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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] mit der rechten ihm den Mund zuhielte. Und
vom Mercur sagte man/ daß er eine stumme
Göttin geheyrathet hätte. Hertzog Herr-
mann fing an: Jch muß unsere Druyden auch
hierzu rechnen/ welche die sich in ihre Gemein-
schafft begebende Edelknaben gantzer zwantzig
Jahr lang in geheim unterrichten; auch ihre
Geheimnüsse gar nicht aufschreiben/ ihre Lehr-
linge mit theuren Eyden fässeln/ daß sie nichts
von ihren hohen Lehren/ insonderheit aber dem
Pöfel nicht eröffnen dörffen; auser diß/ was zu
der Tapfferkeit zu wissen nöthig ist/ nehmlich/
daß die Seelen unsterblich sind. Massen denn
die Deutschen durchgehends für heiliger halten/
Göttliche Geheimnüsse gläuben/ als derselben
Wissenschafft ergrübeln wollen. Eben diß/
sagte Zeno/ nehmen auch die Egyptier/ Seren
und Jndianer in acht; welche letztern für die
Gelehrten eine gantz absondere Schreibens-
Art haben/ die ersten aber alle Weißheit unter
tunckele Sinnenbilder verstecken/ für die Thü-
ren ihrer Tempel einen Sphynx setzen/ beyde
aber sich sonderlich in acht nehmen ihren Wei-
bern nichts hiervon zu vertrauen. Weßwe-
gen ich mich selbst noch verwundere/ daß dieser
Weise mit mir Fremden so verträulich ward.
Der Gesandte Masulipat entdeckte mir an-
fangs/ als ich mich über die Einsamkeit die Klei-
dung und Sitten dieses Weisen wunderte/ in-
sonderheit/ daß er weder einiges Fleisch aß/ noch
den Königlichen Gesandten seiner Taffel wür-
digte; Es hätten diese Weltweisen ihren Nah-
men vom Brahma/ den unser Plato das Wort
des einigen Gottes nennte/ welcher aus einer
wäßrichten Blume/ die dem auff dem Wasser
mit der Zehe im Munde spielenden einigen
Gotte aus dem Nabel gewachsen seyn solte/ ent-
sprossen wäre/ und durch den so wohl als durch
den Geist und die Seele der Welt Gott Him-
mel/ Erde und Meer erschaffen hätte. Der
erste Brahman wäre gewest Kaßiopa/ den Gott
[Spaltenumbruch] durch Brahma nicht vermittelst einer Frauen/
sondern nach seinem Willen aus Erde erschaf-
fen. Dieser Kaßiopa hätte mit seinem from-
men Weibe Diti die Brahminen gezeuget/
welche aus zweyen von ihr gelegten Eyern/ wie
die Kinder der Leda und die Syrische Göttin
Atargatis wären ausgebrütet worden. Sie
hätten anfangs ihren Auffenthalt zwischen dem
Phrat/ Tiger und in Syrien biß auff Abram
gehabt; hernach aber wären seine und der
Chettura Kinder in Magulaba ein Theil Ara-
biens/ und so fort in Jndien kommen. Sie
hätten Wissenschafft aller Geheimnüsse im
Himmel und der Hölle/ und deßhalben die Ser-
ge für die Seelen/ und die Verpflegung der
Todten. Sie wären als das angenehmste Ge-
schlechte Gottes von aller Arbeit/ Auflage und
Dienstbarkeit befreyet; Hingegen müsten alle
andere Geschlechte sie versorgen/ und den drit-
ten Theil der Einkunfften vom Lande ihnen lie-
fern. Ja auch die Edlen wären begierig ihnen
zu dienen/ und für sie das Leben zu lassen/ weil
Gott jenes für einen ihm selbst geleisteten Dienst
annehme; dieses aber sie nicht/ wenn die Son-
ne Sudwärts laufft/ da nehmlich die Sterben-
den nicht in den freudigen Ort Surgam kom-
men könten/ sterben liesse/ sondern sie unzweif-
felbar in solch Paradiß nach dem Tode versetzte.
Die Könige erwiesen selbst ihnen demüthige
Ehrerbietung/ welche Zepter und Krone zu
tragen ihrem Geschlechte allzu verächtlich hiel-
ten/ als welche alleine aus dem Haupte des
Brahma entsprossen wären; dahingegen die
Edlen und andere nur aus seinen andern Glie-
dern den Uhrsprung hätten. Wiewol sie gleich-
wol dem gemeinen Wesen zum Besten ihre Ge-
sandten und Räthe zu seyn nicht verschmäheten.
Kein Richter hätte Macht über ihr Haupt den
Stab zu brechen/ wenn ihre Verbrechen gleich
vielfältig den Todt verschuldet hätten. Hinge-
gen wäre es eine der fünf grösten Sünden einen

Brah-
O o o o 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] mit der rechten ihm den Mund zuhielte. Und
vom Mercur ſagte man/ daß er eine ſtumme
Goͤttin geheyrathet haͤtte. Hertzog Herr-
mann fing an: Jch muß unſere Druyden auch
hierzu rechnen/ welche die ſich in ihre Gemein-
ſchafft begebende Edelknaben gantzer zwantzig
Jahr lang in geheim unterrichten; auch ihre
Geheimnuͤſſe gar nicht aufſchreiben/ ihre Lehr-
linge mit theuren Eyden faͤſſeln/ daß ſie nichts
von ihren hohen Lehren/ inſonderheit aber dem
Poͤfel nicht eroͤffnen doͤrffen; auſer diß/ was zu
der Tapfferkeit zu wiſſen noͤthig iſt/ nehmlich/
daß die Seelen unſterblich ſind. Maſſen denn
die Deutſchen durchgehends fuͤr heiliger halten/
Goͤttliche Geheimnuͤſſe glaͤuben/ als derſelben
Wiſſenſchafft ergruͤbeln wollen. Eben diß/
ſagte Zeno/ nehmen auch die Egyptier/ Seren
und Jndianer in acht; welche letztern fuͤr die
Gelehrten eine gantz abſondere Schreibens-
Art haben/ die erſten aber alle Weißheit unter
tunckele Sinnenbilder verſtecken/ fuͤr die Thuͤ-
ren ihrer Tempel einen Sphynx ſetzen/ beyde
aber ſich ſonderlich in acht nehmen ihren Wei-
bern nichts hiervon zu vertrauen. Weßwe-
gen ich mich ſelbſt noch verwundere/ daß dieſer
Weiſe mit mir Fremden ſo vertraͤulich ward.
Der Geſandte Maſulipat entdeckte mir an-
fangs/ als ich mich uͤber die Einſamkeit die Klei-
dung und Sitten dieſes Weiſen wunderte/ in-
ſonderheit/ daß er weder einiges Fleiſch aß/ noch
den Koͤniglichen Geſandten ſeiner Taffel wuͤr-
digte; Es haͤtten dieſe Weltweiſen ihren Nah-
men vom Brahma/ den unſer Plato das Wort
des einigen Gottes nennte/ welcher aus einer
waͤßrichten Blume/ die dem auff dem Waſſer
mit der Zehe im Munde ſpielenden einigen
Gotte aus dem Nabel gewachſen ſeyn ſolte/ ent-
ſproſſen waͤre/ und durch den ſo wohl als durch
den Geiſt und die Seele der Welt Gott Him-
mel/ Erde und Meer erſchaffen haͤtte. Der
erſte Brahman waͤre geweſt Kaßiopa/ den Gott
[Spaltenumbruch] durch Brahma nicht vermittelſt einer Frauen/
ſondern nach ſeinem Willen aus Erde erſchaf-
fen. Dieſer Kaßiopa haͤtte mit ſeinem from-
men Weibe Diti die Brahminen gezeuget/
welche aus zweyen von ihr gelegten Eyern/ wie
die Kinder der Leda und die Syriſche Goͤttin
Atargatis waͤren ausgebruͤtet worden. Sie
haͤtten anfangs ihren Auffenthalt zwiſchen dem
Phrat/ Tiger und in Syrien biß auff Abram
gehabt; hernach aber waͤren ſeine und der
Chettura Kinder in Magulaba ein Theil Ara-
biens/ und ſo fort in Jndien kommen. Sie
haͤtten Wiſſenſchafft aller Geheimnuͤſſe im
Himmel und der Hoͤlle/ und deßhalben die Ser-
ge fuͤr die Seelen/ und die Verpflegung der
Todten. Sie waͤren als das angenehmſte Ge-
ſchlechte Gottes von aller Arbeit/ Auflage und
Dienſtbarkeit befreyet; Hingegen muͤſten alle
andere Geſchlechte ſie verſorgen/ und den drit-
ten Theil der Einkunfften vom Lande ihnen lie-
fern. Ja auch die Edlen waͤren begierig ihnen
zu dienen/ und fuͤr ſie das Leben zu laſſen/ weil
Gott jenes fuͤr einen ihm ſelbſt geleiſteten Dienſt
annehme; dieſes aber ſie nicht/ wenn die Son-
ne Sudwaͤrts laufft/ da nehmlich die Sterben-
den nicht in den freudigen Ort Surgam kom-
men koͤnten/ ſterben lieſſe/ ſondern ſie unzweif-
felbar in ſolch Paradiß nach dem Tode verſetzte.
Die Koͤnige erwieſen ſelbſt ihnen demuͤthige
Ehrerbietung/ welche Zepter und Krone zu
tragen ihrem Geſchlechte allzu veraͤchtlich hiel-
ten/ als welche alleine aus dem Haupte des
Brahma entſproſſen waͤren; dahingegen die
Edlen und andere nur aus ſeinen andern Glie-
dern den Uhrſprung haͤtten. Wiewol ſie gleich-
wol dem gemeinen Weſen zum Beſten ihre Ge-
ſandten und Raͤthe zu ſeyn nicht verſchmaͤheten.
Kein Richter haͤtte Macht uͤber ihr Haupt den
Stab zu brechen/ wenn ihre Verbrechen gleich
vielfaͤltig den Todt verſchuldet haͤtten. Hinge-
gen waͤre es eine der fuͤnf groͤſten Suͤnden einen

Brah-
O o o o 2
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[659/0715] Arminius und Thußnelda. mit der rechten ihm den Mund zuhielte. Und vom Mercur ſagte man/ daß er eine ſtumme Goͤttin geheyrathet haͤtte. Hertzog Herr- mann fing an: Jch muß unſere Druyden auch hierzu rechnen/ welche die ſich in ihre Gemein- ſchafft begebende Edelknaben gantzer zwantzig Jahr lang in geheim unterrichten; auch ihre Geheimnuͤſſe gar nicht aufſchreiben/ ihre Lehr- linge mit theuren Eyden faͤſſeln/ daß ſie nichts von ihren hohen Lehren/ inſonderheit aber dem Poͤfel nicht eroͤffnen doͤrffen; auſer diß/ was zu der Tapfferkeit zu wiſſen noͤthig iſt/ nehmlich/ daß die Seelen unſterblich ſind. Maſſen denn die Deutſchen durchgehends fuͤr heiliger halten/ Goͤttliche Geheimnuͤſſe glaͤuben/ als derſelben Wiſſenſchafft ergruͤbeln wollen. Eben diß/ ſagte Zeno/ nehmen auch die Egyptier/ Seren und Jndianer in acht; welche letztern fuͤr die Gelehrten eine gantz abſondere Schreibens- Art haben/ die erſten aber alle Weißheit unter tunckele Sinnenbilder verſtecken/ fuͤr die Thuͤ- ren ihrer Tempel einen Sphynx ſetzen/ beyde aber ſich ſonderlich in acht nehmen ihren Wei- bern nichts hiervon zu vertrauen. Weßwe- gen ich mich ſelbſt noch verwundere/ daß dieſer Weiſe mit mir Fremden ſo vertraͤulich ward. Der Geſandte Maſulipat entdeckte mir an- fangs/ als ich mich uͤber die Einſamkeit die Klei- dung und Sitten dieſes Weiſen wunderte/ in- ſonderheit/ daß er weder einiges Fleiſch aß/ noch den Koͤniglichen Geſandten ſeiner Taffel wuͤr- digte; Es haͤtten dieſe Weltweiſen ihren Nah- men vom Brahma/ den unſer Plato das Wort des einigen Gottes nennte/ welcher aus einer waͤßrichten Blume/ die dem auff dem Waſſer mit der Zehe im Munde ſpielenden einigen Gotte aus dem Nabel gewachſen ſeyn ſolte/ ent- ſproſſen waͤre/ und durch den ſo wohl als durch den Geiſt und die Seele der Welt Gott Him- mel/ Erde und Meer erſchaffen haͤtte. Der erſte Brahman waͤre geweſt Kaßiopa/ den Gott durch Brahma nicht vermittelſt einer Frauen/ ſondern nach ſeinem Willen aus Erde erſchaf- fen. Dieſer Kaßiopa haͤtte mit ſeinem from- men Weibe Diti die Brahminen gezeuget/ welche aus zweyen von ihr gelegten Eyern/ wie die Kinder der Leda und die Syriſche Goͤttin Atargatis waͤren ausgebruͤtet worden. Sie haͤtten anfangs ihren Auffenthalt zwiſchen dem Phrat/ Tiger und in Syrien biß auff Abram gehabt; hernach aber waͤren ſeine und der Chettura Kinder in Magulaba ein Theil Ara- biens/ und ſo fort in Jndien kommen. Sie haͤtten Wiſſenſchafft aller Geheimnuͤſſe im Himmel und der Hoͤlle/ und deßhalben die Ser- ge fuͤr die Seelen/ und die Verpflegung der Todten. Sie waͤren als das angenehmſte Ge- ſchlechte Gottes von aller Arbeit/ Auflage und Dienſtbarkeit befreyet; Hingegen muͤſten alle andere Geſchlechte ſie verſorgen/ und den drit- ten Theil der Einkunfften vom Lande ihnen lie- fern. Ja auch die Edlen waͤren begierig ihnen zu dienen/ und fuͤr ſie das Leben zu laſſen/ weil Gott jenes fuͤr einen ihm ſelbſt geleiſteten Dienſt annehme; dieſes aber ſie nicht/ wenn die Son- ne Sudwaͤrts laufft/ da nehmlich die Sterben- den nicht in den freudigen Ort Surgam kom- men koͤnten/ ſterben lieſſe/ ſondern ſie unzweif- felbar in ſolch Paradiß nach dem Tode verſetzte. Die Koͤnige erwieſen ſelbſt ihnen demuͤthige Ehrerbietung/ welche Zepter und Krone zu tragen ihrem Geſchlechte allzu veraͤchtlich hiel- ten/ als welche alleine aus dem Haupte des Brahma entſproſſen waͤren; dahingegen die Edlen und andere nur aus ſeinen andern Glie- dern den Uhrſprung haͤtten. Wiewol ſie gleich- wol dem gemeinen Weſen zum Beſten ihre Ge- ſandten und Raͤthe zu ſeyn nicht verſchmaͤheten. Kein Richter haͤtte Macht uͤber ihr Haupt den Stab zu brechen/ wenn ihre Verbrechen gleich vielfaͤltig den Todt verſchuldet haͤtten. Hinge- gen waͤre es eine der fuͤnf groͤſten Suͤnden einen Brah- O o o o 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/715>, abgerufen am 22.11.2024.