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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] schwerligkeit des Kriegs fürzuziehen; oder viel-
mehr ihre güldne Freyheit um den faulen
Schlamm eines stinckenden Müßiggangs zu
verkauffen. Welchen Griffs sich Käyser Ju-
lius meisterlich zu gebrauchen gewüst/ als er
für dem ihm bereit im Kopffe steckenden Bür-
ger-Kriege den Kriegs-Sold um des Heeres
Gewogenheit zu gewinnen/ noch einmal so hoch
gesetzt. Und August hätte es ihm ebenfals nachge-
than. Gleichwohl aber wäre das hierdurch ver-
wehnte Römische Kriegs-Volck darmit nicht
vergnügt/ sondern es hätte schon mehrmals durch
Auffstand des Soldes Vergrösserung gesucht.
Uber diß hieraus erwachsende Ubel wäre der
Kriegs-Sold nicht nur ins gemein auch den
vermögensten Ländern unerschwinglich/ welche
mit Herbeyschaffung des Kriegs-Geräthes und
der Lebensmittel genug zu schaffen hätten; son-
dern er wäre auch der Verkürtzung der Zahl-
meister/ der Verschwendung der Kriegs-O-
bersten/ und andern so vielen Unterschlieffen
unterworffen: daß die scharffsichtigste Auffsicht
der redlichsten Befehlhaber selbten zu steuern
viel zu unvermögend wäre. Das allerärgste a-
ber wäre: daß so denn unter denen Fahnen un-
zehlbare blinde Lücken blieben/ und dem Feld-
herrn tausend nie in der Welt geweste Und in-
ge/ oder die Nahmen der längst Verstorbenen
für Kriegsleute verkaufft/ derselben Sold in
fremde Beutel gestrichen/ und durch diese
Blendung die Fürsten eines auff den Rollen
starcken/ im Felde aber schwachen Heeres zu
unvernünfftigen und höchstschädlichen Ent-
schlüssungen verleitet würden. Welcher Be-
trug hingegen mit Benehmung der Gelegen-
heit von dem Solde schnöden Gewinn zu ma-
chen hinfiele/ und also viel heilsamer wäre: wenn
ein Kriegs-Heer nur mit auskommentlichen Le-
bensmitteln Kleidern und Waffen versorgt;
die tapffern aber wegen ihrer Verdienste an-
sehnlich belohnet; und derogestalt nichts min-
der die feigen von den Hertzhafften unterschie-
[Spaltenumbruch] den/ als die tugendhafften durch anderer Hervor-
zückung zu Nachthuung gleichmäßiger Hel-
denthaten angereitzt werden. Diese Eyver-
sucht ist der beste Sporn zu grossen Verrich-
tungen/ und die Ehre der würdigste Sold der
Kriegs-Leute; unter denen die Edelsten so begie-
rig nach einem Krantze von eichenem Laube o-
der Lorber-Zweigen gestrebt haben: daß sie auch
vergessen die zu ihrem Begräbnisse nöthige Un-
kosten zu hinterlegen. Auff diese Art zahlete
auch der großmüthige Brennus sein siegendes
Kriegs-Volck aus/ durch welches er ihm nach
obiger Niederlage mit weniger Müh nicht nur
das Land vom Flusse Utis biß an den Strom
Aesis/ sondern auch die Umbrier unterwürf-
fig machte; welche einem so grossen Helden zu
gehorsamen ehe für Glück als Verlust hielten.
Also ist auch in Feinden die Tugend ein Ma-
gnet der Gewogenheit/ und eine Bezauberung
der Seelen. Brennus baute zum Gedächt-
nisse an dem Meer-Strand bey dem Einflus-
se des Misus-Stroms/ eine Stadt/ und nennte
sie nach seinem Volcke Semnogallien; befe-
stigte seine neue Herrschafft mit Gerechtigkeit/
und erlangte in Jtalien für allen andern Häu-
ptern das gröste Ansehen. Dieses veranla-
ste einen Hetrurischen Edelmann aus der
Stadt Clusium/ Aruntes: daß er zum Bren-
nus kam/ und so wohl wider den Rath wegen
versagten Rechtes/ als wider seinen Pflege-
Sohn Lucumon/ der sein Ehebette besudelt
hatte/ Rache und Hülffe soderte. Brennus
ärgerte sich nach seiner deutschen Art so wohl
über ein-als dem andern Laster; als bey wel-
chem die Straffe der versehrten Keuschheit auf
der Fersen folget/ und unnachläßlich ist; und
niemand wie die zu Clusium/ aus dem Ehe-
bruche ein Gelächter macht. Gleichwohl a-
ber schickte er nach Clusium/ und verlangte
den Lucumar entweder nach aller Völcker Rech-
ten zu straffen/ oder ihn ihm ausfolgen zu las-

sen.
A a a a a 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſchwerligkeit des Kriegs fuͤrzuziehen; oder viel-
mehr ihre guͤldne Freyheit um den faulen
Schlamm eines ſtinckenden Muͤßiggangs zu
verkauffen. Welchen Griffs ſich Kaͤyſer Ju-
lius meiſterlich zu gebrauchen gewuͤſt/ als er
fuͤr dem ihm bereit im Kopffe ſteckenden Buͤr-
ger-Kriege den Kriegs-Sold um des Heeres
Gewogenheit zu gewinnen/ noch einmal ſo hoch
geſetzt. Und Auguſt haͤtte es ihm ebenfals nachge-
than. Gleichwohl aber waͤre das hierdurch ver-
wehnte Roͤmiſche Kriegs-Volck darmit nicht
veꝛgnuͤgt/ ſondeꝛn es haͤtte ſchon mehrmals duꝛch
Auffſtand des Soldes Vergroͤſſerung geſucht.
Uber diß hieraus erwachſende Ubel waͤre der
Kriegs-Sold nicht nur ins gemein auch den
vermoͤgenſten Laͤndern unerſchwinglich/ welche
mit Herbeyſchaffung des Kriegs-Geraͤthes und
der Lebensmittel genug zu ſchaffen haͤtten; ſon-
dern er waͤre auch der Verkuͤrtzung der Zahl-
meiſter/ der Verſchwendung der Kriegs-O-
berſten/ und andern ſo vielen Unterſchlieffen
unterworffen: daß die ſcharffſichtigſte Auffſicht
der redlichſten Befehlhaber ſelbten zu ſteuern
viel zu unvermoͤgend waͤre. Das alleraͤrgſte a-
ber waͤre: daß ſo denn unter denen Fahnen un-
zehlbare blinde Luͤcken blieben/ und dem Feld-
herrn tauſend nie in der Welt geweſte Und in-
ge/ oder die Nahmen der laͤngſt Verſtorbenen
fuͤr Kriegsleute verkaufft/ derſelben Sold in
fremde Beutel geſtrichen/ und durch dieſe
Blendung die Fuͤrſten eines auff den Rollen
ſtarcken/ im Felde aber ſchwachen Heeres zu
unvernuͤnfftigen und hoͤchſtſchaͤdlichen Ent-
ſchluͤſſungen verleitet wuͤrden. Welcher Be-
trug hingegen mit Benehmung der Gelegen-
heit von dem Solde ſchnoͤden Gewinn zu ma-
chen hinfiele/ und alſo viel heilſamer waͤre: weñ
ein Kriegs-Heer nur mit auskommentlichen Le-
bensmitteln Kleidern und Waffen verſorgt;
die tapffern aber wegen ihrer Verdienſte an-
ſehnlich belohnet; und derogeſtalt nichts min-
der die feigen von den Hertzhafften unterſchie-
[Spaltenumbruch] den/ als die tugendhafften durch andereꝛ Hervor-
zuͤckung zu Nachthuung gleichmaͤßiger Hel-
denthaten angereitzt werden. Dieſe Eyver-
ſucht iſt der beſte Sporn zu groſſen Verrich-
tungen/ und die Ehre der wuͤrdigſte Sold der
Kriegs-Leute; unter denen die Edelſten ſo begie-
rig nach einem Krantze von eichenem Laube o-
der Lorber-Zweigen geſtrebt haben: daß ſie auch
vergeſſen die zu ihrem Begraͤbniſſe noͤthige Un-
koſten zu hinterlegen. Auff dieſe Art zahlete
auch der großmuͤthige Brennus ſein ſiegendes
Kriegs-Volck aus/ durch welches er ihm nach
obiger Niederlage mit weniger Muͤh nicht nur
das Land vom Fluſſe Utis biß an den Strom
Aeſis/ ſondern auch die Umbrier unterwuͤrf-
fig machte; welche einem ſo groſſen Helden zu
gehorſamen ehe fuͤr Gluͤck als Verluſt hielten.
Alſo iſt auch in Feinden die Tugend ein Ma-
gnet der Gewogenheit/ und eine Bezauberung
der Seelen. Brennus baute zum Gedaͤcht-
niſſe an dem Meer-Strand bey dem Einfluſ-
ſe des Miſus-Stroms/ eine Stadt/ und nennte
ſie nach ſeinem Volcke Semnogallien; befe-
ſtigte ſeine neue Herrſchafft mit Gerechtigkeit/
und erlangte in Jtalien fuͤr allen andern Haͤu-
ptern das groͤſte Anſehen. Dieſes veranla-
ſte einen Hetruriſchen Edelmann aus der
Stadt Cluſium/ Aruntes: daß er zum Bren-
nus kam/ und ſo wohl wider den Rath wegen
verſagten Rechtes/ als wider ſeinen Pflege-
Sohn Lucumon/ der ſein Ehebette beſudelt
hatte/ Rache und Huͤlffe ſoderte. Brennus
aͤrgerte ſich nach ſeiner deutſchen Art ſo wohl
uͤber ein-als dem andern Laſter; als bey wel-
chem die Straffe der verſehrten Keuſchheit auf
der Ferſen folget/ und unnachlaͤßlich iſt; und
niemand wie die zu Cluſium/ aus dem Ehe-
bruche ein Gelaͤchter macht. Gleichwohl a-
ber ſchickte er nach Cluſium/ und verlangte
den Lucumar entweder nach aller Voͤlcker Rech-
ten zu ſtraffen/ oder ihn ihm ausfolgen zu laſ-

ſen.
A a a a a 3
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 737[743]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/803>, abgerufen am 22.11.2024.