und ergö-
tzet sich an der Güte ihres GOttes.

§. 3. Die

Das Schweitzeriſche Canaan.
alles was under der Sonne iſt de haut en
bas,
von oben herunder, mit Geringſchaͤ-
tzung anſihet.

O ja ein Schaͤffelein begehrt nicht hin-
under, ſo lang es droben ſo koͤſtliche Wey-
de findet; Je weiter ſich ein Chriſt im Geiſt
und Gemuͤth von allem Menſchen-Getuͤm-
mel entfernet, je tuͤchtiger iſt er himmliſche
Dinge zu ſchauen und zu genieſſen, je ver-
borgenere Niedlichkeiten deß Paradyſes
werden ihme zum Gebrauch beygelegt. Wie
ruhig weydet doch ein Lamm auf den ho-
hen Gebuͤrgen, die Menſchen moͤgen in der
Tieffe under einander ſpielen, ſauffen, freſ-
ſen, zancken, geitzen, ſchreyen, und von
allen boͤſen Geiſtern ſich rumpauſen laſſen,
das Lamm geht derweilen ſeinen ſafftigen
nehrhafften Kraͤutlein und Bluͤmlein nach
in ſanfft-vernuͤgter Stille, lecket den mil-
ten Honig-Thau, labet ſich mit Anmuht
auß den daher rauſchenden friſchen Baͤch-
lein; Wie vielmehr eine Seel, die nach
manchem ſauren Tritt den fruchtbaren Huͤ-
gel deß bloſſen Glaubens und den wonnig-
lichen Berg der reinen Liebe erſtiegen, ſie
laſſet der Welt ihren Schimmer in ihren
dunckeln, neblichten Tieffenen, und ergoͤ-
tzet ſich an der Guͤte ihres GOttes.

§. 3. Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0074" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Schweitzeri&#x017F;che Canaan.</hi></fw><lb/>
alles was under der Sonne i&#x017F;t <hi rendition="#aq">de haut en<lb/>
bas,</hi> von oben herunder, mit Gering&#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
tzung an&#x017F;ihet.</p><lb/>
          <p>O ja ein Scha&#x0364;ffelein begehrt nicht hin-<lb/>
under, &#x017F;o lang es droben &#x017F;o ko&#x0364;&#x017F;tliche Wey-<lb/>
de findet; Je weiter &#x017F;ich ein Chri&#x017F;t im Gei&#x017F;t<lb/>
und Gemu&#x0364;th von allem Men&#x017F;chen-Getu&#x0364;m-<lb/>
mel entfernet, je tu&#x0364;chtiger i&#x017F;t er himmli&#x017F;che<lb/>
Dinge zu &#x017F;chauen und zu genie&#x017F;&#x017F;en, je ver-<lb/>
borgenere Niedlichkeiten deß Parady&#x017F;es<lb/>
werden ihme zum Gebrauch beygelegt. Wie<lb/>
ruhig weydet doch ein Lamm auf den ho-<lb/>
hen Gebu&#x0364;rgen, die Men&#x017F;chen mo&#x0364;gen in der<lb/>
Tieffe under einander &#x017F;pielen, &#x017F;auffen, fre&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, zancken, geitzen, &#x017F;chreyen, und von<lb/>
allen bo&#x0364;&#x017F;en Gei&#x017F;tern &#x017F;ich rumpau&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
das Lamm geht derweilen &#x017F;einen &#x017F;afftigen<lb/>
nehrhafften Kra&#x0364;utlein und Blu&#x0364;mlein nach<lb/>
in &#x017F;anfft-vernu&#x0364;gter Stille, lecket den mil-<lb/>
ten Honig-Thau, labet &#x017F;ich mit Anmuht<lb/>
auß den daher rau&#x017F;chenden fri&#x017F;chen Ba&#x0364;ch-<lb/>
lein; Wie vielmehr eine Seel, die nach<lb/>
manchem &#x017F;auren Tritt den fruchtbaren Hu&#x0364;-<lb/>
gel deß blo&#x017F;&#x017F;en Glaubens und den wonnig-<lb/>
lichen Berg der reinen Liebe er&#x017F;tiegen, &#x017F;ie<lb/>
la&#x017F;&#x017F;et der Welt ihren Schimmer in ihren<lb/>
dunckeln, neblichten Tieffenen, und ergo&#x0364;-<lb/>
tzet &#x017F;ich an der Gu&#x0364;te ihres GOttes.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 3. Die</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0074] Das Schweitzeriſche Canaan. alles was under der Sonne iſt de haut en bas, von oben herunder, mit Geringſchaͤ- tzung anſihet. O ja ein Schaͤffelein begehrt nicht hin- under, ſo lang es droben ſo koͤſtliche Wey- de findet; Je weiter ſich ein Chriſt im Geiſt und Gemuͤth von allem Menſchen-Getuͤm- mel entfernet, je tuͤchtiger iſt er himmliſche Dinge zu ſchauen und zu genieſſen, je ver- borgenere Niedlichkeiten deß Paradyſes werden ihme zum Gebrauch beygelegt. Wie ruhig weydet doch ein Lamm auf den ho- hen Gebuͤrgen, die Menſchen moͤgen in der Tieffe under einander ſpielen, ſauffen, freſ- ſen, zancken, geitzen, ſchreyen, und von allen boͤſen Geiſtern ſich rumpauſen laſſen, das Lamm geht derweilen ſeinen ſafftigen nehrhafften Kraͤutlein und Bluͤmlein nach in ſanfft-vernuͤgter Stille, lecket den mil- ten Honig-Thau, labet ſich mit Anmuht auß den daher rauſchenden friſchen Baͤch- lein; Wie vielmehr eine Seel, die nach manchem ſauren Tritt den fruchtbaren Huͤ- gel deß bloſſen Glaubens und den wonnig- lichen Berg der reinen Liebe erſtiegen, ſie laſſet der Welt ihren Schimmer in ihren dunckeln, neblichten Tieffenen, und ergoͤ- tzet ſich an der Guͤte ihres GOttes. §. 3. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_canaan_1731
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_canaan_1731/74
Zitationshilfe: Lucius, Samuel: Das Schweitzerische Von Milch und Honig fliessende Canaan. Bern, 1731, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_canaan_1731/74>, abgerufen am 25.11.2024.