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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] also: daß Mitternacht die Scheide der Völ-
cker genennet zu werden verdienet hat. Un-
ter diesen Deutschen Propfreisern sind die er-
sten gewesen die Gallier; welcher Sprache
noch ein Kennzeichen ist: daß so wol sie als das
Volck selbst von uns/ nicht aber von Galaten/
dem geträumten Sohne des Hercules entspros-
sen. Ja von den alten Griechen und Römern
alles/ was zwischen dem Pyreneischen Gebür-
ge biß an das schwartze Meer und die Ost-See
lieget/ mit dem Nahmen Galliens belegt/ und
also die Deutschen insgemein für Gallier gehal-
ten/ diese aber zu Nachbarn der Scythen ge-
macht worden; da doch der Rhein die eigentli-
che Gräntze der Gallier und Deutschen ist.
Wiewol nicht zu leugnen: daß anfangs auch ein
Theil von des Javans Nachkommen aus de-
nen Egeischen Eylanden/ und hernach die für
dem Persischen Joche sich flüchtenden Pho-
cäer/ nach dem sie vorher mit dem Römischen
Könige Tarqvinius ein Bündnüß gemacht/
an dem Rhodan nieder gelassen hätten. Und
eben diese Vermischung ist hernach die Ursache
der zwischen diesen beyden verschwisterten Völ-
ckern itzigen so merckwürdigen Unähnligkeit
und vieler andern Verenderungen gewest. Es
ist bekandt: daß die Einwohner der Nordlande/
ungeachtet sie sich mit einem Weibe vergnügen/
viel fruchtbarer als die des heissen Sudstrichs
sind. Aus dieser Ursache ward Deutschland/
Sarmatien und Gallien seinen Völckern end-
lich zu klein/ und daher entstanden zwischen de-
nen Deutschen/ und denen nicht minder frucht-
baren Sarmatern der Gräntzen halber die er-
sten Kriege; Wiewol diese zwey streitbare Völ-
cker sich auch mehrmals mit einander vereinbar-
ten/ und der übrigen Welt gegen einander ein
Schrecken einjagten. Jnsonderheit kam Ga-
lathes/ der Deutschen König/ zur Zeit des zu
Troja herschenden Jlus/ seiner Macht und
Tapfferkeit wegen in grosses Ansehen; und was
die aus Deutschland entsprossenen Amazonen in
Asien und Africa für Wunder gethan/ ist ohne
[Spaltenumbruch] diß Weltkündig. Weil nun die sich in Gallien
vermehrenden Völcker wegen der ihnen im
Wege stehenden zweyen Meere und Gebürge
nicht so wol ausbreiten konten/ wurden die aus
Deutschland in Gallien gekommenen/ und
ziemlich ins Gedrange gebrachten Bojen unter
dem Gebiete des Königs der Biluriger Ambi-
gat genöthigt/ die Deutschen anzuflehen: sie
möchten ihnen ein Stücke Landes in ihrem al-
ten Vaterlande einräumen. Worauf sich ih-
rer viel tausend unter dem Heerführer Sigove-
fus/ des Königs Schwester Sohne/ in dem ih-
nen angewiesenen Hercynischen Walde an dem
Muldau-Strome niederliessen/ auch alldar
blieben sind/ biß sie unlängst der Marckmänner
König Marobod über die Donau vertrieben
hat. Weil aber die Bojen nicht alle in dem
volckreichen Deutschlande raum hatten/ traf
des Sigovesus Bruder/ den Bellovesus/ das
Looß/ über denen Himmel-hohen Alpen/ wel-
ches für ihm kein Mensch als Hercules überstie-
gen haben solte/ eine Wohnstadt zu suchen. Zu
den Bojen schlugen sich viel tausend Schwaben
und Alemänner; iedoch schiene der gantzen
Welt Macht nicht genung zu seyn/ durch die
Mauern Jtaliens/ nemlich die so steilen und von
der Natur mit unvergänglichem Schnee ver-
wahrten Gebürge einen Weg zu brechen. Sie
versuchten an vielen Orten/ aber vergebens.
Endlich fand sich zum Belloveß ein Helvitischer
Schmied/ welcher gleich aus Jtalien kam/ und
getrocknete Feigen/ frische Weintrauben/ Oel/
und andere denen Deutschen unbekandte und
für ein Meer-Wunder gehaltene Früchte mit
brachte/ und darmit den Bojen und Deutschen
die Zähne sehr wäßricht machte. Die Lüstern-
heit nach so süsser Kost/ und nach einem so glückli-
chen Lande schloß ihnen die Alpen auf; ungeach-
tet sonst der vom Elico gewiesene Fußsteig für ein
so grosses Volck viel zu enge oder zu beschwerlich
gewest wäre. Also fanden sie durch die Taurini-
schen Steinklüffte den Eingang gleichsam in ei-
ne neue Welt; und zwar zu der Zeit: als Tarqvi-

nius
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] alſo: daß Mitternacht die Scheide der Voͤl-
cker genennet zu werden verdienet hat. Un-
ter dieſen Deutſchen Propfreiſern ſind die er-
ſten geweſen die Gallier; welcher Sprache
noch ein Kennzeichen iſt: daß ſo wol ſie als das
Volck ſelbſt von uns/ nicht aber von Galaten/
dem getraͤumten Sohne des Hercules entſproſ-
ſen. Ja von den alten Griechen und Roͤmern
alles/ was zwiſchen dem Pyreneiſchen Gebuͤr-
ge biß an das ſchwartze Meer und die Oſt-See
lieget/ mit dem Nahmen Galliens belegt/ und
alſo die Deutſchen insgemein fuͤr Gallier gehal-
ten/ dieſe aber zu Nachbarn der Scythen ge-
macht worden; da doch der Rhein die eigentli-
che Graͤntze der Gallier und Deutſchen iſt.
Wiewol nicht zu leugnen: daß anfangs auch ein
Theil von des Javans Nachkommen aus de-
nen Egeiſchen Eylanden/ und hernach die fuͤr
dem Perſiſchen Joche ſich fluͤchtenden Pho-
caͤer/ nach dem ſie vorher mit dem Roͤmiſchen
Koͤnige Tarqvinius ein Buͤndnuͤß gemacht/
an dem Rhodan nieder gelaſſen haͤtten. Und
eben dieſe Vermiſchung iſt hernach die Urſache
der zwiſchen dieſen beyden verſchwiſterten Voͤl-
ckern itzigen ſo merckwuͤrdigen Unaͤhnligkeit
und vieler andern Verenderungen geweſt. Es
iſt bekandt: daß die Einwohner der Nordlande/
ungeachtet ſie ſich mit einem Weibe vergnuͤgen/
viel fruchtbarer als die des heiſſen Sudſtrichs
ſind. Aus dieſer Urſache ward Deutſchland/
Sarmatien und Gallien ſeinen Voͤlckern end-
lich zu klein/ und daher entſtanden zwiſchen de-
nen Deutſchen/ und denen nicht minder frucht-
baren Sarmatern der Graͤntzen halber die er-
ſten Kriege; Wiewol dieſe zwey ſtreitbare Voͤl-
cker ſich auch mehrmals mit einander vereinbar-
ten/ und der uͤbrigen Welt gegen einander ein
Schrecken einjagten. Jnſonderheit kam Ga-
lathes/ der Deutſchen Koͤnig/ zur Zeit des zu
Troja herſchenden Jlus/ ſeiner Macht und
Tapfferkeit wegen in groſſes Anſehen; und was
die aus Deutſchland entſproſſenen Amazonen in
Aſien und Africa fuͤr Wunder gethan/ iſt ohne
[Spaltenumbruch] diß Weltkuͤndig. Weil nun die ſich in Gallien
vermehrenden Voͤlcker wegen der ihnen im
Wege ſtehenden zweyen Meere und Gebuͤrge
nicht ſo wol ausbreiten konten/ wurden die aus
Deutſchland in Gallien gekommenen/ und
ziemlich ins Gedrange gebrachten Bojen unter
dem Gebiete des Koͤnigs der Biluriger Ambi-
gat genoͤthigt/ die Deutſchen anzuflehen: ſie
moͤchten ihnen ein Stuͤcke Landes in ihrem al-
ten Vaterlande einraͤumen. Worauf ſich ih-
rer viel tauſend unter dem Heerfuͤhrer Sigove-
fus/ des Koͤnigs Schweſter Sohne/ in dem ih-
nen angewieſenen Hercyniſchen Walde an dem
Muldau-Strome niederlieſſen/ auch alldar
blieben ſind/ biß ſie unlaͤngſt der Marckmaͤnner
Koͤnig Marobod uͤber die Donau vertrieben
hat. Weil aber die Bojen nicht alle in dem
volckreichen Deutſchlande raum hatten/ traf
des Sigoveſus Bruder/ den Belloveſus/ das
Looß/ uͤber denen Himmel-hohen Alpen/ wel-
ches fuͤr ihm kein Menſch als Hercules uͤberſtie-
gen haben ſolte/ eine Wohnſtadt zu ſuchen. Zu
den Bojen ſchlugen ſich viel tauſend Schwaben
und Alemaͤnner; iedoch ſchiene der gantzen
Welt Macht nicht genung zu ſeyn/ durch die
Mauern Jtaliens/ nemlich die ſo ſteilen und von
der Natur mit unvergaͤnglichem Schnee ver-
wahrten Gebuͤrge einen Weg zu brechen. Sie
verſuchten an vielen Orten/ aber vergebens.
Endlich fand ſich zum Belloveß ein Helvitiſcheꝛ
Schmied/ welcher gleich aus Jtalien kam/ und
getrocknete Feigen/ friſche Weintrauben/ Oel/
und andere denen Deutſchen unbekandte und
fuͤr ein Meer-Wunder gehaltene Fruͤchte mit
brachte/ und darmit den Bojen und Deutſchen
die Zaͤhne ſehr waͤßricht machte. Die Luͤſtern-
heit nach ſo ſuͤſſer Koſt/ und nach einem ſo gluͤckli-
chen Lande ſchloß ihnen die Alpen auf; ungeach-
tet ſonſt der vom Elico gewieſene Fußſteig fuͤr ein
ſo groſſes Volck viel zu enge oder zu beſchwerlich
geweſt waͤre. Alſo fanden ſie durch die Taurini-
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ne neue Welt; und zwar zu der Zeit: als Tarqvi-

nius
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 733[735]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/795>, abgerufen am 22.11.2024.