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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ten Minerva/ wo man die junge Mannschafft
zum Kriege musterte/ ein Fackel-Rennen ge-
halten. Auf dem Prytaneon oder dem Rath-
hause waren die Bilder des Pericles/ des Mil-
tiades/ des Cimon und anderer Helden mit Lor-
ber-Kräntzen geschmückt/ das darauf verwahrte
ewige Feuer/ und Solons Gesetze öffentlich zur
Schaue gestellt. Auf dem Marckte für dem
Altare der Barmhertzigkeit ward allen/ die das
Leben verwürgt hatten/ Gnade angekündigt.
Unter dem Kräuter-reichen Berge Pentelicus
hatte man das frische und wohlschmeckende
Wasser des Brunnen Brysis/ durch verbor-
gene Röhren weggeleitet/ und floß daraus Oel/
wie aus dem Ceramischen Quelle; bey dem Al-
tare der zwölff Götter Wein/ und aus denen
vom Pisistratus gestifteten neun Marmel-Röh-
ren des berühmten Brunnes Callirhöe Milch.
Nichts weniger raan aus dem neben des Escu-
lapius Tempel befindlichem Brunnen Hallir-
rhotius Honig/ welcher sonst mit dem Phaleri-
schen See-Busen durch eine unterirrdische Ader
sich vermengen/ und die in Brunn geworffene
Sachen daselbst ausschütten soll. Gegen den
Abend selbigen Tages versammlete sich gleichsam
gantz Athen an dem Flusse Jphissus bey dem
Tempel der Ceres. Denn August und Livia
kamen mit grossem Gepränge dahin/ diese zwar
sich in den kleinen Elevsinischen Geheimnüssen
der Proserpina einweihen zu lassen; jener aber
daselbst seinen bey der ersten Einweihung
empfangenen seidenen Rock/ den die Einge-
weihten/ biß er zerschlissen/ nicht aus ziehen
dörffen/ abzulegen. Jhnen kamen vierzehn
Priesterliche Jungfrauen biß an den Fluß
entgegen; derer sieben einen mit Blumen/ die
andern sieben einen mit Weitzen-Aeren be-
deckten Korb trugen. Nach dem der Käyser
und Livia in Tempel kamen/ ward er feste zu-
geschlossen; weil niemand ungeweihtes dem
Feyer beywohnen darff. Dieses währete biß
umb Mitternacht. Da denn allererst der
[Spaltenumbruch] Käyser aus diesem Tempel/ darinnen Livia zu-
rück blieb/ durch die Hyerische Strasse mit noch
grösserem Gepränge zwischen mehr als 20000.
Fackeln seinen Zug zum Elevsinion oder dem
Tempel der Elevsinischen Ceres hielt/ darinnen ihr
vom Praxiteles gemachtes unver gleichliche Bild
zu sehen war. Für dem Käyser trug der oberste
Priester das Bild des Schöpfers/ der Fackelträ-
ger der Sonne/ der Altar-Aufschauer des Mon-
den/ der heilige Herold des Mercur. Die Melissi-
schen Priesterinnen trugen in einem verborge-
nen Kästlein das verborgene Heiligthum des
weiblichen Geschlechtes. Jn diesem Tempel
ließ sich der Käyser zu dem grossen Geheimnüsse
der Ceres einweihen. Denn ob zwar vermö-
ge eines alten Gesetzes/ kein Fremder dieser
Weihe fähig war/ und daher dem Hercules zu
Liebe die kleinere Weihe gestiftet ward/ hatte
doch der Rath zu Athen den Käyser für einen
Eingebohrnen/ ja für den Vater ihrer Stadt
erkläret; wie uns dieses ein dem Gesandten zu-
gegebener Priester auslegte/ und auf unsere
Nachfrage ferner unterrichtete: Diese Einwei-
hung wäre einerley mit der Egyptischen der
Jsis. Diese hätte Orpheus so wohl/ als die
Weihe des Bacchus/ welche mit der des Osi-
ris überein käme/ aus Egypten in Griechen-
land gebracht. Bey der Elevfinischen Wei-
he würden alle diesem Gottes-Dienste bey-
wohnende/ insonderheit aber die Neulinge ge-
badet/ ja auch die Bilder der Götter gewa-
schen/ und die Strassen/ wordurch sie ihren
Umbgang hielten/ mit Weih-Wasser bespren-
get. Auch dörffte in Athen kein ander Was-
ser als aus dem geweihten Flusse Jphissus
hierzu genommen werden. Hierdurch wür-
den alle begangene Laster getilget. Daher
hätte sich selbst Apollo/ wegen eines begange-
nen Todschlages/ vom Carmanor; Hercules
nach erschlagenen Centauren/ vom Orpheus;
und als er den Cerberus aus der Höle holen
wollen/ vom Musäus; Theseus nach unter-

schie-
Erster Theil. S s s s

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ten Minerva/ wo man die junge Mannſchafft
zum Kriege muſterte/ ein Fackel-Rennen ge-
halten. Auf dem Prytaneon oder dem Rath-
hauſe waren die Bilder des Pericles/ des Mil-
tiades/ des Cimon und anderer Helden mit Lor-
ber-Kraͤntzen geſchmuͤckt/ das darauf verwahrte
ewige Feuer/ und Solons Geſetze oͤffentlich zur
Schaue geſtellt. Auf dem Marckte fuͤr dem
Altare der Barmhertzigkeit ward allen/ die das
Leben verwuͤrgt hatten/ Gnade angekuͤndigt.
Unter dem Kraͤuter-reichen Berge Pentelicus
hatte man das friſche und wohlſchmeckende
Waſſer des Brunnen Bryſis/ durch verbor-
gene Roͤhren weggeleitet/ und floß daraus Oel/
wie aus dem Ceramiſchen Quelle; bey dem Al-
tare der zwoͤlff Goͤtter Wein/ und aus denen
vom Piſiſtratus geſtifteten neun Marmel-Roͤh-
ren des beruͤhmten Brunnes Callirhoͤe Milch.
Nichts weniger raan aus dem neben des Eſcu-
lapius Tempel befindlichem Brunnen Hallir-
rhotius Honig/ welcher ſonſt mit dem Phaleri-
ſchen See-Buſen durch eine unterirrdiſche Ader
ſich vermengen/ und die in Brunn geworffene
Sachen daſelbſt ausſchuͤtten ſoll. Gegen den
Abend ſelbigen Tages verſam̃lete ſich gleichſam
gantz Athen an dem Fluſſe Jphiſſus bey dem
Tempel der Ceres. Denn Auguſt und Livia
kamen mit groſſem Gepraͤnge dahin/ dieſe zwar
ſich in den kleinen Elevſiniſchen Geheimnuͤſſen
der Proſerpina einweihen zu laſſen; jener aber
daſelbſt ſeinen bey der erſten Einweihung
empfangenen ſeidenen Rock/ den die Einge-
weihten/ biß er zerſchliſſen/ nicht aus ziehen
doͤrffen/ abzulegen. Jhnen kamen vierzehn
Prieſterliche Jungfrauen biß an den Fluß
entgegen; derer ſieben einen mit Blumen/ die
andern ſieben einen mit Weitzen-Aeren be-
deckten Korb trugen. Nach dem der Kaͤyſer
und Livia in Tempel kamen/ ward er feſte zu-
geſchloſſen; weil niemand ungeweihtes dem
Feyer beywohnen darff. Dieſes waͤhrete biß
umb Mitternacht. Da denn allererſt der
[Spaltenumbruch] Kaͤyſer aus dieſem Tempel/ darinnen Livia zu-
ruͤck blieb/ durch die Hyeriſche Straſſe mit noch
groͤſſerem Gepraͤnge zwiſchen mehr als 20000.
Fackeln ſeinen Zug zum Elevſinion oder dem
Tempel der Elevſiniſchen Ceres hielt/ dariñen ihr
vom Praxiteles gemachtes unver gleichliche Bild
zu ſehen war. Fuͤr dem Kaͤyſer trug der oberſte
Prieſter das Bild des Schoͤpfers/ der Fackeltraͤ-
ger der Sonne/ der Altar-Aufſchauer des Mon-
den/ der heilige Herold des Mercur. Die Meliſſi-
ſchen Prieſterinnen trugen in einem verborge-
nen Kaͤſtlein das verborgene Heiligthum des
weiblichen Geſchlechtes. Jn dieſem Tempel
ließ ſich der Kaͤyſer zu dem groſſen Geheimnuͤſſe
der Ceres einweihen. Denn ob zwar vermoͤ-
ge eines alten Geſetzes/ kein Fremder dieſer
Weihe faͤhig war/ und daher dem Hercules zu
Liebe die kleinere Weihe geſtiftet ward/ hatte
doch der Rath zu Athen den Kaͤyſer fuͤr einen
Eingebohrnen/ ja fuͤr den Vater ihrer Stadt
erklaͤret; wie uns dieſes ein dem Geſandten zu-
gegebener Prieſter auslegte/ und auf unſere
Nachfrage ferner unterrichtete: Dieſe Einwei-
hung waͤre einerley mit der Egyptiſchen der
Jſis. Dieſe haͤtte Orpheus ſo wohl/ als die
Weihe des Bacchus/ welche mit der des Oſi-
ris uͤberein kaͤme/ aus Egypten in Griechen-
land gebracht. Bey der Elevfiniſchen Wei-
he wuͤrden alle dieſem Gottes-Dienſte bey-
wohnende/ inſonderheit aber die Neulinge ge-
badet/ ja auch die Bilder der Goͤtter gewa-
ſchen/ und die Straſſen/ wordurch ſie ihren
Umbgang hielten/ mit Weih-Waſſer beſpren-
get. Auch doͤrffte in Athen kein ander Waſ-
ſer als aus dem geweihten Fluſſe Jphiſſus
hierzu genommen werden. Hierdurch wuͤr-
den alle begangene Laſter getilget. Daher
haͤtte ſich ſelbſt Apollo/ wegen eines begange-
nen Todſchlages/ vom Carmanor; Hercules
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Erſter Theil. S s s s
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 689. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/745>, abgerufen am 22.11.2024.