Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Kessel gleicher Gestalt die Gurgel abschneiden;das Blut auff die Altäre giessen; aus ihren mit Gold eingefasten Hirnschädeln aber Trinck ge- schirre bereiten. Weßwegen zu Rom nicht nur ein Rathschluß gemacht ward: daß weder eini- ge Römer noch ihre Bundgenossen Menschen- Blut opffern solten; sondern es erregte auch des Geminius Niederlage abermals grosses Schre- cken; sonderlich: weil kurtz vorher der Rathsherr Manilius angedeutet hatte: daß der zeither ge- lebte Glücks-Vogel Phönix sich eingeäschert; und darmit die Eintretung eines neuen und grossen Welt-Jahres angekündigt hätte/ wel- ches die merckwurdigsten Veränderungen nach sich ziehen würde. Die empfindlichste Wunde aber versetzten sich A a a a a a 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Keſſel gleicher Geſtalt die Gurgel abſchneiden;das Blut auff die Altaͤre gieſſen; aus ihren mit Gold eingefaſten Hirnſchaͤdeln aber Trinck ge- ſchirre bereiten. Weßwegen zu Rom nicht nur ein Rathſchluß gemacht ward: daß weder eini- ge Roͤmer noch ihꝛe Bundgenoſſen Menſchen- Blut opffern ſolten; ſondern es erregte auch des Geminius Niedeꝛlage abeꝛmals groſſes Schre- cken; ſonderlich: weil kurtz vorher der Rathsherꝛ Manilius angedeutet hatte: daß der zeither ge- lebte Gluͤcks-Vogel Phoͤnix ſich eingeaͤſchert; und darmit die Eintretung eines neuen und groſſen Welt-Jahres angekuͤndigt haͤtte/ wel- ches die merckwurdigſten Veraͤnderungen nach ſich ziehen wuͤrde. Die empfindlichſte Wunde aber verſetzten ſich A a a a a a 2
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Arminius und Thußnelda.
Keſſel gleicher Geſtalt die Gurgel abſchneiden;
das Blut auff die Altaͤre gieſſen; aus ihren mit
Gold eingefaſten Hirnſchaͤdeln aber Trinck ge-
ſchirre bereiten. Weßwegen zu Rom nicht nur
ein Rathſchluß gemacht ward: daß weder eini-
ge Roͤmer noch ihꝛe Bundgenoſſen Menſchen-
Blut opffern ſolten; ſondern es erregte auch des
Geminius Niedeꝛlage abeꝛmals groſſes Schre-
cken; ſonderlich: weil kurtz vorher der Rathsherꝛ
Manilius angedeutet hatte: daß der zeither ge-
lebte Gluͤcks-Vogel Phoͤnix ſich eingeaͤſchert;
und darmit die Eintretung eines neuen und
groſſen Welt-Jahres angekuͤndigt haͤtte/ wel-
ches die merckwurdigſten Veraͤnderungen nach
ſich ziehen wuͤrde.
Die empfindlichſte Wunde aber verſetzten
den Roͤmern die vierzigtauſend Deutſchen; wel-
che Marius in dem mit dem Koͤnige Teutobach
und Bojorich gefuͤhrten Kriege gefangen/ und
hernach durch gantz Jtalien fuͤr Knechte ver-
kaufft hatte. Denn nach dieſen Siegen verfiel
Rom in Wolluͤſte und Laſter; gleich/ als weñ ihr
gluͤcklicher Wolſtand keiner Tugend mehr be-
noͤthiget waͤre; oder bey dem Wechſel des groſ-
ſen Welt-Jahres die Boßheit nicht nur die Far-
be/ ſondern auch die Guͤte der Tugend uͤberkom-
men haͤtte. Daher ermordete Malleolus ſeine
Mutter. Der thoͤrichte Apulejus warff ſich fuͤr
einen Koͤnig wieder den Roͤmiſchen Rath auff.
Der grauſame Rabirius ſetzte ſein vom zerſtuͤck-
ten Leibe geriſſenes Haupt auff etlichen Gaſt-
mahlen zum Schau-Gerichte auff. Der hof-
faͤrtige Claudius fuͤhrte grauſame Schauſpiele
und Streite wieder Elefanten; und Sylla ein
Gefechte von hundert Loͤwen ein. Craſſus und
Domitius brachten durch uͤbermaͤßige Zah-
lung der Haͤuſer/ Trinck geſchirre und Baͤume/
wie auch durch Betrauerung fremder Fiſche
nichts minder die Verſchwendung/ als Eitelkeit
in Schwung. Am meiſten aber druͤckte der Ehr-
ſuͤchtige Marius durch ſeine uͤbrige Gewalt die
Buͤrger. Der redliche Metellus muſte ihm aus
Rom weichen. Der ehrliche Rutilius ward ins
Elend verjagt; und ihm ſein Vermoͤgen un-
rechtmaͤßig abgeſprochen. Derunruhige Dru-
ſus erſchoͤpfte dem Marius zu Liebe durch Ein-
fuͤhrung des Gracchiſchen Acker- und Brodt-
Geſetzes die gemeinen Einkuͤnffte; brachte duꝛch
das verſprochene/ hernach aber nicht gewehrte
Roͤmiſche Buͤrger-Recht die meiſten Voͤlcker
wieder Rom in Harniſch. Denn dieſe/ inſonder-
heit aber die von den Deutſchen entſprungenen
Marſen/ und die mit den Vojen/ Liebiciern und
andern Deutſchen fuͤr Alters verbundenen und
befreundeten Samniter ruͤhmten ſich: daß ſie
durch ihr Blut die Cimbern und Teutonen zu-
ruͤck getrieben/ das Roͤmiſche Reich ſo groß ge-
macht/ nichts anders aber zu Lohne haͤtten: als
daß man ſie veraͤchtlicher/ deñ einen Roͤmiſchen
Freygelaſſenen hielte; welches die redlichſten uñ
verſtaͤndigſten Buͤrgeꝛ in Rom ſelbſt als Unrecht
verdammten. Pompedius Silo der Marſen
Fuͤrſt/ und der fuͤꝛnehmſte Uhrheber dieſes Weꝛ-
ckes hatte deßhalben mit den Zunfftmeiſtern in
Rom vertrauliches Verſtaͤndniß; ſchrieb ihnen
als eine heilſame Eriñerung zu: daß die Roͤmer
niemahls uͤber/ auch nie ohne die Marſen einen
hauptſaͤchlichen Sieg erlangt haͤtten; beſchwer-
te ſich zum erſten bey den Nachbarn hier uͤber; uñ
daß man den ihrer gerechten Sache beypflich-
tenden Druſus deßhalben mit einem Schuſter-
kneip meuchelmoͤrderiſch erſtochẽ haͤtte. Hieꝛmit
bꝛachte er es ſo weit: daß die Peligniſche Gꝛaͤntz-
Stadt Corfinium zum Haupte Jtaliens erklaͤ-
ret/ zwey gemeine Buͤrgermeiſter/ zwoͤlff Voͤg-
te/ und ein groſſer Rath von fuͤnff hundert Glie-
dern erwehlet ward. Dieſer erklaͤrte alsbald alle
dienſtbare Deutſchen auff den Fall/ wenn ſie
einen aus den Feinden erlegt haben wuͤrden/
frey; und gewannen dardurch uͤber zwantzig
tauſend ſtreitbare/ und fuͤr den Gewinn der
Freyheit begierig aufopffernde Kriegs-Leute.
Das erſte Merckmal ihrer Danckbarkeit zeig-
ten ſie zu Aſculum an dem Fluſſe Truen-
tus. Denn als Cneus Pompejus ſolche Stadt
mit Gewalt ſtuͤrmte/ und die Einwohner
ſich
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 923[925]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/985>, abgerufen am 03.07.2024. |