Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lucius, Samuel: Das Schweitzerische Von Milch und Honig fliessende Canaan. Bern, 1731.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

CAP. V.
zeit einer den andern Christo zuzuführen
trachtete; wäre das nicht ein Himmel auf
Erden! Nun ist das der Kern des Christli-
chen Lebens und gleichwol komt euch eben
das so gar bitter vor, daß ihr meist deßwe-
gen Christum gar aus der Acht lasset.

Einw. Ja, sagt mir einer; es ist ja sauer genug,
immer so mit der Sünd im Streit liegen, und kei-
ne Ruh haben vor allerley Versuchungen; zu dem
daß so mancher Creutzes-Dorn das Hertz durch-
sticht.

Antw. Es ist ein heimlich süsses Wohl
im Kampff mit der Sünd, ein einiger recht-
schaffener Sieg übers Böse macht mehr
Freud als alle Triumphe der Römischen
Feld-Herren, weil die Dämpffung der Sünd
ein Werck der Gnad GOttes ist; Liegst du
dem unverdrossenen Feinde eint-und ander-
mal unten, so wirst du demüthiger, und
GOtt wird dir demnach weit süsser, wann
du dich in dir so schwach und unrein befin-
dest; ja in der Traurigkeit selbs nach GOtt,
ist eine verborgene Lieblichkeit, massen diese
eine Anzeigung ist der ausgegossenen Liebe
GOttes ins Hertz.

Schließlich weiß ich nicht, wie dir das in
deinem Sinn kan aufsteigen, daß GOtt die
ewige Weißheit des Vatters hätte so schreck-
liche Leiden wurden über sich nemmen, uns
dadurch ein armmüthig, elend und betrübt

Leben
G 3

CAP. V.
zeit einer den andern Chriſto zuzufuͤhren
trachtete; waͤre das nicht ein Himmel auf
Erden! Nun iſt das der Kern des Chriſtli-
chen Lebens und gleichwol komt euch eben
das ſo gar bitter vor, daß ihr meiſt deßwe-
gen Chriſtum gar aus der Acht laſſet.

Einw. Ja, ſagt mir einer; es iſt ja ſauer genug,
immer ſo mit der Suͤnd im Streit liegen, und kei-
ne Ruh haben vor allerley Verſuchungen; zu dem
daß ſo mancher Creutzes-Dorn das Hertz durch-
ſticht.

Antw. Es iſt ein heimlich ſuͤſſes Wohl
im Kampff mit der Suͤnd, ein einiger recht-
ſchaffener Sieg uͤbers Boͤſe macht mehr
Freud als alle Triumphe der Roͤmiſchen
Feld-Herren, weil die Daͤmpffung der Suͤnd
ein Werck der Gnad GOttes iſt; Liegſt du
dem unverdroſſenen Feinde eint-und ander-
mal unten, ſo wirſt du demuͤthiger, und
GOtt wird dir demnach weit ſuͤſſer, wann
du dich in dir ſo ſchwach und unrein befin-
deſt; ja in der Traurigkeit ſelbs nach GOtt,
iſt eine verborgene Lieblichkeit, maſſen dieſe
eine Anzeigung iſt der ausgegoſſenen Liebe
GOttes ins Hertz.

Schließlich weiß ich nicht, wie dir das in
deinem Sinn kan aufſteigen, daß GOtt die
ewige Weißheit des Vatters haͤtte ſo ſchreck-
liche Leiden wurden uͤber ſich nemmen, uns
dadurch ein armmuͤthig, elend und betruͤbt

Leben
G 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0169" n="101"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">CAP.</hi> V.</hi></fw><lb/>
zeit einer den andern Chri&#x017F;to zuzufu&#x0364;hren<lb/>
trachtete; wa&#x0364;re das nicht ein Himmel auf<lb/>
Erden! Nun i&#x017F;t das der Kern des Chri&#x017F;tli-<lb/>
chen Lebens und gleichwol komt euch eben<lb/>
das &#x017F;o gar bitter vor, daß ihr mei&#x017F;t deßwe-<lb/>
gen Chri&#x017F;tum gar aus der Acht la&#x017F;&#x017F;et.</p><lb/>
        <p>Einw. Ja, &#x017F;agt mir einer; es i&#x017F;t ja &#x017F;auer genug,<lb/>
immer &#x017F;o mit der Su&#x0364;nd im Streit liegen, und kei-<lb/>
ne Ruh haben vor allerley Ver&#x017F;uchungen; zu dem<lb/>
daß &#x017F;o mancher Creutzes-Dorn das Hertz durch-<lb/>
&#x017F;ticht.</p><lb/>
        <p>Antw. Es i&#x017F;t ein heimlich &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;es Wohl<lb/>
im Kampff mit der Su&#x0364;nd, ein einiger recht-<lb/>
&#x017F;chaffener Sieg u&#x0364;bers Bo&#x0364;&#x017F;e macht mehr<lb/>
Freud als alle Triumphe der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Feld-Herren, weil die Da&#x0364;mpffung der Su&#x0364;nd<lb/>
ein Werck der Gnad GOttes i&#x017F;t; Lieg&#x017F;t du<lb/>
dem unverdro&#x017F;&#x017F;enen Feinde eint-und ander-<lb/>
mal unten, &#x017F;o wir&#x017F;t du demu&#x0364;thiger, und<lb/>
GOtt wird dir demnach weit &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, wann<lb/>
du dich in dir &#x017F;o &#x017F;chwach und unrein befin-<lb/>
de&#x017F;t; ja in der Traurigkeit &#x017F;elbs nach GOtt,<lb/>
i&#x017F;t eine verborgene Lieblichkeit, ma&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e<lb/>
eine Anzeigung i&#x017F;t der ausgego&#x017F;&#x017F;enen Liebe<lb/>
GOttes ins Hertz.</p><lb/>
        <p>Schließlich weiß ich nicht, wie dir das in<lb/>
deinem Sinn kan auf&#x017F;teigen, daß GOtt die<lb/>
ewige Weißheit des Vatters ha&#x0364;tte &#x017F;o &#x017F;chreck-<lb/>
liche Leiden wurden u&#x0364;ber &#x017F;ich nemmen, uns<lb/>
dadurch ein armmu&#x0364;thig, elend und betru&#x0364;bt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Leben</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0169] CAP. V. zeit einer den andern Chriſto zuzufuͤhren trachtete; waͤre das nicht ein Himmel auf Erden! Nun iſt das der Kern des Chriſtli- chen Lebens und gleichwol komt euch eben das ſo gar bitter vor, daß ihr meiſt deßwe- gen Chriſtum gar aus der Acht laſſet. Einw. Ja, ſagt mir einer; es iſt ja ſauer genug, immer ſo mit der Suͤnd im Streit liegen, und kei- ne Ruh haben vor allerley Verſuchungen; zu dem daß ſo mancher Creutzes-Dorn das Hertz durch- ſticht. Antw. Es iſt ein heimlich ſuͤſſes Wohl im Kampff mit der Suͤnd, ein einiger recht- ſchaffener Sieg uͤbers Boͤſe macht mehr Freud als alle Triumphe der Roͤmiſchen Feld-Herren, weil die Daͤmpffung der Suͤnd ein Werck der Gnad GOttes iſt; Liegſt du dem unverdroſſenen Feinde eint-und ander- mal unten, ſo wirſt du demuͤthiger, und GOtt wird dir demnach weit ſuͤſſer, wann du dich in dir ſo ſchwach und unrein befin- deſt; ja in der Traurigkeit ſelbs nach GOtt, iſt eine verborgene Lieblichkeit, maſſen dieſe eine Anzeigung iſt der ausgegoſſenen Liebe GOttes ins Hertz. Schließlich weiß ich nicht, wie dir das in deinem Sinn kan aufſteigen, daß GOtt die ewige Weißheit des Vatters haͤtte ſo ſchreck- liche Leiden wurden uͤber ſich nemmen, uns dadurch ein armmuͤthig, elend und betruͤbt Leben G 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_canaan_1731
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_canaan_1731/169
Zitationshilfe: Lucius, Samuel: Das Schweitzerische Von Milch und Honig fliessende Canaan. Bern, 1731, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_canaan_1731/169>, abgerufen am 28.11.2024.