Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Erstes Buch [Spaltenumbruch]
stach seinen Degen ihm biß an den Griff insHertze. Also verhüllete sich auch der ermor- dete Pompejus und Julius; wormit niemand ihre sterbenden Ungeberden sehen möchte. Die fürnehmsten und hertzhafftesten thaten es ihrem Heerführer nach/ und benahmen durch eigene Entseelungen dem Feinde die Lust und die Eh- re von seinen Streichen zu fallen. Andere/ welche gleich noch genug[s]ame Kräffte zu fechten hatten/ warffen ihr Gewehre weg/ und reich- ten/ aus Verdruß zu leben/ ihre Hälse den feindlichen Schwerdtern hin. Zumal von denen neun Obersten dieser anderthalb Legionen/ nur noch einer/ von den neuntzig Hauptleuten mehr nicht als ihrer fünff übrig waren. Die Flüch- tigen worden von der Reiterey zu Boden ge- rennt/ die liegenden von den Pferden ertreten/ die stehenden wie das Vieh zerfleischt/ also/ daß das Feld numehro keine Gestalt eines Kampf- plazes/ sondern einer Schlachtbanck fürstellte. Sesitach ward über des Varus und anderer O- bersten eigener Entleibung sehr verbittert/ weil er mit seiner Reiterey sie lebendig in die Hände zu bekommen ihm eingebildet hatte/ und dahero sprang er selbst vom Pferde/ schnitt den Kopf des Varus Leiche ab/ und steckte selbten/ nach der Deutschen und Gallier Gewonheit/ und den Römern desto mehr Schrecken zu machen/ auff eine Lanze. Das gantze Feld ward mit Todten bedecket/ und die zwischen denen Hügeln dieses Forstes lauffenden Bäche von dem Blu- te der Erschlagenen auffgeschwellet/ insonder- heit an denen drey engen Furthen/ wodurch das Römische Heer seine Flucht zurücke nahm. Jhr jämmerlicher Zustand aber ward dardurch vergrössert/ daß Vala Numonius und seine zum ersten durchgegangene Reuterey/ Cäditius/ welcher zwischen denen Pässen noch über zwölff- tausend streitbare Männer wieder zusammen gezogen und in Ordnung bracht hatte/ in Mei- nung mit der bald anbrechenden Nacht noch nach der Catten Festung zu entrinnen/ inglei- [Spaltenumbruch] chen Vritomar und Arbogast mit mehr als zehn tausend Galliern gerade auff den Hertzog Jubil traffen/ welchen der Feldherr dem Feinde in den Rücken zu gehen befehlicht hatte. Es ist unschwer zu ermessen/ was denen Römern die Müdigkeit von einer so hefftigen Schlacht/ ei- nem siegenden Feinde auff dem Rücken/ und ei- nem frischen von fornen zu begegnen/ für Hin- derniß schaffte/ ja was die Furcht/ allwo des Pöfels Träume so wohl als kluger Leute Gut- achten gehöret werden/ für seltzame Meinun- gen auff die Bahn brachte. Einer rieth sich durch den frischen und vielleicht nicht allzugros- sen Hauffen des Hermundurischen Hertzogs durchzuschlagen/ und/ weil doch das zwar nähe- re Läger keine Sicherheit/ die Festung Alison aber keinen genugsamen Raum und Lebens- Mittel schaffen könte/ den Anfangs schon erkie- seten Weg gegen der Cattenburg oder gar an den Rhein fortzusetzen. Ein ander hielt diß für ein verzweifelt Werck/ und wolte/ daß/ nach- dem Cejonius mit dem grösten Theil des lincken Flügels und dem einigen noch erhaltenen Ad- ler sich wieder in das Läger gezogen hätte/ man dahin folgen/ sich darinnen biß auff den letzten Mann wehren/ und von denen zwey Legio- nen/ welche Lucius Asprenas nicht allzuweit von ihnen unter seinem Gebiete hatte/ Hülffe er- warten solte. Wie nun die Zwytracht in Begebenheiten/ welche keine langsame Rath- schläge erdulden/ der geradeste Weg zum Ver- derben ist; also wartete Hertzog Jubil die Er- örterung ihres Zweiffels nicht aus/ sondern be- diente sich der wider die Uneinigkeit höchst vor- theilhafften Geschwindigkeit. Einem flüchti- gen Feinde jagt auch ein rauschendes Blat Schrecken ein. Was solte nicht dieser freudi- ge Held/ mit seinen streitbaren und unermüde- ten Völckern/ gegen die/ welche zum ersten aus- gerissen und allhier zwischen Thür und Angel wa- ren/ ausrichten? Fürst Jubil traff selbst in Person auff den Numonius/ und durchrennete ihn mit seiner
Erſtes Buch [Spaltenumbruch]
ſtach ſeinen Degen ihm biß an den Griff insHertze. Alſo verhuͤllete ſich auch der ermor- dete Pompejus und Julius; wormit niemand ihre ſterbenden Ungeberden ſehen moͤchte. Die fuͤrnehmſten und hertzhaffteſten thaten es ihrem Heerfuͤhrer nach/ und benahmen durch eigene Entſeelungen dem Feinde die Luſt und die Eh- re von ſeinen Streichen zu fallen. Andere/ welche gleich noch genug[ſ]ame Kraͤffte zu fechten hatten/ warffen ihr Gewehre weg/ und reich- ten/ aus Verdruß zu leben/ ihre Haͤlſe den feindlichen Schwerdtern hin. Zumal von denen neun Oberſten dieſer anderthalb Legionen/ nur noch einer/ von den neuntzig Hauptleuten mehr nicht als ihrer fuͤnff uͤbrig waren. Die Fluͤch- tigen worden von der Reiterey zu Boden ge- rennt/ die liegenden von den Pferden ertreten/ die ſtehenden wie das Vieh zerfleiſcht/ alſo/ daß das Feld numehro keine Geſtalt eines Kampf- plazes/ ſondern einer Schlachtbanck fuͤrſtellte. Seſitach ward uͤber des Varus und anderer O- berſten eigener Entleibung ſehr verbittert/ weil er mit ſeiner Reiterey ſie lebendig in die Haͤnde zu bekommen ihm eingebildet hatte/ und dahero ſprang er ſelbſt vom Pferde/ ſchnitt den Kopf des Varus Leiche ab/ und ſteckte ſelbten/ nach der Deutſchen und Gallier Gewonheit/ und den Roͤmern deſto mehr Schrecken zu machen/ auff eine Lanze. Das gantze Feld ward mit Todten bedecket/ und die zwiſchen denen Huͤgeln dieſes Forſtes lauffenden Baͤche von dem Blu- te der Erſchlagenen auffgeſchwellet/ inſonder- heit an denen drey engen Furthen/ wodurch das Roͤmiſche Heer ſeine Flucht zuruͤcke nahm. Jhr jaͤmmerlicher Zuſtand aber ward dardurch vergroͤſſert/ daß Vala Numonius und ſeine zum erſten durchgegangene Reuterey/ Caͤditius/ welcher zwiſchen denen Paͤſſen noch uͤber zwoͤlff- tauſend ſtreitbare Maͤnner wieder zuſammen gezogen und in Ordnung bracht hatte/ in Mei- nung mit der bald anbrechenden Nacht noch nach der Catten Feſtung zu entrinnen/ inglei- [Spaltenumbruch] chen Vritomar und Arbogaſt mit mehr als zehn tauſend Galliern gerade auff den Hertzog Jubil traffen/ welchen der Feldherr dem Feinde in den Ruͤcken zu gehen befehlicht hatte. Es iſt unſchwer zu ermeſſen/ was denen Roͤmern die Muͤdigkeit von einer ſo hefftigen Schlacht/ ei- nem ſiegenden Feinde auff dem Ruͤcken/ und ei- nem friſchen von fornen zu begegnen/ fuͤr Hin- derniß ſchaffte/ ja was die Furcht/ allwo des Poͤfels Traͤume ſo wohl als kluger Leute Gut- achten gehoͤret werden/ fuͤr ſeltzame Meinun- gen auff die Bahn brachte. Einer rieth ſich durch den friſchen und vielleicht nicht allzugroſ- ſen Hauffen des Hermunduriſchen Hertzogs durchzuſchlagen/ und/ weil doch das zwar naͤhe- re Laͤger keine Sicherheit/ die Feſtung Aliſon aber keinen genugſamen Raum und Lebens- Mittel ſchaffen koͤnte/ den Anfangs ſchon erkie- ſeten Weg gegen der Cattenburg oder gar an den Rhein fortzuſetzen. Ein ander hielt diß fuͤr ein verzweifelt Werck/ und wolte/ daß/ nach- dem Cejonius mit dem groͤſten Theil des lincken Fluͤgels und dem einigen noch erhaltenen Ad- ler ſich wieder in das Laͤger gezogen haͤtte/ man dahin folgen/ ſich darinnen biß auff den letzten Mann wehren/ und von denen zwey Legio- nen/ welche Lucius Aſprenas nicht allzuweit von ihnen unter ſeinem Gebiete hatte/ Huͤlffe er- warten ſolte. Wie nun die Zwytracht in Begebenheiten/ welche keine langſame Rath- ſchlaͤge erdulden/ der geradeſte Weg zum Ver- derben iſt; alſo wartete Hertzog Jubil die Er- oͤrterung ihres Zweiffels nicht aus/ ſondern be- diente ſich der wider die Uneinigkeit hoͤchſt vor- theilhafften Geſchwindigkeit. Einem fluͤchti- gen Feinde jagt auch ein rauſchendes Blat Schrecken ein. Was ſolte nicht dieſer freudi- ge Held/ mit ſeinen ſtreitbaren und unermuͤde- ten Voͤlckern/ gegen die/ welche zum erſten aus- geriſſen und allhier zwiſchẽ Thuͤr und Angel wa- ren/ ausrichten? Fuͤrſt Jubil traff ſelbſt in Perſon auff den Numonius/ und durchrennete ihn mit ſeiner
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Erſtes Buch
ſtach ſeinen Degen ihm biß an den Griff ins
Hertze. Alſo verhuͤllete ſich auch der ermor-
dete Pompejus und Julius; wormit niemand
ihre ſterbenden Ungeberden ſehen moͤchte. Die
fuͤrnehmſten und hertzhaffteſten thaten es ihrem
Heerfuͤhrer nach/ und benahmen durch eigene
Entſeelungen dem Feinde die Luſt und die Eh-
re von ſeinen Streichen zu fallen. Andere/
welche gleich noch genugſame Kraͤffte zu fechten
hatten/ warffen ihr Gewehre weg/ und reich-
ten/ aus Verdruß zu leben/ ihre Haͤlſe den
feindlichen Schwerdtern hin. Zumal von denen
neun Oberſten dieſer anderthalb Legionen/ nur
noch einer/ von den neuntzig Hauptleuten mehr
nicht als ihrer fuͤnff uͤbrig waren. Die Fluͤch-
tigen worden von der Reiterey zu Boden ge-
rennt/ die liegenden von den Pferden ertreten/
die ſtehenden wie das Vieh zerfleiſcht/ alſo/ daß
das Feld numehro keine Geſtalt eines Kampf-
plazes/ ſondern einer Schlachtbanck fuͤrſtellte.
Seſitach ward uͤber des Varus und anderer O-
berſten eigener Entleibung ſehr verbittert/ weil
er mit ſeiner Reiterey ſie lebendig in die Haͤnde
zu bekommen ihm eingebildet hatte/ und dahero
ſprang er ſelbſt vom Pferde/ ſchnitt den Kopf
des Varus Leiche ab/ und ſteckte ſelbten/ nach
der Deutſchen und Gallier Gewonheit/ und
den Roͤmern deſto mehr Schrecken zu machen/
auff eine Lanze. Das gantze Feld ward mit
Todten bedecket/ und die zwiſchen denen Huͤgeln
dieſes Forſtes lauffenden Baͤche von dem Blu-
te der Erſchlagenen auffgeſchwellet/ inſonder-
heit an denen drey engen Furthen/ wodurch
das Roͤmiſche Heer ſeine Flucht zuruͤcke nahm.
Jhr jaͤmmerlicher Zuſtand aber ward dardurch
vergroͤſſert/ daß Vala Numonius und ſeine zum
erſten durchgegangene Reuterey/ Caͤditius/
welcher zwiſchen denen Paͤſſen noch uͤber zwoͤlff-
tauſend ſtreitbare Maͤnner wieder zuſammen
gezogen und in Ordnung bracht hatte/ in Mei-
nung mit der bald anbrechenden Nacht noch
nach der Catten Feſtung zu entrinnen/ inglei-
chen Vritomar und Arbogaſt mit mehr als zehn
tauſend Galliern gerade auff den Hertzog Jubil
traffen/ welchen der Feldherr dem Feinde in
den Ruͤcken zu gehen befehlicht hatte. Es iſt
unſchwer zu ermeſſen/ was denen Roͤmern die
Muͤdigkeit von einer ſo hefftigen Schlacht/ ei-
nem ſiegenden Feinde auff dem Ruͤcken/ und ei-
nem friſchen von fornen zu begegnen/ fuͤr Hin-
derniß ſchaffte/ ja was die Furcht/ allwo des
Poͤfels Traͤume ſo wohl als kluger Leute Gut-
achten gehoͤret werden/ fuͤr ſeltzame Meinun-
gen auff die Bahn brachte. Einer rieth ſich
durch den friſchen und vielleicht nicht allzugroſ-
ſen Hauffen des Hermunduriſchen Hertzogs
durchzuſchlagen/ und/ weil doch das zwar naͤhe-
re Laͤger keine Sicherheit/ die Feſtung Aliſon
aber keinen genugſamen Raum und Lebens-
Mittel ſchaffen koͤnte/ den Anfangs ſchon erkie-
ſeten Weg gegen der Cattenburg oder gar an
den Rhein fortzuſetzen. Ein ander hielt diß
fuͤr ein verzweifelt Werck/ und wolte/ daß/ nach-
dem Cejonius mit dem groͤſten Theil des lincken
Fluͤgels und dem einigen noch erhaltenen Ad-
ler ſich wieder in das Laͤger gezogen haͤtte/ man
dahin folgen/ ſich darinnen biß auff den letzten
Mann wehren/ und von denen zwey Legio-
nen/ welche Lucius Aſprenas nicht allzuweit von
ihnen unter ſeinem Gebiete hatte/ Huͤlffe er-
warten ſolte. Wie nun die Zwytracht in
Begebenheiten/ welche keine langſame Rath-
ſchlaͤge erdulden/ der geradeſte Weg zum Ver-
derben iſt; alſo wartete Hertzog Jubil die Er-
oͤrterung ihres Zweiffels nicht aus/ ſondern be-
diente ſich der wider die Uneinigkeit hoͤchſt vor-
theilhafften Geſchwindigkeit. Einem fluͤchti-
gen Feinde jagt auch ein rauſchendes Blat
Schrecken ein. Was ſolte nicht dieſer freudi-
ge Held/ mit ſeinen ſtreitbaren und unermuͤde-
ten Voͤlckern/ gegen die/ welche zum erſten aus-
geriſſen und allhier zwiſchẽ Thuͤr und Angel wa-
ren/ ausrichten? Fuͤrſt Jubil traff ſelbſt in Perſon
auff den Numonius/ und durchrennete ihn mit
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/98>, abgerufen am 16.07.2024. |