Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
met dieses mit Fleiß von einem heiligen Thiere/um uns zu erinnern/ daß dem grossen Gotte nichts/ was zu seinem Dienste andächtig ge- wiedmet wird/ zu verächtlich sey/ und daß wir das irrdene Gefässe unsers zerbrechlichen Lei- bes mit einem frommen Leben einbalsamen sol- len. Zeno berichtete hierauf; Er habe den Brahman gefragt: warum sie denn die Kühe für so heilige Thiere hielten? indem er ihre Bil- der nicht nur in ihren Tempeln häussig gefun- den/ sondern auch gehört/ daß ein Brahman e- he sterben/ ja lieber das Fleisch seiner Eltern/ als von einer Kuh essen würde. Zwar hätten die Athenienser und Römer für Zeiten bey Le- bens-Straffe ein Rind zu schlachten verboten; ja jene hätten sie nicht einst ihren Göttern zu Opffern gegönnet; aber diß wäre nicht wegen ihrer eingebildeten Heiligkeit/ sondern ihrer Nutzbarkeit halber geschehen/ weil sie nicht allei- ne der Ackers-Leute Arbeits-Gefärthen wären/ sondern auch mit ihrem Miste den Bodem tin- geten/ und die Küh ihre Milch den Sterblichen gleichsam zur ersten Speise gegeben hätten. Worauf aber Zarmar versetzt: Warum von den Lybiern die Böcke/ von den Völckern in der Atlantischen Jnsel die Schlangen/ von den Egyptiern Zwiebeln/ Katzen und eben die Och- sen so hoch verehret würden? Zwar billigte er nicht den Aberglauben des unverständigen Pö- fels/ welcher das Vorbild mit dem geheimen Verstande vermischten/ und wenn sie die Heilig- keit in das Fell und die Knochen dieser Thiere einsperreten/ die Spreu für den Weitzen erkie- seten/ und daher auch dieselben/ welche sich zu ihres Geschlechtes Glauben bekenneten/ aus einer allzu thummen Andacht ihre Speisen sechs Monate mit Kühmiste vermischten. Aber er solte die Brahminen/ von welchen die Egy- ptier allererst ihren Gottesdienst/ wiewol mit nicht geringer Verfälschung bekommen/ eben so wenig für so alber ansehen/ daß sie eine Kuh für eine Göttin/ oder einen Ochsen/ wormit [Spaltenumbruch] bey den Jndianern Basira/ bey den Egyptiern Serapis/ bey den Juden Joseph fürgestellt würde/ für einen Gott hielten/ als andere Völ- cker/ welche noch verächtlichere Thiere darfür verehret. Unter diesen geringen Schalen wäre ein köstlicher Kern verborgen; Nicht zwar/ daß nach dem Aberglauben des Pöfels ei- ne Kuh mit ihren Hörnern die Welt-Kugel un- terstützte/ sondern mit diesem Thiere hätten so wol ihre Vorfahren/ als andere Völcker die Fruchtbarkeit der Natur abgebildet; also/ daß wie ihm zu Memphis ein Priester erzehlet/ auch die Römer die Vorsicht des Korn-Vogts Mi- nucius/ die Egyptier das Grab ihres Serapis mit dem Bilde eines vergüldeten Ochsen be- schencket hätten. Und dem Egyptischen Osiris wäre von Gott in einem Traume durch sieben magere und fette Küh der Mangel und Uberfluß künfftiger Jahre entdecket worden. Warum solten sie nicht das Bild des göttlichen Segens in ihre Heiligthümer setzen/ nach dem es die Vorwelt nicht ohne Nachdencken unter die zwölf himmlischen Zeichen gestellet? Ge- wiß/ dieses Geheimnüß/ warum die Egyptier allein einen rothen Ochsen opffern/ warum die Juden allein mit der Asche einer rothen Kuh/ die durch Anrührung eines Todten sich befle- ckenden/ zu ihrer Reinigung besprengen/ wäre durch kein Nachsinnen zu ergründen; es würde aber dessen Auslegung in weniger Zeit kund werden. Dannenhero müste ein Weiser aus dem kalten Kieselsteine eines rauhen Vorbildes das Feuer eines heilsamen Verstandes herfür bringen. Sintemahl bey ihnen und andern Völckern der blinden Vernunfft noch wol är- gerlicher zu seyn schiene/ daß die Egyptier und Römer an dem Feste des Osiris und Bacchus das männliche/ die Syracusier an ihrem Thes- mophorischen Feyer das aus Honig und Gesä- me gefertigte weibliche Geburts-Glied/ wir beydes vereinbart in Tempel setzen/ zur Schaue tragen und verehren; da man doch hier durch theils
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
met dieſes mit Fleiß von einem heiligen Thiere/um uns zu erinnern/ daß dem groſſen Gotte nichts/ was zu ſeinem Dienſte andaͤchtig ge- wiedmet wird/ zu veraͤchtlich ſey/ und daß wir das irrdene Gefaͤſſe unſers zerbrechlichen Lei- bes mit einem frommen Leben einbalſamen ſol- len. Zeno berichtete hierauf; Er habe den Brahman gefragt: warum ſie denn die Kuͤhe fuͤr ſo heilige Thiere hielten? indem er ihre Bil- der nicht nur in ihren Tempeln haͤuſſig gefun- den/ ſondern auch gehoͤrt/ daß ein Brahman e- he ſterben/ ja lieber das Fleiſch ſeiner Eltern/ als von einer Kuh eſſen wuͤrde. Zwar haͤtten die Athenienſer und Roͤmer fuͤr Zeiten bey Le- bens-Straffe ein Rind zu ſchlachten verboten; ja jene haͤtten ſie nicht einſt ihren Goͤttern zu Opffern gegoͤnnet; aber diß waͤre nicht wegen ihrer eingebildeten Heiligkeit/ ſondern ihrer Nutzbarkeit halber geſchehen/ weil ſie nicht allei- ne der Ackers-Leute Arbeits-Gefaͤrthen waͤren/ ſondern auch mit ihrem Miſte den Bodem tin- geten/ und die Kuͤh ihre Milch den Sterblichen gleichſam zur erſten Speiſe gegeben haͤtten. Worauf aber Zarmar verſetzt: Warum von den Lybiern die Boͤcke/ von den Voͤlckern in der Atlantiſchen Jnſel die Schlangen/ von den Egyptiern Zwiebeln/ Katzen und eben die Och- ſen ſo hoch verehret wuͤrden? Zwar billigte er nicht den Aberglauben des unverſtaͤndigen Poͤ- fels/ welcher das Vorbild mit dem geheimen Verſtande vermiſchten/ und wenn ſie die Heilig- keit in das Fell und die Knochen dieſer Thiere einſperreten/ die Spreu fuͤr den Weitzen erkie- ſeten/ und daher auch dieſelben/ welche ſich zu ihres Geſchlechtes Glauben bekenneten/ aus einer allzu thummen Andacht ihre Speiſen ſechs Monate mit Kuͤhmiſte vermiſchten. Aber er ſolte die Brahminen/ von welchen die Egy- ptier allererſt ihren Gottesdienſt/ wiewol mit nicht geringer Verfaͤlſchung bekommen/ eben ſo wenig fuͤr ſo alber anſehen/ daß ſie eine Kuh fuͤr eine Goͤttin/ oder einen Ochſen/ wormit [Spaltenumbruch] bey den Jndianern Baſira/ bey den Egyptiern Serapis/ bey den Juden Joſeph fuͤrgeſtellt wuͤrde/ fuͤr einen Gott hielten/ als andere Voͤl- cker/ welche noch veraͤchtlichere Thiere darfuͤr verehret. Unter dieſen geringen Schalen waͤre ein koͤſtlicher Kern verborgen; Nicht zwar/ daß nach dem Aberglauben des Poͤfels ei- ne Kuh mit ihren Hoͤrnern die Welt-Kugel un- terſtuͤtzte/ ſondern mit dieſem Thiere haͤtten ſo wol ihre Vorfahren/ als andere Voͤlcker die Fruchtbarkeit der Natur abgebildet; alſo/ daß wie ihm zu Memphis ein Prieſter erzehlet/ auch die Roͤmer die Vorſicht des Korn-Vogts Mi- nucius/ die Egyptier das Grab ihres Serapis mit dem Bilde eines verguͤldeten Ochſen be- ſchencket haͤtten. Und dem Egyptiſchen Oſiris waͤre von Gott in einem Traume durch ſieben magere und fette Kuͤh der Mangel und Uberfluß kuͤnfftiger Jahre entdecket worden. Warum ſolten ſie nicht das Bild des goͤttlichen Segens in ihre Heiligthuͤmer ſetzen/ nach dem es die Vorwelt nicht ohne Nachdencken unter die zwoͤlf himmliſchen Zeichen geſtellet? Ge- wiß/ dieſes Geheimnuͤß/ warum die Egyptier allein einen rothen Ochſen opffern/ warum die Juden allein mit der Aſche einer rothen Kuh/ die durch Anruͤhrung eines Todten ſich befle- ckenden/ zu ihrer Reinigung beſprengen/ waͤre durch kein Nachſinnen zu ergruͤnden; es wuͤrde aber deſſen Auslegung in weniger Zeit kund werden. Dannenhero muͤſte ein Weiſer aus dem kalten Kieſelſteine eines rauhen Vorbildes das Feuer eines heilſamen Verſtandes herfuͤr bringen. Sintemahl bey ihnen und andern Voͤlckern der blinden Vernunfft noch wol aͤr- gerlicher zu ſeyn ſchiene/ daß die Egyptier und Roͤmer an dem Feſte des Oſiris und Bacchus das maͤnnliche/ die Syracuſier an ihrem Theſ- mophoriſchen Feyer das aus Honig und Geſaͤ- me gefertigte weibliche Geburts-Glied/ wir beydes vereinbart in Tempel ſetzen/ zur Schaue tragen und verehren; da man doch hier durch theils
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Fuͤnfftes Buch
met dieſes mit Fleiß von einem heiligen Thiere/
um uns zu erinnern/ daß dem groſſen Gotte
nichts/ was zu ſeinem Dienſte andaͤchtig ge-
wiedmet wird/ zu veraͤchtlich ſey/ und daß wir
das irrdene Gefaͤſſe unſers zerbrechlichen Lei-
bes mit einem frommen Leben einbalſamen ſol-
len. Zeno berichtete hierauf; Er habe den
Brahman gefragt: warum ſie denn die Kuͤhe
fuͤr ſo heilige Thiere hielten? indem er ihre Bil-
der nicht nur in ihren Tempeln haͤuſſig gefun-
den/ ſondern auch gehoͤrt/ daß ein Brahman e-
he ſterben/ ja lieber das Fleiſch ſeiner Eltern/
als von einer Kuh eſſen wuͤrde. Zwar haͤtten
die Athenienſer und Roͤmer fuͤr Zeiten bey Le-
bens-Straffe ein Rind zu ſchlachten verboten;
ja jene haͤtten ſie nicht einſt ihren Goͤttern zu
Opffern gegoͤnnet; aber diß waͤre nicht wegen
ihrer eingebildeten Heiligkeit/ ſondern ihrer
Nutzbarkeit halber geſchehen/ weil ſie nicht allei-
ne der Ackers-Leute Arbeits-Gefaͤrthen waͤren/
ſondern auch mit ihrem Miſte den Bodem tin-
geten/ und die Kuͤh ihre Milch den Sterblichen
gleichſam zur erſten Speiſe gegeben haͤtten.
Worauf aber Zarmar verſetzt: Warum von
den Lybiern die Boͤcke/ von den Voͤlckern in der
Atlantiſchen Jnſel die Schlangen/ von den
Egyptiern Zwiebeln/ Katzen und eben die Och-
ſen ſo hoch verehret wuͤrden? Zwar billigte er
nicht den Aberglauben des unverſtaͤndigen Poͤ-
fels/ welcher das Vorbild mit dem geheimen
Verſtande vermiſchten/ und wenn ſie die Heilig-
keit in das Fell und die Knochen dieſer Thiere
einſperreten/ die Spreu fuͤr den Weitzen erkie-
ſeten/ und daher auch dieſelben/ welche ſich zu
ihres Geſchlechtes Glauben bekenneten/ aus
einer allzu thummen Andacht ihre Speiſen
ſechs Monate mit Kuͤhmiſte vermiſchten. Aber
er ſolte die Brahminen/ von welchen die Egy-
ptier allererſt ihren Gottesdienſt/ wiewol mit
nicht geringer Verfaͤlſchung bekommen/ eben
ſo wenig fuͤr ſo alber anſehen/ daß ſie eine Kuh
fuͤr eine Goͤttin/ oder einen Ochſen/ wormit
bey den Jndianern Baſira/ bey den Egyptiern
Serapis/ bey den Juden Joſeph fuͤrgeſtellt
wuͤrde/ fuͤr einen Gott hielten/ als andere Voͤl-
cker/ welche noch veraͤchtlichere Thiere darfuͤr
verehret. Unter dieſen geringen Schalen
waͤre ein koͤſtlicher Kern verborgen; Nicht
zwar/ daß nach dem Aberglauben des Poͤfels ei-
ne Kuh mit ihren Hoͤrnern die Welt-Kugel un-
terſtuͤtzte/ ſondern mit dieſem Thiere haͤtten ſo
wol ihre Vorfahren/ als andere Voͤlcker die
Fruchtbarkeit der Natur abgebildet; alſo/ daß
wie ihm zu Memphis ein Prieſter erzehlet/ auch
die Roͤmer die Vorſicht des Korn-Vogts Mi-
nucius/ die Egyptier das Grab ihres Serapis
mit dem Bilde eines verguͤldeten Ochſen be-
ſchencket haͤtten. Und dem Egyptiſchen
Oſiris waͤre von Gott in einem Traume durch
ſieben magere und fette Kuͤh der Mangel und
Uberfluß kuͤnfftiger Jahre entdecket worden.
Warum ſolten ſie nicht das Bild des goͤttlichen
Segens in ihre Heiligthuͤmer ſetzen/ nach dem
es die Vorwelt nicht ohne Nachdencken unter
die zwoͤlf himmliſchen Zeichen geſtellet? Ge-
wiß/ dieſes Geheimnuͤß/ warum die Egyptier
allein einen rothen Ochſen opffern/ warum die
Juden allein mit der Aſche einer rothen Kuh/
die durch Anruͤhrung eines Todten ſich befle-
ckenden/ zu ihrer Reinigung beſprengen/ waͤre
durch kein Nachſinnen zu ergruͤnden; es wuͤrde
aber deſſen Auslegung in weniger Zeit kund
werden. Dannenhero muͤſte ein Weiſer aus
dem kalten Kieſelſteine eines rauhen Vorbildes
das Feuer eines heilſamen Verſtandes herfuͤr
bringen. Sintemahl bey ihnen und andern
Voͤlckern der blinden Vernunfft noch wol aͤr-
gerlicher zu ſeyn ſchiene/ daß die Egyptier und
Roͤmer an dem Feſte des Oſiris und Bacchus
das maͤnnliche/ die Syracuſier an ihrem Theſ-
mophoriſchen Feyer das aus Honig und Geſaͤ-
me gefertigte weibliche Geburts-Glied/ wir
beydes vereinbart in Tempel ſetzen/ zur Schaue
tragen und verehren; da man doch hier durch
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