Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ein heller Kopf, ein zuverlässiger Freund, frei von Schwärmerei, einfach und gediegen. So kenne ich ihn und glaube nicht zu irren. Er ist im Besitze meines höchsten Vertrauens; ihr wißt, ich werfe das nicht weg. Uebrigens bitte ich dich, sprich dich nicht aus, bis du ganz entschieden bist, am wenigsten gegen mich. Meine Seele liegt unter einer Last von Sorgen, die ich allein trage, und ich möchte dir nicht gern mehr als einmal sagen, daß du mich zum Theil davon befreien kannst.

Die Thüre öffnete sich, ein Geschäft nahm den Vater in Anspruch, die Kinder kamen herein und verlangten nach Justinen, Mariane fand sich allein gelassen; die größte Wohlthat, die sie jetzt wünschte. Sie war wie vernichtet, ihr Muth gebrochen, ihre Ruhe gemordet. Mußte sie den Bitten des alternden Vaters widerstehen, wie wollte sie Frieden haben; und mußte sie nachgeben, wie wollte sie die kommenden Tage und Jahre ertragen, die schwarz und freudenlos vor ihrem Blicke aufstiegen?

Es ist nichts unbegreiflicher, als das feste Beharren, mit welchem selbst stolze Männer zuweilen ein Bündniß zu erringen suchen, das sie weder ehren noch beglücken kann. Börner's dringende Werbungen, die unzarte Sicherheit, durch des Vaters Beifall erzeugt, die Eifersucht, die Marianens Schritte verfolgte, ihren Briefwechsel mit Frau von Pistor ausspähete, ihre Mienen,

ein heller Kopf, ein zuverlässiger Freund, frei von Schwärmerei, einfach und gediegen. So kenne ich ihn und glaube nicht zu irren. Er ist im Besitze meines höchsten Vertrauens; ihr wißt, ich werfe das nicht weg. Uebrigens bitte ich dich, sprich dich nicht aus, bis du ganz entschieden bist, am wenigsten gegen mich. Meine Seele liegt unter einer Last von Sorgen, die ich allein trage, und ich möchte dir nicht gern mehr als einmal sagen, daß du mich zum Theil davon befreien kannst.

Die Thüre öffnete sich, ein Geschäft nahm den Vater in Anspruch, die Kinder kamen herein und verlangten nach Justinen, Mariane fand sich allein gelassen; die größte Wohlthat, die sie jetzt wünschte. Sie war wie vernichtet, ihr Muth gebrochen, ihre Ruhe gemordet. Mußte sie den Bitten des alternden Vaters widerstehen, wie wollte sie Frieden haben; und mußte sie nachgeben, wie wollte sie die kommenden Tage und Jahre ertragen, die schwarz und freudenlos vor ihrem Blicke aufstiegen?

Es ist nichts unbegreiflicher, als das feste Beharren, mit welchem selbst stolze Männer zuweilen ein Bündniß zu erringen suchen, das sie weder ehren noch beglücken kann. Börner's dringende Werbungen, die unzarte Sicherheit, durch des Vaters Beifall erzeugt, die Eifersucht, die Marianens Schritte verfolgte, ihren Briefwechsel mit Frau von Pistor ausspähete, ihre Mienen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <p><pb facs="#f0044"/>
ein heller Kopf, ein zuverlässiger Freund, frei von Schwärmerei, einfach und                gediegen. So kenne ich ihn und glaube nicht zu irren. Er ist im Besitze meines                höchsten Vertrauens; ihr wißt, ich werfe das nicht weg. Uebrigens bitte ich dich,                sprich dich nicht aus, bis du ganz entschieden bist, am wenigsten gegen mich. Meine                Seele liegt unter einer Last von Sorgen, die ich allein trage, und ich möchte dir                nicht gern mehr als einmal sagen, daß du mich zum Theil davon befreien kannst.</p><lb/>
        <p>Die Thüre öffnete sich, ein Geschäft nahm den Vater in Anspruch, die Kinder kamen                herein und verlangten nach Justinen, Mariane fand sich allein gelassen; die größte                Wohlthat, die sie jetzt wünschte. Sie war wie vernichtet, ihr Muth gebrochen, ihre                Ruhe gemordet. Mußte sie den Bitten des alternden Vaters widerstehen, wie wollte sie                Frieden haben; und mußte sie nachgeben, wie wollte sie die kommenden Tage und Jahre                ertragen, die schwarz und freudenlos vor ihrem Blicke aufstiegen?</p><lb/>
      </div>
      <div n="4">
        <p>Es ist nichts unbegreiflicher, als das feste Beharren, mit welchem selbst stolze                Männer zuweilen ein Bündniß zu erringen suchen, das sie weder ehren noch beglücken                kann. Börner's dringende Werbungen, die unzarte Sicherheit, durch des Vaters Beifall                erzeugt, die Eifersucht, die Marianens Schritte verfolgte, ihren Briefwechsel mit                Frau von Pistor ausspähete, ihre Mienen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] ein heller Kopf, ein zuverlässiger Freund, frei von Schwärmerei, einfach und gediegen. So kenne ich ihn und glaube nicht zu irren. Er ist im Besitze meines höchsten Vertrauens; ihr wißt, ich werfe das nicht weg. Uebrigens bitte ich dich, sprich dich nicht aus, bis du ganz entschieden bist, am wenigsten gegen mich. Meine Seele liegt unter einer Last von Sorgen, die ich allein trage, und ich möchte dir nicht gern mehr als einmal sagen, daß du mich zum Theil davon befreien kannst. Die Thüre öffnete sich, ein Geschäft nahm den Vater in Anspruch, die Kinder kamen herein und verlangten nach Justinen, Mariane fand sich allein gelassen; die größte Wohlthat, die sie jetzt wünschte. Sie war wie vernichtet, ihr Muth gebrochen, ihre Ruhe gemordet. Mußte sie den Bitten des alternden Vaters widerstehen, wie wollte sie Frieden haben; und mußte sie nachgeben, wie wollte sie die kommenden Tage und Jahre ertragen, die schwarz und freudenlos vor ihrem Blicke aufstiegen? Es ist nichts unbegreiflicher, als das feste Beharren, mit welchem selbst stolze Männer zuweilen ein Bündniß zu erringen suchen, das sie weder ehren noch beglücken kann. Börner's dringende Werbungen, die unzarte Sicherheit, durch des Vaters Beifall erzeugt, die Eifersucht, die Marianens Schritte verfolgte, ihren Briefwechsel mit Frau von Pistor ausspähete, ihre Mienen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/44
Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/44>, abgerufen am 18.12.2024.