Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Mathos durch Botschassten fast alle Völckerzum Aufstande wider die Carthaginenser/ als die Feinde der allgemeinen Freyheit bewegte. Sintemal diese mit so viel Unrecht zeither belei- digten Völcker kaum so geschwinde die Post hier[v]on bekamen/ als sie die Carthaginensischen Gewalthaber und Zöllner tödteten/ den Hülffs- völckern ihren völligen Rückstand zahlten/ gros- ses Geld zu Fortsetzung des Krieges fürschussen/ und selbst mit 70000. Mann ins Feld rückten. Hiermit kamen Utica und Hippacrita in euser- ste Gefahr; sie beschlossen auch die in einem hal- ben Eylande zwischen dem Meere und einem See liegende Stadt Carthago/ und erlegten den Hanno nach angestellter Flucht mit vielen Elefanten und fast den letzten Kräfften der so mächtigen Stadt in zweyen Schlachten. Wel- ches verursachte: daß Amilcar wieder zum Kriegshaupte erwehlet ward; welchem Fürst Autaritus durch einen Gefangenen anbot/ mit seinen Celten und Semnonern von den Abtrin- nigen ab- und zu ihm zu treten; da er ihm So- phonisben vermählen wolte; weil er an diesem Aufstande kein Gefallen trüge/ auch seine Se- bel noch nie wieder Carthago gezückt hätte. Hiernebst schickte er zugleich mit eine schrifftli- che Verzicht des gefangenen Gescons/ welcher um seine Freyheit zu erlangen gerne seine Buhl- schafft vergessen wolte. Weil aber Amilcar so wol von Römern als dem Könige Hiero zu Sy- racusa eine ansehnliche Hülffe bekam/ schlug er dieses verächtlich in Wind; welches den Fürsten Autaritus so sehr bitterte: daß er endlich in das lange Zeit hinterhaltene Verlangen des Spen- dius/ nehmlich in den Todt des Gescons willig- te; welchem wie auch siebtzig andern Edlen Car- thaginensern die Hände abgehackt/ die Beine zerbrochen/ und sie noch lebend in die Erde ge- schorren wurden; mit gemachtem Schlusse: daß es hinfort allen Gefangenen nicht besser er- gehen solte. Also verwandelt hefftige Liebe sei- ne Anmuths-Blicke in grausame Basilisken- [Spaltenumbruch] Augen; Und die Geschwüre der Gemüther sind viel schädlicher/ als die Gifftdrüsen der Lei- ber. Ja Autaritus und Spendius bewegten die zur Besatzung Sardiniens gelassene Libyer und Hispanier so weit: daß sie den Stadthalter Bostar mit allen Carthaginensern todt schlu- gen/ den mit neuer Hülffe ankommenden Han- no aber kreutzigten; und also dieses gantze Ey- land ihrer Gewalt entriessen. Für dieser Grau- samkeit aber hatte Fürst Narvas eine solche Ab- scheu: daß er um Mitternacht mit seinen Nu- midiern heimlich aus dem Läger wich/ und am tagenden Morgen für Amilcars Lager kam; seine Waffen freywillig von sich gab/ und als man ihn auf sein Begehren zum Amilcar führ- te/ ihn folgenden Jnhalts anredete: Seine Lie- be gegen der unver gleichlichen Sophonisbe/ die Wolthaten der Stadt Carthago gegen seinem Vater hätten ihn zeither zurücke gehalten den Degen zu zucken/ wider die Stadt/ welche die Beherrscherin seiner Seele zum Vaterlande/ sein Vater aber zu seiner ersten Aufnehmerin gehabt; wiewol er darfür hielte: daß der Rath durch angefügtes Unrecht so viel tapffere Kriegs- leute wider sich in Harnisch bracht hätte. Nach dem aber Spendius durch unmenschliche Grau- samkeit das Recht der Völcker verletzt/ und des feindlichen Heeres Sache böse gemacht/ triebe ihn sein Gewissen und der Reitz der Tugend un- ter einem so behertzten Feldherren die Waffen für Carthago zu führen. Weder der Tod des unglückseligen Gescons/ noch sein Verdienst machten ihm einige Hoffnung zur Besitzung der unschätzbaren Sofonisbe; weniger hielte er ihm für anständig ihre Heyrath durch ihres Vater- landes Nothstand und durch bedungene Hülffe auszuwürcken. Er hätte nunmehr sein Ge- müthe derogestalt beruhigt: daß sein Verlan- gen mit dem Verhängnüsse in völliger Ein- tracht lebte/ seinen Vorsatz aber dahin gerichtet: daß Carthago zwischen ihm und einem einge- bohrnen Bürger/ Amilcar aber zwischen dem Für- J i i i i 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Mathos durch Botſchaſſten faſt alle Voͤlckerzum Aufſtande wider die Carthaginenſer/ als die Feinde der allgemeinen Freyheit bewegte. Sintemal dieſe mit ſo viel Unrecht zeither belei- digten Voͤlcker kaum ſo geſchwinde die Poſt hier[v]on bekamen/ als ſie die Carthaginenſiſchen Gewalthaber und Zoͤllner toͤdteten/ den Huͤlffs- voͤlckern ihren voͤlligen Ruͤckſtand zahlten/ groſ- ſes Geld zu Fortſetzung des Krieges fuͤrſchuſſen/ und ſelbſt mit 70000. Mann ins Feld ruͤckten. Hiermit kamen Utica und Hippacrita in euſer- ſte Gefahr; ſie beſchloſſen auch die in einem hal- ben Eylande zwiſchen dem Meere und einem See liegende Stadt Carthago/ und erlegten den Hanno nach angeſtellter Flucht mit vielen Elefanten und faſt den letzten Kraͤfften der ſo maͤchtigen Stadt in zweyen Schlachten. Wel- ches verurſachte: daß Amilcar wieder zum Kriegshaupte erwehlet ward; welchem Fuͤrſt Autaritus durch einen Gefangenen anbot/ mit ſeinen Celten und Semnonern von den Abtrin- nigen ab- und zu ihm zu treten; da er ihm So- phonisben vermaͤhlen wolte; weil er an dieſem Aufſtande kein Gefallen truͤge/ auch ſeine Se- bel noch nie wieder Carthago gezuͤckt haͤtte. Hiernebſt ſchickte er zugleich mit eine ſchrifftli- che Verzicht des gefangenen Geſcons/ welcher um ſeine Freyheit zu erlangen gerne ſeine Buhl- ſchafft vergeſſen wolte. Weil aber Amilcar ſo wol von Roͤmern als dem Koͤnige Hiero zu Sy- racuſa eine anſehnliche Huͤlffe bekam/ ſchlug er dieſes veraͤchtlich in Wind; welches den Fuͤrſten Autaritus ſo ſehr bitterte: daß er endlich in das lange Zeit hinterhaltene Verlangen des Spen- dius/ nehmlich in den Todt des Geſcons willig- te; welchem wie auch ſiebtzig andern Edlen Car- thaginenſern die Haͤnde abgehackt/ die Beine zerbrochen/ und ſie noch lebend in die Erde ge- ſchorren wurden; mit gemachtem Schluſſe: daß es hinfort allen Gefangenen nicht beſſer er- gehen ſolte. Alſo verwandelt hefftige Liebe ſei- ne Anmuths-Blicke in grauſame Baſilisken- [Spaltenumbruch] Augen; Und die Geſchwuͤre der Gemuͤther ſind viel ſchaͤdlicher/ als die Gifftdruͤſen der Lei- ber. Ja Autaritus und Spendius bewegten die zur Beſatzung Sardiniens gelaſſene Libyer und Hiſpanier ſo weit: daß ſie den Stadthalter Boſtar mit allen Carthaginenſern todt ſchlu- gen/ den mit neuer Huͤlffe ankommenden Han- no aber kreutzigten; und alſo dieſes gantze Ey- land ihrer Gewalt entrieſſen. Fuͤr dieſer Grau- ſamkeit aber hatte Fuͤrſt Narvas eine ſolche Ab- ſcheu: daß er um Mitternacht mit ſeinen Nu- midiern heimlich aus dem Laͤger wich/ und am tagenden Morgen fuͤr Amilcars Lager kam; ſeine Waffen freywillig von ſich gab/ und als man ihn auf ſein Begehren zum Amilcar fuͤhr- te/ ihn folgenden Jnhalts anredete: Seine Lie- be gegen der unver gleichlichen Sophonisbe/ die Wolthaten der Stadt Carthago gegen ſeinem Vater haͤtten ihn zeither zuruͤcke gehalten den Degen zu zucken/ wider die Stadt/ welche die Beherrſcherin ſeiner Seele zum Vaterlande/ ſein Vater aber zu ſeiner erſten Aufnehmerin gehabt; wiewol er darfuͤr hielte: daß der Rath durch angefuͤgtes Unrecht ſo viel tapffere Kriegs- leute wider ſich in Harniſch bracht haͤtte. Nach dem aber Spendius durch unmenſchliche Grau- ſamkeit das Recht der Voͤlcker verletzt/ und des feindlichen Heeres Sache boͤſe gemacht/ triebe ihn ſein Gewiſſen und der Reitz der Tugend un- ter einem ſo behertzten Feldherren die Waffen fuͤr Carthago zu fuͤhren. Weder der Tod des ungluͤckſeligen Geſcons/ noch ſein Verdienſt machten ihm einige Hoffnung zuꝛ Beſitzung der unſchaͤtzbaren Sofonisbe; weniger hielte er ihm fuͤr anſtaͤndig ihre Heyrath durch ihres Vater- landes Nothſtand und durch bedungene Huͤlffe auszuwuͤrcken. Er haͤtte nunmehr ſein Ge- muͤthe derogeſtalt beruhigt: daß ſein Verlan- gen mit dem Verhaͤngnuͤſſe in voͤlliger Ein- tracht lebte/ ſeinen Vorſatz aber dahin gerichtet: daß Carthago zwiſchen ihm und einem einge- bohrnen Buͤrger/ Amilcar aber zwiſchen dem Fuͤr- J i i i i 3
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Arminius und Thußnelda.
Mathos durch Botſchaſſten faſt alle Voͤlcker
zum Aufſtande wider die Carthaginenſer/ als die
Feinde der allgemeinen Freyheit bewegte.
Sintemal dieſe mit ſo viel Unrecht zeither belei-
digten Voͤlcker kaum ſo geſchwinde die Poſt
hiervon bekamen/ als ſie die Carthaginenſiſchen
Gewalthaber und Zoͤllner toͤdteten/ den Huͤlffs-
voͤlckern ihren voͤlligen Ruͤckſtand zahlten/ groſ-
ſes Geld zu Fortſetzung des Krieges fuͤrſchuſſen/
und ſelbſt mit 70000. Mann ins Feld ruͤckten.
Hiermit kamen Utica und Hippacrita in euſer-
ſte Gefahr; ſie beſchloſſen auch die in einem hal-
ben Eylande zwiſchen dem Meere und einem
See liegende Stadt Carthago/ und erlegten
den Hanno nach angeſtellter Flucht mit vielen
Elefanten und faſt den letzten Kraͤfften der ſo
maͤchtigen Stadt in zweyen Schlachten. Wel-
ches verurſachte: daß Amilcar wieder zum
Kriegshaupte erwehlet ward; welchem Fuͤrſt
Autaritus durch einen Gefangenen anbot/ mit
ſeinen Celten und Semnonern von den Abtrin-
nigen ab- und zu ihm zu treten; da er ihm So-
phonisben vermaͤhlen wolte; weil er an dieſem
Aufſtande kein Gefallen truͤge/ auch ſeine Se-
bel noch nie wieder Carthago gezuͤckt haͤtte.
Hiernebſt ſchickte er zugleich mit eine ſchrifftli-
che Verzicht des gefangenen Geſcons/ welcher
um ſeine Freyheit zu erlangen gerne ſeine Buhl-
ſchafft vergeſſen wolte. Weil aber Amilcar ſo
wol von Roͤmern als dem Koͤnige Hiero zu Sy-
racuſa eine anſehnliche Huͤlffe bekam/ ſchlug er
dieſes veraͤchtlich in Wind; welches den Fuͤrſten
Autaritus ſo ſehr bitterte: daß er endlich in das
lange Zeit hinterhaltene Verlangen des Spen-
dius/ nehmlich in den Todt des Geſcons willig-
te; welchem wie auch ſiebtzig andern Edlen Car-
thaginenſern die Haͤnde abgehackt/ die Beine
zerbrochen/ und ſie noch lebend in die Erde ge-
ſchorren wurden; mit gemachtem Schluſſe:
daß es hinfort allen Gefangenen nicht beſſer er-
gehen ſolte. Alſo verwandelt hefftige Liebe ſei-
ne Anmuths-Blicke in grauſame Baſilisken-
Augen; Und die Geſchwuͤre der Gemuͤther
ſind viel ſchaͤdlicher/ als die Gifftdruͤſen der Lei-
ber. Ja Autaritus und Spendius bewegten
die zur Beſatzung Sardiniens gelaſſene Libyer
und Hiſpanier ſo weit: daß ſie den Stadthalter
Boſtar mit allen Carthaginenſern todt ſchlu-
gen/ den mit neuer Huͤlffe ankommenden Han-
no aber kreutzigten; und alſo dieſes gantze Ey-
land ihrer Gewalt entrieſſen. Fuͤr dieſer Grau-
ſamkeit aber hatte Fuͤrſt Narvas eine ſolche Ab-
ſcheu: daß er um Mitternacht mit ſeinen Nu-
midiern heimlich aus dem Laͤger wich/ und am
tagenden Morgen fuͤr Amilcars Lager kam;
ſeine Waffen freywillig von ſich gab/ und als
man ihn auf ſein Begehren zum Amilcar fuͤhr-
te/ ihn folgenden Jnhalts anredete: Seine Lie-
be gegen der unver gleichlichen Sophonisbe/ die
Wolthaten der Stadt Carthago gegen ſeinem
Vater haͤtten ihn zeither zuruͤcke gehalten den
Degen zu zucken/ wider die Stadt/ welche die
Beherrſcherin ſeiner Seele zum Vaterlande/
ſein Vater aber zu ſeiner erſten Aufnehmerin
gehabt; wiewol er darfuͤr hielte: daß der Rath
durch angefuͤgtes Unrecht ſo viel tapffere Kriegs-
leute wider ſich in Harniſch bracht haͤtte. Nach
dem aber Spendius durch unmenſchliche Grau-
ſamkeit das Recht der Voͤlcker verletzt/ und des
feindlichen Heeres Sache boͤſe gemacht/ triebe
ihn ſein Gewiſſen und der Reitz der Tugend un-
ter einem ſo behertzten Feldherren die Waffen
fuͤr Carthago zu fuͤhren. Weder der Tod des
ungluͤckſeligen Geſcons/ noch ſein Verdienſt
machten ihm einige Hoffnung zuꝛ Beſitzung der
unſchaͤtzbaren Sofonisbe; weniger hielte er ihm
fuͤr anſtaͤndig ihre Heyrath durch ihres Vater-
landes Nothſtand und durch bedungene Huͤlffe
auszuwuͤrcken. Er haͤtte nunmehr ſein Ge-
muͤthe derogeſtalt beruhigt: daß ſein Verlan-
gen mit dem Verhaͤngnuͤſſe in voͤlliger Ein-
tracht lebte/ ſeinen Vorſatz aber dahin gerichtet:
daß Carthago zwiſchen ihm und einem einge-
bohrnen Buͤrger/ Amilcar aber zwiſchen dem
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 805[807]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/867>, abgerufen am 03.07.2024. |