Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Krieges-Obersten spielte den Römern/ wiewohl
nicht ohne viel Schweiß und Blut/ den Sieg/
wie auch die Stadt Acerra und Meyland in die
Hände; nach dem insonderheit bey denen Gesaten
nicht nur mit dem Könige Viridomarn die Ge-
wogenheit zu den Jnsubrern erkaltete/ sondern
sie auch diese beschuldigten: daß sie in der
Schlacht sich nicht tapfer genung gehalten hät-
ten; also über das Gebürge wieder zurück an
den Rhodan und den Rhein kehreten; nach dem
sie gleichwohl vorher ein Theil des Römischen
Heeres erlegt/ und in die Flucht bracht hatten.
Jnzwischen trug Marcellus den unverdienten
Ruhm darvon: daß er selbsthändig Virido-
marn erlegt hatte; da doch dieser deutsche Held
von niemanden/ als einem Deutschen überwun-
den werden konte. Viridomars güldene Waf-
fen wurden auf einem eichenen Stocke für dem
Marcellus zu Rom her geführet/ und ausgeruf-
fen: Er wäre nach dem Romulus und Corneli-
us Cossus/ derer erster den König Acron/ der an-
der den Volumnius getödtet/ der dritte/ welcher
dem feindlichen Heerführer selbst Leben und
Waffen abgenommen hätte. Die Jnsubri-
schen Fürsten verlohren mit ihrem deutschen Kö-
nige und den Gesaten so wohl Hertze als Frey-
heit; die Römer aber schätzten diesen Gewinn so
groß: daß sie dem Delphischen Apollo eine
Schale aus dichtem Golde hundert Pfund
schwer zuschickten. Zeno fiel ein: Dieses Bey-
spiel dienet allen Kriegs-Häuptern zu einer
Warnigung: daß der Zwey-Kampf mehr ein
Handwerck der vermessenen Jugend/ als eine
Verrichtung einer vorsichtigen Tapferkeit;
an Fürsten aber ein Wahnwitz/ und ein Unter-
gang der Reiche sey. Denn ob zwar Pittacus
einer aus den sieben Weisen/ und der Oberherr
zu Mytilene bey zweifelhaftem Kriegs-Aus-
schlage mit dem Fürsten Phrynon/ welchen er
mit einem Netze bestrickte und tödtete/ auf diese
Art sich glücklich auswickelte; die drey für das
Römische Volck fechtende Horatier ihrem Va-
[Spaltenumbruch] terlande die Herrschafft über die Stadt Alba er-
warben; so hat doch der mit seinem Bruder Ar-
taxerxes anbindende Cyrus durch seine Hitze
das gantze Spiel verlohren; ungeachtet die ihm
beystehenden Griechen auf ihrer Seite den
Sieg erhielten. Ja die verspielten Schlachten
sind nicht zu erzehlen/ welche nur darumb ver-
lohren worden/ weil ihre Häupter oder vielmehr
die Hertzen der Kriegsheere durch unvorsichtige
Kühnheit zu zeitlich gefallen. Daher ich fast
anstehe: Ob jener Atheniensische Feldhaupt-
mann nicht mehr Ruhms als Scheltens werth
sey; welcher einem sich mit seinen empfangenen
Wunden auf blasenden Heerführer einhielt: Er
hätte nie keinen ärgern Fehler/ als durch unzei-
tige Näherung einer belägerten Stadt began-
gen/ da ihm ein Pfeil für seine Füsse gefallen
wäre. Hingegen würde am Scipio hochge-
schätzt: daß er bey Belägerung der Stadt Car-
thago allezeit drey grosse Schilde ihn für allem
Geschoß zu bedecken hätte vortragen lassen; und
der so kühne Hannibal hätte nicht nur sein Leben
sorgfältig gesparet; sondern auch dem von ihm
überwundenen Bürgermeister Marcellus diese
schlechte Grab-Schrifft gemacht: daß er als ein
tapferer Kriegsmann/ aber als ein unvernünfti-
ger Feldherr geblieben wäre. Wiewohl Han-
nibal bey Belägerung der hartnäckichten Stadt
Sagunt und bey Placentz seiner und dieser
Klugheit selbst vergaß; als er dort auf der
Sturmleiter/ hier bey Uberrumpelung einer
Festung verwundet/ und beyde mal sein gantzes
Heer in bestürtzte Verwirrung gesetzt ward.
Des grossen Alexanders Kriegsheer/ für wel-
chem vorher die gantze Welt gebebet hatte/ ward
nach seinen Tode zu einem gebländeten Cyclopen/
und bewährte dardurch: daß ein Feldherr sei-
nes Heeres Auge und Leitstern; also sein Leben
ohne äuserste Noth nicht in die Schantze/ und
als ein Spielball dem blinden Glücke aufzuse-
tzen sey. Es ist wahr/ sagte Adgandester; und
ward in der Schlacht bey Cannas vom Römischen

Rathe

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Krieges-Oberſten ſpielte den Roͤmern/ wiewohl
nicht ohne viel Schweiß und Blut/ den Sieg/
wie auch die Stadt Acerra und Meyland in die
Haͤnde; nach dem inſonderheit bey denẽ Geſaten
nicht nur mit dem Koͤnige Viridomarn die Ge-
wogenheit zu den Jnſubrern erkaltete/ ſondern
ſie auch dieſe beſchuldigten: daß ſie in der
Schlacht ſich nicht tapfer genung gehalten haͤt-
ten; alſo uͤber das Gebuͤrge wieder zuruͤck an
den Rhodan und den Rhein kehreten; nach dem
ſie gleichwohl vorher ein Theil des Roͤmiſchen
Heeres erlegt/ und in die Flucht bracht hatten.
Jnzwiſchen trug Marcellus den unverdienten
Ruhm darvon: daß er ſelbſthaͤndig Virido-
marn erlegt hatte; da doch dieſer deutſche Held
von niemanden/ als einem Deutſchen uͤberwun-
den werden konte. Viridomars guͤldene Waf-
fen wurden auf einem eichenen Stocke fuͤr dem
Marcellus zu Rom her gefuͤhret/ und ausgeruf-
fen: Er waͤre nach dem Romulus und Corneli-
us Coſſus/ derer erſter den Koͤnig Acron/ der an-
der den Volumnius getoͤdtet/ der dritte/ welcher
dem feindlichen Heerfuͤhrer ſelbſt Leben und
Waffen abgenommen haͤtte. Die Jnſubri-
ſchen Fuͤrſten verlohren mit ihrem deutſchen Koͤ-
nige und den Geſaten ſo wohl Hertze als Frey-
heit; die Roͤmer aber ſchaͤtzten dieſen Gewinn ſo
groß: daß ſie dem Delphiſchen Apollo eine
Schale aus dichtem Golde hundert Pfund
ſchwer zuſchickten. Zeno fiel ein: Dieſes Bey-
ſpiel dienet allen Kriegs-Haͤuptern zu einer
Warnigung: daß der Zwey-Kampf mehr ein
Handwerck der vermeſſenen Jugend/ als eine
Verrichtung einer vorſichtigen Tapferkeit;
an Fuͤrſten aber ein Wahnwitz/ und ein Unter-
gang der Reiche ſey. Denn ob zwar Pittacus
einer aus den ſieben Weiſen/ und der Oberherr
zu Mytilene bey zweifelhaftem Kriegs-Aus-
ſchlage mit dem Fuͤrſten Phrynon/ welchen er
mit einem Netze beſtrickte und toͤdtete/ auf dieſe
Art ſich gluͤcklich auswickelte; die drey fuͤr das
Roͤmiſche Volck fechtende Horatier ihrem Va-
[Spaltenumbruch] terlande die Herrſchafft uͤber die Stadt Alba er-
warben; ſo hat doch der mit ſeinem Bruder Ar-
taxerxes anbindende Cyrus durch ſeine Hitze
das gantze Spiel verlohren; ungeachtet die ihm
beyſtehenden Griechen auf ihrer Seite den
Sieg erhielten. Ja die verſpielten Schlachten
ſind nicht zu erzehlen/ welche nur darumb ver-
lohren worden/ weil ihre Haͤupter oder vielmehr
die Hertzen der Kriegsheere durch unvorſichtige
Kuͤhnheit zu zeitlich gefallen. Daher ich faſt
anſtehe: Ob jener Athenienſiſche Feldhaupt-
mann nicht mehr Ruhms als Scheltens werth
ſey; welcher einem ſich mit ſeinen empfangenen
Wunden auf blaſenden Heerfuͤhrer einhielt: Er
haͤtte nie keinen aͤrgern Fehler/ als durch unzei-
tige Naͤherung einer belaͤgerten Stadt began-
gen/ da ihm ein Pfeil fuͤr ſeine Fuͤſſe gefallen
waͤre. Hingegen wuͤrde am Scipio hochge-
ſchaͤtzt: daß er bey Belaͤgerung der Stadt Car-
thago allezeit drey groſſe Schilde ihn fuͤr allem
Geſchoß zu bedecken haͤtte vortragen laſſen; und
der ſo kuͤhne Hannibal haͤtte nicht nur ſein Leben
ſorgfaͤltig geſparet; ſondern auch dem von ihm
uͤberwundenen Buͤrgermeiſter Marcellus dieſe
ſchlechte Grab-Schrifft gemacht: daß er als ein
tapferer Kriegsmann/ aber als ein unvernuͤnfti-
ger Feldherr geblieben waͤre. Wiewohl Han-
nibal bey Belaͤgerung der hartnaͤckichten Stadt
Sagunt und bey Placentz ſeiner und dieſer
Klugheit ſelbſt vergaß; als er dort auf der
Sturmleiter/ hier bey Uberrumpelung einer
Feſtung verwundet/ und beyde mal ſein gantzes
Heer in beſtuͤrtzte Verwirrung geſetzt ward.
Des groſſen Alexanders Kriegsheer/ fuͤr wel-
chem vorher die gantze Welt gebebet hatte/ ward
nach ſeinẽ Tode zu einem geblaͤndeten Cyclopen/
und bewaͤhrte dardurch: daß ein Feldherr ſei-
nes Heeres Auge und Leitſtern; alſo ſein Leben
ohne aͤuſerſte Noth nicht in die Schantze/ und
als ein Spielball dem blinden Gluͤcke aufzuſe-
tzen ſey. Es iſt wahr/ ſagte Adgandeſter; und
ward in der Schlacht bey Cannas vom Roͤmiſchẽ

Rathe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0878" n="816[818]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Krieges-Ober&#x017F;ten &#x017F;pielte den Ro&#x0364;mern/ wiewohl<lb/>
nicht ohne viel Schweiß und Blut/ den Sieg/<lb/>
wie auch die Stadt Acerra und Meyland in die<lb/>
Ha&#x0364;nde; nach dem in&#x017F;onderheit bey dene&#x0303; Ge&#x017F;aten<lb/>
nicht nur mit dem Ko&#x0364;nige Viridomarn die Ge-<lb/>
wogenheit zu den Jn&#x017F;ubrern erkaltete/ &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;ie auch die&#x017F;e be&#x017F;chuldigten: daß &#x017F;ie in der<lb/>
Schlacht &#x017F;ich nicht tapfer genung gehalten ha&#x0364;t-<lb/>
ten; al&#x017F;o u&#x0364;ber das Gebu&#x0364;rge wieder zuru&#x0364;ck an<lb/>
den Rhodan und den Rhein kehreten; nach dem<lb/>
&#x017F;ie gleichwohl vorher ein Theil des Ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Heeres erlegt/ und in die Flucht bracht hatten.<lb/>
Jnzwi&#x017F;chen trug Marcellus den unverdienten<lb/>
Ruhm darvon: daß er &#x017F;elb&#x017F;tha&#x0364;ndig Virido-<lb/>
marn erlegt hatte; da doch die&#x017F;er deut&#x017F;che Held<lb/>
von niemanden/ als einem Deut&#x017F;chen u&#x0364;berwun-<lb/>
den werden konte. Viridomars gu&#x0364;ldene Waf-<lb/>
fen wurden auf einem eichenen Stocke fu&#x0364;r dem<lb/>
Marcellus zu Rom her gefu&#x0364;hret/ und ausgeruf-<lb/>
fen: Er wa&#x0364;re nach dem Romulus und Corneli-<lb/>
us Co&#x017F;&#x017F;us/ derer er&#x017F;ter den Ko&#x0364;nig Acron/ der an-<lb/>
der den Volumnius geto&#x0364;dtet/ der dritte/ welcher<lb/>
dem feindlichen Heerfu&#x0364;hrer &#x017F;elb&#x017F;t Leben und<lb/>
Waffen abgenommen ha&#x0364;tte. Die Jn&#x017F;ubri-<lb/>
&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;ten verlohren mit ihrem deut&#x017F;chen Ko&#x0364;-<lb/>
nige und den Ge&#x017F;aten &#x017F;o wohl Hertze als Frey-<lb/>
heit; die Ro&#x0364;mer aber &#x017F;cha&#x0364;tzten die&#x017F;en Gewinn &#x017F;o<lb/>
groß: daß &#x017F;ie dem Delphi&#x017F;chen Apollo eine<lb/>
Schale aus dichtem Golde hundert Pfund<lb/>
&#x017F;chwer zu&#x017F;chickten. Zeno fiel ein: Die&#x017F;es Bey-<lb/>
&#x017F;piel dienet allen Kriegs-Ha&#x0364;uptern zu einer<lb/>
Warnigung: daß der Zwey-Kampf mehr ein<lb/>
Handwerck der verme&#x017F;&#x017F;enen Jugend/ als eine<lb/>
Verrichtung einer vor&#x017F;ichtigen Tapferkeit;<lb/>
an Fu&#x0364;r&#x017F;ten aber ein Wahnwitz/ und ein Unter-<lb/>
gang der Reiche &#x017F;ey. Denn ob zwar Pittacus<lb/>
einer aus den &#x017F;ieben Wei&#x017F;en/ und der Oberherr<lb/>
zu Mytilene bey zweifelhaftem Kriegs-Aus-<lb/>
&#x017F;chlage mit dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten Phrynon/ welchen er<lb/>
mit einem Netze be&#x017F;trickte und to&#x0364;dtete/ auf die&#x017F;e<lb/>
Art &#x017F;ich glu&#x0364;cklich auswickelte; die drey fu&#x0364;r das<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;che Volck fechtende Horatier ihrem Va-<lb/><cb/>
terlande die Herr&#x017F;chafft u&#x0364;ber die Stadt Alba er-<lb/>
warben; &#x017F;o hat doch der mit &#x017F;einem Bruder Ar-<lb/>
taxerxes anbindende Cyrus durch &#x017F;eine Hitze<lb/>
das gantze Spiel verlohren; ungeachtet die ihm<lb/>
bey&#x017F;tehenden Griechen auf ihrer Seite den<lb/>
Sieg erhielten. Ja die ver&#x017F;pielten Schlachten<lb/>
&#x017F;ind nicht zu erzehlen/ welche nur darumb ver-<lb/>
lohren worden/ weil ihre Ha&#x0364;upter oder vielmehr<lb/>
die Hertzen der Kriegsheere durch unvor&#x017F;ichtige<lb/>
Ku&#x0364;hnheit zu zeitlich gefallen. Daher ich fa&#x017F;t<lb/>
an&#x017F;tehe: Ob jener Athenien&#x017F;i&#x017F;che Feldhaupt-<lb/>
mann nicht mehr Ruhms als Scheltens werth<lb/>
&#x017F;ey; welcher einem &#x017F;ich mit &#x017F;einen empfangenen<lb/>
Wunden auf bla&#x017F;enden Heerfu&#x0364;hrer einhielt: Er<lb/>
ha&#x0364;tte nie keinen a&#x0364;rgern Fehler/ als durch unzei-<lb/>
tige Na&#x0364;herung einer bela&#x0364;gerten Stadt began-<lb/>
gen/ da ihm ein Pfeil fu&#x0364;r &#x017F;eine Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gefallen<lb/>
wa&#x0364;re. Hingegen wu&#x0364;rde am Scipio hochge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzt: daß er bey Bela&#x0364;gerung der Stadt Car-<lb/>
thago allezeit drey gro&#x017F;&#x017F;e Schilde ihn fu&#x0364;r allem<lb/>
Ge&#x017F;choß zu bedecken ha&#x0364;tte vortragen la&#x017F;&#x017F;en; und<lb/>
der &#x017F;o ku&#x0364;hne Hannibal ha&#x0364;tte nicht nur &#x017F;ein Leben<lb/>
&#x017F;orgfa&#x0364;ltig ge&#x017F;paret; &#x017F;ondern auch dem von ihm<lb/>
u&#x0364;berwundenen Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter Marcellus die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;chlechte Grab-Schrifft gemacht: daß er als ein<lb/>
tapferer Kriegsmann/ aber als ein unvernu&#x0364;nfti-<lb/>
ger Feldherr geblieben wa&#x0364;re. Wiewohl Han-<lb/>
nibal bey Bela&#x0364;gerung der hartna&#x0364;ckichten Stadt<lb/>
Sagunt und bey Placentz &#x017F;einer und die&#x017F;er<lb/>
Klugheit &#x017F;elb&#x017F;t vergaß; als er dort auf der<lb/>
Sturmleiter/ hier bey Uberrumpelung einer<lb/>
Fe&#x017F;tung verwundet/ und beyde mal &#x017F;ein gantzes<lb/>
Heer in be&#x017F;tu&#x0364;rtzte Verwirrung ge&#x017F;etzt ward.<lb/>
Des gro&#x017F;&#x017F;en Alexanders Kriegsheer/ fu&#x0364;r wel-<lb/>
chem vorher die gantze Welt gebebet hatte/ ward<lb/>
nach &#x017F;eine&#x0303; Tode zu einem gebla&#x0364;ndeten Cyclopen/<lb/>
und bewa&#x0364;hrte dardurch: daß ein Feldherr &#x017F;ei-<lb/>
nes Heeres Auge und Leit&#x017F;tern; al&#x017F;o &#x017F;ein Leben<lb/>
ohne a&#x0364;u&#x017F;er&#x017F;te Noth nicht in die Schantze/ und<lb/>
als ein Spielball dem blinden Glu&#x0364;cke aufzu&#x017F;e-<lb/>
tzen &#x017F;ey. Es i&#x017F;t wahr/ &#x017F;agte Adgande&#x017F;ter; und<lb/>
ward in der Schlacht bey Cannas vom Ro&#x0364;mi&#x017F;che&#x0303;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Rathe</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[816[818]/0878] Sechſtes Buch Krieges-Oberſten ſpielte den Roͤmern/ wiewohl nicht ohne viel Schweiß und Blut/ den Sieg/ wie auch die Stadt Acerra und Meyland in die Haͤnde; nach dem inſonderheit bey denẽ Geſaten nicht nur mit dem Koͤnige Viridomarn die Ge- wogenheit zu den Jnſubrern erkaltete/ ſondern ſie auch dieſe beſchuldigten: daß ſie in der Schlacht ſich nicht tapfer genung gehalten haͤt- ten; alſo uͤber das Gebuͤrge wieder zuruͤck an den Rhodan und den Rhein kehreten; nach dem ſie gleichwohl vorher ein Theil des Roͤmiſchen Heeres erlegt/ und in die Flucht bracht hatten. Jnzwiſchen trug Marcellus den unverdienten Ruhm darvon: daß er ſelbſthaͤndig Virido- marn erlegt hatte; da doch dieſer deutſche Held von niemanden/ als einem Deutſchen uͤberwun- den werden konte. Viridomars guͤldene Waf- fen wurden auf einem eichenen Stocke fuͤr dem Marcellus zu Rom her gefuͤhret/ und ausgeruf- fen: Er waͤre nach dem Romulus und Corneli- us Coſſus/ derer erſter den Koͤnig Acron/ der an- der den Volumnius getoͤdtet/ der dritte/ welcher dem feindlichen Heerfuͤhrer ſelbſt Leben und Waffen abgenommen haͤtte. Die Jnſubri- ſchen Fuͤrſten verlohren mit ihrem deutſchen Koͤ- nige und den Geſaten ſo wohl Hertze als Frey- heit; die Roͤmer aber ſchaͤtzten dieſen Gewinn ſo groß: daß ſie dem Delphiſchen Apollo eine Schale aus dichtem Golde hundert Pfund ſchwer zuſchickten. Zeno fiel ein: Dieſes Bey- ſpiel dienet allen Kriegs-Haͤuptern zu einer Warnigung: daß der Zwey-Kampf mehr ein Handwerck der vermeſſenen Jugend/ als eine Verrichtung einer vorſichtigen Tapferkeit; an Fuͤrſten aber ein Wahnwitz/ und ein Unter- gang der Reiche ſey. Denn ob zwar Pittacus einer aus den ſieben Weiſen/ und der Oberherr zu Mytilene bey zweifelhaftem Kriegs-Aus- ſchlage mit dem Fuͤrſten Phrynon/ welchen er mit einem Netze beſtrickte und toͤdtete/ auf dieſe Art ſich gluͤcklich auswickelte; die drey fuͤr das Roͤmiſche Volck fechtende Horatier ihrem Va- terlande die Herrſchafft uͤber die Stadt Alba er- warben; ſo hat doch der mit ſeinem Bruder Ar- taxerxes anbindende Cyrus durch ſeine Hitze das gantze Spiel verlohren; ungeachtet die ihm beyſtehenden Griechen auf ihrer Seite den Sieg erhielten. Ja die verſpielten Schlachten ſind nicht zu erzehlen/ welche nur darumb ver- lohren worden/ weil ihre Haͤupter oder vielmehr die Hertzen der Kriegsheere durch unvorſichtige Kuͤhnheit zu zeitlich gefallen. Daher ich faſt anſtehe: Ob jener Athenienſiſche Feldhaupt- mann nicht mehr Ruhms als Scheltens werth ſey; welcher einem ſich mit ſeinen empfangenen Wunden auf blaſenden Heerfuͤhrer einhielt: Er haͤtte nie keinen aͤrgern Fehler/ als durch unzei- tige Naͤherung einer belaͤgerten Stadt began- gen/ da ihm ein Pfeil fuͤr ſeine Fuͤſſe gefallen waͤre. Hingegen wuͤrde am Scipio hochge- ſchaͤtzt: daß er bey Belaͤgerung der Stadt Car- thago allezeit drey groſſe Schilde ihn fuͤr allem Geſchoß zu bedecken haͤtte vortragen laſſen; und der ſo kuͤhne Hannibal haͤtte nicht nur ſein Leben ſorgfaͤltig geſparet; ſondern auch dem von ihm uͤberwundenen Buͤrgermeiſter Marcellus dieſe ſchlechte Grab-Schrifft gemacht: daß er als ein tapferer Kriegsmann/ aber als ein unvernuͤnfti- ger Feldherr geblieben waͤre. Wiewohl Han- nibal bey Belaͤgerung der hartnaͤckichten Stadt Sagunt und bey Placentz ſeiner und dieſer Klugheit ſelbſt vergaß; als er dort auf der Sturmleiter/ hier bey Uberrumpelung einer Feſtung verwundet/ und beyde mal ſein gantzes Heer in beſtuͤrtzte Verwirrung geſetzt ward. Des groſſen Alexanders Kriegsheer/ fuͤr wel- chem vorher die gantze Welt gebebet hatte/ ward nach ſeinẽ Tode zu einem geblaͤndeten Cyclopen/ und bewaͤhrte dardurch: daß ein Feldherr ſei- nes Heeres Auge und Leitſtern; alſo ſein Leben ohne aͤuſerſte Noth nicht in die Schantze/ und als ein Spielball dem blinden Gluͤcke aufzuſe- tzen ſey. Es iſt wahr/ ſagte Adgandeſter; und ward in der Schlacht bey Cannas vom Roͤmiſchẽ Rathe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/878
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 816[818]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/878>, abgerufen am 22.11.2024.