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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] halben Tag etliche dreissig Römer von des Teu-
tobachs eigener Faust. Am Mittage aber kam
die Sonne den Römern abermals zu Hülffe;
und die grosse Hitze/ derer die Nord-Völcker
nicht gewoh net/ stritt mit grossem Vortheil wider
die Deutschen; derer Leiber im Schweiß gleich-
sam wie der Schnee zerschmoltzen. Daher fing ihr
lincker Flügel/ gegen welchen Marius die Sei-
nigen mit blossem Degen antrieb/ zu wancken.
Alleine die ihm zu Hülffe kommenden deutschen
Weiber brachten ihn wieder zu Stande; wel-
che die Fürstin Landgertha als eine ergrimmte
Löwin anführte/ einem Römischen Hauptman-
ne zu erst die Hand mit sammt dem Degen abhieb/
und die Kräffte ihres Geschlechtes übersteigende
Helden-Thaten ausübte; also: daß die Schlacht
noch wohl eine gute Stunde auf gleicher Wage
lag; biß der junge Marius/ den hernach der
König in Numidien Hiempsal bey sich in so gros-
sem Werth hielt/ Landgerthen einen verwegenen
Stoß beybrachte; worvon sie ihre edle Seele mit
dem Blute ausströmete; aber mit dieser Helden-
Dinte auch in den verweßlichen Staub ihren
unsterblichen Nahmen aufzeichnete. Der Deut-
schen Hertzeleid über dieser Fürstin Tode war so
heftig: daß sie an statt der Rache in Kleinmuth
verfielen. Denn gemeiner Schmertz ist ein
Wetz-Stein/ übermässiger aber ein Feind der
Tugend. Also begonte der lincke Flügel aufs
neue zu weichen. Und weil König Teutobach/
der bereit aufs sechste Pferd kommen war/ bey
dem rechten mehr als zu viel gegen den eingebro-
chenen Marcellus zu thun hatte/ war ihm un-
möglich dem lincken zu Hülffe zu kommen.
Wie aber auch in der Mitten die Schlacht-
Ordnung brechen wolte/ entschloß er sich durch
eine verzweifelte Erkühnung der Gefahr zu ra-
then; ermahnte also seine Riesen/ und zwey hun-
dert umb ihn streitende Edelleute: sie solten ihm
behertzt folgen; und hiermit drang er wie ein
Blitz der Römischen Haupt-Fahne zu. Alles
was sich widersetzte/ ward zu Bodem getreten/
[Spaltenumbruch] oder erlegt; und brachte es der nunmehr gleich-
sam wütende Teutobach so weit: daß ein Ale-
mannischer Ritter Fürstenberg den Römischen
Haupt-Adler dem Fähnriche aus den Händen
rieß/ ihn zerbrach und zu Bodem warff. Wie
grosse Verbitterung dieser Schimpf bey den
Römern erweckte; also ließ Marius nur ein
Theil gegen den schon gantz zertrenneten lincken
Flügel der Deutschen fechten; er aber kam mit
dem noch frischesten Volcke auf einer/ und Cne-
us Domitius auf der andern Seite mit einer
ausgeruheten und zum Hinterhalte gelassenen
Legion gegen den Teutobach an; welcher gleich-
wohl mit seinem Adel und Riesen wie ein Fels
gegen die heftigsten Wellen aushielt. Endlich
aber/ nach dem auch der härteste Marmel-Stein
durch weiche Regen-Tropfen abgenützet wird;
muste er einen neuen Schluß fassen/ sich gegen
sein Heer durch zuschlagen; welches beyderseits
viel Blut/ und den König Teutobach abermals
drey Pferde und wohl die Helfte seiner Leibwa-
che kostete. Gleichwohl erreichte er sein nun-
mehr aller Orten weichendes Heer; welchem er
so viel möglich Anleitung gab: gegen Mitter-
nacht in das Gebürge sich zu ziehen/ umb von
dar über den Strom Druentia in das Vulgen-
tische Gebiete zu entkommen. Wormit er auch
den Seinen so viel mehr Lufft machte; both er
in dem nechsten Forste den Römern bey schon
spätem Abende noch einmal die Spitze; und die
Liebe seines Volckes war bey ihm so groß: daß
er sich als ihre Schutz-Säule hier lieber wolte
zermalmen/ als ihre Beschirmung fahren las-
sen. Daher er biß umb Mitternacht an einem
Furthe Stand hielt; endlich aber umbringet/
übermannet/ und alle bey ihm stehende erschla-
gen wurden. Er selbst ward so verwundet: daß
er biß auf den Morgen unter den Todten lag;
welchen aber Marius so denn aufheben/ bey
verspürtem Athemholen erfrischen/ und die
Wunden zu grossem Vergnügen dieses großmü-
thigen Königes heilen ließ; dem sein Leben ein

tägli-
Erster Theil. Z z z z z

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] halben Tag etliche dreiſſig Roͤmer von des Teu-
tobachs eigener Fauſt. Am Mittage aber kam
die Sonne den Roͤmern abermals zu Huͤlffe;
und die groſſe Hitze/ derer die Nord-Voͤlcker
nicht gewoh net/ ſtritt mit groſſem Vortheil wideꝛ
die Deutſchen; derer Leiber im Schweiß gleich-
ſam wie der Schnee zerſchmoltzẽ. Daher fing ihr
lincker Fluͤgel/ gegen welchen Marius die Sei-
nigen mit bloſſem Degen antrieb/ zu wancken.
Alleine die ihm zu Huͤlffe kommenden deutſchen
Weiber brachten ihn wieder zu Stande; wel-
che die Fuͤrſtin Landgertha als eine ergrim̃te
Loͤwin anfuͤhrte/ einem Roͤmiſchen Hauptman-
ne zu erſt die Hand mit ſam̃t dem Degen abhieb/
und die Kraͤffte ihres Geſchlechtes uͤberſteigende
Helden-Thaten ausuͤbte; alſo: daß die Schlacht
noch wohl eine gute Stunde auf gleicher Wage
lag; biß der junge Marius/ den hernach der
Koͤnig in Numidien Hiempſal bey ſich in ſo groſ-
ſem Werth hielt/ Landgerthen einen verwegenen
Stoß beybrachte; worvon ſie ihre edle Seele mit
dem Blute ausſtroͤmete; aber mit dieſer Helden-
Dinte auch in den verweßlichen Staub ihren
unſterblichen Nahmen aufzeichnete. Der Deut-
ſchen Hertzeleid uͤber dieſer Fuͤrſtin Tode war ſo
heftig: daß ſie an ſtatt der Rache in Kleinmuth
verfielen. Denn gemeiner Schmertz iſt ein
Wetz-Stein/ uͤbermaͤſſiger aber ein Feind der
Tugend. Alſo begonte der lincke Fluͤgel aufs
neue zu weichen. Und weil Koͤnig Teutobach/
der bereit aufs ſechſte Pferd kommen war/ bey
dem rechten mehr als zu viel gegen den eingebro-
chenen Marcellus zu thun hatte/ war ihm un-
moͤglich dem lincken zu Huͤlffe zu kommen.
Wie aber auch in der Mitten die Schlacht-
Ordnung brechen wolte/ entſchloß er ſich durch
eine verzweifelte Erkuͤhnung der Gefahr zu ra-
then; ermahnte alſo ſeine Rieſen/ und zwey hun-
dert umb ihn ſtreitende Edelleute: ſie ſolten ihm
behertzt folgen; und hiermit drang er wie ein
Blitz der Roͤmiſchen Haupt-Fahne zu. Alles
was ſich widerſetzte/ ward zu Bodem getreten/
[Spaltenumbruch] oder erlegt; und brachte es der nunmehr gleich-
ſam wuͤtende Teutobach ſo weit: daß ein Ale-
manniſcher Ritter Fuͤrſtenberg den Roͤmiſchen
Haupt-Adler dem Faͤhnriche aus den Haͤnden
rieß/ ihn zerbrach und zu Bodem warff. Wie
groſſe Verbitterung dieſer Schimpf bey den
Roͤmern erweckte; alſo ließ Marius nur ein
Theil gegen den ſchon gantz zertrenneten lincken
Fluͤgel der Deutſchen fechten; er aber kam mit
dem noch friſcheſten Volcke auf einer/ und Cne-
us Domitius auf der andern Seite mit einer
ausgeruheten und zum Hinterhalte gelaſſenen
Legion gegen den Teutobach an; welcher gleich-
wohl mit ſeinem Adel und Rieſen wie ein Fels
gegen die heftigſten Wellen aushielt. Endlich
aber/ nach dem auch der haͤrteſte Marmel-Stein
durch weiche Regen-Tropfen abgenuͤtzet wird;
muſte er einen neuen Schluß faſſen/ ſich gegen
ſein Heer durch zuſchlagen; welches beyderſeits
viel Blut/ und den Koͤnig Teutobach abermals
drey Pferde und wohl die Helfte ſeiner Leibwa-
che koſtete. Gleichwohl erreichte er ſein nun-
mehr aller Orten weichendes Heer; welchem er
ſo viel moͤglich Anleitung gab: gegen Mitter-
nacht in das Gebuͤrge ſich zu ziehen/ umb von
dar uͤber den Strom Druentia in das Vulgen-
tiſche Gebiete zu entkommen. Wormit er auch
den Seinen ſo viel mehr Lufft machte; both er
in dem nechſten Forſte den Roͤmern bey ſchon
ſpaͤtem Abende noch einmal die Spitze; und die
Liebe ſeines Volckes war bey ihm ſo groß: daß
er ſich als ihre Schutz-Saͤule hier lieber wolte
zermalmen/ als ihre Beſchirmung fahren laſ-
ſen. Daher er biß umb Mitternacht an einem
Furthe Stand hielt; endlich aber umbringet/
uͤbermannet/ und alle bey ihm ſtehende erſchla-
gen wurden. Er ſelbſt ward ſo verwundet: daß
er biß auf den Morgen unter den Todten lag;
welchen aber Marius ſo denn aufheben/ bey
verſpuͤrtem Athemholen erfriſchen/ und die
Wunden zu groſſem Veꝛgnuͤgen dieſes großmuͤ-
thigen Koͤniges heilen ließ; dem ſein Leben ein

taͤgli-
Erſter Theil. Z z z z z
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 913[915]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/975>, abgerufen am 23.11.2024.