Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.auf sie. Diesem armen, gedrückten Herzen glaubte die Mutter ihren heimlichen Hoffnungsschatz zeigen zu müssen, damit es einen Stern hätte, sich zu laben. Traue auf Gott, mein Kind, sagte sie, was geschehen soll, samt kein sterblicher Wille stören. Thue jetzt, was du mußt, ihm überlaß die Zukunft. Ach, ich habe in diesen Tagen viel um euch Kinder gelitten. Wie aber mein Mutterherz liebt, so liebt doch auch dein Vater, wenn er uns gleich schmerzlich kränkt. Daran laß uns denken! Bleibe ein gutes Kind! Bewahre dein reines Gemüth vor Bitterkeit, laß deine Liebe zu einem guten Manne den Engel sein, der deine Pflicht erleichtert! Einige Wochen waren noch zur Ordnung ihrer Angelegenheiten nöthig, dann verließen Pistors die Stadt, eben als die Schlacht bei Collin geschlagen war. Ellinger war mit ihrem Entschluß sehr zufrieden, sah Marianen ihre Traurigkeit väterlich nach und hoffte eben so fest auf die Wirkungen der Zeit, wie die Matrone. Auch schien seine Erfahrung fast Recht zu behalten, denn ehe die Weinlese herankam, hatte sich Marianens Jugendmuth über den drückenden Gram erhoben, sie konnte wieder lächeln, scherzen, mit den Kindern fröhlich sein, ihr Gesicht hatte seine frische Farbe wieder, ihr Gang seine rasche Lebendigkeit. Aber sie hatte deßhalb nicht vergessen; das harte Wort des Vaters war nur in den Hintergrund gerückt, von der Hoffnung Strahlen verdrängt. Briefe an Frau von Pistor, denen sie Alles vertraute, was sie dachte und that, Antworten von ihr, auf sie. Diesem armen, gedrückten Herzen glaubte die Mutter ihren heimlichen Hoffnungsschatz zeigen zu müssen, damit es einen Stern hätte, sich zu laben. Traue auf Gott, mein Kind, sagte sie, was geschehen soll, samt kein sterblicher Wille stören. Thue jetzt, was du mußt, ihm überlaß die Zukunft. Ach, ich habe in diesen Tagen viel um euch Kinder gelitten. Wie aber mein Mutterherz liebt, so liebt doch auch dein Vater, wenn er uns gleich schmerzlich kränkt. Daran laß uns denken! Bleibe ein gutes Kind! Bewahre dein reines Gemüth vor Bitterkeit, laß deine Liebe zu einem guten Manne den Engel sein, der deine Pflicht erleichtert! Einige Wochen waren noch zur Ordnung ihrer Angelegenheiten nöthig, dann verließen Pistors die Stadt, eben als die Schlacht bei Collin geschlagen war. Ellinger war mit ihrem Entschluß sehr zufrieden, sah Marianen ihre Traurigkeit väterlich nach und hoffte eben so fest auf die Wirkungen der Zeit, wie die Matrone. Auch schien seine Erfahrung fast Recht zu behalten, denn ehe die Weinlese herankam, hatte sich Marianens Jugendmuth über den drückenden Gram erhoben, sie konnte wieder lächeln, scherzen, mit den Kindern fröhlich sein, ihr Gesicht hatte seine frische Farbe wieder, ihr Gang seine rasche Lebendigkeit. Aber sie hatte deßhalb nicht vergessen; das harte Wort des Vaters war nur in den Hintergrund gerückt, von der Hoffnung Strahlen verdrängt. Briefe an Frau von Pistor, denen sie Alles vertraute, was sie dachte und that, Antworten von ihr, <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0034"/> auf sie. Diesem armen, gedrückten Herzen glaubte die Mutter ihren heimlichen Hoffnungsschatz zeigen zu müssen, damit es einen Stern hätte, sich zu laben. Traue auf Gott, mein Kind, sagte sie, was geschehen soll, samt kein sterblicher Wille stören. Thue jetzt, was du mußt, ihm überlaß die Zukunft. Ach, ich habe in diesen Tagen viel um euch Kinder gelitten. Wie aber mein Mutterherz liebt, so liebt doch auch dein Vater, wenn er uns gleich schmerzlich kränkt. Daran laß uns denken! Bleibe ein gutes Kind! Bewahre dein reines Gemüth vor Bitterkeit, laß deine Liebe zu einem guten Manne den Engel sein, der deine Pflicht erleichtert!</p><lb/> <p>Einige Wochen waren noch zur Ordnung ihrer Angelegenheiten nöthig, dann verließen Pistors die Stadt, eben als die Schlacht bei Collin geschlagen war. Ellinger war mit ihrem Entschluß sehr zufrieden, sah Marianen ihre Traurigkeit väterlich nach und hoffte eben so fest auf die Wirkungen der Zeit, wie die Matrone. Auch schien seine Erfahrung fast Recht zu behalten, denn ehe die Weinlese herankam, hatte sich Marianens Jugendmuth über den drückenden Gram erhoben, sie konnte wieder lächeln, scherzen, mit den Kindern fröhlich sein, ihr Gesicht hatte seine frische Farbe wieder, ihr Gang seine rasche Lebendigkeit. Aber sie hatte deßhalb nicht vergessen; das harte Wort des Vaters war nur in den Hintergrund gerückt, von der Hoffnung Strahlen verdrängt. Briefe an Frau von Pistor, denen sie Alles vertraute, was sie dachte und that, Antworten von ihr,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
auf sie. Diesem armen, gedrückten Herzen glaubte die Mutter ihren heimlichen Hoffnungsschatz zeigen zu müssen, damit es einen Stern hätte, sich zu laben. Traue auf Gott, mein Kind, sagte sie, was geschehen soll, samt kein sterblicher Wille stören. Thue jetzt, was du mußt, ihm überlaß die Zukunft. Ach, ich habe in diesen Tagen viel um euch Kinder gelitten. Wie aber mein Mutterherz liebt, so liebt doch auch dein Vater, wenn er uns gleich schmerzlich kränkt. Daran laß uns denken! Bleibe ein gutes Kind! Bewahre dein reines Gemüth vor Bitterkeit, laß deine Liebe zu einem guten Manne den Engel sein, der deine Pflicht erleichtert!
Einige Wochen waren noch zur Ordnung ihrer Angelegenheiten nöthig, dann verließen Pistors die Stadt, eben als die Schlacht bei Collin geschlagen war. Ellinger war mit ihrem Entschluß sehr zufrieden, sah Marianen ihre Traurigkeit väterlich nach und hoffte eben so fest auf die Wirkungen der Zeit, wie die Matrone. Auch schien seine Erfahrung fast Recht zu behalten, denn ehe die Weinlese herankam, hatte sich Marianens Jugendmuth über den drückenden Gram erhoben, sie konnte wieder lächeln, scherzen, mit den Kindern fröhlich sein, ihr Gesicht hatte seine frische Farbe wieder, ihr Gang seine rasche Lebendigkeit. Aber sie hatte deßhalb nicht vergessen; das harte Wort des Vaters war nur in den Hintergrund gerückt, von der Hoffnung Strahlen verdrängt. Briefe an Frau von Pistor, denen sie Alles vertraute, was sie dachte und that, Antworten von ihr,
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Zitationshilfe: | Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/34>, abgerufen am 16.07.2024. |