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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] nossen nach Rom geschickt hatten/ und Ent-
schuldigung ihrer aus Mißverstande entsprun-
genen Thätligkeiten besänftiget/ oder vielmehr
andere geheime Ursachen zu Beliebung eines
neuen Friedes bewegt hätten. Denn weil er
die Hetrurier und Veneter noch hinter sich
als einen beschwerlichen Dorn im Fusse hatte/
die über dem Po wohnenden Deutschen auch
mit einander in Krieg geriethen/ und die ver-
triebenen Rhetier auch denen Bojen eingefallen
waren/ hielt er nicht rathsam mit so vielen Fein-
den auf einmal sich in beständigen Krieg zu ver-
tieffen; als in welchen Fällen man nicht stets hin-
ter sich sehen kan; und der Schild der Klugheit die
feindlichen Streiche sicherer/ als ein gewaffneter
Arm ablehnet. Uber dis hatten es die
Römer durch ein neues mit den Massiliern
aufgerichtetes Bündnüß/ krafft dessen alle Mas-
silier das Römische Bürger-Recht/ die Zoll-
Freyheit/ und ihren Gesandten ein Sitz im
Römischen Rathe verliehen ward/ so weit ge-
bracht: daß sie mit andern gegen die Deutschen
ergrimmten Galliern/ weil Hertzog Marcomir
biß an die Maaß die deutsche Herrschafft erwei-
tert hatte/ des Brennus zu Aventicum zum
Hertzoge der Semnoner eingesetzten Bruder
bekriegten; welchen Bren nus nicht hülff-loß
lassen konte; daher er zehn tausend Deutschen
ihm über die Alpen zuschickte; und hierdurch
die Feinde zum Frieden zwang. Als Bren-
nus derogestalt auf beyden Seiten der Alpen
sieghafft war/ flog auch seiner Semnoner Ruhm
in Sicilien/ Africa und Griechenland. Denn
es hatte König Dionysius in Sicilien mit dem
Hertzoge Brennus ein Bündnüß gemacht/
und von ihm zwölf tausend deutsche Hülfs-Völ-
cker bekommen. Denn er eroberte durch ihre
Tapferkeit die von den Cartha ginen sern erbau-
te See-Stadt bey dem Lilybeischen Vorgebür-
ge Motya; zwang den Jmilco: daß er umb
freyen Abzug aus Sicilien bitten muste. Ja
bemächtigte durch sie sich in Jtalien des grossen
[Spaltenumbruch] Griechenlands. Fünff tausend dieser Semno-
ner schickte Dionysius auch der von den Beoti-
ern belägerten Stadt Corinth zu Hülffe/ welche
des Nachts in aller Stille in den Lecheischen
Hafen einlieffen; und bald daraus in einem
Ausfalle das gantze Beotische Läger gegen dem
Tempel des Priapus ausschlugen; also den Feind
die gantze Belägerung aufzuheben nöthigten.
Weswegen die Stadt Corinth dem Brennus
und Dionysius zwey ertztene Bilder auf dem
Rathhause aufrichteten. Die Corinther und
Carthaginenser beehrten den Brennus auch
hernach mit Gesandschafften/ und bewarben
sich so wohl/ als die Nachbarn in Jtalien umb
seine Freundschafft. Als nun derogestalt in
Griechenland und Deutschland des Brennus
Thaten nicht anders als des Hercules gesungen
wurden; hielten es alle andere Deutschen darfür:
daß ihnen/ wenn sie es ihm nicht nachthäten/ so
viel Schande/ als ihm Ruhm zuwüchse. Daher
fast alle deutsche Völcker damals zu schwermen
anfingen. Hertzog Antenor segelte mit etlichen
1000. Deutschen in Britannien; hielt sich daselbst
so tapfer: daß ihm König Belin seine Tochter
Cambra vermählte; von welcher seine Völcker
noch ietzt die Sicambrer genennet werden. De-
nen Catten war ohne diß ihr bergicht und unfrucht-
bares Land zu enge/ also: daß sie selbst einander
in die Haare geriethen. Endlich entschloß sich
Fürst Batto und sein Sohn Heß ihrem Vetter
ihr Erbtheil abzutreten/ und wie Brennus eines
mit dem Degen zu erwerben. Diese beyde Her-
tzoge zohen mit 30000. Catten den Rhein hinab/
schlugen die Gallier/ und bemächtigten sich des
zwischen denen zwey Armen des Rheines und
dem Meere liegenden Eylandes/ nennten sich auch
nach ihren Fürsten die Bataver/ welcher die Stadt
Nimegen erbaute. Bathanat machte sich eben-
falls mit 100000. an dem Oder-Strome
gelegenen Osen und Marsingern auf/ setzte über
die Donau/ und eroberte zwischen diesem Flusse
und der Sau ein grosses Gebiete. Die noch in

Deutsch-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] noſſen nach Rom geſchickt hatten/ und Ent-
ſchuldigung ihrer aus Mißverſtande entſprun-
genen Thaͤtligkeiten beſaͤnftiget/ oder vielmehr
andere geheime Urſachen zu Beliebung eines
neuen Friedes bewegt haͤtten. Denn weil er
die Hetrurier und Veneter noch hinter ſich
als einen beſchwerlichen Dorn im Fuſſe hatte/
die uͤber dem Po wohnenden Deutſchen auch
mit einander in Krieg geriethen/ und die ver-
triebenen Rhetier auch denen Bojen eingefallen
waren/ hielt er nicht rathſam mit ſo vielen Fein-
den auf einmal ſich in beſtaͤndigen Krieg zu ver-
tieffen; als in welchen Faͤllen man nicht ſtets hin-
ter ſich ſehen kan; und der Schild der Klugheit die
feindlichen Streiche ſicherer/ als ein gewaffneter
Arm ablehnet. Uber dis hatten es die
Roͤmer durch ein neues mit den Maſſiliern
aufgerichtetes Buͤndnuͤß/ krafft deſſen alle Maſ-
ſilier das Roͤmiſche Buͤrger-Recht/ die Zoll-
Freyheit/ und ihren Geſandten ein Sitz im
Roͤmiſchen Rathe verliehen ward/ ſo weit ge-
bracht: daß ſie mit andern gegen die Deutſchen
ergrim̃ten Galliern/ weil Hertzog Marcomir
biß an die Maaß die deutſche Herrſchafft erwei-
tert hatte/ des Brennus zu Aventicum zum
Hertzoge der Semnoner eingeſetzten Bruder
bekriegten; welchen Bren nus nicht huͤlff-loß
laſſen konte; daher er zehn tauſend Deutſchen
ihm uͤber die Alpen zuſchickte; und hierdurch
die Feinde zum Frieden zwang. Als Bren-
nus derogeſtalt auf beyden Seiten der Alpen
ſieghafft war/ flog auch ſeiner Semnoner Ruhm
in Sicilien/ Africa und Griechenland. Denn
es hatte Koͤnig Dionyſius in Sicilien mit dem
Hertzoge Brennus ein Buͤndnuͤß gemacht/
und von ihm zwoͤlf tauſend deutſche Huͤlfs-Voͤl-
cker bekommen. Denn er eroberte durch ihre
Tapferkeit die von den Cartha ginen ſern erbau-
te See-Stadt bey dem Lilybeiſchen Vorgebuͤr-
ge Motya; zwang den Jmilco: daß er umb
freyen Abzug aus Sicilien bitten muſte. Ja
bemaͤchtigte durch ſie ſich in Jtalien des groſſen
[Spaltenumbruch] Griechenlands. Fuͤnff tauſend dieſer Semno-
ner ſchickte Dionyſius auch der von den Beoti-
ern belaͤgerten Stadt Corinth zu Huͤlffe/ welche
des Nachts in aller Stille in den Lecheiſchen
Hafen einlieffen; und bald daraus in einem
Ausfalle das gantze Beotiſche Laͤger gegen dem
Tempel des Priapus auſſchlugẽ; alſo den Feind
die gantze Belaͤgerung aufzuheben noͤthigten.
Weswegen die Stadt Corinth dem Brennus
und Dionyſius zwey ertztene Bilder auf dem
Rathhauſe aufrichteten. Die Corinther und
Carthaginenſer beehrten den Brennus auch
hernach mit Geſandſchafften/ und bewarben
ſich ſo wohl/ als die Nachbarn in Jtalien umb
ſeine Freundſchafft. Als nun derogeſtalt in
Griechenland und Deutſchland des Brennus
Thaten nicht anders als des Hercules geſungen
wurden; hielten es alle andere Deutſchen darfuͤr:
daß ihnen/ wenn ſie es ihm nicht nachthaͤten/ ſo
viel Schande/ als ihm Ruhm zuwuͤchſe. Daher
faſt alle deutſche Voͤlcker damals zu ſchwermen
anfingen. Hertzog Antenor ſegelte mit etlichen
1000. Deutſchen in Britannien; hielt ſich daſelbſt
ſo tapfer: daß ihm Koͤnig Belin ſeine Tochter
Cambra vermaͤhlte; von welcher ſeine Voͤlcker
noch ietzt die Sicambrer genennet werden. De-
nẽ Cattẽ war ohne diß ihr bergicht und unfrucht-
bares Land zu enge/ alſo: daß ſie ſelbſt einander
in die Haare geriethen. Endlich entſchloß ſich
Fuͤrſt Batto und ſein Sohn Heß ihrem Vetter
ihr Erbtheil abzutreten/ und wie Brennus eines
mit dem Degen zu erwerben. Dieſe beyde Her-
tzoge zohen mit 30000. Catten den Rhein hinab/
ſchlugen die Gallier/ und bemaͤchtigten ſich des
zwiſchen denen zwey Armen des Rheines und
dem Meere liegendẽ Eylandes/ nennten ſich auch
nach ihrẽ Fuͤrſten die Bataver/ welcher die Stadt
Nimegen erbaute. Bathanat machte ſich eben-
falls mit 100000. an dem Oder-Strome
gelegenen Oſen und Marſingern auf/ ſetzte uͤber
die Donau/ und eroberte zwiſchen dieſem Fluſſe
und der Sau ein groſſes Gebiete. Die noch in

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[752[754]/0814] Sechſtes Buch noſſen nach Rom geſchickt hatten/ und Ent- ſchuldigung ihrer aus Mißverſtande entſprun- genen Thaͤtligkeiten beſaͤnftiget/ oder vielmehr andere geheime Urſachen zu Beliebung eines neuen Friedes bewegt haͤtten. Denn weil er die Hetrurier und Veneter noch hinter ſich als einen beſchwerlichen Dorn im Fuſſe hatte/ die uͤber dem Po wohnenden Deutſchen auch mit einander in Krieg geriethen/ und die ver- triebenen Rhetier auch denen Bojen eingefallen waren/ hielt er nicht rathſam mit ſo vielen Fein- den auf einmal ſich in beſtaͤndigen Krieg zu ver- tieffen; als in welchen Faͤllen man nicht ſtets hin- ter ſich ſehen kan; und der Schild der Klugheit die feindlichen Streiche ſicherer/ als ein gewaffneter Arm ablehnet. Uber dis hatten es die Roͤmer durch ein neues mit den Maſſiliern aufgerichtetes Buͤndnuͤß/ krafft deſſen alle Maſ- ſilier das Roͤmiſche Buͤrger-Recht/ die Zoll- Freyheit/ und ihren Geſandten ein Sitz im Roͤmiſchen Rathe verliehen ward/ ſo weit ge- bracht: daß ſie mit andern gegen die Deutſchen ergrim̃ten Galliern/ weil Hertzog Marcomir biß an die Maaß die deutſche Herrſchafft erwei- tert hatte/ des Brennus zu Aventicum zum Hertzoge der Semnoner eingeſetzten Bruder bekriegten; welchen Bren nus nicht huͤlff-loß laſſen konte; daher er zehn tauſend Deutſchen ihm uͤber die Alpen zuſchickte; und hierdurch die Feinde zum Frieden zwang. Als Bren- nus derogeſtalt auf beyden Seiten der Alpen ſieghafft war/ flog auch ſeiner Semnoner Ruhm in Sicilien/ Africa und Griechenland. Denn es hatte Koͤnig Dionyſius in Sicilien mit dem Hertzoge Brennus ein Buͤndnuͤß gemacht/ und von ihm zwoͤlf tauſend deutſche Huͤlfs-Voͤl- cker bekommen. Denn er eroberte durch ihre Tapferkeit die von den Cartha ginen ſern erbau- te See-Stadt bey dem Lilybeiſchen Vorgebuͤr- ge Motya; zwang den Jmilco: daß er umb freyen Abzug aus Sicilien bitten muſte. Ja bemaͤchtigte durch ſie ſich in Jtalien des groſſen Griechenlands. Fuͤnff tauſend dieſer Semno- ner ſchickte Dionyſius auch der von den Beoti- ern belaͤgerten Stadt Corinth zu Huͤlffe/ welche des Nachts in aller Stille in den Lecheiſchen Hafen einlieffen; und bald daraus in einem Ausfalle das gantze Beotiſche Laͤger gegen dem Tempel des Priapus auſſchlugẽ; alſo den Feind die gantze Belaͤgerung aufzuheben noͤthigten. Weswegen die Stadt Corinth dem Brennus und Dionyſius zwey ertztene Bilder auf dem Rathhauſe aufrichteten. Die Corinther und Carthaginenſer beehrten den Brennus auch hernach mit Geſandſchafften/ und bewarben ſich ſo wohl/ als die Nachbarn in Jtalien umb ſeine Freundſchafft. Als nun derogeſtalt in Griechenland und Deutſchland des Brennus Thaten nicht anders als des Hercules geſungen wurden; hielten es alle andere Deutſchen darfuͤr: daß ihnen/ wenn ſie es ihm nicht nachthaͤten/ ſo viel Schande/ als ihm Ruhm zuwuͤchſe. Daher faſt alle deutſche Voͤlcker damals zu ſchwermen anfingen. Hertzog Antenor ſegelte mit etlichen 1000. Deutſchen in Britannien; hielt ſich daſelbſt ſo tapfer: daß ihm Koͤnig Belin ſeine Tochter Cambra vermaͤhlte; von welcher ſeine Voͤlcker noch ietzt die Sicambrer genennet werden. De- nẽ Cattẽ war ohne diß ihr bergicht und unfrucht- bares Land zu enge/ alſo: daß ſie ſelbſt einander in die Haare geriethen. Endlich entſchloß ſich Fuͤrſt Batto und ſein Sohn Heß ihrem Vetter ihr Erbtheil abzutreten/ und wie Brennus eines mit dem Degen zu erwerben. Dieſe beyde Her- tzoge zohen mit 30000. Catten den Rhein hinab/ ſchlugen die Gallier/ und bemaͤchtigten ſich des zwiſchen denen zwey Armen des Rheines und dem Meere liegendẽ Eylandes/ nennten ſich auch nach ihrẽ Fuͤrſten die Bataver/ welcher die Stadt Nimegen erbaute. Bathanat machte ſich eben- falls mit 100000. an dem Oder-Strome gelegenen Oſen und Marſingern auf/ ſetzte uͤber die Donau/ und eroberte zwiſchen dieſem Fluſſe und der Sau ein groſſes Gebiete. Die noch in Deutſch-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 752[754]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/814>, abgerufen am 23.11.2024.