Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lorinser, Carl Ignaz: Der Sieg über die Branntweinpest in Oberschlesien. Oppeln, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

und seinem Gelöbniß hat er bis jezt unverbrüchlich nachgelebt. Andere dagegen sind merkwürdiger Weise nach erfolgter Entsagung von einem so großen Widerwillen und Abscheu gegen den Branntwein befallen worden, daß sie denselben im eigentlichen Sinne nicht mehr riechen konnten, ohne sich übel zu befinden. Einer der größten Säufer z. B., der in Gr. Chelm seine Wirthschaft verkauft und sich planmäßig vorgenommen hatte, das erhaltene Geld zu vertrinken, wollte lange von einem Gelübde nichts hören, erschien aber endlich in der Kirche, um es abzulegen. Der Pfarrer ist über die kaum erwartete Bekehrung so gerührt, daß er dem Gelobenden in einer besonderen Anrede dazu Glück wünscht, und in seiner Freude sich nicht enthalten kann, ihn am Altar mit einem Kuß zu umarmen. An demselben Tage ist der Mann genöthigt in's Wirthshaus zu gehen, und ohne daselbst nur einen Tropfen zu trinken, fällt er nach kurzer Zeit unter Krämpfen zu Boden. Er selbst hat versichert, daß in dem Augenblick, als die Jüdin Branntwein an ihm vorübergetragen, ein so unbeschreiblicher Ekel sich seiner bemächtigt habe, daß er außer Stande gewesen, sich länger auf den Füßen zu halten.

Wie im Nervensystem weder eine Stumpfheit der Sinne, noch eine Abnahme der Empfindung und Bewegung dauernd zurückgeblieben, vielmehr in kurzer Zeit ein freieres und regeres Leben hervorgetreten ist, so hat auch im Gebiet der Ernährung kein bleibender Nachtheil oder

und seinem Gelöbniß hat er bis jezt unverbrüchlich nachgelebt. Andere dagegen sind merkwürdiger Weise nach erfolgter Entsagung von einem so großen Widerwillen und Abscheu gegen den Branntwein befallen worden, daß sie denselben im eigentlichen Sinne nicht mehr riechen konnten, ohne sich übel zu befinden. Einer der größten Säufer z. B., der in Gr. Chelm seine Wirthschaft verkauft und sich planmäßig vorgenommen hatte, das erhaltene Geld zu vertrinken, wollte lange von einem Gelübde nichts hören, erschien aber endlich in der Kirche, um es abzulegen. Der Pfarrer ist über die kaum erwartete Bekehrung so gerührt, daß er dem Gelobenden in einer besonderen Anrede dazu Glück wünscht, und in seiner Freude sich nicht enthalten kann, ihn am Altar mit einem Kuß zu umarmen. An demselben Tage ist der Mann genöthigt in’s Wirthshaus zu gehen, und ohne daselbst nur einen Tropfen zu trinken, fällt er nach kurzer Zeit unter Krämpfen zu Boden. Er selbst hat versichert, daß in dem Augenblick, als die Jüdin Branntwein an ihm vorübergetragen, ein so unbeschreiblicher Ekel sich seiner bemächtigt habe, daß er außer Stande gewesen, sich länger auf den Füßen zu halten.

Wie im Nervensystem weder eine Stumpfheit der Sinne, noch eine Abnahme der Empfindung und Bewegung dauernd zurückgeblieben, vielmehr in kurzer Zeit ein freieres und regeres Leben hervorgetreten ist, so hat auch im Gebiet der Ernährung kein bleibender Nachtheil oder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="73"/>
und seinem Gelöbniß hat er bis jezt unverbrüchlich nachgelebt. Andere dagegen sind merkwürdiger Weise nach erfolgter Entsagung von einem so großen Widerwillen und Abscheu gegen den Branntwein befallen worden, daß sie denselben im eigentlichen Sinne nicht mehr riechen konnten, ohne sich übel zu befinden. Einer der größten Säufer z. B., der in Gr. Chelm seine Wirthschaft verkauft und sich planmäßig vorgenommen hatte, das erhaltene Geld zu vertrinken, wollte lange von einem Gelübde nichts hören, erschien aber endlich in der Kirche, um es abzulegen. Der Pfarrer ist über die kaum erwartete Bekehrung so gerührt, daß er dem Gelobenden in einer besonderen Anrede dazu Glück wünscht, und in seiner Freude sich nicht enthalten kann, ihn am Altar mit einem Kuß zu umarmen. An demselben Tage ist der Mann genöthigt in&#x2019;s Wirthshaus zu gehen, und ohne daselbst nur einen Tropfen zu trinken, fällt er nach kurzer Zeit unter Krämpfen zu Boden. Er selbst hat versichert, daß in dem Augenblick, als die Jüdin Branntwein an ihm vorübergetragen, ein so unbeschreiblicher Ekel sich seiner bemächtigt habe, daß er außer Stande gewesen, sich länger auf den Füßen zu halten.</p>
        <p>Wie im Nervensystem weder eine Stumpfheit der Sinne, noch eine Abnahme der Empfindung und Bewegung dauernd zurückgeblieben, vielmehr in kurzer Zeit ein freieres und regeres Leben hervorgetreten ist, so hat auch im Gebiet der Ernährung kein bleibender Nachtheil oder
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0083] und seinem Gelöbniß hat er bis jezt unverbrüchlich nachgelebt. Andere dagegen sind merkwürdiger Weise nach erfolgter Entsagung von einem so großen Widerwillen und Abscheu gegen den Branntwein befallen worden, daß sie denselben im eigentlichen Sinne nicht mehr riechen konnten, ohne sich übel zu befinden. Einer der größten Säufer z. B., der in Gr. Chelm seine Wirthschaft verkauft und sich planmäßig vorgenommen hatte, das erhaltene Geld zu vertrinken, wollte lange von einem Gelübde nichts hören, erschien aber endlich in der Kirche, um es abzulegen. Der Pfarrer ist über die kaum erwartete Bekehrung so gerührt, daß er dem Gelobenden in einer besonderen Anrede dazu Glück wünscht, und in seiner Freude sich nicht enthalten kann, ihn am Altar mit einem Kuß zu umarmen. An demselben Tage ist der Mann genöthigt in’s Wirthshaus zu gehen, und ohne daselbst nur einen Tropfen zu trinken, fällt er nach kurzer Zeit unter Krämpfen zu Boden. Er selbst hat versichert, daß in dem Augenblick, als die Jüdin Branntwein an ihm vorübergetragen, ein so unbeschreiblicher Ekel sich seiner bemächtigt habe, daß er außer Stande gewesen, sich länger auf den Füßen zu halten. Wie im Nervensystem weder eine Stumpfheit der Sinne, noch eine Abnahme der Empfindung und Bewegung dauernd zurückgeblieben, vielmehr in kurzer Zeit ein freieres und regeres Leben hervorgetreten ist, so hat auch im Gebiet der Ernährung kein bleibender Nachtheil oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-04-11T13:16:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-04-11T13:16:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-04-11T13:16:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lorinser_branntweinpest_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lorinser_branntweinpest_1845/83
Zitationshilfe: Lorinser, Carl Ignaz: Der Sieg über die Branntweinpest in Oberschlesien. Oppeln, 1845, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorinser_branntweinpest_1845/83>, abgerufen am 05.12.2024.