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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] und Schilde zerbrochen/ die schönsten Hispan-
und Mauritanischen Pferde in Sümpffen er-
steckt; ja zwey Gallier/ derer einer des Bürger-
meisters Purpur-Mantel/ der andere einen
Knispel güldener Müntze zu verstecken ver-
meinte/ mit auffgehenckt wurden. Von
beyden Römischen Heeren entkamen nicht
mehr/ als zehn Menschen; und wurden auf der
Deutschen Seite dreyzehn hundert/ auff Römi-
scher achzig tausend Todte/ ohne den in vierzig
tausend Menschen bestehenden und meist auff-
gehenckten Römischen Troß gezehlet. Nachdem
alle Beute zernichtet/ die gebliebenen Deut-
schen herrlich begraben/ und von den Cimbern
ein grosses Siegs-Feyer mit vielen Opffern ver-
richtet ward/ ließ Vojorich alle Leichen auff ei-
nen Hauffen über einander schleppen/ und diesen
Berg voll Menschen mit Erde beschütten; dar-
auff aber in eine Marmelne Säule eingraben:
Hier ist das Begräbnüs achzig tausend
Römer; von welchen König Bojorich
ihrer zehn entkommen ließ/ umb nach
Rom die Zeitung zu bringen: daß sie
nicht der Blitz/ sondern die Cimbern
erschlagen hätten.

Dieser herrliche Sieg machte die Deutschen
nicht schläffrig/ sondern vielmehr nach Römi-
schem Blute und Ruhme durstiger. Daher be-
schloß König Bojorich im Kriegs-Rathe/ nun-
mehr geraden Weges über die Alpen und nach
Rom zu rücken. Befahl auch den gefangenen
Aurelius Scaurus zu hohlen; und ermahnte
ihn gegen diese Wohlthat des ihm gelassenen Le-
bens den leichtesten Weg in Jtalien zu entde-
cken. Scaurus antwortete hierauff: wenn er
nicht diß einzurathen gedächte/ was so wohl sei-
nem Vaterlande/ als den streitbaren Cimbern
vorträglich wäre; wolte er lieber die Warheit
verschweigen/ wenn er schon wie Marcus Re-
gulus zu Carthago am Creutze stehen solte. Kö-
[Spaltenumbruch] nig Bojorich hätte durch bißherige Siege so
viel Ruhm an den Römern erjagt/ als kein
Mensch für ihm. Wenn er aber in Jtalien
einbräche/ würde die Nachwelt sein Thun mehr
für keine Tugend rühmen; sondern als eine Ver-
wegenheit schelten. Denn seine Einbildung
wäre ein betrüglicher Jrrthum: daß der Kern
der Römer umkommen wäre. Jhr Thun
verriethe die Uberwundenen: daß sie die gering-
ste Spreu gewest/ und kaum den Nahmen der
Römer verdienet hätten. Die besten Kräff-
ten stecken in Rom/ wie das Leben im Her-
tzen. Jnsonderheit hätten die Römer diese
Eigenschafft: daß bey wachsender Noth ihnen
der Muth/ und bey abnehmenden Kräfften
ihre Tapfferkeit wüchse. Welches Pyrrhus
und Hannibal zwar so wenig/ als itzt Bojo-
rich geglaubt/ endlich aber mit Schaden erfah-
ren hätte. Daher thäten die Cimbern klüger
und rühmlicher: wenn sie diß/ was jene zu
langsam/ vorher sähen. Widrigen Falls
würde man sie für übersichtiger als jene hal-
ten/ weil Rom damahls nicht viel mehr/ als
eine Zwergin gewest/ nunmehr aber durch
Eroberung so vieler Länder zu einer unüber-
windlichen Riesin ausgewachsen; ja vom Ver-
hängnisse diese Stadt zum Haupte der Welt
erkieset wäre/ an der alle Feinde ihre Hörner
und Köpffe zerstossen müsten. Uber diesem
für einen Gefangenen allzu hochmüthigen
Großsprechen überlieff dem hertzhafften Bojo-
rich die Galle: daß er des Scaurus unzeitige
Wahrsagung mit einem tödtlichen Streiche
bestraffte. Gleichwohl starb Scaurus rühm-
licher/ als es dem furchtsamen Cöpio gieng;
welchem zu Rom seine Güter/ und sein Amt
genommen wurden/ welches nach dem hoffär-
tigen Tarqvinius niemanden noch begegnet
war. Den sechsten Weinmonats-Tag/ an
welchem die Cimbern gesiegt/ schrieb man als
unglückselig mit schwartzer Farbe zum ewigen

Ge-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] und Schilde zerbrochen/ die ſchoͤnſten Hiſpan-
und Mauritaniſchen Pferde in Suͤmpffen er-
ſteckt; ja zwey Gallier/ derer einer des Buͤrger-
meiſters Purpur-Mantel/ der andere einen
Kniſpel guͤldener Muͤntze zu verſtecken ver-
meinte/ mit auffgehenckt wurden. Von
beyden Roͤmiſchen Heeren entkamen nicht
mehr/ als zehn Menſchen; und wurden auf der
Deutſchen Seite dreyzehn hundert/ auff Roͤmi-
ſcher achzig tauſend Todte/ ohne den in vierzig
tauſend Menſchen beſtehenden und meiſt auff-
gehenckten Roͤmiſchen Troß gezehlet. Nachdem
alle Beute zernichtet/ die gebliebenen Deut-
ſchen herrlich begraben/ und von den Cimbern
ein groſſes Siegs-Feyer mit vielen Opffern ver-
richtet ward/ ließ Vojorich alle Leichen auff ei-
nen Hauffen uͤber einander ſchleppen/ und dieſen
Berg voll Menſchen mit Erde beſchuͤtten; dar-
auff aber in eine Marmelne Saͤule eingraben:
Hier iſt das Begraͤbnuͤs achzig tauſend
Roͤmer; von welchen Koͤnig Bojorich
ihrer zehn entkommen ließ/ umb nach
Rom die Zeitung zu bringen: daß ſie
nicht der Blitz/ ſondern die Cimbern
erſchlagen haͤtten.

Dieſer herrliche Sieg machte die Deutſchen
nicht ſchlaͤffrig/ ſondern vielmehr nach Roͤmi-
ſchem Blute und Ruhme durſtiger. Daher be-
ſchloß Koͤnig Bojorich im Kriegs-Rathe/ nun-
mehr geraden Weges uͤber die Alpen und nach
Rom zu ruͤcken. Befahl auch den gefangenen
Aurelius Scaurus zu hohlen; und ermahnte
ihn gegen dieſe Wohlthat des ihm gelaſſenen Le-
bens den leichteſten Weg in Jtalien zu entde-
cken. Scaurus antwortete hierauff: wenn er
nicht diß einzurathen gedaͤchte/ was ſo wohl ſei-
nem Vaterlande/ als den ſtreitbaren Cimbern
vortraͤglich waͤre; wolte er lieber die Warheit
verſchweigen/ wenn er ſchon wie Marcus Re-
gulus zu Carthago am Creutze ſtehen ſolte. Koͤ-
[Spaltenumbruch] nig Bojorich haͤtte durch bißherige Siege ſo
viel Ruhm an den Roͤmern erjagt/ als kein
Menſch fuͤr ihm. Wenn er aber in Jtalien
einbraͤche/ wuͤrde die Nachwelt ſein Thun mehr
fuͤr keine Tugend ruͤhmen; ſondern als eine Ver-
wegenheit ſchelten. Denn ſeine Einbildung
waͤre ein betruͤglicher Jrrthum: daß der Kern
der Roͤmer umkommen waͤre. Jhr Thun
verriethe die Uberwundenen: daß ſie die gering-
ſte Spreu geweſt/ und kaum den Nahmen der
Roͤmer verdienet haͤtten. Die beſten Kraͤff-
ten ſtecken in Rom/ wie das Leben im Her-
tzen. Jnſonderheit haͤtten die Roͤmer dieſe
Eigenſchafft: daß bey wachſender Noth ihnen
der Muth/ und bey abnehmenden Kraͤfften
ihre Tapfferkeit wuͤchſe. Welches Pyrrhus
und Hannibal zwar ſo wenig/ als itzt Bojo-
rich geglaubt/ endlich aber mit Schaden erfah-
ren haͤtte. Daher thaͤten die Cimbern kluͤger
und ruͤhmlicher: wenn ſie diß/ was jene zu
langſam/ vorher ſaͤhen. Widrigen Falls
wuͤrde man ſie fuͤr uͤberſichtiger als jene hal-
ten/ weil Rom damahls nicht viel mehr/ als
eine Zwergin geweſt/ nunmehr aber durch
Eroberung ſo vieler Laͤnder zu einer unuͤber-
windlichen Rieſin ausgewachſen; ja vom Ver-
haͤngniſſe dieſe Stadt zum Haupte der Welt
erkieſet waͤre/ an der alle Feinde ihre Hoͤrner
und Koͤpffe zerſtoſſen muͤſten. Uber dieſem
fuͤr einen Gefangenen allzu hochmuͤthigen
Großſprechen uͤberlieff dem hertzhafften Bojo-
rich die Galle: daß er des Scaurus unzeitige
Wahrſagung mit einem toͤdtlichen Streiche
beſtraffte. Gleichwohl ſtarb Scaurus ruͤhm-
licher/ als es dem furchtſamen Coͤpio gieng;
welchem zu Rom ſeine Guͤter/ und ſein Amt
genommen wurden/ welches nach dem hoffaͤr-
tigen Tarqvinius niemanden noch begegnet
war. Den ſechſten Weinmonats-Tag/ an
welchem die Cimbern geſiegt/ ſchrieb man als
ungluͤckſelig mit ſchwartzer Farbe zum ewigen

Ge-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 906[908]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/968>, abgerufen am 23.11.2024.