Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Kriegs-Geräthe absacken. Wie nun Bojo-
rich hierdurch verführet ward/ und folgenden
Tages sein Heer gleichfalls zurücke gehen ließ/
ging Catulus des Nachts in aller Stille über
des Aureolus Brücke/ und kam nach Mogrun-
tiacum an den Fluß Lamber; ehe die müden
Deutschen des Aufbruchs inne wurden. Bojo-
rich ward hierüber unwillig: daß der Feind nir-
gends stand halten wolte; ließ also den Hertzog
Cesorich und Claudicus selbten verfolgen; er
aber schlug oberhalb Placentz eine Brücke über
den Po/ und streiffte biß an das Apenninische
Gebürge gegen Hetrurien; ja der Sicambri-
sche Fürst Merodach kam biß unter die Stadt-
Mauer zu Ravenna. Also verfiel dieser sonst
kluge Fürst durch einen geheimen Trieb des Ver-
hängnüsses in die Fehler des Annibals; welcher
hernach zu langsam beklagt: daß er nach der Can-
nischen Schlacht nicht Rom gestürmt hatte.

Allein es überfällt zuweilen auch die wach-
samsten Kriegs-Helden nach einem grossen
Wercke eine Schlafsucht/ wie das Meer nach
heftigem Sturme eine Windstille. Entwe-
der/ weil sie die Geschwindigkeit für eine Uber-
eilung der Unvorsichtigen; die Langsamkeit aber
für eine Schwester der Klugheit/ und eine Gefer-
tin der Glückseligkeit halten; oder: weil sie die über-
standene Gefahr und die noch übrigen Schwerig-
keiten durchs Vergrösserungs-ihr Vermögen
durchs Verkleinerungs-Glaß ansehen; und den
Sieg mehr für einen Zuwurff des Glückes; als
desselbten Ausmachung für ein mögliches Werck
ihrer Tugend halten; und am füglichsten denen Vö-
geln zu vergleichen sind: welche wol Eyer legen/ aber
sie nicht ausbrütten. Nach welcher Art auch der
Atheniensische Feldherr Nicias in Sicilien/ und
der Spartaner Brasidas durch seine Langsam-
keit den Sieg aus den Händen verspielte/ und
sein Thun eine unzeitige Frucht bleiben; hinge-
gen aber Käyser Julius nichts unausgemacht
ließ. Gleich als wenn nichts gethan wäre/ wenn
noch was zu thun übrig bliebe. Also war auch
Hermocrates mit seinem Vaterlande nicht ver-
[Spaltenumbruch] gnügt: daß die von Athen die Belägerung der
Stadt Syracusa aufheben musten; sondern er
ließ nicht nach/ biß er sie aus gantz Sicilien ver-
jagt/ und dem gantzen Kriege ein Loch gemacht
hatte. Wie nun der einmal ins stecken kom-
mende Fortgang der Waffen den Siegenden
selbst den Glauben ihrer Oberhand zweifelhaft;
den Feinden aber Lufft/ und den Furchtsamsten
ein Hertze macht; also kam auch das über Bojo-
richs Einbruche bebende Rom/ als die Cimbern
nicht gleich den Apennin überstiegen/ wieder zu
sich; und zu dieser heilsamen Entschlüssung: daß
sie den Marius sein Sieges-Gepränge verschie-
ben/ und mit einem mächtigen Heere sich gegen
den Bojorich aufmachen liessen; von dem ihm
im Mogellischen Thale eine Gesandschafft be-
gegnete/ welche den Römern gegen Einräu-
mung eines auskommentlichen Erdreichs für
sein und König Teutobachs Volck Frieden an-
trug. Marius lächelte über dem Vortrage der
Deutschen; und antwortete ihnen: Die Römer
hätten für sie nichts übrig; für den Teutobach und
ihre Brüder aber möchten sie ausser Sorgen ste-
hen. Denn diese hätten schon Erde genung; wür-
den selbte auch immer behalten. Wie er nun zu-
gleich den Teutobach und etliche andere gefange-
ne Fürsten ins Zelt führen ließ; erstauneten die
von solcher Niederlage nichts wissenden Gesand-
ten so sehr: daß sie ohne fernere Wortwechselung
zurück ins Läger kehrten/ und dem Könige Bo-
jorich hiervon die traurige Zeitung brachten.
Bojorich schäumte hierüber für Zorne; frischte
sein Kriegsheer zu gerechter Rache ihrer erwür-
gten Brüd[e]r auf; rückte dem Marius/ welcher
nun über das Apenninische Gebürge kommen
war/ entgegen/ und forderte ihn zur Schlacht
aus; mit der Andeutung: Es wäre der Deutschen
Art/ ohne Verzug umb die Oberhand zu käm-
pfen; nicht aber zum Vortheil der Kriegs-Ober-
sten/ zum Verterb des unschuldigen Landman-
nes den Krieg zu schleppen/ die gemeinen Schatz-
Kammern zu erschöpfen/ und so [d]enn aller-
erst/ wenn beyde Theile mit ihrer Grausamkeit

müde/

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Kriegs-Geraͤthe abſacken. Wie nun Bojo-
rich hierdurch verfuͤhret ward/ und folgenden
Tages ſein Heer gleichfalls zuruͤcke gehen ließ/
ging Catulus des Nachts in aller Stille uͤber
des Aureolus Bruͤcke/ und kam nach Mogrun-
tiacum an den Fluß Lamber; ehe die muͤden
Deutſchen des Aufbruchs inne wurden. Bojo-
rich ward hieruͤber unwillig: daß der Feind nir-
gends ſtand halten wolte; ließ alſo den Hertzog
Ceſorich und Claudicus ſelbten verfolgen; er
aber ſchlug oberhalb Placentz eine Bruͤcke uͤber
den Po/ und ſtreiffte biß an das Apenniniſche
Gebuͤrge gegen Hetrurien; ja der Sicambri-
ſche Fuͤrſt Merodach kam biß unter die Stadt-
Mauer zu Ravenna. Alſo verfiel dieſer ſonſt
kluge Fuͤrſt durch einen geheimen Trieb des Ver-
haͤngnuͤſſes in die Fehler des Annibals; welcher
hernach zu langſam beklagt: daß er nach der Can-
niſchen Schlacht nicht Rom geſtuͤrmt hatte.

Allein es uͤberfaͤllt zuweilen auch die wach-
ſamſten Kriegs-Helden nach einem groſſen
Wercke eine Schlafſucht/ wie das Meer nach
heftigem Sturme eine Windſtille. Entwe-
der/ weil ſie die Geſchwindigkeit fuͤr eine Uber-
eilung der Unvorſichtigen; die Langſamkeit abeꝛ
fuͤr eine Schweſter der Klugheit/ und eine Gefer-
tin der Gluͤckſeligkeit haltẽ; oder: weil ſie die uͤber-
ſtandene Gefahr und die noch uͤbrigẽ Schwerig-
keiten durchs Vergroͤſſerungs-ihr Vermoͤgen
durchs Verkleinerungs-Glaß anſehen; und den
Sieg mehr fuͤr einen Zuwurff des Gluͤckes; als
deſſelbtẽ Ausmachung fuͤr ein moͤgliches Werck
ihrer Tugend haltẽ; und am fuͤglichſtẽ denen Voͤ-
geln zu vergleichẽ ſind: welche wol Eyer legẽ/ aber
ſie nicht ausbruͤtten. Nach welcher Art auch der
Athenienſiſche Feldherr Nicias in Sicilien/ und
der Spartaner Braſidas durch ſeine Langſam-
keit den Sieg aus den Haͤnden verſpielte/ und
ſein Thun eine unzeitige Frucht bleiben; hinge-
gen aber Kaͤyſer Julius nichts unausgemacht
ließ. Gleich als wenn nichts gethan waͤre/ wenn
noch was zu thun uͤbrig bliebe. Alſo war auch
Hermocrates mit ſeinem Vaterlande nicht ver-
[Spaltenumbruch] gnuͤgt: daß die von Athen die Belaͤgerung der
Stadt Syracuſa aufheben muſten; ſondern er
ließ nicht nach/ biß er ſie aus gantz Sicilien ver-
jagt/ und dem gantzen Kriege ein Loch gemacht
hatte. Wie nun der einmal ins ſtecken kom-
mende Fortgang der Waffen den Siegenden
ſelbſt den Glauben ihrer Oberhand zweifelhaft;
den Feinden aber Lufft/ und den Furchtſamſten
ein Hertze macht; alſo kam auch das uͤber Bojo-
richs Einbruche bebende Rom/ als die Cimbern
nicht gleich den Apennin uͤberſtiegen/ wieder zu
ſich; und zu dieſer heilſamen Entſchluͤſſung: daß
ſie den Marius ſein Sieges-Gepraͤnge verſchie-
ben/ und mit einem maͤchtigen Heere ſich gegen
den Bojorich aufmachen lieſſen; von dem ihm
im Mogelliſchen Thale eine Geſandſchafft be-
gegnete/ welche den Roͤmern gegen Einraͤu-
mung eines auskommentlichen Erdreichs fuͤr
ſein und Koͤnig Teutobachs Volck Frieden an-
trug. Marius laͤchelte uͤber dem Vortrage der
Deutſchen; und antwortete ihnen: Die Roͤmer
haͤttẽ fuͤr ſie nichts uͤbrig; fuͤr den Teutobach und
ihre Bruͤder aber moͤchten ſie auſſer Sorgen ſte-
hen. Denn dieſe haͤtten ſchon Erde genung; wuͤꝛ-
den ſelbte auch immer behalten. Wie er nun zu-
gleich den Teutobach und etliche andere gefange-
ne Fuͤrſten ins Zelt fuͤhren ließ; erſtauneten die
von ſolcher Niederlage nichts wiſſenden Geſand-
ten ſo ſehr: daß ſie ohne fernere Wortwechſelung
zuruͤck ins Laͤger kehrten/ und dem Koͤnige Bo-
jorich hiervon die traurige Zeitung brachten.
Bojorich ſchaͤumte hieruͤber fuͤr Zorne; friſchte
ſein Kriegsheer zu gerechter Rache ihrer erwuͤr-
gten Bruͤd[e]r auf; ruͤckte dem Marius/ welcher
nun uͤber das Apenniniſche Gebuͤrge kommen
war/ entgegen/ und forderte ihn zur Schlacht
aus; mit der Andeutung: Es waͤre der Deutſchẽ
Art/ ohne Verzug umb die Oberhand zu kaͤm-
pfen; nicht aber zum Vortheil der Kriegs-Ober-
ſten/ zum Verterb des unſchuldigen Landman-
nes den Krieg zu ſchleppen/ die gemeinen Schatz-
Kammern zu erſchoͤpfen/ und ſo [d]enn aller-
erſt/ wenn beyde Theile mit ihrer Grauſamkeit

muͤde/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0978" n="916[918]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Kriegs-Gera&#x0364;the ab&#x017F;acken. Wie nun Bojo-<lb/>
rich hierdurch verfu&#x0364;hret ward/ und folgenden<lb/>
Tages &#x017F;ein Heer gleichfalls zuru&#x0364;cke gehen ließ/<lb/>
ging Catulus des Nachts in aller Stille u&#x0364;ber<lb/>
des Aureolus Bru&#x0364;cke/ und kam nach Mogrun-<lb/>
tiacum an den Fluß Lamber; ehe die mu&#x0364;den<lb/>
Deut&#x017F;chen des Aufbruchs inne wurden. Bojo-<lb/>
rich ward hieru&#x0364;ber unwillig: daß der Feind nir-<lb/>
gends &#x017F;tand halten wolte; ließ al&#x017F;o den Hertzog<lb/>
Ce&#x017F;orich und Claudicus &#x017F;elbten verfolgen; er<lb/>
aber &#x017F;chlug oberhalb Placentz eine Bru&#x0364;cke u&#x0364;ber<lb/>
den Po/ und &#x017F;treiffte biß an das Apennini&#x017F;che<lb/>
Gebu&#x0364;rge gegen Hetrurien; ja der Sicambri-<lb/>
&#x017F;che Fu&#x0364;r&#x017F;t Merodach kam biß unter die Stadt-<lb/>
Mauer zu Ravenna. Al&#x017F;o verfiel die&#x017F;er &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
kluge Fu&#x0364;r&#x017F;t durch einen geheimen Trieb des Ver-<lb/>
ha&#x0364;ngnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;es in die Fehler des Annibals; welcher<lb/>
hernach zu lang&#x017F;am beklagt: daß er nach der Can-<lb/>
ni&#x017F;chen Schlacht nicht Rom ge&#x017F;tu&#x0364;rmt hatte.</p><lb/>
          <p>Allein es u&#x0364;berfa&#x0364;llt zuweilen auch die wach-<lb/>
&#x017F;am&#x017F;ten Kriegs-Helden nach einem gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Wercke eine Schlaf&#x017F;ucht/ wie das Meer nach<lb/>
heftigem Sturme eine Wind&#x017F;tille. Entwe-<lb/>
der/ weil &#x017F;ie die Ge&#x017F;chwindigkeit fu&#x0364;r eine Uber-<lb/>
eilung der Unvor&#x017F;ichtigen; die Lang&#x017F;amkeit abe&#xA75B;<lb/>
fu&#x0364;r eine Schwe&#x017F;ter der Klugheit/ und eine Gefer-<lb/>
tin der Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit halte&#x0303;; oder: weil &#x017F;ie die u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;tandene Gefahr und die noch u&#x0364;brige&#x0303; Schwerig-<lb/>
keiten durchs Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erungs-ihr Vermo&#x0364;gen<lb/>
durchs Verkleinerungs-Glaß an&#x017F;ehen; und den<lb/>
Sieg mehr fu&#x0364;r einen Zuwurff des Glu&#x0364;ckes; als<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elbte&#x0303; Ausmachung fu&#x0364;r ein mo&#x0364;gliches Werck<lb/>
ihrer Tugend halte&#x0303;; und am fu&#x0364;glich&#x017F;te&#x0303; denen Vo&#x0364;-<lb/>
geln zu vergleiche&#x0303; &#x017F;ind: welche wol Eyer lege&#x0303;/ aber<lb/>
&#x017F;ie nicht ausbru&#x0364;tten. Nach welcher Art auch der<lb/>
Athenien&#x017F;i&#x017F;che Feldherr Nicias in Sicilien/ und<lb/>
der Spartaner Bra&#x017F;idas durch &#x017F;eine Lang&#x017F;am-<lb/>
keit den Sieg aus den Ha&#x0364;nden ver&#x017F;pielte/ und<lb/>
&#x017F;ein Thun eine unzeitige Frucht bleiben; hinge-<lb/>
gen aber Ka&#x0364;y&#x017F;er Julius nichts unausgemacht<lb/>
ließ. Gleich als wenn nichts gethan wa&#x0364;re/ wenn<lb/>
noch was zu thun u&#x0364;brig bliebe. Al&#x017F;o war auch<lb/>
Hermocrates mit &#x017F;einem Vaterlande nicht ver-<lb/><cb/>
gnu&#x0364;gt: daß die von Athen die Bela&#x0364;gerung der<lb/>
Stadt Syracu&#x017F;a aufheben mu&#x017F;ten; &#x017F;ondern er<lb/>
ließ nicht nach/ biß er &#x017F;ie aus gantz Sicilien ver-<lb/>
jagt/ und dem gantzen Kriege ein Loch gemacht<lb/>
hatte. Wie nun der einmal ins &#x017F;tecken kom-<lb/>
mende Fortgang der Waffen den Siegenden<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t den Glauben ihrer Oberhand zweifelhaft;<lb/>
den Feinden aber Lufft/ und den Furcht&#x017F;am&#x017F;ten<lb/>
ein Hertze macht; al&#x017F;o kam auch das u&#x0364;ber Bojo-<lb/>
richs Einbruche bebende Rom/ als die Cimbern<lb/>
nicht gleich den Apennin u&#x0364;ber&#x017F;tiegen/ wieder zu<lb/>
&#x017F;ich; und zu die&#x017F;er heil&#x017F;amen Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung: daß<lb/>
&#x017F;ie den Marius &#x017F;ein Sieges-Gepra&#x0364;nge ver&#x017F;chie-<lb/>
ben/ und mit einem ma&#x0364;chtigen Heere &#x017F;ich gegen<lb/>
den Bojorich aufmachen lie&#x017F;&#x017F;en; von dem ihm<lb/>
im Mogelli&#x017F;chen Thale eine Ge&#x017F;and&#x017F;chafft be-<lb/>
gegnete/ welche den Ro&#x0364;mern gegen Einra&#x0364;u-<lb/>
mung eines auskommentlichen Erdreichs fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ein und Ko&#x0364;nig Teutobachs Volck Frieden an-<lb/>
trug. Marius la&#x0364;chelte u&#x0364;ber dem Vortrage der<lb/>
Deut&#x017F;chen; und antwortete ihnen: Die Ro&#x0364;mer<lb/>
ha&#x0364;tte&#x0303; fu&#x0364;r &#x017F;ie nichts u&#x0364;brig; fu&#x0364;r den Teutobach und<lb/>
ihre Bru&#x0364;der aber mo&#x0364;chten &#x017F;ie au&#x017F;&#x017F;er Sorgen &#x017F;te-<lb/>
hen. Denn die&#x017F;e ha&#x0364;tten &#x017F;chon Erde genung; wu&#x0364;&#xA75B;-<lb/>
den &#x017F;elbte auch immer behalten. Wie er nun zu-<lb/>
gleich den Teutobach und etliche andere gefange-<lb/>
ne Fu&#x0364;r&#x017F;ten ins Zelt fu&#x0364;hren ließ; er&#x017F;tauneten die<lb/>
von &#x017F;olcher Niederlage nichts wi&#x017F;&#x017F;enden Ge&#x017F;and-<lb/>
ten &#x017F;o &#x017F;ehr: daß &#x017F;ie ohne fernere Wortwech&#x017F;elung<lb/>
zuru&#x0364;ck ins La&#x0364;ger kehrten/ und dem Ko&#x0364;nige Bo-<lb/>
jorich hiervon die traurige Zeitung brachten.<lb/>
Bojorich &#x017F;cha&#x0364;umte hieru&#x0364;ber fu&#x0364;r Zorne; fri&#x017F;chte<lb/>
&#x017F;ein Kriegsheer zu gerechter Rache ihrer erwu&#x0364;r-<lb/>
gten Bru&#x0364;d<supplied>e</supplied>r auf; ru&#x0364;ckte dem Marius/ welcher<lb/>
nun u&#x0364;ber das Apennini&#x017F;che Gebu&#x0364;rge kommen<lb/>
war/ entgegen/ und forderte ihn zur Schlacht<lb/>
aus; mit der Andeutung: Es wa&#x0364;re der Deut&#x017F;che&#x0303;<lb/>
Art/ ohne Verzug umb die Oberhand zu ka&#x0364;m-<lb/>
pfen; nicht aber zum Vortheil der Kriegs-Ober-<lb/>
&#x017F;ten/ zum Verterb des un&#x017F;chuldigen Landman-<lb/>
nes den Krieg zu &#x017F;chleppen/ die gemeinen Schatz-<lb/>
Kammern zu er&#x017F;cho&#x0364;pfen/ und &#x017F;o <supplied>d</supplied>enn aller-<lb/>
er&#x017F;t/ wenn beyde Theile mit ihrer Grau&#x017F;amkeit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mu&#x0364;de/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[916[918]/0978] Sechſtes Buch Kriegs-Geraͤthe abſacken. Wie nun Bojo- rich hierdurch verfuͤhret ward/ und folgenden Tages ſein Heer gleichfalls zuruͤcke gehen ließ/ ging Catulus des Nachts in aller Stille uͤber des Aureolus Bruͤcke/ und kam nach Mogrun- tiacum an den Fluß Lamber; ehe die muͤden Deutſchen des Aufbruchs inne wurden. Bojo- rich ward hieruͤber unwillig: daß der Feind nir- gends ſtand halten wolte; ließ alſo den Hertzog Ceſorich und Claudicus ſelbten verfolgen; er aber ſchlug oberhalb Placentz eine Bruͤcke uͤber den Po/ und ſtreiffte biß an das Apenniniſche Gebuͤrge gegen Hetrurien; ja der Sicambri- ſche Fuͤrſt Merodach kam biß unter die Stadt- Mauer zu Ravenna. Alſo verfiel dieſer ſonſt kluge Fuͤrſt durch einen geheimen Trieb des Ver- haͤngnuͤſſes in die Fehler des Annibals; welcher hernach zu langſam beklagt: daß er nach der Can- niſchen Schlacht nicht Rom geſtuͤrmt hatte. Allein es uͤberfaͤllt zuweilen auch die wach- ſamſten Kriegs-Helden nach einem groſſen Wercke eine Schlafſucht/ wie das Meer nach heftigem Sturme eine Windſtille. Entwe- der/ weil ſie die Geſchwindigkeit fuͤr eine Uber- eilung der Unvorſichtigen; die Langſamkeit abeꝛ fuͤr eine Schweſter der Klugheit/ und eine Gefer- tin der Gluͤckſeligkeit haltẽ; oder: weil ſie die uͤber- ſtandene Gefahr und die noch uͤbrigẽ Schwerig- keiten durchs Vergroͤſſerungs-ihr Vermoͤgen durchs Verkleinerungs-Glaß anſehen; und den Sieg mehr fuͤr einen Zuwurff des Gluͤckes; als deſſelbtẽ Ausmachung fuͤr ein moͤgliches Werck ihrer Tugend haltẽ; und am fuͤglichſtẽ denen Voͤ- geln zu vergleichẽ ſind: welche wol Eyer legẽ/ aber ſie nicht ausbruͤtten. Nach welcher Art auch der Athenienſiſche Feldherr Nicias in Sicilien/ und der Spartaner Braſidas durch ſeine Langſam- keit den Sieg aus den Haͤnden verſpielte/ und ſein Thun eine unzeitige Frucht bleiben; hinge- gen aber Kaͤyſer Julius nichts unausgemacht ließ. Gleich als wenn nichts gethan waͤre/ wenn noch was zu thun uͤbrig bliebe. Alſo war auch Hermocrates mit ſeinem Vaterlande nicht ver- gnuͤgt: daß die von Athen die Belaͤgerung der Stadt Syracuſa aufheben muſten; ſondern er ließ nicht nach/ biß er ſie aus gantz Sicilien ver- jagt/ und dem gantzen Kriege ein Loch gemacht hatte. Wie nun der einmal ins ſtecken kom- mende Fortgang der Waffen den Siegenden ſelbſt den Glauben ihrer Oberhand zweifelhaft; den Feinden aber Lufft/ und den Furchtſamſten ein Hertze macht; alſo kam auch das uͤber Bojo- richs Einbruche bebende Rom/ als die Cimbern nicht gleich den Apennin uͤberſtiegen/ wieder zu ſich; und zu dieſer heilſamen Entſchluͤſſung: daß ſie den Marius ſein Sieges-Gepraͤnge verſchie- ben/ und mit einem maͤchtigen Heere ſich gegen den Bojorich aufmachen lieſſen; von dem ihm im Mogelliſchen Thale eine Geſandſchafft be- gegnete/ welche den Roͤmern gegen Einraͤu- mung eines auskommentlichen Erdreichs fuͤr ſein und Koͤnig Teutobachs Volck Frieden an- trug. Marius laͤchelte uͤber dem Vortrage der Deutſchen; und antwortete ihnen: Die Roͤmer haͤttẽ fuͤr ſie nichts uͤbrig; fuͤr den Teutobach und ihre Bruͤder aber moͤchten ſie auſſer Sorgen ſte- hen. Denn dieſe haͤtten ſchon Erde genung; wuͤꝛ- den ſelbte auch immer behalten. Wie er nun zu- gleich den Teutobach und etliche andere gefange- ne Fuͤrſten ins Zelt fuͤhren ließ; erſtauneten die von ſolcher Niederlage nichts wiſſenden Geſand- ten ſo ſehr: daß ſie ohne fernere Wortwechſelung zuruͤck ins Laͤger kehrten/ und dem Koͤnige Bo- jorich hiervon die traurige Zeitung brachten. Bojorich ſchaͤumte hieruͤber fuͤr Zorne; friſchte ſein Kriegsheer zu gerechter Rache ihrer erwuͤr- gten Bruͤder auf; ruͤckte dem Marius/ welcher nun uͤber das Apenniniſche Gebuͤrge kommen war/ entgegen/ und forderte ihn zur Schlacht aus; mit der Andeutung: Es waͤre der Deutſchẽ Art/ ohne Verzug umb die Oberhand zu kaͤm- pfen; nicht aber zum Vortheil der Kriegs-Ober- ſten/ zum Verterb des unſchuldigen Landman- nes den Krieg zu ſchleppen/ die gemeinen Schatz- Kammern zu erſchoͤpfen/ und ſo denn aller- erſt/ wenn beyde Theile mit ihrer Grauſamkeit muͤde/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/978
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 916[918]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/978>, abgerufen am 23.11.2024.