Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
blutigen Köpffen abgewiesen/ und ihr Heerfüh-rer Aleximachus selbst getödtet. Fürst Zeno brach hier ein: Es wunderte ihn nunmehr weder die Aussprengung von des Brennus erdichtetem Untergange/ noch auch des Deutschen Heeres Schrecken über der Sonnenfinsternüß; Nach dem auch die Affen und andere wilde Thiere sich darüber entsetzten/ und vielen tapfern Kriegsleu- ten mehrmals das Schwerd aus den Händen gefallen wäre. Also wäre des grossen Alexanders Heer an dem Flusse Tigris bey der Mondenfin- sternüß fast verzweiffelt/ hätte auch um keinen Fuß breit wider der Götter Willen fortzusetzen einen Aufstand gemacht; welchen Alexander selbst zu stillen nicht getraut/ sondern die Bestürtzten durch die Egyptischen Warsager beredet hätte: daß der Monde der Perser Sonne wäre/ und seine Verfinsterung ihnen allezeit Unglück be- deutete. Niccas hätte bey ereigneter Finsternüß mit seiner Schiffflotte aus dem Hafen in die See zu lauffen sich nicht erkühnet/ und dardurch der Stadt Athen unfäglichen Schaden zugefüget. König Archelaus in Macedonien hätte für Furcht die Burg verschlossen/ und zum Zeichen seiner Bestürtzung seinem Sohne die Haare ab- scheren lassen. Der vorhin nie erschrockene Han- nibal hätte sich für seiner mit dem Scipio zuletzt gehaltenen Schlacht über Verfinsterung der Sonnen so sehr; als König Perseus/ da er gegen die Römer schlagen solte/ über der Mondenfin- sterniß entsetzt. Welches alles daher geflossen: daß nicht nur der Pöfel/ welchem man die Ursachen der Finsternüsse mit Fleiß verschweiget/ sondern auch die Weltweisen ieder zeit sehr seltzame Mei- nungen hiervon geführet haben. Anaximander meinte/ der Sonnen und dem Monden würde bey ihrer Verfinsterung das Loch verstopft/ wor- aus sie ihr Feuer und Licht ausschütteten; Hera- cletus: Es kehrten sich ihre nur auf einer Seiten leuchtende Kugeln um; Xenophanes: Es gebe viel Sonnen/ welche nach und nach verleschten; biß Thales endlich die Warheit gelehrt: daß der zwischen die Sonne und die Erdkugel tretende [Spaltenumbruch] Monde der Sonnen/ die Erde aber mit ihrem Schatten des Monden Finsternüß verursache. Die sonst genungsam gescheuten Brahmänner glaubten aber noch viel thörichter: Sonn und Monde würden von zweyen Schlangen ge- fressen; die Serer: diese zwey Gestirne verlieren ihren Schein aus Furcht für einem Hunde und Drachen/ der sie zu verschlingen dräute; andere Jndianer: sie würden von dem gestirnten Dra- chen gebissen. Rhemetalces fing an: Diese Wis- senschafft ist vielen eine Handhabe ihres Glü- ckes/ wie der ersten aber gläubiger Unverstand ei- ne Ursache ihres Verderbens gewest. Denn der in Africa segelnde Agathocles machte durch Aus- legung der damals sich ereignenden Sonnenfin- sternüß seinem Kriegsvolcke ein grosses Hertz; in dem er ihre böse Bedeutung artlich auf die/ wi- der welche er zog/ abweltzte. Und der die natürli- che Ursache des verfinsterten Monden anzeigen- de Sulpitius Gallus half der Bestürtzung des Römischen Heeres ab. Unterschiedene Heerfüh- rer haben hierdurch ihr auffrührisches Kriegs- volck besänftiget. Niemand/ sagte Adgandester/ hat sich der Vorsehung der Finsternüsse nützli- cher/ als Hanno gebraucht/ welcher in dem Atlan- tischen Eylande mit seinem gantzen Heere hätte erhungern müssen; wenn er nicht die wilden Ein- wohner daselbst mit einem in wenig Stunden bevorstehenden Finsternüsse erschreckt/ und sie zu Lieferung reichlicher Lebensmittel bewegt hätte. Sintemal diese einfältigen Wilden so denn das Ende der Welt besorgen und darfür halten: die Gestirne würden von einem höllischen Geiste verschlungen; oder Sonn und Monde wären auf die Menschen ergrimmet; oder auch: sie wür- den von bösen Leuten bezaubert; dahero sie ins- gemein mit klingendem Ertzte/ Kieselsteinen und andern Dingen ein Geräusche machten/ etliche auch ihre Wangen zerkratzten/ und ihre Haare ausraufften. Die Deutschen pflegten sich auch der gleichen Gethönes aber mehr aus angenomme- ner Gewohnheit von andern Völckern/ als aus Aberglauben zu gebrauchen. Ob nun wol freylich die
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
blutigen Koͤpffen abgewieſen/ und ihr Heerfuͤh-rer Aleximachus ſelbſt getoͤdtet. Fuͤrſt Zeno brach hier ein: Es wunderte ihn nunmehr weder die Ausſprengung von des Brennus erdichtetem Untergange/ noch auch des Deutſchen Heeres Schrecken uͤber der Sonnenfinſternuͤß; Nach dem auch die Affen und andere wilde Thiere ſich daruͤber entſetzten/ und vielen tapfern Kriegsleu- ten mehrmals das Schwerd aus den Haͤnden gefallen waͤre. Alſo waͤre des groſſen Alexanders Heer an dem Fluſſe Tigris bey der Mondenfin- ſternuͤß faſt verzweiffelt/ haͤtte auch um keinen Fuß breit wider der Goͤtter Willen fortzuſetzen einen Aufſtand gemacht; welchen Alexandeꝛ ſelbſt zu ſtillen nicht getraut/ ſondern die Beſtuͤrtzten durch die Egyptiſchen Warſager beredet haͤtte: daß der Monde der Perſer Sonne waͤre/ und ſeine Verfinſterung ihnen allezeit Ungluͤck be- deutete. Niccas haͤtte bey ereigneter Finſternuͤß mit ſeiner Schiffflotte aus dem Hafen in die See zu lauffen ſich nicht erkuͤhnet/ und dardurch der Stadt Athen unfaͤglichen Schaden zugefuͤget. Koͤnig Archelaus in Macedonien haͤtte fuͤr Furcht die Burg verſchloſſen/ und zum Zeichen ſeiner Beſtuͤrtzung ſeinem Sohne die Haare ab- ſcheren laſſen. Der vorhin nie erſchrockene Han- nibal haͤtte ſich fuͤr ſeiner mit dem Scipio zuletzt gehaltenen Schlacht uͤber Verfinſterung der Sonnen ſo ſehr; als Koͤnig Perſeus/ da er gegen die Roͤmer ſchlagen ſolte/ uͤber der Mondenfin- ſterniß entſetzt. Welches alles daheꝛ gefloſſen: daß nicht nur der Poͤfel/ welchem man die Urſachen der Finſternuͤſſe mit Fleiß verſchweiget/ ſondern auch die Weltweiſen ieder zeit ſehr ſeltzame Mei- nungen hiervon gefuͤhret haben. Anaximander meinte/ der Sonnen und dem Monden wuͤrde bey ihrer Verfinſterung das Loch verſtopft/ wor- aus ſie ihr Feuer und Licht ausſchuͤtteten; Hera- cletus: Es kehrten ſich ihre nur auf einer Seiten leuchtende Kugeln um; Xenophanes: Es gebe viel Sonnen/ welche nach und nach verleſchten; biß Thales endlich die Warheit gelehrt: daß der zwiſchen die Sonne und die Erdkugel tretende [Spaltenumbruch] Monde der Sonnen/ die Erde aber mit ihrem Schatten des Monden Finſternuͤß verurſache. Die ſonſt genungſam geſcheuten Brahmaͤnner glaubten aber noch viel thoͤrichter: Sonn und Monde wuͤrden von zweyen Schlangen ge- freſſen; die Serer: dieſe zwey Geſtirne verlieren ihren Schein aus Furcht fuͤr einem Hunde und Drachen/ der ſie zu verſchlingen draͤute; andere Jndianer: ſie wuͤrden von dem geſtirnten Dra- chen gebiſſen. Rhemetalces fing an: Dieſe Wiſ- ſenſchafft iſt vielen eine Handhabe ihres Gluͤ- ckes/ wie deꝛ erſten aber glaͤubiger Unverſtand ei- ne Urſache ihres Verderbens geweſt. Denn der in Africa ſegelnde Agathocles machte durch Aus- legung der damals ſich ereignenden Sonnenfin- ſternuͤß ſeinem Kriegsvolcke ein groſſes Hertz; in dem er ihre boͤſe Bedeutung artlich auf die/ wi- der welche er zog/ abweltzte. Und der die natuͤrli- che Urſache des verfinſterten Monden anzeigen- de Sulpitius Gallus half der Beſtuͤrtzung des Roͤmiſchen Heeres ab. Unterſchiedene Heerfuͤh- rer haben hierdurch ihr auffruͤhriſches Kriegs- volck beſaͤnftiget. Niemand/ ſagte Adgandeſter/ hat ſich der Vorſehung der Finſternuͤſſe nuͤtzli- cher/ als Hanno gebraucht/ welcheꝛ in dem Atlan- tiſchen Eylande mit ſeinem gantzen Heere haͤtte erhungeꝛn muͤſſen; weñ er nicht die wilden Ein- wohner daſelbſt mit einem in wenig Stunden bevorſtehenden Finſternuͤſſe erſchreckt/ und ſie zu Lieferung reichlicher Lebensmittel bewegt haͤtte. Sintemal dieſe einfaͤltigen Wilden ſo denn das Ende der Welt beſorgen und darfuͤr halten: die Geſtirne wuͤrden von einem hoͤlliſchen Geiſte verſchlungen; oder Sonn und Monde waͤren auf die Menſchen ergrim̃et; oder auch: ſie wuͤr- den von boͤſen Leuten bezaubert; dahero ſie ins- gemein mit klingendem Ertzte/ Kieſelſteinen und andern Dingen ein Geraͤuſche machten/ etliche auch ihre Wangen zerkratzten/ und ihre Haare ausraufften. Die Deutſchen pflegten ſich auch der gleichen Gethoͤnes aber mehꝛ aus angenom̃e- ner Gewohnheit von andern Voͤlckern/ als aus Aberglauben zu gebrauchẽ. Ob nun wol freylich die
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Arminius und Thußnelda.
blutigen Koͤpffen abgewieſen/ und ihr Heerfuͤh-
rer Aleximachus ſelbſt getoͤdtet. Fuͤrſt Zeno
brach hier ein: Es wunderte ihn nunmehr weder
die Ausſprengung von des Brennus erdichtetem
Untergange/ noch auch des Deutſchen Heeres
Schrecken uͤber der Sonnenfinſternuͤß; Nach
dem auch die Affen und andere wilde Thiere ſich
daruͤber entſetzten/ und vielen tapfern Kriegsleu-
ten mehrmals das Schwerd aus den Haͤnden
gefallen waͤre. Alſo waͤre des groſſen Alexanders
Heer an dem Fluſſe Tigris bey der Mondenfin-
ſternuͤß faſt verzweiffelt/ haͤtte auch um keinen
Fuß breit wider der Goͤtter Willen fortzuſetzen
einen Aufſtand gemacht; welchen Alexandeꝛ ſelbſt
zu ſtillen nicht getraut/ ſondern die Beſtuͤrtzten
durch die Egyptiſchen Warſager beredet haͤtte:
daß der Monde der Perſer Sonne waͤre/ und
ſeine Verfinſterung ihnen allezeit Ungluͤck be-
deutete. Niccas haͤtte bey ereigneter Finſternuͤß
mit ſeiner Schiffflotte aus dem Hafen in die See
zu lauffen ſich nicht erkuͤhnet/ und dardurch der
Stadt Athen unfaͤglichen Schaden zugefuͤget.
Koͤnig Archelaus in Macedonien haͤtte fuͤr
Furcht die Burg verſchloſſen/ und zum Zeichen
ſeiner Beſtuͤrtzung ſeinem Sohne die Haare ab-
ſcheren laſſen. Der vorhin nie erſchrockene Han-
nibal haͤtte ſich fuͤr ſeiner mit dem Scipio zuletzt
gehaltenen Schlacht uͤber Verfinſterung der
Sonnen ſo ſehr; als Koͤnig Perſeus/ da er gegen
die Roͤmer ſchlagen ſolte/ uͤber der Mondenfin-
ſterniß entſetzt. Welches alles daheꝛ gefloſſen: daß
nicht nur der Poͤfel/ welchem man die Urſachen
der Finſternuͤſſe mit Fleiß verſchweiget/ ſondern
auch die Weltweiſen ieder zeit ſehr ſeltzame Mei-
nungen hiervon gefuͤhret haben. Anaximander
meinte/ der Sonnen und dem Monden wuͤrde
bey ihrer Verfinſterung das Loch verſtopft/ wor-
aus ſie ihr Feuer und Licht ausſchuͤtteten; Hera-
cletus: Es kehrten ſich ihre nur auf einer Seiten
leuchtende Kugeln um; Xenophanes: Es gebe
viel Sonnen/ welche nach und nach verleſchten;
biß Thales endlich die Warheit gelehrt: daß der
zwiſchen die Sonne und die Erdkugel tretende
Monde der Sonnen/ die Erde aber mit ihrem
Schatten des Monden Finſternuͤß verurſache.
Die ſonſt genungſam geſcheuten Brahmaͤnner
glaubten aber noch viel thoͤrichter: Sonn und
Monde wuͤrden von zweyen Schlangen ge-
freſſen; die Serer: dieſe zwey Geſtirne verlieren
ihren Schein aus Furcht fuͤr einem Hunde und
Drachen/ der ſie zu verſchlingen draͤute; andere
Jndianer: ſie wuͤrden von dem geſtirnten Dra-
chen gebiſſen. Rhemetalces fing an: Dieſe Wiſ-
ſenſchafft iſt vielen eine Handhabe ihres Gluͤ-
ckes/ wie deꝛ erſten aber glaͤubiger Unverſtand ei-
ne Urſache ihres Verderbens geweſt. Denn der
in Africa ſegelnde Agathocles machte durch Aus-
legung der damals ſich ereignenden Sonnenfin-
ſternuͤß ſeinem Kriegsvolcke ein groſſes Hertz; in
dem er ihre boͤſe Bedeutung artlich auf die/ wi-
der welche er zog/ abweltzte. Und der die natuͤrli-
che Urſache des verfinſterten Monden anzeigen-
de Sulpitius Gallus half der Beſtuͤrtzung des
Roͤmiſchen Heeres ab. Unterſchiedene Heerfuͤh-
rer haben hierdurch ihr auffruͤhriſches Kriegs-
volck beſaͤnftiget. Niemand/ ſagte Adgandeſter/
hat ſich der Vorſehung der Finſternuͤſſe nuͤtzli-
cher/ als Hanno gebraucht/ welcheꝛ in dem Atlan-
tiſchen Eylande mit ſeinem gantzen Heere haͤtte
erhungeꝛn muͤſſen; weñ er nicht die wilden Ein-
wohner daſelbſt mit einem in wenig Stunden
bevorſtehenden Finſternuͤſſe erſchreckt/ und ſie zu
Lieferung reichlicher Lebensmittel bewegt haͤtte.
Sintemal dieſe einfaͤltigen Wilden ſo denn das
Ende der Welt beſorgen und darfuͤr halten: die
Geſtirne wuͤrden von einem hoͤlliſchen Geiſte
verſchlungen; oder Sonn und Monde waͤren
auf die Menſchen ergrim̃et; oder auch: ſie wuͤr-
den von boͤſen Leuten bezaubert; dahero ſie ins-
gemein mit klingendem Ertzte/ Kieſelſteinen und
andern Dingen ein Geraͤuſche machten/ etliche
auch ihre Wangen zerkratzten/ und ihre Haare
ausraufften. Die Deutſchen pflegten ſich auch
der gleichen Gethoͤnes aber mehꝛ aus angenom̃e-
ner Gewohnheit von andern Voͤlckern/ als aus
Aberglauben zu gebrauchẽ. Ob nun wol freylich
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 783[785]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/845>, abgerufen am 01.07.2024. |