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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Ubungen abzuhärten: dem Feinde aber am
Rücken die Lebens-Mittel abzuschneiden; und
durch angenommene Langsamkeit entweder die
wachsamen Deutschen einzuschläfen/ oder we-
nigstens die hitzige Heftigkeit der feurigen Nord-
Völcker abzukühlen. Wormit aber seinem
H[eere] nichts gebräche; blieb er an dem Meere
stehen umb der Zufuhr zur See zu genüssen;
ließ auch/ weil der Mund des Rhodans sich
mercklich verschlemmet hatte/ von dem Tempel
der Ephesischen Diana gegen dem Astromeli-
schen See einen zur Schiffart dienlichen Gra-
ben aus dem Rhodan in das Meer führen/ umb
dardurch nicht allein seine mühsame Kriegsleute
von den trägen zu unterscheiden/ sondern auch
ihnen ins gemein mehr Kräfften beyzusetzen.
Weil die Deutschen aber sich in ihrem Zuge we-
nig irre machen liessen/ zohe Marius endlich an
dem Rhodan hinauf/ und verschantzte sich daselbst/
wo die Jser hinein fällt. Hierdurch machte er
den König Teutobach stutzig; und verursachte:
daß er an dem Flusse Varus umbkehrte/ in dem
Gebiete der Allobroger die Tuguriner und Am-
bronen mit ihrem Könige Bolus an sich zoh/ und
sein Läger dem Marius gegen über schlug. Wie
sich Marius aber nicht rückte/ stellte er etliche
mal unter dem Walle des Römischen Lägers
sein Heer in Schlacht-Ordnung; und ließ dem
Marius sagen: Dafern die Römer das Hertze
hätten/ den Deutschen das blaue' in Augen zu
sehen; stünde er dar fertig mit ihnen anzubinden.
Marius ließ ihm hingegen zur Antwort wissen:
Die Römer lieferten Schlachten/ wenn es ih-
nen/ nicht aber dem Feinde anständig wäre.
Hierauf forderte König Bolus den Marius zum
Zwey-Kampfe aus. Dieser aber versetzte:
Wenn er seinem Leben so gram wäre/ und
es nicht besser anzuwehren wüste/ könte
er selbtem ohne wenigere Müh durch
einen Strick abhelffen. Er wäre ein Feld-
herr/ kein Fechter; meynte nun Bolus mit ei-
nem dieser Art sich zu schlagen/ wolte er gegen
[Spaltenumbruch] ihn einen schicken/ der schon zwantzig andere
Fechter erwürgt hätte. Und da ihn Bolus be-
meisterte/ so denn nachdencken: Ob für die Stadt
Rom rathsam wäre/ daß ihr Bürgermeister mit
einem frechen Jünglinge anbinde. Wie nun
die Deutschen hierüber so verwegen wurden: daß
sie einzelich unter den Wall des Lagers renneten/
und mit spöttischen Worten die Römer zum Kampf
ausforderten; also murreten diese für Ungedult:
daß Marius zwar auf dem Walle ihnen die Deut-
schen und ihre Art zu streiten zeigte/ keinen aber
aus dem Lager einen Fuß setzen ließ. Sie hiel-
ten ihm nicht ohne Vermessenheit ein: daß ein
Feldherr durch Verbittung des Angriffs sein
Heer selbst verzagt/ seinen furchtsamsten Feind
aber hertzhaft machte. Alleine Marius/ der
diese Begierde ihm wohlgefallen ließ/ schützte
für: Es wäre vortheilhaftiger mit einem ver-
mässenen als furchtsamen Feinde zu thun haben.
Eines Feldherren Ampt wäre die Zeit zum
Streite erkiesen/ der Kriegsleute/ nichts minder
gehorsam als tapfer zu seyn. Die weise Mar-
tha riethe noch nicht zum schlagen; durch wel-
cher Mund die Götter schon selbst ihnen den
Weg und die Zeit ihren hochmüthigen Feind zu
dämpfen zeigen würden. Ja ungeachtet Ma-
rius von Rom Erinnerung zu schlagen kriegte;
weil man in Umbria in den Wolcken zwey feu-
rige Heere fechten/ und das fremde herab stürtzen
gesehen; die Göttin Cybele auch ihrem Priester
Bathabates den unzweifelbaren Sieg angekün-
digt hätte; so ließ er sich doch nichts irren; son-
dern verleitete die Deutschen durch angestellte
Zagheit: daß sie das überaus starck befestigte
Läger mit Gewalt stürmeten; aber durch den
Hagel der abgestossenen Römischen Pfeile zu-
rück getrieben wurden/ und etliche tausend in den
Graben ihr Begräbnüß funden. König Teu-
tobach entschloß hier auf den Marius in seinem
Neste zu lassen; und in das Hertze Jtaliens zu
dringen; führte also gantzer 6. Tage lang harte
unter dem Römischen Lager sein Heer gegen die

Alpen

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Ubungen abzuhaͤrten: dem Feinde aber am
Ruͤcken die Lebens-Mittel abzuſchneiden; und
durch angenommene Langſamkeit entweder die
wachſamen Deutſchen einzuſchlaͤfen/ oder we-
nigſtens die hitzige Heftigkeit der feurigen Nord-
Voͤlcker abzukuͤhlen. Wormit aber ſeinem
H[eere] nichts gebraͤche; blieb er an dem Meere
ſtehen umb der Zufuhr zur See zu genuͤſſen;
ließ auch/ weil der Mund des Rhodans ſich
mercklich verſchlemmet hatte/ von dem Tempel
der Epheſiſchen Diana gegen dem Aſtromeli-
ſchen See einen zur Schiffart dienlichen Gra-
ben aus dem Rhodan in das Meer fuͤhren/ umb
dardurch nicht allein ſeine muͤhſame Kriegsleute
von den traͤgen zu unterſcheiden/ ſondern auch
ihnen ins gemein mehr Kraͤfften beyzuſetzen.
Weil die Deutſchen aber ſich in ihrem Zuge we-
nig irre machen lieſſen/ zohe Marius endlich an
dem Rhodan hinauf/ und veꝛſchantzte ſich daſelbſt/
wo die Jſer hinein faͤllt. Hierdurch machte er
den Koͤnig Teutobach ſtutzig; und verurſachte:
daß er an dem Fluſſe Varus umbkehrte/ in dem
Gebiete der Allobroger die Tuguriner und Am-
bronen mit ihrem Koͤnige Bolus an ſich zoh/ und
ſein Laͤger dem Marius gegen uͤber ſchlug. Wie
ſich Marius aber nicht ruͤckte/ ſtellte er etliche
mal unter dem Walle des Roͤmiſchen Laͤgers
ſein Heer in Schlacht-Ordnung; und ließ dem
Marius ſagen: Dafern die Roͤmer das Hertze
haͤtten/ den Deutſchen das blaue’ in Augen zu
ſehen; ſtuͤnde er dar fertig mit ihnen anzubinden.
Marius ließ ihm hingegen zur Antwort wiſſen:
Die Roͤmer lieferten Schlachten/ wenn es ih-
nen/ nicht aber dem Feinde anſtaͤndig waͤre.
Hierauf forderte Koͤnig Bolus den Marius zum
Zwey-Kampfe aus. Dieſer aber verſetzte:
Wenn er ſeinem Leben ſo gram waͤre/ und
es nicht beſſer anzuwehren wuͤſte/ koͤnte
er ſelbtem ohne wenigere Muͤh durch
einen Strick abhelffen. Er waͤre ein Feld-
herr/ kein Fechter; meynte nun Bolus mit ei-
nem dieſer Art ſich zu ſchlagen/ wolte er gegen
[Spaltenumbruch] ihn einen ſchicken/ der ſchon zwantzig andere
Fechter erwuͤrgt haͤtte. Und da ihn Bolus be-
meiſterte/ ſo denn nachdencken: Ob fuͤr die Stadt
Rom rathſam waͤre/ daß ihr Buͤrgermeiſter mit
einem frechen Juͤnglinge anbinde. Wie nun
die Deutſchen hieruͤbeꝛ ſo veꝛwegen wurden: daß
ſie einzelich unter den Wall des Lagers renneten/
und mit ſpoͤttiſchẽ Wortẽ die Roͤmer zum Kampf
ausforderten; alſo murreten dieſe fuͤr Ungedult:
daß Marius zwaꝛ auf dem Walle ihnẽ die Deut-
ſchen und ihre Art zu ſtreiten zeigte/ keinen aber
aus dem Lager einen Fuß ſetzen ließ. Sie hiel-
ten ihm nicht ohne Vermeſſenheit ein: daß ein
Feldherr durch Verbittung des Angriffs ſein
Heer ſelbſt verzagt/ ſeinen furchtſamſten Feind
aber hertzhaft machte. Alleine Marius/ der
dieſe Begierde ihm wohlgefallen ließ/ ſchuͤtzte
fuͤr: Es waͤre vortheilhaftiger mit einem ver-
maͤſſenen als furchtſamen Feinde zu thun haben.
Eines Feldherren Ampt waͤre die Zeit zum
Streite erkieſen/ der Kriegsleute/ nichts minder
gehorſam als tapfer zu ſeyn. Die weiſe Mar-
tha riethe noch nicht zum ſchlagen; durch wel-
cher Mund die Goͤtter ſchon ſelbſt ihnen den
Weg und die Zeit ihren hochmuͤthigen Feind zu
daͤmpfen zeigen wuͤrden. Ja ungeachtet Ma-
rius von Rom Erinnerung zu ſchlagen kriegte;
weil man in Umbria in den Wolcken zwey feu-
rige Heere fechten/ und das fremde herab ſtuͤrtzen
geſehen; die Goͤttin Cybele auch ihrem Prieſter
Bathabates den unzweifelbaren Sieg angekuͤn-
digt haͤtte; ſo ließ er ſich doch nichts irren; ſon-
dern verleitete die Deutſchen durch angeſtellte
Zagheit: daß ſie das uͤberaus ſtarck befeſtigte
Laͤger mit Gewalt ſtuͤrmeten; aber durch den
Hagel der abgeſtoſſenen Roͤmiſchen Pfeile zu-
ruͤck getrieben wurden/ und etliche tauſend in den
Graben ihr Begraͤbnuͤß funden. Koͤnig Teu-
tobach entſchloß hier auf den Marius in ſeinem
Neſte zu laſſen; und in das Hertze Jtaliens zu
dringen; fuͤhrte alſo gantzer 6. Tage lang harte
unter dem Roͤmiſchen Lager ſein Heer gegen die

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 910[912]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/972>, abgerufen am 23.11.2024.