Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
so dünckt mich doch: daß ihr letzteres Beginnendas aller merckwürdigste/ und eine rechte Fürst- liche Tugend sey. Sintemal Treu und Glau- ben das heiligste Gut des menschlichen Ge- schlechtes; ein Ancker des gemeinen Wesens/ ein Band aller Völcker/ ein Ehren-Krantz der Fürsten/ eine Schwester der Gerechtigkeit/ und eine in den Seelen ingeheim wohnende Gott- heit ist. Weßwegen die Römer billich ihr Bild harte neben den Capitolinischen Jupiter gesetzt haben; weil sie so wol als er ein Schutz-Gott der Sterblichen ist; ohne welche keine Gemein- schafft unter den Menschen bestehen/ und keine Zwytracht geschlichtet werden kan. Die Kö- nigin Erato brach ein: Ob ich wol meines Ge- schlechtes halber ihrer Keuschheit das Wort re- den solte; bezwingen mich doch die Umstände des Fürstin Zeno Urthel beyzupflichten. Sin- temal niemand der Fürsten Chiomara übel aus- gedeutet haben würde; wenn sie gleich bey ihrer erlangten Freyheit das ihr in Band und Eisen zu versprechen abgezwungene Lösegeld hinter- halten hätte. Die Fürstin Jsmene setzte ihr entgegen: Jch bin gantz widriger Meinung; und halte mit meinen Landesleuten darfür: daß man auch untreuen Leuten/ und diß/ was man aus euserster Furcht versprochen/ zu halten schuldig sey. Sintemal ein gezwungener Wil- len dennoch eine Verwilligung/ und das ver- sprochene beschwerliche in Ansehung des über- hobenen grössern Ubels nichts minder als die Auswerffung der Waaren ins Meer gegen dem Verluste des Lebens und Schiffes etwas gutes und verlangliches ist. Rhemetalces nahm sich der Königin an: Er bescheidete sich wol: daß diß/ was in öffentlichem Kriege ein Feind den andern verspräche/ das Völcker-Recht heilig ge- halten wissen wolte; und zwar auch gegen den/ der schon einmal Bund- und eydbrüchig worden wäre. Helvius aber wäre in seinem Thun nur für einen Räuber und Mörder zu halten/ derogleichen Leute des allgemeinen Völcker- [Spaltenumbruch] Rechts nicht fähig wären. Malovend fiel Js- menen zu: Jch weiß wol: daß dieser Fürwand eines der Schliplöcher sey; dardurch eine aus den Schlingen ihrer Angelöbnüsse sich schein- bar zu reissen gedencken. Alleine wenn solche Leute keines Rechtes genüssen solten/ würde an eines Räubers Ehweibe kein Ehbruch/ und an seinem rechtmäßigen Gute kein Diebstal be- gangen werden können. Rhemetalces fiel ein: Eben so wenig/ als an ihm selbst ein straffbarer Todschlag. Sintemal ich dem vielmehr Eh- re und Vermögen zu nehmen berechtiget bin/ über dessen Leben ich Gewalt habe. Malovend antwortete: Es ist diß ein zu strenger und ge- fährlicher Schluß. Denn ob zwar zwischen einem offentlichen Feinde/ und einem Räuber ein grosser Unterscheid/ auch zweyerley Recht ist; so hat doch dieser nicht so gleich den Men- schen ausgezogen/ noch sich aller in der Natur gegründeten Rechte verlustig gemacht. Das Völcker-Recht eignet den Herren über ihre Leibeigene das Recht des Lebens und Todes zu. Gleichwol aber war keiner/ der nicht denen in den Pasikischen Tempel geflohenen Knechten sein Wort hielt. Hingegen straffte die göttli- che Rache sichtbarer der Spartaner an denen Tenarensischen Leibeigenen wider ihren Ver- gleich verübte Mordthat. Soll ich einem Räu- ber sein mir anvertrautes Gut wieder zustellen? Soll ich einem Mörder/ der mir den rechten Weg weist/ den versprochenen Lohn nicht geben? Jn alle wege/ meine ich. Denn er höret gegen mir auf ein Ubelthäter zu seyn. Und das un- rechte Besitzthum eines andern eignet mir nicht bald eine Berechtsamkeit ihm solches zu entfrem- den zu. Rhemetalces versetzte: Hier aber hat Helvius/ der mit Gewalt der Chiomara Ver- sprechen erzwungen/ das Lösegeld abgeheischen. Ja/ sagte Malovend/ aber auch gegen eben diese sind wir es zu halten schuldig; weil es in unserm Willen und Vermögen gestanden solches zuzu- sagen. Denn ob wol die Obrigkeit einen sol- chen R r r r r 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſo duͤnckt mich doch: daß ihr letzteres Beginnendas aller merckwuͤrdigſte/ und eine rechte Fuͤrſt- liche Tugend ſey. Sintemal Treu und Glau- ben das heiligſte Gut des menſchlichen Ge- ſchlechtes; ein Ancker des gemeinen Weſens/ ein Band aller Voͤlcker/ ein Ehren-Krantz der Fuͤrſten/ eine Schweſter der Gerechtigkeit/ und eine in den Seelen ingeheim wohnende Gott- heit iſt. Weßwegen die Roͤmer billich ihr Bild harte neben den Capitoliniſchen Jupiter geſetzt haben; weil ſie ſo wol als er ein Schutz-Gott der Sterblichen iſt; ohne welche keine Gemein- ſchafft unter den Menſchen beſtehen/ und keine Zwytracht geſchlichtet werden kan. Die Koͤ- nigin Erato brach ein: Ob ich wol meines Ge- ſchlechtes halber ihrer Keuſchheit das Wort re- den ſolte; bezwingen mich doch die Umſtaͤnde des Fuͤrſtin Zeno Urthel beyzupflichten. Sin- temal niemand der Fuͤrſten Chiomara uͤbel aus- gedeutet haben wuͤrde; wenn ſie gleich bey ihrer erlangten Freyheit das ihr in Band und Eiſen zu verſprechen abgezwungene Loͤſegeld hinter- halten haͤtte. Die Fuͤrſtin Jſmene ſetzte ihr entgegen: Jch bin gantz widriger Meinung; und halte mit meinen Landesleuten darfuͤr: daß man auch untreuen Leuten/ und diß/ was man aus euſerſter Furcht verſprochen/ zu halten ſchuldig ſey. Sintemal ein gezwungener Wil- len dennoch eine Verwilligung/ und das ver- ſprochene beſchwerliche in Anſehung des uͤber- hobenen groͤſſern Ubels nichts minder als die Auswerffung der Waaren ins Meer gegen dem Verluſte des Lebens und Schiffes etwas gutes und verlangliches iſt. Rhemetalces nahm ſich der Koͤnigin an: Er beſcheidete ſich wol: daß diß/ was in oͤffentlichem Kriege ein Feind den andern verſpraͤche/ das Voͤlcker-Recht heilig ge- halten wiſſen wolte; und zwar auch gegen den/ der ſchon einmal Bund- und eydbruͤchig worden waͤre. Helvius aber waͤre in ſeinem Thun nur fuͤr einen Raͤuber und Moͤrder zu halten/ derogleichen Leute des allgemeinen Voͤlcker- [Spaltenumbruch] Rechts nicht faͤhig waͤren. Malovend fiel Jſ- menen zu: Jch weiß wol: daß dieſer Fuͤrwand eines der Schliploͤcher ſey; dardurch eine aus den Schlingen ihrer Angeloͤbnuͤſſe ſich ſchein- bar zu reiſſen gedencken. Alleine wenn ſolche Leute keines Rechtes genuͤſſen ſolten/ wuͤrde an eines Raͤubers Ehweibe kein Ehbruch/ und an ſeinem rechtmaͤßigen Gute kein Diebſtal be- gangen werden koͤnnen. Rhemetalces fiel ein: Eben ſo wenig/ als an ihm ſelbſt ein ſtraffbarer Todſchlag. Sintemal ich dem vielmehr Eh- re und Vermoͤgen zu nehmen berechtiget bin/ uͤber deſſen Leben ich Gewalt habe. Malovend antwortete: Es iſt diß ein zu ſtrenger und ge- faͤhrlicher Schluß. Denn ob zwar zwiſchen einem offentlichen Feinde/ und einem Raͤuber ein groſſer Unterſcheid/ auch zweyerley Recht iſt; ſo hat doch dieſer nicht ſo gleich den Men- ſchen ausgezogen/ noch ſich aller in der Natur gegruͤndeten Rechte verluſtig gemacht. Das Voͤlcker-Recht eignet den Herren uͤber ihre Leibeigene das Recht des Lebens und Todes zu. Gleichwol aber war keiner/ der nicht denen in den Paſikiſchen Tempel geflohenen Knechten ſein Wort hielt. Hingegen ſtraffte die goͤttli- che Rache ſichtbarer der Spartaner an denen Tenarenſiſchen Leibeigenen wider ihren Ver- gleich veruͤbte Mordthat. Soll ich einem Raͤu- ber ſein mir anvertrautes Gut wieder zuſtellen? Soll ich einem Moͤrder/ der mir den rechten Weg weiſt/ den verſprochenen Lohn nicht geben? Jn alle wege/ meine ich. Denn er hoͤret gegen mir auf ein Ubelthaͤter zu ſeyn. Und das un- rechte Beſitzthum eines andern eignet mir nicht bald eine Berechtſamkeit ihm ſolches zu entfꝛem- den zu. Rhemetalces verſetzte: Hier aber hat Helvius/ der mit Gewalt der Chiomara Ver- ſprechen erzwungen/ das Loͤſegeld abgeheiſchen. Ja/ ſagte Malovend/ aber auch gegen eben dieſe ſind wir es zu halten ſchuldig; weil es in unſerm Willen und Vermoͤgen geſtanden ſolches zuzu- ſagen. Denn ob wol die Obrigkeit einen ſol- chen R r r r r 3
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Arminius und Thußnelda.
ſo duͤnckt mich doch: daß ihr letzteres Beginnen
das aller merckwuͤrdigſte/ und eine rechte Fuͤrſt-
liche Tugend ſey. Sintemal Treu und Glau-
ben das heiligſte Gut des menſchlichen Ge-
ſchlechtes; ein Ancker des gemeinen Weſens/
ein Band aller Voͤlcker/ ein Ehren-Krantz der
Fuͤrſten/ eine Schweſter der Gerechtigkeit/ und
eine in den Seelen ingeheim wohnende Gott-
heit iſt. Weßwegen die Roͤmer billich ihr Bild
harte neben den Capitoliniſchen Jupiter geſetzt
haben; weil ſie ſo wol als er ein Schutz-Gott
der Sterblichen iſt; ohne welche keine Gemein-
ſchafft unter den Menſchen beſtehen/ und keine
Zwytracht geſchlichtet werden kan. Die Koͤ-
nigin Erato brach ein: Ob ich wol meines Ge-
ſchlechtes halber ihrer Keuſchheit das Wort re-
den ſolte; bezwingen mich doch die Umſtaͤnde
des Fuͤrſtin Zeno Urthel beyzupflichten. Sin-
temal niemand der Fuͤrſten Chiomara uͤbel aus-
gedeutet haben wuͤrde; wenn ſie gleich bey ihrer
erlangten Freyheit das ihr in Band und Eiſen
zu verſprechen abgezwungene Loͤſegeld hinter-
halten haͤtte. Die Fuͤrſtin Jſmene ſetzte ihr
entgegen: Jch bin gantz widriger Meinung;
und halte mit meinen Landesleuten darfuͤr: daß
man auch untreuen Leuten/ und diß/ was man
aus euſerſter Furcht verſprochen/ zu halten
ſchuldig ſey. Sintemal ein gezwungener Wil-
len dennoch eine Verwilligung/ und das ver-
ſprochene beſchwerliche in Anſehung des uͤber-
hobenen groͤſſern Ubels nichts minder als die
Auswerffung der Waaren ins Meer gegen
dem Verluſte des Lebens und Schiffes etwas
gutes und verlangliches iſt. Rhemetalces nahm
ſich der Koͤnigin an: Er beſcheidete ſich wol: daß
diß/ was in oͤffentlichem Kriege ein Feind den
andern verſpraͤche/ das Voͤlcker-Recht heilig ge-
halten wiſſen wolte; und zwar auch gegen den/
der ſchon einmal Bund- und eydbruͤchig worden
waͤre. Helvius aber waͤre in ſeinem Thun
nur fuͤr einen Raͤuber und Moͤrder zu halten/
derogleichen Leute des allgemeinen Voͤlcker-
Rechts nicht faͤhig waͤren. Malovend fiel Jſ-
menen zu: Jch weiß wol: daß dieſer Fuͤrwand
eines der Schliploͤcher ſey; dardurch eine aus
den Schlingen ihrer Angeloͤbnuͤſſe ſich ſchein-
bar zu reiſſen gedencken. Alleine wenn ſolche
Leute keines Rechtes genuͤſſen ſolten/ wuͤrde an
eines Raͤubers Ehweibe kein Ehbruch/ und an
ſeinem rechtmaͤßigen Gute kein Diebſtal be-
gangen werden koͤnnen. Rhemetalces fiel ein:
Eben ſo wenig/ als an ihm ſelbſt ein ſtraffbarer
Todſchlag. Sintemal ich dem vielmehr Eh-
re und Vermoͤgen zu nehmen berechtiget bin/
uͤber deſſen Leben ich Gewalt habe. Malovend
antwortete: Es iſt diß ein zu ſtrenger und ge-
faͤhrlicher Schluß. Denn ob zwar zwiſchen
einem offentlichen Feinde/ und einem Raͤuber
ein groſſer Unterſcheid/ auch zweyerley Recht
iſt; ſo hat doch dieſer nicht ſo gleich den Men-
ſchen ausgezogen/ noch ſich aller in der Natur
gegruͤndeten Rechte verluſtig gemacht. Das
Voͤlcker-Recht eignet den Herren uͤber ihre
Leibeigene das Recht des Lebens und Todes zu.
Gleichwol aber war keiner/ der nicht denen in
den Paſikiſchen Tempel geflohenen Knechten
ſein Wort hielt. Hingegen ſtraffte die goͤttli-
che Rache ſichtbarer der Spartaner an denen
Tenarenſiſchen Leibeigenen wider ihren Ver-
gleich veruͤbte Mordthat. Soll ich einem Raͤu-
ber ſein mir anvertrautes Gut wieder zuſtellen?
Soll ich einem Moͤrder/ der mir den rechten
Weg weiſt/ den verſprochenen Lohn nicht geben?
Jn alle wege/ meine ich. Denn er hoͤret gegen
mir auf ein Ubelthaͤter zu ſeyn. Und das un-
rechte Beſitzthum eines andern eignet mir nicht
bald eine Berechtſamkeit ihm ſolches zu entfꝛem-
den zu. Rhemetalces verſetzte: Hier aber hat
Helvius/ der mit Gewalt der Chiomara Ver-
ſprechen erzwungen/ das Loͤſegeld abgeheiſchen.
Ja/ ſagte Malovend/ aber auch gegen eben dieſe
ſind wir es zu halten ſchuldig; weil es in unſerm
Willen und Vermoͤgen geſtanden ſolches zuzu-
ſagen. Denn ob wol die Obrigkeit einen ſol-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 869[871]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/931>, abgerufen am 03.07.2024. |