Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
Pergamenische Schützen über die Steinklip-pen geleitet ward; und also die Tolostobogier ihre Macht an viele Orte zertheilen musten. Also ward das Gebürge mit grosser Beute ero- bert/ und blieben biß an 10000. streitbare Män- ner; welche aber grösten Theils sich von den Klippen herab stürtzten/ um der Schande der Dienstbarkeit zu entfliehen. Die wenigen a- ber/ die in der Feinde Hände fielen/ bissen für Ungedult mit den Zähnen in die sie schlüssen den Ketten/ reckten ihre Gurgeln begierig den Stri- cken und Schwerdtern dar/ und fleheten ihre Wächter um ihre Hinrichtung mit Thränen an. Gleichwol schlug sich König Orgiago mit etwan 7000. Mann durch; Alleine seine Ge- mahlin Chiomara ward mit noch wol 40000. Weib und Kindern gefangen. Diese/ als Man- lius wider die Tectosager fortrückte/ ward in der Stadt Ancyra einem Hauptmanne Helvius zu verwachen anvertrauet; welcher ihrer un- vergleichlichen Schönheit halber in so tolle Brunst verfiel: daß/ als er durch keine Liebkos- und Vertröstungen ihre keusche Seele zu sei- nem geilen Willen bewegen konte/ sie in Fessel schloß/ und mit Gewalt nothzüchtigte. Uber diß verleitete ihn der Geitz: daß er ihr gegen ein Attisch Talent Goldes heimlich aus dem Ge- fängnüß zu helffen mit ihr eines/ auch einer ihrer Knechte von ihrem Ehherren das Lösegeld ab- zuholen abgeschickt ward. Dieser kam mit ei- nem Gefärthen/ und dem Golde auf bestimmte Zeit; Helvius und seiner Kriegsknechte einer an dem Flusse Hylas an. Die Königin Chio- mara befahl in ihrer Sprache alsbald ihren Knechten: daß sie/ wenn Helvius das Gold ab- wägen würde/ ihn durchstechen solten. Wel- ches glücklich vollzogen/ dem andern Römer a- ber gleichwol das Lösegeld gefolgt/ und die Ur- sache solcher Rache zu verstehen gegeben ward. Chiomara er grif hier auff selbst die Sebel/ hieb dem Helvius den Kopf ab; hüllte ihn in ihr Kleid; und legte ihn hernach zu den Füssen ihres [Spaltenumbruch] Königes; welchem sie mit Thränen ihre Ver- unehrung eröffnete; welche sie mit nichts als des Schänders Blute abzuwischen gewüst hätte. O der unvergleichlichen Heldin! fing die Köni- gin Erato an; in welcher Keuschheit/ Großmü- thigkeit und Redlichkeit mit einander um den Siegs-Krantz streiten. Verkriecht euch ihr Römer mit euer Lucretien; und lasset sie als eine beschämte Dienerin dieser Deutschen Fürstin den Schirm nachtragen. Jener verzagte Seele willigte aus Furcht des doch hernach er- wehlten Todes in des Tarqvinius Veruneh- rung; bey der Chiomara aber leiden des Helvius Schand-That nur die in Stahl/ und Eisen sich nicht zu rühren mächtige Glieder. Jhre feu- rige Augen/ ihre sprüende Zunge/ ihre knir- schende Zähne/ ihr sich windender Leib/ dünckt mich/ geben noch ihre Abscheu für dem un- menschlichen Laster zu verstehen. Lucretie schämt sich ihres Fehlers; ja sie läst sich die Schande so gar in eine unvernünfftige Ver- zweiffelung stürtzen: daß sie das Laster nicht an dessen Uhrheber/ sondern an ihr selbst strafft; und ihre Schamröthe mit ihrem eigenen Blute abwäscht. Wie viel hertzhaffter aber rächet Chiomara an dem Ehrenschänder Helvius ihr Unrecht. Der Himmel verleihet ihr über ihn einen so herrlichen Sieg: daß sie seine stinckende Leiche zu ihres beleidigten Ehmanns Füssen le- gen; und seine Schandflecken zum Wahrzei- chen ihrer unbesudelten Keuschheit angewehren kan. Lucretie zwinget ihren Ehmann und Vater durch einen Eyd ihre Beschimpffung an denen Tarqviniern/ und also auch an denen zu rächen: die an solcher That keine Schuld hatten. Die aufrichtige Chiomara aber hält auch ihren Feinden Treu und Glauben; und zählet das dem Nothzüchtiger zum Lösegelde versprochene Gold auch in ihrer Freyheit aus. Es ist wahr/ versetzte Zeno: daß Chiomara ein Beyspiel sey/ das nicht seines gleichen habe. Wie hochschätz- bar nun ihre Keuschheit und Hertzhafftigkeit ist; so
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
Pergameniſche Schuͤtzen uͤber die Steinklip-pen geleitet ward; und alſo die Toloſtobogier ihre Macht an viele Orte zertheilen muſten. Alſo ward das Gebuͤrge mit groſſer Beute ero- bert/ und blieben biß an 10000. ſtreitbare Maͤn- ner; welche aber groͤſten Theils ſich von den Klippen herab ſtuͤrtzten/ um der Schande der Dienſtbarkeit zu entfliehen. Die wenigen a- ber/ die in der Feinde Haͤnde fielen/ biſſen fuͤr Ungedult mit den Zaͤhnen in die ſie ſchluͤſſen den Ketten/ reckten ihre Gurgeln begierig den Stri- cken und Schwerdtern dar/ und fleheten ihre Waͤchter um ihre Hinrichtung mit Thraͤnen an. Gleichwol ſchlug ſich Koͤnig Orgiago mit etwan 7000. Mann durch; Alleine ſeine Ge- mahlin Chiomara ward mit noch wol 40000. Weib und Kindern gefangen. Dieſe/ als Man- lius wider die Tectoſager fortruͤckte/ ward in der Stadt Ancyra einem Hauptmanne Helvius zu verwachen anvertrauet; welcher ihrer un- vergleichlichen Schoͤnheit halber in ſo tolle Brunſt verfiel: daß/ als er durch keine Liebkoſ- und Vertroͤſtungen ihre keuſche Seele zu ſei- nem geilen Willen bewegen konte/ ſie in Feſſel ſchloß/ und mit Gewalt nothzuͤchtigte. Uber diß verleitete ihn der Geitz: daß er ihr gegen ein Attiſch Talent Goldes heimlich aus dem Ge- faͤngnuͤß zu helffen mit ihr eines/ auch einer ihrer Knechte von ihrem Ehherren das Loͤſegeld ab- zuholen abgeſchickt ward. Dieſer kam mit ei- nem Gefaͤrthen/ und dem Golde auf beſtimmte Zeit; Helvius und ſeiner Kriegsknechte einer an dem Fluſſe Hylas an. Die Koͤnigin Chio- mara befahl in ihrer Sprache alsbald ihren Knechten: daß ſie/ wenn Helvius das Gold ab- waͤgen wuͤrde/ ihn durchſtechen ſolten. Wel- ches gluͤcklich vollzogen/ dem andern Roͤmer a- ber gleichwol das Loͤſegeld gefolgt/ und die Ur- ſache ſolcher Rache zu verſtehen gegeben ward. Chiomara er grif hier auff ſelbſt die Sebel/ hieb dem Helvius den Kopf ab; huͤllte ihn in ihr Kleid; und legte ihn hernach zu den Fuͤſſen ihres [Spaltenumbruch] Koͤniges; welchem ſie mit Thraͤnen ihre Ver- unehrung eroͤffnete; welche ſie mit nichts als des Schaͤnders Blute abzuwiſchen gewuͤſt haͤtte. O der unvergleichlichen Heldin! fing die Koͤni- gin Erato an; in welcher Keuſchheit/ Großmuͤ- thigkeit und Redlichkeit mit einander um den Siegs-Krantz ſtreiten. Verkriecht euch ihr Roͤmer mit euer Lucretien; und laſſet ſie als eine beſchaͤmte Dienerin dieſer Deutſchen Fuͤrſtin den Schirm nachtragen. Jener verzagte Seele willigte aus Furcht des doch hernach er- wehlten Todes in des Tarqvinius Veruneh- rung; bey der Chiomara aber leiden des Helvius Schand-That nur die in Stahl/ und Eiſen ſich nicht zu ruͤhren maͤchtige Glieder. Jhre feu- rige Augen/ ihre ſpruͤende Zunge/ ihre knir- ſchende Zaͤhne/ ihr ſich windender Leib/ duͤnckt mich/ geben noch ihre Abſcheu fuͤr dem un- menſchlichen Laſter zu verſtehen. Lucretie ſchaͤmt ſich ihres Fehlers; ja ſie laͤſt ſich die Schande ſo gar in eine unvernuͤnfftige Ver- zweiffelung ſtuͤrtzen: daß ſie das Laſter nicht an deſſen Uhrheber/ ſondern an ihr ſelbſt ſtrafft; und ihre Schamroͤthe mit ihrem eigenen Blute abwaͤſcht. Wie viel hertzhaffter aber raͤchet Chiomara an dem Ehrenſchaͤnder Helvius ihr Unrecht. Der Himmel verleihet ihr uͤber ihn einen ſo herrlichen Sieg: daß ſie ſeine ſtinckende Leiche zu ihres beleidigten Ehmanns Fuͤſſen le- gen; und ſeine Schandflecken zum Wahrzei- chen ihrer unbeſudelten Keuſchheit angewehren kan. Lucretie zwinget ihren Ehmann und Vater durch einen Eyd ihre Beſchimpffung an denen Tarqviniern/ und alſo auch an denen zu raͤchen: die an ſolcher That keine Schuld hatten. Die aufrichtige Chiomara aber haͤlt auch ihren Feinden Treu und Glauben; und zaͤhlet das dem Nothzuͤchtiger zum Loͤſegelde verſprochene Gold auch in ihrer Freyheit aus. Es iſt wahr/ verſetzte Zeno: daß Chiomara ein Beyſpiel ſey/ das nicht ſeines gleichen habe. Wie hochſchaͤtz- bar nun ihre Keuſchheit und Hertzhafftigkeit iſt; ſo
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0930" n="868[870]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sechſtes Buch</hi></fw><lb/><cb/> Pergameniſche Schuͤtzen uͤber die Steinklip-<lb/> pen geleitet ward; und alſo die Toloſtobogier<lb/> ihre Macht an viele Orte zertheilen muſten.<lb/> Alſo ward das Gebuͤrge mit groſſer Beute ero-<lb/> bert/ und blieben biß an 10000. ſtreitbare Maͤn-<lb/> ner; welche aber groͤſten Theils ſich von den<lb/> Klippen herab ſtuͤrtzten/ um der Schande der<lb/> Dienſtbarkeit zu entfliehen. Die wenigen a-<lb/> ber/ die in der Feinde Haͤnde fielen/ biſſen fuͤr<lb/> Ungedult mit den Zaͤhnen in die ſie ſchluͤſſen den<lb/> Ketten/ reckten ihre Gurgeln begierig den Stri-<lb/> cken und Schwerdtern dar/ und fleheten ihre<lb/> Waͤchter um ihre Hinrichtung mit Thraͤnen<lb/> an. Gleichwol ſchlug ſich Koͤnig Orgiago mit<lb/> etwan 7000. Mann durch; Alleine ſeine Ge-<lb/> mahlin Chiomara ward mit noch wol 40000.<lb/> Weib und Kindern gefangen. Dieſe/ als Man-<lb/> lius wider die Tectoſager fortruͤckte/ ward in der<lb/> Stadt Ancyra einem Hauptmanne Helvius<lb/> zu verwachen anvertrauet; welcher ihrer un-<lb/> vergleichlichen Schoͤnheit halber in ſo tolle<lb/> Brunſt verfiel: daß/ als er durch keine Liebkoſ-<lb/> und Vertroͤſtungen ihre keuſche Seele zu ſei-<lb/> nem geilen Willen bewegen konte/ ſie in Feſſel<lb/> ſchloß/ und mit Gewalt nothzuͤchtigte. Uber<lb/> diß verleitete ihn der Geitz: daß er ihr gegen ein<lb/> Attiſch Talent Goldes heimlich aus dem Ge-<lb/> faͤngnuͤß zu helffen mit ihr eines/ auch einer ihrer<lb/> Knechte von ihrem Ehherren das Loͤſegeld ab-<lb/> zuholen abgeſchickt ward. Dieſer kam mit ei-<lb/> nem Gefaͤrthen/ und dem Golde auf beſtimmte<lb/> Zeit; Helvius und ſeiner Kriegsknechte einer<lb/> an dem Fluſſe Hylas an. Die Koͤnigin Chio-<lb/> mara befahl in ihrer Sprache alsbald ihren<lb/> Knechten: daß ſie/ wenn Helvius das Gold ab-<lb/> waͤgen wuͤrde/ ihn durchſtechen ſolten. Wel-<lb/> ches gluͤcklich vollzogen/ dem andern Roͤmer a-<lb/> ber gleichwol das Loͤſegeld gefolgt/ und die Ur-<lb/> ſache ſolcher Rache zu verſtehen gegeben ward.<lb/> Chiomara er grif hier auff ſelbſt die Sebel/ hieb<lb/> dem Helvius den Kopf ab; huͤllte ihn in ihr<lb/> Kleid; und legte ihn hernach zu den Fuͤſſen ihres<lb/><cb/> Koͤniges; welchem ſie mit Thraͤnen ihre Ver-<lb/> unehrung eroͤffnete; welche ſie mit nichts als des<lb/> Schaͤnders Blute abzuwiſchen gewuͤſt haͤtte.<lb/> O der unvergleichlichen Heldin! fing die Koͤni-<lb/> gin Erato an; in welcher Keuſchheit/ Großmuͤ-<lb/> thigkeit und Redlichkeit mit einander um den<lb/> Siegs-Krantz ſtreiten. Verkriecht euch ihr<lb/> Roͤmer mit euer Lucretien; und laſſet ſie als eine<lb/> beſchaͤmte Dienerin dieſer Deutſchen Fuͤrſtin<lb/> den Schirm nachtragen. Jener verzagte<lb/> Seele willigte aus Furcht des doch hernach er-<lb/> wehlten Todes in des Tarqvinius Veruneh-<lb/> rung; bey der Chiomara aber leiden des Helvius<lb/> Schand-That nur die in Stahl/ und Eiſen ſich<lb/> nicht zu ruͤhren maͤchtige Glieder. Jhre feu-<lb/> rige Augen/ ihre ſpruͤende Zunge/ ihre knir-<lb/> ſchende Zaͤhne/ ihr ſich windender Leib/ duͤnckt<lb/> mich/ geben noch ihre Abſcheu fuͤr dem un-<lb/> menſchlichen Laſter zu verſtehen. Lucretie<lb/> ſchaͤmt ſich ihres Fehlers; ja ſie laͤſt ſich die<lb/> Schande ſo gar in eine unvernuͤnfftige Ver-<lb/> zweiffelung ſtuͤrtzen: daß ſie das Laſter nicht an<lb/> deſſen Uhrheber/ ſondern an ihr ſelbſt ſtrafft;<lb/> und ihre Schamroͤthe mit ihrem eigenen Blute<lb/> abwaͤſcht. Wie viel hertzhaffter aber raͤchet<lb/> Chiomara an dem Ehrenſchaͤnder Helvius ihr<lb/> Unrecht. Der Himmel verleihet ihr uͤber ihn<lb/> einen ſo herrlichen Sieg: daß ſie ſeine ſtinckende<lb/> Leiche zu ihres beleidigten Ehmanns Fuͤſſen le-<lb/> gen; und ſeine Schandflecken zum Wahrzei-<lb/> chen ihrer unbeſudelten Keuſchheit angewehren<lb/> kan. Lucretie zwinget ihren Ehmann und<lb/> Vater durch einen Eyd ihre Beſchimpffung an<lb/> denen Tarqviniern/ und alſo auch an denen zu<lb/> raͤchen: die an ſolcher That keine Schuld hatten.<lb/> Die aufrichtige Chiomara aber haͤlt auch ihren<lb/> Feinden Treu und Glauben; und zaͤhlet das<lb/> dem Nothzuͤchtiger zum Loͤſegelde verſprochene<lb/> Gold auch in ihrer Freyheit aus. Es iſt wahr/<lb/> verſetzte Zeno: daß Chiomara ein Beyſpiel ſey/<lb/> das nicht ſeines gleichen habe. Wie hochſchaͤtz-<lb/> bar nun ihre Keuſchheit und Hertzhafftigkeit iſt;<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſo</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [868[870]/0930]
Sechſtes Buch
Pergameniſche Schuͤtzen uͤber die Steinklip-
pen geleitet ward; und alſo die Toloſtobogier
ihre Macht an viele Orte zertheilen muſten.
Alſo ward das Gebuͤrge mit groſſer Beute ero-
bert/ und blieben biß an 10000. ſtreitbare Maͤn-
ner; welche aber groͤſten Theils ſich von den
Klippen herab ſtuͤrtzten/ um der Schande der
Dienſtbarkeit zu entfliehen. Die wenigen a-
ber/ die in der Feinde Haͤnde fielen/ biſſen fuͤr
Ungedult mit den Zaͤhnen in die ſie ſchluͤſſen den
Ketten/ reckten ihre Gurgeln begierig den Stri-
cken und Schwerdtern dar/ und fleheten ihre
Waͤchter um ihre Hinrichtung mit Thraͤnen
an. Gleichwol ſchlug ſich Koͤnig Orgiago mit
etwan 7000. Mann durch; Alleine ſeine Ge-
mahlin Chiomara ward mit noch wol 40000.
Weib und Kindern gefangen. Dieſe/ als Man-
lius wider die Tectoſager fortruͤckte/ ward in der
Stadt Ancyra einem Hauptmanne Helvius
zu verwachen anvertrauet; welcher ihrer un-
vergleichlichen Schoͤnheit halber in ſo tolle
Brunſt verfiel: daß/ als er durch keine Liebkoſ-
und Vertroͤſtungen ihre keuſche Seele zu ſei-
nem geilen Willen bewegen konte/ ſie in Feſſel
ſchloß/ und mit Gewalt nothzuͤchtigte. Uber
diß verleitete ihn der Geitz: daß er ihr gegen ein
Attiſch Talent Goldes heimlich aus dem Ge-
faͤngnuͤß zu helffen mit ihr eines/ auch einer ihrer
Knechte von ihrem Ehherren das Loͤſegeld ab-
zuholen abgeſchickt ward. Dieſer kam mit ei-
nem Gefaͤrthen/ und dem Golde auf beſtimmte
Zeit; Helvius und ſeiner Kriegsknechte einer
an dem Fluſſe Hylas an. Die Koͤnigin Chio-
mara befahl in ihrer Sprache alsbald ihren
Knechten: daß ſie/ wenn Helvius das Gold ab-
waͤgen wuͤrde/ ihn durchſtechen ſolten. Wel-
ches gluͤcklich vollzogen/ dem andern Roͤmer a-
ber gleichwol das Loͤſegeld gefolgt/ und die Ur-
ſache ſolcher Rache zu verſtehen gegeben ward.
Chiomara er grif hier auff ſelbſt die Sebel/ hieb
dem Helvius den Kopf ab; huͤllte ihn in ihr
Kleid; und legte ihn hernach zu den Fuͤſſen ihres
Koͤniges; welchem ſie mit Thraͤnen ihre Ver-
unehrung eroͤffnete; welche ſie mit nichts als des
Schaͤnders Blute abzuwiſchen gewuͤſt haͤtte.
O der unvergleichlichen Heldin! fing die Koͤni-
gin Erato an; in welcher Keuſchheit/ Großmuͤ-
thigkeit und Redlichkeit mit einander um den
Siegs-Krantz ſtreiten. Verkriecht euch ihr
Roͤmer mit euer Lucretien; und laſſet ſie als eine
beſchaͤmte Dienerin dieſer Deutſchen Fuͤrſtin
den Schirm nachtragen. Jener verzagte
Seele willigte aus Furcht des doch hernach er-
wehlten Todes in des Tarqvinius Veruneh-
rung; bey der Chiomara aber leiden des Helvius
Schand-That nur die in Stahl/ und Eiſen ſich
nicht zu ruͤhren maͤchtige Glieder. Jhre feu-
rige Augen/ ihre ſpruͤende Zunge/ ihre knir-
ſchende Zaͤhne/ ihr ſich windender Leib/ duͤnckt
mich/ geben noch ihre Abſcheu fuͤr dem un-
menſchlichen Laſter zu verſtehen. Lucretie
ſchaͤmt ſich ihres Fehlers; ja ſie laͤſt ſich die
Schande ſo gar in eine unvernuͤnfftige Ver-
zweiffelung ſtuͤrtzen: daß ſie das Laſter nicht an
deſſen Uhrheber/ ſondern an ihr ſelbſt ſtrafft;
und ihre Schamroͤthe mit ihrem eigenen Blute
abwaͤſcht. Wie viel hertzhaffter aber raͤchet
Chiomara an dem Ehrenſchaͤnder Helvius ihr
Unrecht. Der Himmel verleihet ihr uͤber ihn
einen ſo herrlichen Sieg: daß ſie ſeine ſtinckende
Leiche zu ihres beleidigten Ehmanns Fuͤſſen le-
gen; und ſeine Schandflecken zum Wahrzei-
chen ihrer unbeſudelten Keuſchheit angewehren
kan. Lucretie zwinget ihren Ehmann und
Vater durch einen Eyd ihre Beſchimpffung an
denen Tarqviniern/ und alſo auch an denen zu
raͤchen: die an ſolcher That keine Schuld hatten.
Die aufrichtige Chiomara aber haͤlt auch ihren
Feinden Treu und Glauben; und zaͤhlet das
dem Nothzuͤchtiger zum Loͤſegelde verſprochene
Gold auch in ihrer Freyheit aus. Es iſt wahr/
verſetzte Zeno: daß Chiomara ein Beyſpiel ſey/
das nicht ſeines gleichen habe. Wie hochſchaͤtz-
bar nun ihre Keuſchheit und Hertzhafftigkeit iſt;
ſo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/930 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 868[870]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/930>, abgerufen am 03.07.2024. |