Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] die sie bey zweifelhaften Zeiten ihm anvertraute.
Nach ihm war der spitzfindige Chrysippus zu se-
hen; an der Ecke Crates/ Antisthenes und Dio-
genes mit seinem Fasse. Für ihnen sassen die
großbärtichten Weltweisen ihre Nachfolger.
Gegen Mittag stand das Altar/ welches die
Stadt Stagira dem Aristoteles zu Ehren auf-
richten lassen; darneben sein Bildnüß aus Co-
rinthischem Ertzte/ die sein Schüler Theophra-
stus ihm zu giessen in seinem letzten Willen ver-
ordnet/ und auf selbtem der güldene Krantz/
wormit ihn der grosse Alexander verehret hatte.
Weiter hin sahe man den Theophrastus. Für
ihnen sassen die ihnen anhängigen Weltweisen/
die an der Anzahl alle andere übertraffen. Nord-
werts stand ein Altar der Wollust/ welches Jdo-
meneus anfgerichtet/ darneben des Epicurus
Bild/ welches Theodorus gemahlet hat/ und
von seinen Nachfolgern an seinem Geburts-
Tage jährlich verehret/ auch so wohl durch ihre
Schlaf-Gemächer/ als die Gärte/ die er unter-
halb der Stadt Athen zum ersten angegeben/
mit allerhand Freuden-Zeichen herumb getra-
gen wird. Neben dem Epicurus stand Ari-
stippus und Laertius; für ihnen sassen die wohl
aufgeputzten Epicurischen Weltweisen/ mit
freundlichen Gesichten und frölichen Geberden.
Zarmar aber saß alleine bey dem an einer Ecke
stehenden Bilde des Socrates; welches die ihn
zu unrecht verdammende/ hernach aber aus all-
zu später Reue verg[öt]ternde Stadt Athen
ihm aus Ertzte durch den Lysippus hatten auf-
richten lassen. Der Käyser fragte Zarmarn:
Warumb er sich zu keiner gewissen Schule derer
hernach vollkommener gewordenen Weltwei-
sen/ und insonderheit zu den Platonischen/ wel-
che zum theil vom Socrates ihre Lehre hät-
ten/ schlüge? Zarmar antwortete dem Käyser:
Seines Bedünckens wäre nach dem Socrates
die Weltweißheit wohl spitziger/ aber auch ärger
worden. Der Rath zu Athen hätte ihn zwar
[Spaltenumbruch] dem Pythagoras nach/ ihr eigener Gott Apollo
aber allen klugen Leuten vorgesetzt. Seine
Lehren von Gott wären so weise: daß man
nicht unbillich von ihm rühmte: Er hätte seine
Weißheit vom Himmel bekommen. Sein Le-
ben wäre nichts minder so gut gewest: daß aller
weisen Leute Fürnehmen billich sein Nach-Ge-
mählde seyn solte. Gott würdigte ihn durch
einen guten Geist stets zur Tugend zu leiten;
wo man anders nicht die Klugheit für Socra-
tens und aller Weisen Leitstern halten soll.
Uber diß träffen die Jndianischen Weisen auch
sonderlich in dem mit dem Socrates überein:
daß ihnen verleumdische Aristophanes antichte-
ten; sie beteten nur Nebel und Wolcken an;
da sie doch den allein ewigen Gott verehreten/
ausser dem aber nichts ewig/ nichts Anbethens
würdig schätzten. Anitus und Melitus hät-
ten ihn zwar als einen/ der keinen Gott gläub-
te/ angeklagt; da er doch in Athen nur alleine
ein Verehrer des wahren/ seine Ankläger und
Richter aber desselbten Verächter gewest wä-
ren/ da sie drey hundert Jupiter/ drey und vier-
tzig Hercules/ und dreissig tausend andere Göt-
ter angebetet hätten. Man hätte sein Haus
mit seinem Haushalter Chörephon verbrennt;
da jenes doch der heiligste Tempel in Athen/
dieser nach dem Socrates das würdigste in
Griechenland gewest wäre. Jedoch wäre sich
hierüber nicht zu verwundern. Denn man
finde eine ungemeine Tugend so wenig ohne
Mißgunst/ als eine Lerche ohne Püschel auf
dem Kopfe. Alleine er hätte keine vollkom-
menere Vertheidigung seiner Unschuld ihm
selbst wüntschen können/ als daß seine eigene Ver-
urth eiler den einen Ankläger verwiesen/ den
andern zum Tode verdammet; und Athen mit
Aufrichtung einer güldenen Säule zu seinem
Gedächtnüsse/ Socraten verewigt/ und ihre
Schuld bereuet hätten. Hierüber erhob sich ein
allgemeines Gemürmel unter allen versamle-

ten

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] die ſie bey zweifelhaften Zeiten ihm anvertraute.
Nach ihm war der ſpitzfindige Chryſippus zu ſe-
hen; an der Ecke Crates/ Antiſthenes und Dio-
genes mit ſeinem Faſſe. Fuͤr ihnen ſaſſen die
großbaͤrtichten Weltweiſen ihre Nachfolger.
Gegen Mittag ſtand das Altar/ welches die
Stadt Stagira dem Ariſtoteles zu Ehren auf-
richten laſſen; darneben ſein Bildnuͤß aus Co-
rinthiſchem Ertzte/ die ſein Schuͤler Theophra-
ſtus ihm zu gieſſen in ſeinem letzten Willen ver-
ordnet/ und auf ſelbtem der guͤldene Krantz/
wormit ihn der groſſe Alexander verehret hatte.
Weiter hin ſahe man den Theophraſtus. Fuͤr
ihnen ſaſſen die ihnen anhaͤngigen Weltweiſen/
die an der Anzahl alle andere uͤbertraffen. Nord-
werts ſtand ein Altar der Wolluſt/ welches Jdo-
meneus anfgerichtet/ darneben des Epicurus
Bild/ welches Theodorus gemahlet hat/ und
von ſeinen Nachfolgern an ſeinem Geburts-
Tage jaͤhrlich verehret/ auch ſo wohl durch ihre
Schlaf-Gemaͤcher/ als die Gaͤrte/ die er unter-
halb der Stadt Athen zum erſten angegeben/
mit allerhand Freuden-Zeichen herumb getra-
gen wird. Neben dem Epicurus ſtand Ari-
ſtippus und Laertius; fuͤr ihnen ſaſſen die wohl
aufgeputzten Epicuriſchen Weltweiſen/ mit
freundlichen Geſichten und froͤlichen Geberden.
Zarmar aber ſaß alleine bey dem an einer Ecke
ſtehenden Bilde des Socrates; welches die ihn
zu unrecht verdammende/ hernach aber aus all-
zu ſpaͤter Reue verg[oͤt]ternde Stadt Athen
ihm aus Ertzte durch den Lyſippus hatten auf-
richten laſſen. Der Kaͤyſer fragte Zarmarn:
Warumb er ſich zu keiner gewiſſen Schule derer
hernach vollkommener gewordenen Weltwei-
ſen/ und inſonderheit zu den Platoniſchen/ wel-
che zum theil vom Socrates ihre Lehre haͤt-
ten/ ſchluͤge? Zarmar antwortete dem Kaͤyſer:
Seines Beduͤnckens waͤre nach dem Socrates
die Weltweißheit wohl ſpitziger/ aber auch aͤrger
worden. Der Rath zu Athen haͤtte ihn zwar
[Spaltenumbruch] dem Pythagoras nach/ ihr eigener Gott Apollo
aber allen klugen Leuten vorgeſetzt. Seine
Lehren von Gott waͤren ſo weiſe: daß man
nicht unbillich von ihm ruͤhmte: Er haͤtte ſeine
Weißheit vom Himmel bekommen. Sein Le-
ben waͤre nichts minder ſo gut geweſt: daß aller
weiſen Leute Fuͤrnehmen billich ſein Nach-Ge-
maͤhlde ſeyn ſolte. Gott wuͤrdigte ihn durch
einen guten Geiſt ſtets zur Tugend zu leiten;
wo man anders nicht die Klugheit fuͤr Socra-
tens und aller Weiſen Leitſtern halten ſoll.
Uber diß traͤffen die Jndianiſchen Weiſen auch
ſonderlich in dem mit dem Socrates uͤberein:
daß ihnen verleumdiſche Ariſtophanes antichte-
ten; ſie beteten nur Nebel und Wolcken an;
da ſie doch den allein ewigen Gott verehreten/
auſſer dem aber nichts ewig/ nichts Anbethens
wuͤrdig ſchaͤtzten. Anitus und Melitus haͤt-
ten ihn zwar als einen/ der keinen Gott glaͤub-
te/ angeklagt; da er doch in Athen nur alleine
ein Verehrer des wahren/ ſeine Anklaͤger und
Richter aber deſſelbten Veraͤchter geweſt waͤ-
ren/ da ſie drey hundert Jupiter/ drey und vier-
tzig Hercules/ und dreiſſig tauſend andere Goͤt-
ter angebetet haͤtten. Man haͤtte ſein Haus
mit ſeinem Haushalter Choͤrephon verbrennt;
da jenes doch der heiligſte Tempel in Athen/
dieſer nach dem Socrates das wuͤrdigſte in
Griechenland geweſt waͤre. Jedoch waͤre ſich
hieruͤber nicht zu verwundern. Denn man
finde eine ungemeine Tugend ſo wenig ohne
Mißgunſt/ als eine Lerche ohne Puͤſchel auf
dem Kopfe. Alleine er haͤtte keine vollkom-
menere Vertheidigung ſeiner Unſchuld ihm
ſelbſt wuͤntſchen koͤnnẽ/ als daß ſeine eigene Ver-
urth eiler den einen Anklaͤger verwieſen/ den
andern zum Tode verdammet; und Athen mit
Aufrichtung einer guͤldenen Saͤule zu ſeinem
Gedaͤchtnuͤſſe/ Socraten verewigt/ und ihre
Schuld bereuet haͤtten. Hieruͤber erhob ſich ein
allgemeines Gemuͤrmel unter allen verſamle-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0764" n="708"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
die &#x017F;ie bey zweifelhaften Zeiten ihm anvertraute.<lb/>
Nach ihm war der &#x017F;pitzfindige Chry&#x017F;ippus zu &#x017F;e-<lb/>
hen; an der Ecke Crates/ Anti&#x017F;thenes und Dio-<lb/>
genes mit &#x017F;einem Fa&#x017F;&#x017F;e. Fu&#x0364;r ihnen &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en die<lb/>
großba&#x0364;rtichten Weltwei&#x017F;en ihre Nachfolger.<lb/>
Gegen Mittag &#x017F;tand das Altar/ welches die<lb/>
Stadt Stagira dem Ari&#x017F;toteles zu Ehren auf-<lb/>
richten la&#x017F;&#x017F;en; darneben &#x017F;ein Bildnu&#x0364;ß aus Co-<lb/>
rinthi&#x017F;chem Ertzte/ die &#x017F;ein Schu&#x0364;ler Theophra-<lb/>
&#x017F;tus ihm zu gie&#x017F;&#x017F;en in &#x017F;einem letzten Willen ver-<lb/>
ordnet/ und auf &#x017F;elbtem der gu&#x0364;ldene Krantz/<lb/>
wormit ihn der gro&#x017F;&#x017F;e Alexander verehret hatte.<lb/>
Weiter hin &#x017F;ahe man den Theophra&#x017F;tus. Fu&#x0364;r<lb/>
ihnen &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en die ihnen anha&#x0364;ngigen Weltwei&#x017F;en/<lb/>
die an der Anzahl alle andere u&#x0364;bertraffen. Nord-<lb/>
werts &#x017F;tand ein Altar der Wollu&#x017F;t/ welches Jdo-<lb/>
meneus anfgerichtet/ darneben des Epicurus<lb/>
Bild/ welches Theodorus gemahlet hat/ und<lb/>
von &#x017F;einen Nachfolgern an &#x017F;einem Geburts-<lb/>
Tage ja&#x0364;hrlich verehret/ auch &#x017F;o wohl durch ihre<lb/>
Schlaf-Gema&#x0364;cher/ als die Ga&#x0364;rte/ die er unter-<lb/>
halb der Stadt Athen zum er&#x017F;ten angegeben/<lb/>
mit allerhand Freuden-Zeichen herumb getra-<lb/>
gen wird. Neben dem Epicurus &#x017F;tand Ari-<lb/>
&#x017F;tippus und Laertius; fu&#x0364;r ihnen &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en die wohl<lb/>
aufgeputzten Epicuri&#x017F;chen Weltwei&#x017F;en/ mit<lb/>
freundlichen Ge&#x017F;ichten und fro&#x0364;lichen Geberden.<lb/>
Zarmar aber &#x017F;aß alleine bey dem an einer Ecke<lb/>
&#x017F;tehenden Bilde des Socrates; welches die ihn<lb/>
zu unrecht verdammende/ hernach aber aus all-<lb/>
zu &#x017F;pa&#x0364;ter Reue verg<supplied>o&#x0364;t</supplied>ternde Stadt Athen<lb/>
ihm aus Ertzte durch den Ly&#x017F;ippus hatten auf-<lb/>
richten la&#x017F;&#x017F;en. Der Ka&#x0364;y&#x017F;er fragte Zarmarn:<lb/>
Warumb er &#x017F;ich zu keiner gewi&#x017F;&#x017F;en Schule derer<lb/>
hernach vollkommener gewordenen Weltwei-<lb/>
&#x017F;en/ und in&#x017F;onderheit zu den Platoni&#x017F;chen/ wel-<lb/>
che zum theil vom Socrates ihre Lehre ha&#x0364;t-<lb/>
ten/ &#x017F;chlu&#x0364;ge? Zarmar antwortete dem Ka&#x0364;y&#x017F;er:<lb/>
Seines Bedu&#x0364;nckens wa&#x0364;re nach dem Socrates<lb/>
die Weltweißheit wohl &#x017F;pitziger/ aber auch a&#x0364;rger<lb/>
worden. Der Rath zu Athen ha&#x0364;tte ihn zwar<lb/><cb/>
dem Pythagoras nach/ ihr eigener Gott Apollo<lb/>
aber allen klugen Leuten vorge&#x017F;etzt. Seine<lb/>
Lehren von Gott wa&#x0364;ren &#x017F;o wei&#x017F;e: daß man<lb/>
nicht unbillich von ihm ru&#x0364;hmte: Er ha&#x0364;tte &#x017F;eine<lb/>
Weißheit vom Himmel bekommen. Sein Le-<lb/>
ben wa&#x0364;re nichts minder &#x017F;o gut gewe&#x017F;t: daß aller<lb/>
wei&#x017F;en Leute Fu&#x0364;rnehmen billich &#x017F;ein Nach-Ge-<lb/>
ma&#x0364;hlde &#x017F;eyn &#x017F;olte. Gott wu&#x0364;rdigte ihn durch<lb/>
einen guten Gei&#x017F;t &#x017F;tets zur Tugend zu leiten;<lb/>
wo man anders nicht die Klugheit fu&#x0364;r Socra-<lb/>
tens und aller Wei&#x017F;en Leit&#x017F;tern halten &#x017F;oll.<lb/>
Uber diß tra&#x0364;ffen die Jndiani&#x017F;chen Wei&#x017F;en auch<lb/>
&#x017F;onderlich in dem mit dem Socrates u&#x0364;berein:<lb/>
daß ihnen verleumdi&#x017F;che Ari&#x017F;tophanes antichte-<lb/>
ten; &#x017F;ie beteten nur Nebel und Wolcken an;<lb/>
da &#x017F;ie doch den allein ewigen Gott verehreten/<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er dem aber nichts ewig/ nichts Anbethens<lb/>
wu&#x0364;rdig &#x017F;cha&#x0364;tzten. Anitus und Melitus ha&#x0364;t-<lb/>
ten ihn zwar als einen/ der keinen Gott gla&#x0364;ub-<lb/>
te/ angeklagt; da er doch in Athen nur alleine<lb/>
ein Verehrer des wahren/ &#x017F;eine Ankla&#x0364;ger und<lb/>
Richter aber de&#x017F;&#x017F;elbten Vera&#x0364;chter gewe&#x017F;t wa&#x0364;-<lb/>
ren/ da &#x017F;ie drey hundert Jupiter/ drey und vier-<lb/>
tzig Hercules/ und drei&#x017F;&#x017F;ig tau&#x017F;end andere Go&#x0364;t-<lb/>
ter angebetet ha&#x0364;tten. Man ha&#x0364;tte &#x017F;ein Haus<lb/>
mit &#x017F;einem Haushalter Cho&#x0364;rephon verbrennt;<lb/>
da jenes doch der heilig&#x017F;te Tempel in Athen/<lb/>
die&#x017F;er nach dem Socrates das wu&#x0364;rdig&#x017F;te in<lb/>
Griechenland gewe&#x017F;t wa&#x0364;re. Jedoch wa&#x0364;re &#x017F;ich<lb/>
hieru&#x0364;ber nicht zu verwundern. Denn man<lb/>
finde eine ungemeine Tugend &#x017F;o wenig ohne<lb/>
Mißgun&#x017F;t/ als eine Lerche ohne Pu&#x0364;&#x017F;chel auf<lb/>
dem Kopfe. Alleine er ha&#x0364;tte keine vollkom-<lb/>
menere Vertheidigung &#x017F;einer Un&#x017F;chuld ihm<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wu&#x0364;nt&#x017F;chen ko&#x0364;nne&#x0303;/ als daß &#x017F;eine eigene Ver-<lb/>
urth eiler den einen Ankla&#x0364;ger verwie&#x017F;en/ den<lb/>
andern zum Tode verdammet; und Athen mit<lb/>
Aufrichtung einer gu&#x0364;ldenen Sa&#x0364;ule zu &#x017F;einem<lb/>
Geda&#x0364;chtnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ Socraten verewigt/ und ihre<lb/>
Schuld bereuet ha&#x0364;tten. Hieru&#x0364;ber erhob &#x017F;ich ein<lb/>
allgemeines Gemu&#x0364;rmel unter allen ver&#x017F;amle-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[708/0764] Fuͤnfftes Buch die ſie bey zweifelhaften Zeiten ihm anvertraute. Nach ihm war der ſpitzfindige Chryſippus zu ſe- hen; an der Ecke Crates/ Antiſthenes und Dio- genes mit ſeinem Faſſe. Fuͤr ihnen ſaſſen die großbaͤrtichten Weltweiſen ihre Nachfolger. Gegen Mittag ſtand das Altar/ welches die Stadt Stagira dem Ariſtoteles zu Ehren auf- richten laſſen; darneben ſein Bildnuͤß aus Co- rinthiſchem Ertzte/ die ſein Schuͤler Theophra- ſtus ihm zu gieſſen in ſeinem letzten Willen ver- ordnet/ und auf ſelbtem der guͤldene Krantz/ wormit ihn der groſſe Alexander verehret hatte. Weiter hin ſahe man den Theophraſtus. Fuͤr ihnen ſaſſen die ihnen anhaͤngigen Weltweiſen/ die an der Anzahl alle andere uͤbertraffen. Nord- werts ſtand ein Altar der Wolluſt/ welches Jdo- meneus anfgerichtet/ darneben des Epicurus Bild/ welches Theodorus gemahlet hat/ und von ſeinen Nachfolgern an ſeinem Geburts- Tage jaͤhrlich verehret/ auch ſo wohl durch ihre Schlaf-Gemaͤcher/ als die Gaͤrte/ die er unter- halb der Stadt Athen zum erſten angegeben/ mit allerhand Freuden-Zeichen herumb getra- gen wird. Neben dem Epicurus ſtand Ari- ſtippus und Laertius; fuͤr ihnen ſaſſen die wohl aufgeputzten Epicuriſchen Weltweiſen/ mit freundlichen Geſichten und froͤlichen Geberden. Zarmar aber ſaß alleine bey dem an einer Ecke ſtehenden Bilde des Socrates; welches die ihn zu unrecht verdammende/ hernach aber aus all- zu ſpaͤter Reue vergoͤtternde Stadt Athen ihm aus Ertzte durch den Lyſippus hatten auf- richten laſſen. Der Kaͤyſer fragte Zarmarn: Warumb er ſich zu keiner gewiſſen Schule derer hernach vollkommener gewordenen Weltwei- ſen/ und inſonderheit zu den Platoniſchen/ wel- che zum theil vom Socrates ihre Lehre haͤt- ten/ ſchluͤge? Zarmar antwortete dem Kaͤyſer: Seines Beduͤnckens waͤre nach dem Socrates die Weltweißheit wohl ſpitziger/ aber auch aͤrger worden. Der Rath zu Athen haͤtte ihn zwar dem Pythagoras nach/ ihr eigener Gott Apollo aber allen klugen Leuten vorgeſetzt. Seine Lehren von Gott waͤren ſo weiſe: daß man nicht unbillich von ihm ruͤhmte: Er haͤtte ſeine Weißheit vom Himmel bekommen. Sein Le- ben waͤre nichts minder ſo gut geweſt: daß aller weiſen Leute Fuͤrnehmen billich ſein Nach-Ge- maͤhlde ſeyn ſolte. Gott wuͤrdigte ihn durch einen guten Geiſt ſtets zur Tugend zu leiten; wo man anders nicht die Klugheit fuͤr Socra- tens und aller Weiſen Leitſtern halten ſoll. Uber diß traͤffen die Jndianiſchen Weiſen auch ſonderlich in dem mit dem Socrates uͤberein: daß ihnen verleumdiſche Ariſtophanes antichte- ten; ſie beteten nur Nebel und Wolcken an; da ſie doch den allein ewigen Gott verehreten/ auſſer dem aber nichts ewig/ nichts Anbethens wuͤrdig ſchaͤtzten. Anitus und Melitus haͤt- ten ihn zwar als einen/ der keinen Gott glaͤub- te/ angeklagt; da er doch in Athen nur alleine ein Verehrer des wahren/ ſeine Anklaͤger und Richter aber deſſelbten Veraͤchter geweſt waͤ- ren/ da ſie drey hundert Jupiter/ drey und vier- tzig Hercules/ und dreiſſig tauſend andere Goͤt- ter angebetet haͤtten. Man haͤtte ſein Haus mit ſeinem Haushalter Choͤrephon verbrennt; da jenes doch der heiligſte Tempel in Athen/ dieſer nach dem Socrates das wuͤrdigſte in Griechenland geweſt waͤre. Jedoch waͤre ſich hieruͤber nicht zu verwundern. Denn man finde eine ungemeine Tugend ſo wenig ohne Mißgunſt/ als eine Lerche ohne Puͤſchel auf dem Kopfe. Alleine er haͤtte keine vollkom- menere Vertheidigung ſeiner Unſchuld ihm ſelbſt wuͤntſchen koͤnnẽ/ als daß ſeine eigene Ver- urth eiler den einen Anklaͤger verwieſen/ den andern zum Tode verdammet; und Athen mit Aufrichtung einer guͤldenen Saͤule zu ſeinem Gedaͤchtnuͤſſe/ Socraten verewigt/ und ihre Schuld bereuet haͤtten. Hieruͤber erhob ſich ein allgemeines Gemuͤrmel unter allen verſamle- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/764
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/764>, abgerufen am 23.11.2024.