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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] mal einen von Mehl gebackenen Ochsen. Das
kleine Griechenland hat ihm sein Gewichte/ das
grosse seine Mäßigkeit/ die Welt ihre Wissen-
schafft von dem Lauffe des Morgen- und Abend-
Sternes/ von der Unbewegligkeit und Runde
der Erdkugel zu dancken. Er gab die erste
Nachricht von den Menschen/ die uns die Füs-
se kehren/ und kehrte seine Gegen-Laster und
Jrrthümer. Er jagte die Wollust aus Cro-
ton/ und verlieh der Weißheit daselbst das Bür-
gerrecht. Die Männer lerneten sich von ihm
weibischer Lüsternheit schämen; die Weiber a-
ber nahmen männliche Tugenden an/ daß sie
diesen mehr ihre Hertzen/ als ihre Kleinodter der
Juno wiedmeten. Gleichwol aber hatte seine
Weißheit nichts raues an sich; Denn das Mit-
tel/ wordurch er einen Zornigen besänfftete/ ei-
nen Neidischen begütigte/ einen Verzweiffelten
tröstete/ einen Verliebten befreyte/ und die heff-
tigsten Gemüths-Regungen nieder schlug/ war
eben diß/ wormit er seine Lehrlinge einschläffte/
ihnen annehmliche Träume verursachte/ nehm-
lich die süsseste Singe-Kunst/ die er aus dem
Behältnüsse der einträchtig mit einander ein-
stimmenden Gestirne auf die Erden herab ge-
holet hat. Denn seine Sinnen drangen biß in
Himmel/ seine Augen biß in die Tieffe des Meeres/
und durch die Eingeweide der Erde. Daher ließ
er einen im Monden lesen/ was er in einen ho-
len Spiegel schrieb/ sagte die Erdbeben/ das
Ungewitter und die gifftigen Seuchen vorher.
Die Natur unterwarf sich selbst seiner Botmäs-
sigkeit/ in dem er den Flug der Adler in der Luft/
und den Grimm der wütenden Tiger und Pan-
ther in Wüsteneyen zu hemmen wuste. Erhat-
te ein Bein aus Golde/ das andere aus Helffen-
bein; denn ein so herrliches Ebenbild Gottes
konte nicht auff geringer Säulen stehen/ und der
Geist des diesen Tempel benetzenden Flusses
Nessus grüste ihn ehrerbietig/ als er durch ihn
watete/ und eignete ihm viel zeitlicher/ als die
Nachwelt/ und die Uhrheber dieses Heilig-
thums den Nahmen eines Gottes zu. Er selbst
[Spaltenumbruch] bestätigte seine Göttligkeit nicht nur durch tau-
send Heilige/ sondern auch durch Wunderwer-
cke. Denn er erschien in einer Stunde zu
Metapont in Jtalien/ und zu Tauromin in
Sicilien; Er lebte zu Metapont in dem Heilig-
thume der Musen viertzig Tage ohne Speise
und Tranck/ und sein gantzes Leben hatte an
ihm wenig menschliches. Die Mäßigung sei-
nes Gemüthes ließ ihn niemals weinen/ auch
niemals lachen. Sintemal beydes eine Uber-
giessung derer uns von der Tugend ausgesteck-
ten Ufer ist. Er hat sein Tage kein unnü[tz]es
Wort aus seinem Munde gelassen/ und s[e]in
Stillschweigen hat der Beredsamkeit aller an-
dern Weisen den Vortheil abgerennt. Denn
alle seine Reden waren göttliche Lehren/ ied[w]e-
des Wort war ein Talent schwer/ und die
Sparsamkeit seiner Zunge ward ausgegleicht
durch Verschwendung unzehlbarer guten
Wercke. Sintemal seine Weißheit nicht ein
unfruchtbares Nachdencken/ sondern das ge-
meine Heil zum Absehn; nicht die Einsamkeit
einer verbor genen Stein-Klufft/ sondern das
Rathhauß und den Richterstuhl zum Sitze hat-
te. Denn die Gerechtigkeit ist das Saltz des
Lebens/ und einem Volcke klug und treulich
vorstehen eine unverfälschte Weltweißheit/ ja
ein heiliger Gottesdienst. Niemand war an-
dächtiger gegen Gott/ als er; aber er verbot von
ihm etwas absonderes zu bitten. Denn diß
wäre so viel/ als Gott die Unwissenheit unser
Dürfftigkeit/ oder den Willen seiner Erbarm-
nüß absprechen. Er war ein Todfeind der Lü-
gen/ und sein höchster Schatz die Warheit/
durch welche der Mensch sich Gott am ähnlich-
sten machen könte/ als dessen Leib Licht/ dessen
Seele die Warheit wäre. Die Welt hat nie-
mals einen grössern Verlust gelitten als in ihm;
und dennoch hat er ihr so viel Weißheit hinter-
lassen/ daß die Nachwelt keinen für reich an
Weißheit hält/ der sich nicht mit seinem Stück-
wercke betheilet hat.

Wir lasen diese Taffel/ sagte Zeno/ nicht al-

lein
Erster Theil. R r r r

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] mal einen von Mehl gebackenen Ochſen. Das
kleine Griechenland hat ihm ſein Gewichte/ das
groſſe ſeine Maͤßigkeit/ die Welt ihre Wiſſen-
ſchafft von dem Lauffe des Morgen- und Abend-
Sternes/ von der Unbewegligkeit und Runde
der Erdkugel zu dancken. Er gab die erſte
Nachricht von den Menſchen/ die uns die Fuͤſ-
ſe kehren/ und kehrte ſeine Gegen-Laſter und
Jrrthuͤmer. Er jagte die Wolluſt aus Cro-
ton/ und verlieh der Weißheit daſelbſt das Buͤr-
gerrecht. Die Maͤnner lerneten ſich von ihm
weibiſcher Luͤſternheit ſchaͤmen; die Weiber a-
ber nahmen maͤnnliche Tugenden an/ daß ſie
dieſen mehr ihre Hertzen/ als ihre Kleinodter der
Juno wiedmeten. Gleichwol aber hatte ſeine
Weißheit nichts raues an ſich; Denn das Mit-
tel/ wordurch er einen Zornigen beſaͤnfftete/ ei-
nen Neidiſchen beguͤtigte/ einen Verzweiffelten
troͤſtete/ einen Verliebten befreyte/ und die heff-
tigſten Gemuͤths-Regungen nieder ſchlug/ war
eben diß/ wormit er ſeine Lehrlinge einſchlaͤffte/
ihnen annehmliche Traͤume verurſachte/ nehm-
lich die ſuͤſſeſte Singe-Kunſt/ die er aus dem
Behaͤltnuͤſſe der eintraͤchtig mit einander ein-
ſtimmenden Geſtirne auf die Erden herab ge-
holet hat. Denn ſeine Sinnen drangen biß in
Him̃el/ ſeine Augen biß in die Tieffe des Meeres/
und durch die Eingeweide der Erde. Daher ließ
er einen im Monden leſen/ was er in einen ho-
len Spiegel ſchrieb/ ſagte die Erdbeben/ das
Ungewitter und die gifftigen Seuchen vorher.
Die Natur unterwarf ſich ſelbſt ſeiner Botmaͤſ-
ſigkeit/ in dem er den Flug der Adler in der Luft/
und den Grimm der wuͤtenden Tiger und Pan-
ther in Wuͤſteneyen zu hemmen wuſte. Erhat-
te ein Bein aus Golde/ das andere aus Helffen-
bein; denn ein ſo herrliches Ebenbild Gottes
konte nicht auff geringer Saͤulen ſtehen/ und der
Geiſt des dieſen Tempel benetzenden Fluſſes
Neſſus gruͤſte ihn ehrerbietig/ als er durch ihn
watete/ und eignete ihm viel zeitlicher/ als die
Nachwelt/ und die Uhrheber dieſes Heilig-
thums den Nahmen eines Gottes zu. Er ſelbſt
[Spaltenumbruch] beſtaͤtigte ſeine Goͤttligkeit nicht nur durch tau-
ſend Heilige/ ſondern auch durch Wunderwer-
cke. Denn er erſchien in einer Stunde zu
Metapont in Jtalien/ und zu Tauromin in
Sicilien; Er lebte zu Metapont in dem Heilig-
thume der Muſen viertzig Tage ohne Speiſe
und Tranck/ und ſein gantzes Leben hatte an
ihm wenig menſchliches. Die Maͤßigung ſei-
nes Gemuͤthes ließ ihn niemals weinen/ auch
niemals lachen. Sintemal beydes eine Uber-
gieſſung derer uns von der Tugend ausgeſteck-
ten Ufer iſt. Er hat ſein Tage kein unnuͤ[tz]es
Wort aus ſeinem Munde gelaſſen/ und ſ[e]in
Stillſchweigen hat der Beredſamkeit aller an-
dern Weiſen den Vortheil abgerennt. Denn
alle ſeine Reden waren goͤttliche Lehren/ ied[w]e-
des Wort war ein Talent ſchwer/ und die
Sparſamkeit ſeiner Zunge ward ausgegleicht
durch Verſchwendung unzehlbarer guten
Wercke. Sintemal ſeine Weißheit nicht ein
unfruchtbares Nachdencken/ ſondern das ge-
meine Heil zum Abſehn; nicht die Einſamkeit
einer verbor genen Stein-Klufft/ ſondern das
Rathhauß und den Richterſtuhl zum Sitze hat-
te. Denn die Gerechtigkeit iſt das Saltz des
Lebens/ und einem Volcke klug und treulich
vorſtehen eine unverfaͤlſchte Weltweißheit/ ja
ein heiliger Gottesdienſt. Niemand war an-
daͤchtiger gegen Gott/ als er; aber er verbot von
ihm etwas abſonderes zu bitten. Denn diß
waͤre ſo viel/ als Gott die Unwiſſenheit unſer
Duͤrfftigkeit/ oder den Willen ſeiner Erbarm-
nuͤß abſprechen. Er war ein Todfeind der Luͤ-
gen/ und ſein hoͤchſter Schatz die Warheit/
durch welche der Menſch ſich Gott am aͤhnlich-
ſten machen koͤnte/ als deſſen Leib Licht/ deſſen
Seele die Warheit waͤre. Die Welt hat nie-
mals einen groͤſſern Verluſt gelitten als in ihm;
und dennoch hat er ihr ſo viel Weißheit hinter-
laſſen/ daß die Nachwelt keinen fuͤr reich an
Weißheit haͤlt/ der ſich nicht mit ſeinem Stuͤck-
wercke betheilet hat.

Wir laſen dieſe Taffel/ ſagte Zeno/ nicht al-

lein
Erſter Theil. R r r r
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/737>, abgerufen am 03.07.2024.