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Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Aufmerksamkeit überwachte. Im Winter erging sie sich auch zuweilen im nahen Walde, so weit der Schnee es zuließ, und stieg häufig in das Dorf nieder, wo sie die Kranken und die Armen besuchte und sich dem Geringsten gleich stellte, so daß nur die Liebe und Verehrung, die ihr entgegengebracht wurden, sie als eine Höhere erscheinen ließen. Dabei war sie matronenhaft gekleidet und mußte wohl auch mit dem Glück der Jugend, von welchem sie sich so plötzlich abgetrennt hatte, diese selbst verloren haben, da die Wirthin sie im Gespräch mit mir ein "alt Weibele" genannt hatte.

Das war Alles, was ich mir an Thatsachen aus der langen Erzählung der Wirthin zusammenstellen konnte.

IV.

Was mich am nächsten Morgen weckte, war ein greller weißer Schimmer vor den Augen. Durch das vorhanglose Fenster der Bauernstube schimmerte unter blauem Himmel und goldenem Sonnenlicht der Schnee, der über Nacht reichlich gefallen war, die ganze Landschaft wie zur Feier des heiligen Christfestes mit einem reinlichen, weißen Tischtuch bedeckend. Seelenvergnügt sprang ich in die Höhe, eilig kleidete ich mich an, um nur der Wonne im Freien sogleich theilhaftig zu werden. Solche Ungeduld an einem 24 December mag einem eingebornen Städter seltsam vorkommen, der seinen Na-

Aufmerksamkeit überwachte. Im Winter erging sie sich auch zuweilen im nahen Walde, so weit der Schnee es zuließ, und stieg häufig in das Dorf nieder, wo sie die Kranken und die Armen besuchte und sich dem Geringsten gleich stellte, so daß nur die Liebe und Verehrung, die ihr entgegengebracht wurden, sie als eine Höhere erscheinen ließen. Dabei war sie matronenhaft gekleidet und mußte wohl auch mit dem Glück der Jugend, von welchem sie sich so plötzlich abgetrennt hatte, diese selbst verloren haben, da die Wirthin sie im Gespräch mit mir ein „alt Weibele“ genannt hatte.

Das war Alles, was ich mir an Thatsachen aus der langen Erzählung der Wirthin zusammenstellen konnte.

IV.

Was mich am nächsten Morgen weckte, war ein greller weißer Schimmer vor den Augen. Durch das vorhanglose Fenster der Bauernstube schimmerte unter blauem Himmel und goldenem Sonnenlicht der Schnee, der über Nacht reichlich gefallen war, die ganze Landschaft wie zur Feier des heiligen Christfestes mit einem reinlichen, weißen Tischtuch bedeckend. Seelenvergnügt sprang ich in die Höhe, eilig kleidete ich mich an, um nur der Wonne im Freien sogleich theilhaftig zu werden. Solche Ungeduld an einem 24 December mag einem eingebornen Städter seltsam vorkommen, der seinen Na-

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[0021] Aufmerksamkeit überwachte. Im Winter erging sie sich auch zuweilen im nahen Walde, so weit der Schnee es zuließ, und stieg häufig in das Dorf nieder, wo sie die Kranken und die Armen besuchte und sich dem Geringsten gleich stellte, so daß nur die Liebe und Verehrung, die ihr entgegengebracht wurden, sie als eine Höhere erscheinen ließen. Dabei war sie matronenhaft gekleidet und mußte wohl auch mit dem Glück der Jugend, von welchem sie sich so plötzlich abgetrennt hatte, diese selbst verloren haben, da die Wirthin sie im Gespräch mit mir ein „alt Weibele“ genannt hatte. Das war Alles, was ich mir an Thatsachen aus der langen Erzählung der Wirthin zusammenstellen konnte. IV. Was mich am nächsten Morgen weckte, war ein greller weißer Schimmer vor den Augen. Durch das vorhanglose Fenster der Bauernstube schimmerte unter blauem Himmel und goldenem Sonnenlicht der Schnee, der über Nacht reichlich gefallen war, die ganze Landschaft wie zur Feier des heiligen Christfestes mit einem reinlichen, weißen Tischtuch bedeckend. Seelenvergnügt sprang ich in die Höhe, eilig kleidete ich mich an, um nur der Wonne im Freien sogleich theilhaftig zu werden. Solche Ungeduld an einem 24 December mag einem eingebornen Städter seltsam vorkommen, der seinen Na-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:30:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:30:32Z)

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Zitationshilfe: Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorm_fraeulein_1910/21>, abgerufen am 27.11.2024.