Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Erstes Buch Händen umbarmen wäre ein Werck der Klug-heit/ von Verbesserung der Zeit und denen Wun- der-Wercken/ des Glückes aber Hülffe und Er- rettung erwarten/ wäre ein Traum der Einfäl- tigen/ und ein Trost der Verzweifelten. Die fürgebildete Gefahr könte nur Weiber von hertz- haften Entschlüssungen zurücke halten. Denn einem Helden-Geiste wär nichtsschrecklich/ als sich gezwungen sehen der Boßheit beyzupflichten. Weder die Kinder/ die noch kein Urtheil hätten/ noch die Thoren/ welche es verloren/ fürchteten sich für dem Tode. Solte nun ihnen ihre Ver- nunft und das Heil des Vater-Landes nicht die- se Sorge benehmen; wovon jene Unverstand und Thorheit erledigte? Der Tod wäre das Ende der Natur/ keine Straffe/ ja vielmehr offt ein neues Leben der Sterbenden/ und ein Heil der Lebenden. Es wäre nicht nur erträglicher/ sondern auch rühmlicher einmal sterben/ als sein Leben in ewiger Ungewißheit wissen; welches sie täglich gleichsam als eine Gnade vom Varus erkennen müsten. Denn Sterben wäre wol die Eigenschafft eines Menschen; umb sein Le- ben aber betteln der Weiber. Hätten sie nun als Männer gelebet/ solten sie nicht geringer sterben; wenn es ja der Himmel also über sie be- schlossen hätte. Diß wäre sein Schluß/ und son- der Zweifel ihrer aller als Fürsten/ denen man alle Tage/ wo nicht nach dem Leben/ doch nach ihren Ländern grasete. Welcher Fürst aber das Hertze hätte ohne Herrschafft zu leben/ hätte gewiß keines selbter fürzustehen. Sie edle Deut- schen solten nicht lassen ihr Leben ihre Freyheit überleben/ noch es eine Nach-Geburt ihrer ster- benden Tapferkeit seyn. Sie solten ihnen nicht heucheln/ daß mit Abschaffung des Varus und Erlangung eines glimpflichern Land-Vogts ih- re verschwundene Freyheit wieder jung würde; welche eben so wohl unter einem vernünfftigen als tummen Oberherrn zu Grabe ginge. Wenn die Römer schon ihnen einen andern Landvogt gäben/ würden sie doch nur die Art ihrer Be- [Spaltenumbruch] drängung/ nicht die Bürde verändern; weil sie alle gläubten/ daß sie als Aegeln und Peitschen zu denen überwundenen Völckern geschickt würden. Jeder bildete ihm/ wie Demades ein/ er kriege mit seiner Landvogtey einen Beruff zu einer güldenen Erndte; oder er sey verpflichtet sich in eine mit ihren Klauen alles zerreissende oder besudelnde Harpyie zu verwandeln. Denn wie die von der Sonnen erregten Winde das Feld mehr ausdörreten/ als die Sonne selbst; Also maßten sich alle von Fürsten eingesetzte Landvögte insgemein einer strengern Herr- schafft an/ als die Fürsten. Der Käyser möch- te ihnen ja güldene Berge versprechen/ aber kaum Spreu gewehren; weil die Römer auch gegen die/ welche einen grossen Vortheil über sie erlanget/ Treu und Glauben zu halten nicht ge- wohnet wären. Dem Könige Porsena hätten sie ja Geissel eingelieffert/ aber wieder entwen- det. Als sie dem Brennus und seinen Deut- schen das für Rom zum Lösegelde versprochene Gold zugewogen/ hätten sie sie arglistig überfal- len. Als der Samniter König Claudius Pon- tius das Römische Heer in seine Hände und un- ters Joch bracht/ hätte der Bürgemeister Post- humius einen Frieden eingegangen; das Römi- sche Volck aber nach freygelassenem Heere selb- ten über einen Hauffen geworffen. Washät- ten sie Deut chen sich numehr denn für gutes zu versehen/ die in den Augen der Römer schon ih- re Sclaven wären? Lucullus hätte in Spani- en das Cauceische Volck gegen hundert Talent ausgeliefferte Geissel und gestellte Hülffs-Völ- cker in seinen Schirm genommen/ hernach aber sich arglistig der Stadt bemächtigt/ und zwan- tzig tausend unschuldige Leute meuchelmörde- risch über die Klinge springen lassen. Eben so wären alle Ausonier in Jtalien aus einem fal- schen Argwohne/ daß sie auff der Samniter Seite hiengen/ in einem Tage mit Strumpf und Stiel ausgerottet worden. Sylla hätte/ nach erscharreten zwantzig tausend Talenten/ Asien/
Erſtes Buch Haͤnden umbarmen waͤre ein Werck der Klug-heit/ von Verbeſſerung der Zeit und denen Wun- der-Wercken/ des Gluͤckes aber Huͤlffe und Er- rettung erwarten/ waͤꝛe ein Traum der Einfaͤl- tigen/ und ein Troſt der Verzweifelten. Die fuͤrgebildete Gefahr koͤnte nur Weiber von hertz- haften Entſchluͤſſungen zuruͤcke halten. Denn einem Helden-Geiſte waͤr nichtsſchrecklich/ als ſich gezwungẽ ſehen der Boßheit beyzupflichten. Weder die Kinder/ die noch kein Urtheil haͤtten/ noch die Thoren/ welche es verloren/ fuͤrchteten ſich fuͤr dem Tode. Solte nun ihnen ihre Ver- nunft und das Heil des Vater-Landes nicht die- ſe Sorge benehmen; wovon jene Unverſtand und Thorheit erledigte? Der Tod waͤre das Ende der Natur/ keine Straffe/ ja vielmehr offt ein neues Leben der Sterbenden/ und ein Heil der Lebenden. Es waͤre nicht nur ertraͤglicher/ ſondern auch ruͤhmlicher einmal ſterben/ als ſein Leben in ewiger Ungewißheit wiſſen; welches ſie taͤglich gleichſam als eine Gnade vom Varus erkennen muͤſten. Denn Sterben waͤre wol die Eigenſchafft eines Menſchen; umb ſein Le- ben aber betteln der Weiber. Haͤtten ſie nun als Maͤnner gelebet/ ſolten ſie nicht geringer ſterben; wenn es ja der Himmel alſo uͤber ſie be- ſchloſſen haͤtte. Diß waͤre ſein Schluß/ und ſon- der Zweifel ihrer aller als Fuͤrſten/ denen man alle Tage/ wo nicht nach dem Leben/ doch nach ihren Laͤndern graſete. Welcher Fuͤrſt aber das Hertze haͤtte ohne Herrſchafft zu leben/ haͤtte gewiß keines ſelbter fuͤrzuſtehen. Sie edle Deut- ſchen ſolten nicht laſſen ihr Leben ihre Freyheit uͤberleben/ noch es eine Nach-Geburt ihrer ſter- benden Tapferkeit ſeyn. Sie ſolten ihnen nicht heucheln/ daß mit Abſchaffung des Varus und Erlangung eines glimpflichern Land-Vogts ih- re verſchwundene Freyheit wieder jung wuͤrde; welche eben ſo wohl unter einem vernuͤnfftigen als tummen Oberherrn zu Grabe ginge. Weñ die Roͤmer ſchon ihnen einen andern Landvogt gaͤben/ wuͤrden ſie doch nur die Art ihrer Be- [Spaltenumbruch] draͤngung/ nicht die Buͤrde veraͤndern; weil ſie alle glaͤubten/ daß ſie als Aegeln und Peitſchen zu denen uͤberwundenen Voͤlckern geſchickt wuͤrden. Jeder bildete ihm/ wie Demades ein/ er kriege mit ſeiner Landvogtey einen Beruff zu einer guͤldenen Erndte; oder er ſey verpflichtet ſich in eine mit ihren Klauen alles zerreiſſende oder beſudelnde Harpyie zu verwandeln. Denn wie die von der Sonnen erregten Winde das Feld mehr ausdoͤrreten/ als die Sonne ſelbſt; Alſo maßten ſich alle von Fuͤrſten eingeſetzte Landvoͤgte insgemein einer ſtrengern Herr- ſchafft an/ als die Fuͤrſten. Der Kaͤyſer moͤch- te ihnen ja guͤldene Berge verſprechen/ aber kaum Spreu gewehren; weil die Roͤmer auch gegen die/ welche einen groſſen Vortheil uͤber ſie erlanget/ Treu und Glauben zu halten nicht ge- wohnet waͤren. Dem Koͤnige Porſena haͤtten ſie ja Geiſſel eingelieffert/ aber wieder entwen- det. Als ſie dem Brennus und ſeinen Deut- ſchen das fuͤr Rom zum Loͤſegelde verſprochene Gold zugewogen/ haͤtten ſie ſie argliſtig uͤberfal- len. Als der Samniter Koͤnig Claudius Pon- tius das Roͤmiſche Heer in ſeine Haͤnde und un- ters Joch bracht/ haͤtte der Buͤrgemeiſter Poſt- humius einen Frieden eingegangen; das Roͤmi- ſche Volck aber nach freygelaſſenem Heere ſelb- ten uͤber einen Hauffen geworffen. Washaͤt- ten ſie Deut chen ſich numehr denn fuͤr gutes zu verſehen/ die in den Augen der Roͤmer ſchon ih- re Sclaven waͤren? Lucullus haͤtte in Spani- en das Cauceiſche Volck gegen hundert Talent ausgeliefferte Geiſſel und geſtellte Huͤlffs-Voͤl- cker in ſeinen Schirm genommen/ hernach aber ſich argliſtig der Stadt bemaͤchtigt/ und zwan- tzig tauſend unſchuldige Leute meuchelmoͤrde- riſch uͤber die Klinge ſpringen laſſen. Eben ſo waͤren alle Auſonier in Jtalien aus einem fal- ſchen Argwohne/ daß ſie auff der Samniter Seite hiengen/ in einem Tage mit Strumpf und Stiel ausgerottet worden. Sylla haͤtte/ nach erſcharreten zwantzig tauſend Talenten/ Aſien/
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Erſtes Buch
Haͤnden umbarmen waͤre ein Werck der Klug-
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der-Wercken/ des Gluͤckes aber Huͤlffe und Er-
rettung erwarten/ waͤꝛe ein Traum der Einfaͤl-
tigen/ und ein Troſt der Verzweifelten. Die
fuͤrgebildete Gefahr koͤnte nur Weiber von hertz-
haften Entſchluͤſſungen zuruͤcke halten. Denn
einem Helden-Geiſte waͤr nichtsſchrecklich/ als
ſich gezwungẽ ſehen der Boßheit beyzupflichten.
Weder die Kinder/ die noch kein Urtheil haͤtten/
noch die Thoren/ welche es verloren/ fuͤrchteten
ſich fuͤr dem Tode. Solte nun ihnen ihre Ver-
nunft und das Heil des Vater-Landes nicht die-
ſe Sorge benehmen; wovon jene Unverſtand
und Thorheit erledigte? Der Tod waͤre das
Ende der Natur/ keine Straffe/ ja vielmehr offt
ein neues Leben der Sterbenden/ und ein Heil
der Lebenden. Es waͤre nicht nur ertraͤglicher/
ſondern auch ruͤhmlicher einmal ſterben/ als ſein
Leben in ewiger Ungewißheit wiſſen; welches ſie
taͤglich gleichſam als eine Gnade vom Varus
erkennen muͤſten. Denn Sterben waͤre wol
die Eigenſchafft eines Menſchen; umb ſein Le-
ben aber betteln der Weiber. Haͤtten ſie nun
als Maͤnner gelebet/ ſolten ſie nicht geringer
ſterben; wenn es ja der Himmel alſo uͤber ſie be-
ſchloſſen haͤtte. Diß waͤre ſein Schluß/ und ſon-
der Zweifel ihrer aller als Fuͤrſten/ denen man
alle Tage/ wo nicht nach dem Leben/ doch nach
ihren Laͤndern graſete. Welcher Fuͤrſt aber das
Hertze haͤtte ohne Herrſchafft zu leben/ haͤtte
gewiß keines ſelbter fuͤrzuſtehen. Sie edle Deut-
ſchen ſolten nicht laſſen ihr Leben ihre Freyheit
uͤberleben/ noch es eine Nach-Geburt ihrer ſter-
benden Tapferkeit ſeyn. Sie ſolten ihnen nicht
heucheln/ daß mit Abſchaffung des Varus und
Erlangung eines glimpflichern Land-Vogts ih-
re verſchwundene Freyheit wieder jung wuͤrde;
welche eben ſo wohl unter einem vernuͤnfftigen
als tummen Oberherrn zu Grabe ginge. Weñ
die Roͤmer ſchon ihnen einen andern Landvogt
gaͤben/ wuͤrden ſie doch nur die Art ihrer Be-
draͤngung/ nicht die Buͤrde veraͤndern; weil ſie
alle glaͤubten/ daß ſie als Aegeln und Peitſchen
zu denen uͤberwundenen Voͤlckern geſchickt
wuͤrden. Jeder bildete ihm/ wie Demades ein/
er kriege mit ſeiner Landvogtey einen Beruff zu
einer guͤldenen Erndte; oder er ſey verpflichtet
ſich in eine mit ihren Klauen alles zerreiſſende
oder beſudelnde Harpyie zu verwandeln. Denn
wie die von der Sonnen erregten Winde das
Feld mehr ausdoͤrreten/ als die Sonne ſelbſt;
Alſo maßten ſich alle von Fuͤrſten eingeſetzte
Landvoͤgte insgemein einer ſtrengern Herr-
ſchafft an/ als die Fuͤrſten. Der Kaͤyſer moͤch-
te ihnen ja guͤldene Berge verſprechen/ aber
kaum Spreu gewehren; weil die Roͤmer auch
gegen die/ welche einen groſſen Vortheil uͤber ſie
erlanget/ Treu und Glauben zu halten nicht ge-
wohnet waͤren. Dem Koͤnige Porſena haͤtten
ſie ja Geiſſel eingelieffert/ aber wieder entwen-
det. Als ſie dem Brennus und ſeinen Deut-
ſchen das fuͤr Rom zum Loͤſegelde verſprochene
Gold zugewogen/ haͤtten ſie ſie argliſtig uͤberfal-
len. Als der Samniter Koͤnig Claudius Pon-
tius das Roͤmiſche Heer in ſeine Haͤnde und un-
ters Joch bracht/ haͤtte der Buͤrgemeiſter Poſt-
humius einen Frieden eingegangen; das Roͤmi-
ſche Volck aber nach freygelaſſenem Heere ſelb-
ten uͤber einen Hauffen geworffen. Washaͤt-
ten ſie Deut chen ſich numehr denn fuͤr gutes zu
verſehen/ die in den Augen der Roͤmer ſchon ih-
re Sclaven waͤren? Lucullus haͤtte in Spani-
en das Cauceiſche Volck gegen hundert Talent
ausgeliefferte Geiſſel und geſtellte Huͤlffs-Voͤl-
cker in ſeinen Schirm genommen/ hernach aber
ſich argliſtig der Stadt bemaͤchtigt/ und zwan-
tzig tauſend unſchuldige Leute meuchelmoͤrde-
riſch uͤber die Klinge ſpringen laſſen. Eben ſo
waͤren alle Auſonier in Jtalien aus einem fal-
ſchen Argwohne/ daß ſie auff der Samniter
Seite hiengen/ in einem Tage mit Strumpf
und Stiel ausgerottet worden. Sylla haͤtte/
nach erſcharreten zwantzig tauſend Talenten/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/72>, abgerufen am 19.07.2024. |