Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Deutschland und Gallien gebliebenen von de-nen Allemännern aber gedrückten Celten gien- gen so gar über das Pyreneische Gebürge/ und gründeten um den Fluß Durias und Sucra ein neues Reich der Coltiberier. Alle in Grie- chenland kriegende Völcker mühten sich einige Deutschen zu ihren Kriegs-Obersten/ und die Könige sie zu ihrer Leibwache zu bekommen/ und insonderheit nach etlicher Zeit König Phi- lip in Macedonien. Jnzwischen aber starb Brennus/ und ließ seine Herrschafft seinem Sohne Ludwig; sein Gedächtnüß aber der Nachwelt zu einem Beyspiele der Tapfferkeit. Hertzog Ludwig war seines Vaters Ebenbild nichts minder an Gestalt als an Gemüthe. Da- her nam die von den Römern bekriegte Stadt Velitre zu ihm Zuflucht; und beklagten sich/ daß Rom die minste Ursache einiger Feindseligkeit gegen sie hätte/ sondern aus blosser Herschens- sucht sich als eine Wölffin alle andere Städtein Jtalien als Schaffe zu verschlingen berechtigt hielte. Weil nun die Römer die Velitrer aus dem Felde schlugen und ihre Stadt belägerten/ es also nicht Zeit war mit der Feder/ sondern mit dem Degen zu fechten; machte er sich mit 40000. Semnonern auf/ und rückte so eilfertig fort: daß die Römer von ihrem Anzuge nicht che Kundschafft kriegten: als biß sie zu Crustu- merium über die Tiber gesetzt hatten. Sie er- klärten hierauf den Marcus Furius zu ihrem Feldherrn/ schrieben an alle ihre Bundgenossen um Hülffe/ niemand aber wagte sich in diß Spiel zu mischen/ aus Beysorge: daß sodenn die Deutschen die Kriegs-Last ihnen selbst auff den Hals weltzen würden. Wie nun Hertzog Ludwig bey Collatia über den Fluß Anio gieng/ und biß nach Alba kam; hoben die Römer die Belägerung für Velitre über Hals und Kopff auf/ setzten sich darmit an einen vortheilhafftigen Ort; aus welchem sie durch keine Ausforderung der Semnoner zu locken waren; unter dem Vorwande: daß das Bild des weiblichen Glü- [Spaltenumbruch] ckes an dem Wasser Crabra bey Rom nunmehr zum dritten mal geredet/ und ihnen zu schlagen verboten hätte. Rhemetalces fiel ein: Er hät- te ja in den Römischen Geschichtschreibern ge- lesen: daß Marcus Furius die Semnoner da- mals bey Alba aufs Haupt geschlagen; deßwe- gen zu Rom ein Siegs-Gepränge erlangt/ und der Deutschen wenige Uberbleibung sich in A- pulien geflüchtet hätte. Adgandester antwor- tete: Die Griechischen Geschichtschreiber rede- ten hierinnen den Deutschen ihr Wort; und wäre aus diesem unverdächtigen Zeugnüsse zu urtheiln: wie viel in andern Fällen der Römer Groß sprechen Glauben verdiente. Und zweif- felte er nicht: Rhemetalces würde diß/ was er erwehnte/ aus dem Livius haben/ welchen Käy- ser Augustus selbst wegen gesparter Warheit/ und daß er allzu sehr Pompejisch wäre/ beschul- digte; wie man hingegen den Dion für all- zu gut Käyserlich/ den Fabius für zu gut Rö- misch/ den Philinus für allzu Carthaginen- sisch hielte. Es ist diß/ sagte Zeno/ der grö- ste Schandfleck eines Geschichtschreibers/ wel- cher/ wie köstlich er sonst ist/ hierdurch alleine die Würde gelesen zu werden einbist; und nicht un- billich einem Thiere vergliechen wird/ dem man die Augen ausgestochen hat. Daher auch die sonst so ruhmswürdige Liebe des Vaterlandes al- leine in einem Geschichtschreiber verwerflich ist. Rhemetalces versetzte: Es ist freylich wol wahr; ich glaube aber: daß es so wenig Geschichtschvei- ber ohne Heucheley/ als Menschen ohne Maa- le gebe. Wolthat und Beleidigung zeucht uns gleich sam unempfindlich zu ungleichem Urtheil; wie der Strom des Hellesponts auch bey der Windstille die Schiffe gegen das Griechische Meer. Daher Callias von Syracuse sich nicht mäßigen konte/ alles Thun des ihn be- schenckenden Agathocles zu rechtfertigen/ der von ihm aus Sicilien verwiesene Timeus aber alles zu verdammen. Ja nach dem Berichte des Asinius Pollio/ hatte Käyser Julius in sei- nen Erster Theil. C c c c c
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Deutſchland und Gallien gebliebenen von de-nen Allemaͤnnern aber gedruͤckten Celten gien- gen ſo gar uͤber das Pyreneiſche Gebuͤrge/ und gruͤndeten um den Fluß Durias und Sucra ein neues Reich der Coltiberier. Alle in Grie- chenland kriegende Voͤlcker muͤhten ſich einige Deutſchen zu ihren Kriegs-Oberſten/ und die Koͤnige ſie zu ihrer Leibwache zu bekommen/ und inſonderheit nach etlicher Zeit Koͤnig Phi- lip in Macedonien. Jnzwiſchen aber ſtarb Brennus/ und ließ ſeine Herrſchafft ſeinem Sohne Ludwig; ſein Gedaͤchtnuͤß aber der Nachwelt zu einem Beyſpiele der Tapfferkeit. Hertzog Ludwig war ſeines Vaters Ebenbild nichts minder an Geſtalt als an Gemuͤthe. Da- her nam die von den Roͤmern bekriegte Stadt Velitre zu ihm Zuflucht; und beklagten ſich/ daß Rom die minſte Urſache einiger Feindſeligkeit gegen ſie haͤtte/ ſondern aus bloſſer Herſchens- ſucht ſich als eine Woͤlffin alle andere Staͤdtein Jtalien als Schaffe zu verſchlingen berechtigt hielte. Weil nun die Roͤmer die Velitrer aus dem Felde ſchlugen und ihre Stadt belaͤgerten/ es alſo nicht Zeit war mit der Feder/ ſondern mit dem Degen zu fechten; machte er ſich mit 40000. Semnonern auf/ und ruͤckte ſo eilfertig fort: daß die Roͤmer von ihrem Anzuge nicht che Kundſchafft kriegten: als biß ſie zu Cruſtu- merium uͤber die Tiber geſetzt hatten. Sie er- klaͤrten hierauf den Marcus Furius zu ihrem Feldherrn/ ſchrieben an alle ihre Bundgenoſſen um Huͤlffe/ niemand aber wagte ſich in diß Spiel zu miſchen/ aus Beyſorge: daß ſodenn die Deutſchen die Kriegs-Laſt ihnen ſelbſt auff den Hals weltzen wuͤrden. Wie nun Hertzog Ludwig bey Collatia uͤber den Fluß Anio gieng/ und biß nach Alba kam; hoben die Roͤmer die Belaͤgerung fuͤr Velitre uͤber Hals und Kopff auf/ ſetzten ſich darmit an einen vortheilhafftigen Ort; aus welchem ſie durch keine Ausforderung der Semnoner zu locken waren; unter dem Vorwande: daß das Bild des weiblichen Gluͤ- [Spaltenumbruch] ckes an dem Waſſer Crabra bey Rom nunmehr zum dritten mal geredet/ und ihnen zu ſchlagen verboten haͤtte. Rhemetalces fiel ein: Er haͤt- te ja in den Roͤmiſchen Geſchichtſchreibern ge- leſen: daß Marcus Furius die Semnoner da- mals bey Alba aufs Haupt geſchlagen; deßwe- gen zu Rom ein Siegs-Gepraͤnge erlangt/ und der Deutſchen wenige Uberbleibung ſich in A- pulien gefluͤchtet haͤtte. Adgandeſter antwor- tete: Die Griechiſchen Geſchichtſchreiber rede- ten hierinnen den Deutſchen ihr Wort; und waͤre aus dieſem unverdaͤchtigen Zeugnuͤſſe zu urtheiln: wie viel in andern Faͤllen der Roͤmer Groß ſprechen Glauben verdiente. Und zweif- felte er nicht: Rhemetalces wuͤrde diß/ was er erwehnte/ aus dem Livius haben/ welchen Kaͤy- ſer Auguſtus ſelbſt wegen geſparter Warheit/ und daß er allzu ſehr Pompejiſch waͤre/ beſchul- digte; wie man hingegen den Dion fuͤr all- zu gut Kaͤyſerlich/ den Fabius fuͤr zu gut Roͤ- miſch/ den Philinus fuͤr allzu Carthaginen- ſiſch hielte. Es iſt diß/ ſagte Zeno/ der groͤ- ſte Schandfleck eines Geſchichtſchreibers/ wel- cher/ wie koͤſtlich er ſonſt iſt/ hierdurch alleine die Wuͤrde geleſen zu werden einbiſt; und nicht un- billich einem Thiere vergliechen wird/ dem man die Augen ausgeſtochen hat. Daher auch die ſonſt ſo ruhmswuͤrdige Liebe des Vaterlandes al- leine in einem Geſchichtſchreiber verwerflich iſt. Rhemetalces verſetzte: Es iſt freylich wol wahr; ich glaube aber: daß es ſo wenig Geſchichtſchvei- ber ohne Heucheley/ als Menſchen ohne Maa- le gebe. Wolthat und Beleidigung zeucht uns gleich ſam unempfindlich zu ungleichem Urtheil; wie der Strom des Helleſponts auch bey der Windſtille die Schiffe gegen das Griechiſche Meer. Daher Callias von Syracuſe ſich nicht maͤßigen konte/ alles Thun des ihn be- ſchenckenden Agathocles zu rechtfertigen/ der von ihm aus Sicilien verwieſene Timeus aber alles zu verdammen. Ja nach dem Berichte des Aſinius Pollio/ hatte Kaͤyſer Julius in ſei- nen Erſter Theil. C c c c c
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Arminius und Thußnelda.
Deutſchland und Gallien gebliebenen von de-
nen Allemaͤnnern aber gedruͤckten Celten gien-
gen ſo gar uͤber das Pyreneiſche Gebuͤrge/ und
gruͤndeten um den Fluß Durias und Sucra
ein neues Reich der Coltiberier. Alle in Grie-
chenland kriegende Voͤlcker muͤhten ſich einige
Deutſchen zu ihren Kriegs-Oberſten/ und die
Koͤnige ſie zu ihrer Leibwache zu bekommen/
und inſonderheit nach etlicher Zeit Koͤnig Phi-
lip in Macedonien. Jnzwiſchen aber ſtarb
Brennus/ und ließ ſeine Herrſchafft ſeinem
Sohne Ludwig; ſein Gedaͤchtnuͤß aber der
Nachwelt zu einem Beyſpiele der Tapfferkeit.
Hertzog Ludwig war ſeines Vaters Ebenbild
nichts minder an Geſtalt als an Gemuͤthe. Da-
her nam die von den Roͤmern bekriegte Stadt
Velitre zu ihm Zuflucht; und beklagten ſich/ daß
Rom die minſte Urſache einiger Feindſeligkeit
gegen ſie haͤtte/ ſondern aus bloſſer Herſchens-
ſucht ſich als eine Woͤlffin alle andere Staͤdtein
Jtalien als Schaffe zu verſchlingen berechtigt
hielte. Weil nun die Roͤmer die Velitrer aus
dem Felde ſchlugen und ihre Stadt belaͤgerten/
es alſo nicht Zeit war mit der Feder/ ſondern
mit dem Degen zu fechten; machte er ſich mit
40000. Semnonern auf/ und ruͤckte ſo eilfertig
fort: daß die Roͤmer von ihrem Anzuge nicht
che Kundſchafft kriegten: als biß ſie zu Cruſtu-
merium uͤber die Tiber geſetzt hatten. Sie er-
klaͤrten hierauf den Marcus Furius zu ihrem
Feldherrn/ ſchrieben an alle ihre Bundgenoſſen
um Huͤlffe/ niemand aber wagte ſich in diß
Spiel zu miſchen/ aus Beyſorge: daß ſodenn
die Deutſchen die Kriegs-Laſt ihnen ſelbſt auff
den Hals weltzen wuͤrden. Wie nun Hertzog
Ludwig bey Collatia uͤber den Fluß Anio gieng/
und biß nach Alba kam; hoben die Roͤmer die
Belaͤgerung fuͤr Velitre uͤber Hals und Kopff
auf/ ſetzten ſich darmit an einen vortheilhafftigen
Ort; aus welchem ſie durch keine Ausforderung
der Semnoner zu locken waren; unter dem
Vorwande: daß das Bild des weiblichen Gluͤ-
ckes an dem Waſſer Crabra bey Rom nunmehr
zum dritten mal geredet/ und ihnen zu ſchlagen
verboten haͤtte. Rhemetalces fiel ein: Er haͤt-
te ja in den Roͤmiſchen Geſchichtſchreibern ge-
leſen: daß Marcus Furius die Semnoner da-
mals bey Alba aufs Haupt geſchlagen; deßwe-
gen zu Rom ein Siegs-Gepraͤnge erlangt/ und
der Deutſchen wenige Uberbleibung ſich in A-
pulien gefluͤchtet haͤtte. Adgandeſter antwor-
tete: Die Griechiſchen Geſchichtſchreiber rede-
ten hierinnen den Deutſchen ihr Wort; und
waͤre aus dieſem unverdaͤchtigen Zeugnuͤſſe zu
urtheiln: wie viel in andern Faͤllen der Roͤmer
Groß ſprechen Glauben verdiente. Und zweif-
felte er nicht: Rhemetalces wuͤrde diß/ was er
erwehnte/ aus dem Livius haben/ welchen Kaͤy-
ſer Auguſtus ſelbſt wegen geſparter Warheit/
und daß er allzu ſehr Pompejiſch waͤre/ beſchul-
digte; wie man hingegen den Dion fuͤr all-
zu gut Kaͤyſerlich/ den Fabius fuͤr zu gut Roͤ-
miſch/ den Philinus fuͤr allzu Carthaginen-
ſiſch hielte. Es iſt diß/ ſagte Zeno/ der groͤ-
ſte Schandfleck eines Geſchichtſchreibers/ wel-
cher/ wie koͤſtlich er ſonſt iſt/ hierdurch alleine die
Wuͤrde geleſen zu werden einbiſt; und nicht un-
billich einem Thiere vergliechen wird/ dem man
die Augen ausgeſtochen hat. Daher auch die ſonſt
ſo ruhmswuͤrdige Liebe des Vaterlandes al-
leine in einem Geſchichtſchreiber verwerflich iſt.
Rhemetalces verſetzte: Es iſt freylich wol wahr;
ich glaube aber: daß es ſo wenig Geſchichtſchvei-
ber ohne Heucheley/ als Menſchen ohne Maa-
le gebe. Wolthat und Beleidigung zeucht uns
gleich ſam unempfindlich zu ungleichem Urtheil;
wie der Strom des Helleſponts auch bey der
Windſtille die Schiffe gegen das Griechiſche
Meer. Daher Callias von Syracuſe ſich
nicht maͤßigen konte/ alles Thun des ihn be-
ſchenckenden Agathocles zu rechtfertigen/ der
von ihm aus Sicilien verwieſene Timeus aber
alles zu verdammen. Ja nach dem Berichte
des Aſinius Pollio/ hatte Kaͤyſer Julius in ſei-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 753[755]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/815>, abgerufen am 01.07.2024. |