Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] mögen/ den er zu tödten Recht hat? Warlich/
wer in Staats-Sachen gar zu gerade zugehet/
wird dem gemeinen Wesen viel Unheil verursa-
chen/ und sich zum Gelächter der Boßheit ma-
chen. Und dünckt mich: daß die/ welche mit
gar zu grossem Eyver hierinnen verfahren/ eben
so sehr verstossen/ als der Bildhauer Demetrius;
welcher seine Säulen gar zu ähnlich nach dem
Leben machte/ hierdurch aber alle Annehmlig-
keit verderbte. So edel die Warheit an ihr
selbst gleich ist/ so läst doch weder die eigene noch
die gemeine Wolfarth/ (welche erstere der Na-
tur/ die andere das höchste bürgerliche Gesetze
ist) allezeit zu mit der Warheit zur Thüre nein
fallen. Sie thut mehrmals grössern Scha-
den/ als eine zwar gute/ aber zur Unzeit ge-
brauchte Artzney. Denn sie ist eine unter de-
nen drey guten Müttern/ welche so ungerathe-
ne Kinder zur Welt bringen; nemlich: sie ge-
biehret Haß/ wie die Verträuligkeit Verach-
tung/ und der Friede Unachtsamkeit. Malo-
vend antwortete: Ein kluger Fürst ist wol nicht
schuldig alles zu sagen/ was er im Schilde führt;
Aber nichts soll er sagen oder versprechen/ was
nicht wahr/ oder er zu halten willens ist. Durch
seine Verschwiegenheit mögen sich andere/ er
aber niemanden durch seine Worte betrügen;
noch er seiner Unwahrheit durch eine fpitzfin-
nige Auslegung eine Farbe der Wahrheit
anstreichen. Diese haben die Alten mit einem
weissen Schleyer abgebildet; weil sie keine Lar-
ve verträgt. Daher auch diß/ was ohne lan-
gen Bedacht unvermuthet versprochen wird/
nicht zurück gezogen werden kan. Daher Aga-
memnon das unbedachtsame Gelübde seine
Tochter Jphigenia zu opffern nicht wiederruf-
fen wolte; und Cydippe ward von dem Wahr-
sagungs-Geiste verurtheilt diß zu halten/ was
Acontius auf eine Qvitte geschrieben/ und sie un-
vorsichtig nachgelesen hatte. Rhemetalces ant-
wortete: Jch kan mich schwer bereden lassen:
daß/ wo kein rechter Vorbedacht und Vorsatz
[Spaltenumbruch] sich zu verbinden gewest/ man so unauflößlich
verknipft sey; und daß das Gesetze sein Wort zu
halten keinen Absatz leide. Ja ich glaube viel-
mehr: daß desselben Zurück ziehung offtmals ei-
ne zuläßliche Klugheit/ zuweilen auch ruhms-
würdig sey. Solte jener Fürst wohl getadelt
werden können/ der bey Belägerung einer sich
hartnäckicht wehrenden Stadt auch biß auff die
Hunde Rache auszuüben schwur/ hernach aber
nur diese tödten/ die Menschen aber leben ließ?
Malovend begegnete ihm: Wenn ein Gelübde
und Versprechen auf was an sich selbst böses zie-
let/ und sich derogestalt selbst zum Laster macht/
bleibt solches so billich als eine Unmögligkeit zu-
rücke; wie hingegen man nach dem Beyspiele
der ihre Bitterkeiten vergüldender Aertzte durch
eine nützliche Unwarheit einem andern wol helf-
fen mag. Denn diese ist alsdenn so wenig für
eine Lüge/ als des Junius Brutus mit Gold er-
[f]üllter Stab für geringes Holtz/ und seine dem
Vaterlande zu Liebe angenommene Blödsin-
nigkeit für Betrügerey zu halten. Auser dem
wissen wir Deutschen von keinem zuläßlichen
Absatze; und verdammen fürnehmlich auch die
scheinbarsten Ausflüchte/ wenn es der/ mit dem
wir handeln/ anders verstanden und angenom-
men hat. Daher darf sich bey uns der fried-
brüchige Amasis nicht rühmen: daß er seinen
Eyd gehalten/ dardurch er geschworen mit den
Barseern so lange ruhig zu leben/ so lange die
Erde/ darauf sie stünden/ unbeweglich seyn wür-
de/ ungeachtet er selbten Platz hernach unter-
graben ließ/ daß sie unter sich fallen muste. E-
ben so unverantwortlich führten die Locrenser
die Sicilier hinters Licht; da sie in ihre Schuh
Erde/ und über ihre Achseln unter die Kleider
Zwiebel-Häupter versteckten/ und schwuren ih-
re Freunde zu bleiben/ so lange sie die Erde un-
ter ihren Füssen/ und die Köpffe auf den Achseln
haben würden. Und der Cyrenische Aristoto-
les meinte sich seines der Lais gethanen Ange-
löbnüsses liederlicher/ als sie selbst war/ loß zu

ma-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] moͤgen/ den er zu toͤdten Recht hat? Warlich/
wer in Staats-Sachen gar zu gerade zugehet/
wird dem gemeinen Weſen viel Unheil verurſa-
chen/ und ſich zum Gelaͤchter der Boßheit ma-
chen. Und duͤnckt mich: daß die/ welche mit
gar zu groſſem Eyver hierinnen verfahren/ eben
ſo ſehr verſtoſſen/ als der Bildhauer Demetrius;
welcher ſeine Saͤulen gar zu aͤhnlich nach dem
Leben machte/ hierdurch aber alle Annehmlig-
keit verderbte. So edel die Warheit an ihr
ſelbſt gleich iſt/ ſo laͤſt doch weder die eigene noch
die gemeine Wolfarth/ (welche erſtere der Na-
tur/ die andere das hoͤchſte buͤrgerliche Geſetze
iſt) allezeit zu mit der Warheit zur Thuͤre nein
fallen. Sie thut mehrmals groͤſſern Scha-
den/ als eine zwar gute/ aber zur Unzeit ge-
brauchte Artzney. Denn ſie iſt eine unter de-
nen drey guten Muͤttern/ welche ſo ungerathe-
ne Kinder zur Welt bringen; nemlich: ſie ge-
biehret Haß/ wie die Vertraͤuligkeit Verach-
tung/ und der Friede Unachtſamkeit. Malo-
vend antwortete: Ein kluger Fuͤrſt iſt wol nicht
ſchuldig alles zu ſagen/ was er im Schilde fuͤhrt;
Aber nichts ſoll er ſagen oder verſprechen/ was
nicht wahr/ oder er zu halten willens iſt. Durch
ſeine Verſchwiegenheit moͤgen ſich andere/ er
aber niemanden durch ſeine Worte betruͤgen;
noch er ſeiner Unwahrheit durch eine fpitzfin-
nige Auslegung eine Farbe der Wahrheit
anſtreichen. Dieſe haben die Alten mit einem
weiſſen Schleyer abgebildet; weil ſie keine Lar-
ve vertraͤgt. Daher auch diß/ was ohne lan-
gen Bedacht unvermuthet verſprochen wird/
nicht zuruͤck gezogen werden kan. Daher Aga-
memnon das unbedachtſame Geluͤbde ſeine
Tochter Jphigenia zu opffern nicht wiederruf-
fen wolte; und Cydippe ward von dem Wahr-
ſagungs-Geiſte verurtheilt diß zu halten/ was
Acontius auf eine Qvitte geſchrieben/ und ſie un-
vorſichtig nachgeleſen hatte. Rhemetalces ant-
wortete: Jch kan mich ſchwer bereden laſſen:
daß/ wo kein rechter Vorbedacht und Vorſatz
[Spaltenumbruch] ſich zu verbinden geweſt/ man ſo unaufloͤßlich
verknipft ſey; und daß das Geſetze ſein Wort zu
halten keinen Abſatz leide. Ja ich glaube viel-
mehr: daß deſſelben Zuruͤck ziehung offtmals ei-
ne zulaͤßliche Klugheit/ zuweilen auch ruhms-
wuͤrdig ſey. Solte jener Fuͤrſt wohl getadelt
werden koͤnnen/ der bey Belaͤgerung einer ſich
hartnaͤckicht wehrenden Stadt auch biß auff die
Hunde Rache auszuuͤben ſchwur/ hernach aber
nur dieſe toͤdten/ die Menſchen aber leben ließ?
Malovend begegnete ihm: Wenn ein Geluͤbde
und Verſprechen auf was an ſich ſelbſt boͤſes zie-
let/ und ſich derogeſtalt ſelbſt zum Laſter macht/
bleibt ſolches ſo billich als eine Unmoͤgligkeit zu-
ruͤcke; wie hingegen man nach dem Beyſpiele
der ihre Bitterkeiten verguͤldender Aertzte durch
eine nuͤtzliche Unwarheit einem andern wol helf-
fen mag. Denn dieſe iſt alsdenn ſo wenig fuͤr
eine Luͤge/ als des Junius Brutus mit Gold er-
[f]uͤllter Stab fuͤr geringes Holtz/ und ſeine dem
Vaterlande zu Liebe angenommene Bloͤdſin-
nigkeit fuͤr Betruͤgerey zu halten. Auſer dem
wiſſen wir Deutſchen von keinem zulaͤßlichen
Abſatze; und verdammen fuͤrnehmlich auch die
ſcheinbarſten Ausfluͤchte/ wenn es der/ mit dem
wir handeln/ anders verſtanden und angenom-
men hat. Daher darf ſich bey uns der fried-
bruͤchige Amaſis nicht ruͤhmen: daß er ſeinen
Eyd gehalten/ dardurch er geſchworen mit den
Barſeern ſo lange ruhig zu leben/ ſo lange die
Erde/ darauf ſie ſtuͤnden/ unbeweglich ſeyn wuͤr-
de/ ungeachtet er ſelbten Platz hernach unter-
graben ließ/ daß ſie unter ſich fallen muſte. E-
ben ſo unverantwortlich fuͤhrten die Locrenſer
die Sicilier hinters Licht; da ſie in ihre Schuh
Erde/ und uͤber ihre Achſeln unter die Kleider
Zwiebel-Haͤupter verſteckten/ und ſchwuren ih-
re Freunde zu bleiben/ ſo lange ſie die Erde un-
ter ihren Fuͤſſen/ und die Koͤpffe auf den Achſeln
haben wuͤrden. Und der Cyreniſche Ariſtoto-
les meinte ſich ſeines der Lais gethanen Ange-
loͤbnuͤſſes liederlicher/ als ſie ſelbſt war/ loß zu

ma-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0933" n="871[873]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
mo&#x0364;gen/ den er zu to&#x0364;dten Recht hat? Warlich/<lb/>
wer in Staats-Sachen gar zu gerade zugehet/<lb/>
wird dem gemeinen We&#x017F;en viel Unheil verur&#x017F;a-<lb/>
chen/ und &#x017F;ich zum Gela&#x0364;chter der Boßheit ma-<lb/>
chen. Und du&#x0364;nckt mich: daß die/ welche mit<lb/>
gar zu gro&#x017F;&#x017F;em Eyver hierinnen verfahren/ eben<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en/ als der Bildhauer Demetrius;<lb/>
welcher &#x017F;eine Sa&#x0364;ulen gar zu a&#x0364;hnlich nach dem<lb/>
Leben machte/ hierdurch aber alle Annehmlig-<lb/>
keit verderbte. So edel die Warheit an ihr<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t gleich i&#x017F;t/ &#x017F;o la&#x0364;&#x017F;t doch weder die eigene noch<lb/>
die gemeine Wolfarth/ (welche er&#x017F;tere der Na-<lb/>
tur/ die andere das ho&#x0364;ch&#x017F;te bu&#x0364;rgerliche Ge&#x017F;etze<lb/>
i&#x017F;t) allezeit zu mit der Warheit zur Thu&#x0364;re nein<lb/>
fallen. Sie thut mehrmals gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Scha-<lb/>
den/ als eine zwar gute/ aber zur Unzeit ge-<lb/>
brauchte Artzney. Denn &#x017F;ie i&#x017F;t eine unter de-<lb/>
nen drey guten Mu&#x0364;ttern/ welche &#x017F;o ungerathe-<lb/>
ne Kinder zur Welt bringen; nemlich: &#x017F;ie ge-<lb/>
biehret Haß/ wie die Vertra&#x0364;uligkeit Verach-<lb/>
tung/ und der Friede Unacht&#x017F;amkeit. Malo-<lb/>
vend antwortete: Ein kluger Fu&#x0364;r&#x017F;t i&#x017F;t wol nicht<lb/>
&#x017F;chuldig alles zu &#x017F;agen/ was er im Schilde fu&#x0364;hrt;<lb/>
Aber nichts &#x017F;oll er &#x017F;agen oder ver&#x017F;prechen/ was<lb/>
nicht wahr/ oder er zu halten willens i&#x017F;t. Durch<lb/>
&#x017F;eine Ver&#x017F;chwiegenheit mo&#x0364;gen &#x017F;ich andere/ er<lb/>
aber niemanden durch &#x017F;eine Worte betru&#x0364;gen;<lb/>
noch er &#x017F;einer Unwahrheit durch eine fpitzfin-<lb/>
nige Auslegung eine Farbe der Wahrheit<lb/>
an&#x017F;treichen. Die&#x017F;e haben die Alten mit einem<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;en Schleyer abgebildet; weil &#x017F;ie keine Lar-<lb/>
ve vertra&#x0364;gt. Daher auch diß/ was ohne lan-<lb/>
gen Bedacht unvermuthet ver&#x017F;prochen wird/<lb/>
nicht zuru&#x0364;ck gezogen werden kan. Daher Aga-<lb/>
memnon das unbedacht&#x017F;ame Gelu&#x0364;bde &#x017F;eine<lb/>
Tochter Jphigenia zu opffern nicht wiederruf-<lb/>
fen wolte; und Cydippe ward von dem Wahr-<lb/>
&#x017F;agungs-Gei&#x017F;te verurtheilt diß zu halten/ was<lb/>
Acontius auf eine Qvitte ge&#x017F;chrieben/ und &#x017F;ie un-<lb/>
vor&#x017F;ichtig nachgele&#x017F;en hatte. Rhemetalces ant-<lb/>
wortete: Jch kan mich &#x017F;chwer bereden la&#x017F;&#x017F;en:<lb/>
daß/ wo kein rechter Vorbedacht und Vor&#x017F;atz<lb/><cb/>
&#x017F;ich zu verbinden gewe&#x017F;t/ man &#x017F;o unauflo&#x0364;ßlich<lb/>
verknipft &#x017F;ey; und daß das Ge&#x017F;etze &#x017F;ein Wort zu<lb/>
halten keinen Ab&#x017F;atz leide. Ja ich glaube viel-<lb/>
mehr: daß de&#x017F;&#x017F;elben Zuru&#x0364;ck ziehung offtmals ei-<lb/>
ne zula&#x0364;ßliche Klugheit/ zuweilen auch ruhms-<lb/>
wu&#x0364;rdig &#x017F;ey. Solte jener Fu&#x0364;r&#x017F;t wohl getadelt<lb/>
werden ko&#x0364;nnen/ der bey Bela&#x0364;gerung einer &#x017F;ich<lb/>
hartna&#x0364;ckicht wehrenden Stadt auch biß auff die<lb/>
Hunde Rache auszuu&#x0364;ben &#x017F;chwur/ hernach aber<lb/>
nur die&#x017F;e to&#x0364;dten/ die Men&#x017F;chen aber leben ließ?<lb/>
Malovend begegnete ihm: Wenn ein Gelu&#x0364;bde<lb/>
und Ver&#x017F;prechen auf was an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t bo&#x0364;&#x017F;es zie-<lb/>
let/ und &#x017F;ich deroge&#x017F;talt &#x017F;elb&#x017F;t zum La&#x017F;ter macht/<lb/>
bleibt &#x017F;olches &#x017F;o billich als eine Unmo&#x0364;gligkeit zu-<lb/>
ru&#x0364;cke; wie hingegen man nach dem Bey&#x017F;piele<lb/>
der ihre Bitterkeiten vergu&#x0364;ldender Aertzte durch<lb/>
eine nu&#x0364;tzliche Unwarheit einem andern wol helf-<lb/>
fen mag. Denn die&#x017F;e i&#x017F;t alsdenn &#x017F;o wenig fu&#x0364;r<lb/>
eine Lu&#x0364;ge/ als des Junius Brutus mit Gold er-<lb/><supplied>f</supplied>u&#x0364;llter Stab fu&#x0364;r geringes Holtz/ und &#x017F;eine dem<lb/>
Vaterlande zu Liebe angenommene Blo&#x0364;d&#x017F;in-<lb/>
nigkeit fu&#x0364;r Betru&#x0364;gerey zu halten. Au&#x017F;er dem<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en wir Deut&#x017F;chen von keinem zula&#x0364;ßlichen<lb/>
Ab&#x017F;atze; und verdammen fu&#x0364;rnehmlich auch die<lb/>
&#x017F;cheinbar&#x017F;ten Ausflu&#x0364;chte/ wenn es der/ mit dem<lb/>
wir handeln/ anders ver&#x017F;tanden und angenom-<lb/>
men hat. Daher darf &#x017F;ich bey uns der fried-<lb/>
bru&#x0364;chige Ama&#x017F;is nicht ru&#x0364;hmen: daß er &#x017F;einen<lb/>
Eyd gehalten/ dardurch er ge&#x017F;chworen mit den<lb/>
Bar&#x017F;eern &#x017F;o lange ruhig zu leben/ &#x017F;o lange die<lb/>
Erde/ darauf &#x017F;ie &#x017F;tu&#x0364;nden/ unbeweglich &#x017F;eyn wu&#x0364;r-<lb/>
de/ ungeachtet er &#x017F;elbten Platz hernach unter-<lb/>
graben ließ/ daß &#x017F;ie unter &#x017F;ich fallen mu&#x017F;te. E-<lb/>
ben &#x017F;o unverantwortlich fu&#x0364;hrten die Locren&#x017F;er<lb/>
die Sicilier hinters Licht; da &#x017F;ie in ihre Schuh<lb/>
Erde/ und u&#x0364;ber ihre Ach&#x017F;eln unter die Kleider<lb/>
Zwiebel-Ha&#x0364;upter ver&#x017F;teckten/ und &#x017F;chwuren ih-<lb/>
re Freunde zu bleiben/ &#x017F;o lange &#x017F;ie die Erde un-<lb/>
ter ihren Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ und die Ko&#x0364;pffe auf den Ach&#x017F;eln<lb/>
haben wu&#x0364;rden. Und der Cyreni&#x017F;che Ari&#x017F;toto-<lb/>
les meinte &#x017F;ich &#x017F;eines der Lais gethanen Ange-<lb/>
lo&#x0364;bnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;es liederlicher/ als &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t war/ loß zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ma-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[871[873]/0933] Arminius und Thußnelda. moͤgen/ den er zu toͤdten Recht hat? Warlich/ wer in Staats-Sachen gar zu gerade zugehet/ wird dem gemeinen Weſen viel Unheil verurſa- chen/ und ſich zum Gelaͤchter der Boßheit ma- chen. Und duͤnckt mich: daß die/ welche mit gar zu groſſem Eyver hierinnen verfahren/ eben ſo ſehr verſtoſſen/ als der Bildhauer Demetrius; welcher ſeine Saͤulen gar zu aͤhnlich nach dem Leben machte/ hierdurch aber alle Annehmlig- keit verderbte. So edel die Warheit an ihr ſelbſt gleich iſt/ ſo laͤſt doch weder die eigene noch die gemeine Wolfarth/ (welche erſtere der Na- tur/ die andere das hoͤchſte buͤrgerliche Geſetze iſt) allezeit zu mit der Warheit zur Thuͤre nein fallen. Sie thut mehrmals groͤſſern Scha- den/ als eine zwar gute/ aber zur Unzeit ge- brauchte Artzney. Denn ſie iſt eine unter de- nen drey guten Muͤttern/ welche ſo ungerathe- ne Kinder zur Welt bringen; nemlich: ſie ge- biehret Haß/ wie die Vertraͤuligkeit Verach- tung/ und der Friede Unachtſamkeit. Malo- vend antwortete: Ein kluger Fuͤrſt iſt wol nicht ſchuldig alles zu ſagen/ was er im Schilde fuͤhrt; Aber nichts ſoll er ſagen oder verſprechen/ was nicht wahr/ oder er zu halten willens iſt. Durch ſeine Verſchwiegenheit moͤgen ſich andere/ er aber niemanden durch ſeine Worte betruͤgen; noch er ſeiner Unwahrheit durch eine fpitzfin- nige Auslegung eine Farbe der Wahrheit anſtreichen. Dieſe haben die Alten mit einem weiſſen Schleyer abgebildet; weil ſie keine Lar- ve vertraͤgt. Daher auch diß/ was ohne lan- gen Bedacht unvermuthet verſprochen wird/ nicht zuruͤck gezogen werden kan. Daher Aga- memnon das unbedachtſame Geluͤbde ſeine Tochter Jphigenia zu opffern nicht wiederruf- fen wolte; und Cydippe ward von dem Wahr- ſagungs-Geiſte verurtheilt diß zu halten/ was Acontius auf eine Qvitte geſchrieben/ und ſie un- vorſichtig nachgeleſen hatte. Rhemetalces ant- wortete: Jch kan mich ſchwer bereden laſſen: daß/ wo kein rechter Vorbedacht und Vorſatz ſich zu verbinden geweſt/ man ſo unaufloͤßlich verknipft ſey; und daß das Geſetze ſein Wort zu halten keinen Abſatz leide. Ja ich glaube viel- mehr: daß deſſelben Zuruͤck ziehung offtmals ei- ne zulaͤßliche Klugheit/ zuweilen auch ruhms- wuͤrdig ſey. Solte jener Fuͤrſt wohl getadelt werden koͤnnen/ der bey Belaͤgerung einer ſich hartnaͤckicht wehrenden Stadt auch biß auff die Hunde Rache auszuuͤben ſchwur/ hernach aber nur dieſe toͤdten/ die Menſchen aber leben ließ? Malovend begegnete ihm: Wenn ein Geluͤbde und Verſprechen auf was an ſich ſelbſt boͤſes zie- let/ und ſich derogeſtalt ſelbſt zum Laſter macht/ bleibt ſolches ſo billich als eine Unmoͤgligkeit zu- ruͤcke; wie hingegen man nach dem Beyſpiele der ihre Bitterkeiten verguͤldender Aertzte durch eine nuͤtzliche Unwarheit einem andern wol helf- fen mag. Denn dieſe iſt alsdenn ſo wenig fuͤr eine Luͤge/ als des Junius Brutus mit Gold er- fuͤllter Stab fuͤr geringes Holtz/ und ſeine dem Vaterlande zu Liebe angenommene Bloͤdſin- nigkeit fuͤr Betruͤgerey zu halten. Auſer dem wiſſen wir Deutſchen von keinem zulaͤßlichen Abſatze; und verdammen fuͤrnehmlich auch die ſcheinbarſten Ausfluͤchte/ wenn es der/ mit dem wir handeln/ anders verſtanden und angenom- men hat. Daher darf ſich bey uns der fried- bruͤchige Amaſis nicht ruͤhmen: daß er ſeinen Eyd gehalten/ dardurch er geſchworen mit den Barſeern ſo lange ruhig zu leben/ ſo lange die Erde/ darauf ſie ſtuͤnden/ unbeweglich ſeyn wuͤr- de/ ungeachtet er ſelbten Platz hernach unter- graben ließ/ daß ſie unter ſich fallen muſte. E- ben ſo unverantwortlich fuͤhrten die Locrenſer die Sicilier hinters Licht; da ſie in ihre Schuh Erde/ und uͤber ihre Achſeln unter die Kleider Zwiebel-Haͤupter verſteckten/ und ſchwuren ih- re Freunde zu bleiben/ ſo lange ſie die Erde un- ter ihren Fuͤſſen/ und die Koͤpffe auf den Achſeln haben wuͤrden. Und der Cyreniſche Ariſtoto- les meinte ſich ſeines der Lais gethanen Ange- loͤbnuͤſſes liederlicher/ als ſie ſelbſt war/ loß zu ma-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/933
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 871[873]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/933>, abgerufen am 25.11.2024.